VERFÜHRUNG (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)


VERFÜHRUNG. Wohl selten wie bei einer Verführung (hier zu einem ersten Mal - ansonsten mag das wohl anders sein?) klaffen hohe Erwartung und banale Realität so weit auseinander. Erwartet wird etwas ganz Charmantes und Bezauberndes, etwas Erfrischendes und Bereicherndes, etwas Atemberaubendes und Ewiges, etwas Befreiendes und Aufbauendes, aber heraus kommt im allgemeinen nur etwas Zerstörerisches und Ausnutzerisches, etwas Ekelhaftes und Gemeines, etwas Vergewaltigendes und Katastrophales, schlichtweg etwas Ernüchterndes, von dem man im ganzen weiteren Leben nicht mehr loskommt. Dennoch stellt sich eine Verführung zumindest zunächst einmal als eine zutiefst menschliche Grenzerfahrung dar, und daher sehnen wir uns zumindest erst einmal nach ihr, komme, was da wolle! Leider entpuppt sie sich meistens als Flop, wenn es erst einmal passiert ist. Wir finden uns in einem Scherbenhaufen wieder, mit dem wir schließlich zwar leben können, aber den wir in unserem ganzen weiteren Leben als Trauma, eben als Enttäuschung und Leiche im Keller oder auch als Illusion herumschleppen müssen. Irgendwie haben wir da an etwas geschnuppert, was wohl doch nur ein nicht zu realisierender phantastischer Traum war? Oder doch nicht? Ist es das, was die Tür zum Paradies hier auf Erden hätte sein können, wenn es nur gelungen wäre?

 

Eine Verführung ist eben nicht die Erlösung oder der Befreiungsschlag von aller Enge und Leibfeindlichkeit und Verklemmtheit!

 

Die Frage stellt sich, ob wirklich emanzipierte Menschen überhaupt Bedarf nach so etwas wie Verführung haben (manche suchen sie sogar!), ob sie überhaupt verführbar oder ob sie nicht gar immun dagegen sind, weil sie einfach etwas Besseres wissen? Könnte es nicht sein, daß die Verführbarkeit eines Menschen ein sicheres Indiz dafür ist, daß seine Emanzipation eben nicht gelungen ist? Unsere Situation ist doch oft die des Cinderella-Komplexes: Man ist dazu erzogen worden, brav, moralisch und unsexuell zu sein und nach außen hin so zu tun, als ob man kein Wässerchen trüben könnte. Doch das alles ist nur Fassade. Innerlich nämlich kocht und brodelt es in einem, die Hormone und die Neugier lassen sich eben nicht so einfach unterdrücken. Na ja, und dann träumt man eben von dem ganz großen Befreiungsschlag, der alle Bedenken (auch von irgendeiner Schuld) hinwegwischt und dem wir uns wie einer überwältigenden Naturgewalt ausliefern können und dürfen. Die kleinen normalen Schritte, die es auch getan hätten, sind eben leider versperrt und da braucht es nun einmal das große "Ventil"! Machen wir es uns bewußt: Unsere Natur fordert nun einmal ihren Tribut, und wenn wir den nicht sinnvoll und freiwillig in unsere Leben einbauen, dann werden wir eben mit mehr oder weniger Gewalt dazu gezwungen!

 

Ängste können einem alles verleiden, auch eine Verführung! Und wenn wir glauben, diese Ängste überspielen zu können oder zu müssen (weil das alle tun - siehe allerdings unter Schweigespirale), dann vergewaltigen wir uns nur selbst!

 

Denn die Fragen sind natürlich immer: "Von wem?" - "Mit wem?" - "Lohnen die Chancen das Risiko?" - "Gibt es wirklich keine Alternativen?" - "Ist denn der Geschlechtsverkehr das passende Objekt für eine Verführung?" - "Und wie geht´s weiter?"

 

Alle diese Fragen schwingen zumindest untergründig immer mit und müssen schlicht und einfach verdrängt werden. Und diese Verdrängung kann umso besser funktionieren, je weniger die jungen Leute genau wissen, was los ist - analog dem Heldentod auf dem Schlachtfeld (zumindest in einem überflüssigen Krieg)! Wenn sie es wüßten, würden sie so etwas nie und nimmer mit sich machen lassen!

 

Ursache für das Gelingen einer solchen Verführung ist immer die berühmte rosarote Brille in Verbindung mit einem vordergründigen Weiblichkeits- und Männlichkeits-Bild und Fixiertheit auf "das Eine" und keine Ahnung über Alternativen wie den geeigneten Sollbruchstellen. Wir haben hier auch eine typische Täter-Opfer-Situation vor uns mit den entsprechenden Verhaltensweisen des "Opfers": Naivität, Sexualängste und Tabuisierung von allem weiteren Nachdenken. Derjenige, der verführt werden soll, darf das Spiel, was da mit ihm getrieben wird, nicht nur in der Methode, sondern auch in den verschiedenen Konsequenzen nicht oder möglichst wenig durchschauen (er darf also keinen wirklichen Durchblick haben). Insofern kommt ihm unsere heutige Erziehungssituation entgegen: Nur nicht die Unschuld eines Kindes verwirren, heißt ja auch, es für die Opferrolle vorherzubestimmen.

 

Auch das ist Sinn des Tabus: Beim Opfer muß der Eindruck entstehen, daß es das alles schließlich auch wollte und also selbst schuld ist.

 

Ja, derjenige, der da verführt wird, muß sich sogar noch Illusionen machen, etwa, daß er es ist, der vielleicht sogar verführt und irgendeinen (irrationalen) Vorteil dabei hat und daß er den anderen vielleicht durch einen Liebesbeweis verändern könnte. Und hinterher muß er sich noch selbst die Schuld geben, daß er es war, der etwas in der Beziehung falsch gemacht hatte, daß sie nicht hielt.

Ein moderner Ausdruck für solche Verführung ist Anmache. Wichtigste Verbündete eines Verführers sind seine Zutreiber, und das sind stets alle diejenigen, die den jungen Menschen eine heile Welt vorgaukeln und sie seit frühester Jugend an von jeder wirklichen Auseinandersetzung mit der Ambivalenz dieser ganzen Dinge fernhalten, die eher nützliche Idioten sind als ihre Verantwortlichkeit zu erkennen. Und das ist leider zumeist die Wirklichkeit unserer Erziehung

Ganz besonders gilt das alles für die Verführung einer Jungfrau zu ihrem ersten Geschlechtsverkehr, zur Entjungferung. Solche Mädchen sind im allgemeinen noch voller Utopien und Illusionen, sie sind romantisch und träumen von wunderbarer Harmonie und Vertrauen mit einem ersehnten Partner und sind nur dann zum Geschlechtsverkehr bereit, wenn sie den Eindruck haben, daß sie am Ziel ihrer Träume angelangt sind. Ein Verführer (siehe Don Juan) ist immer auch ein geschickter Psychologe und weiß das alles und verhält sich entsprechend. So wird er also nicht unbedingt direkt sagen oder zeigen, was er will, sondern ein Versprechen zur Erfüllung der Träume uns Sehnsüchte des Mädchens aufbauen, ja er muß sich mehr oder weniger vorsichtig als den idealen Traumpartner darstellen - und wenn es nur für dieses eine Mal ist.

 

Bedeutende Thematik in Theater, Literatur und Film.

 

Daß es sich hier nicht um irgendein belangloses und nebensächliches Thema handelt, wie uns angeblich emanzipierte Pädagogen usw. (siehe dazu Emanzpation) weiszumachen versuchen, über das es sich nicht lohnt nachzudenken oder gar zu forschen, können wir leicht erkennen, wenn wir uns einmal unsere Kulturproduktion durch den Kopf gehen lassen. Das wohl bedeutendste und bekannteste Drama von Goethe beschäftigt sich damit ("Faust"), ebenso eine der bedeutendsten Opern von Mozart ("Don Giovanni"), von Puccini ("Madame Butterfly") - und nicht zuletzt auch ein immer noch aktueller Kultfilm ("Kids"). Und in allen genannten Werken wird auch die Masche und die Verachtung des Mannes für das Mädchen deutlich ausgesprochen, sie zum Sex zu bringen, ist eben "für ihn" nur eine Affäre oder eben ein Kavaliersdelikt.  Das Problem ist, daß dieses Werke unserer Kultur entweder den jungen Menschen gar nicht richtig zugänglich gemacht werden oder so getan wird, daß das alles mit dem eigenen Leben nichts zu tun hat, der Gesichtspunkt "eigenes Leben" fällt zumeist völlig unter den Tisch und wird daher auch gar nicht wahrgenommen. Selbst bei einem Film wie "Kids", wo der Jungfrauenknacker Telly sehr lebensnah geschildert wird, ahnt niemand so recht, daß hier die eigene Geschichte gespielt wird. Irgendwie ist unsere Aufmerksamkeit wie bei einem Zaubertrick abgelenkt, wir achten einfach nicht auf den Knüller der Sache - oder vielleicht wollen wir auch nicht darauf achten?

 

Jede Verführung ist ein Spiel nach taktischen Regeln!

So wenig wie es letztlich für das Gelingen einer Verführung feste Spielregeln gibt, genauso wenig gibt es auch absolut sichere Rezepte, Verführungstechniken zu durchschauen und ihnen zu entgehen. Wir haben es hier mit einer echten Kampfsituation (im Sinn von strategischen Spielen - siehe Strategie) zu tun, die vor dem Hintergrund des ganzen Geschlechterkampfs überhaupt gesehen werden muß.

Bewußt oder unbewußt spielt sich für einen Verführer da etwa Folgendes ab:

  1. Er darf das Mädchen nicht misstrauisch machen, das heißt, daß er vor allem sein Wertegefühl, das mit bestimmten Ängsten verbunden ist, nicht in Zweifel zieht. Er wird also wohl kaum in ordinärer Weise auf es zugehen, auch wird er nicht sein Gefühl für Sitte und Anstand (vom Mädchen als Moral interpretiert, die in unserem Kulturkreis an die <Sexual- >Scham gekoppelt ist) infrage stellen. Das ist ja auch gar nicht notwendig, darum geht es ihm ja auch gar nicht, ihm geht es ja um Geschlechtsverkehr.

  2. Der Verführer nutzt den fehlenden Überblick des Mädchens aus, nicht nur sein fehlendes oder mangelhaftes Wissen über die Ambivalenz des Geschlechtsverkehrs, sondern auch seine Ahnungslosigkeit über die Möglichkeit, die höchste sexuelle Lust, also den Orgasmus, auch ohne vollendete Tatsachen zu erfahren. Von Vorteil für ihn ist auch, daß sich das Mädchen gar nicht bewußt ist, daß für unerfahrene Mädchen nicht einmal ein innerer Zwang zum Geschlechtsverkehr besteht, sondern nur zur intensiven Berührung mit Haut und Haaren oder vielleicht auch noch nicht einmal dazu. Zu Hilfe kommen ihm weiter die fehlende Kenntnis eines Mädchens über den Unterschied von Verliebtheit und Liebe und über die Hilfestellungen unseres christlichen Glaubens mit den Empfehlungen der Zehn Gebote. Denn das Mädchen sieht das alles ja als verklemmt und veraltet an und weiß natürlich daher auch nichts von der praktischen Möglichkeit, sich beim Verweigern des Liebesbeweises auf das Gebot der Heiligkeit der Ehe berufen zu können, um den geliebten Freund nicht persönlich zu verprellen.  

  3. Der Verführer nutzt geschickt das dogmatische Denken des Mädchens (siehe Dogmatik) in Bezug auf Moral! So wie Lügen immer der jeweiligen Situation angepaßt werden müssen, um zum Ziel zu gelangen, müßten eigentlich auch die Gegen-Stragegien angepaßt werden. Doch es ist gerade Kennzeichen  konservativer Menschen, daß in ihnen so starke Regeln im Hinblick auf Moral bestehen, die den Charakter von Dogmen haben, daß es schier unmöglich für sie ist, zum notwendigen strategischen Denken zu kommen (siehe Strategie). Und festgefahrene Strukturen lassen sich eben immer "knacken"!

  4. Von großem Vorteil ist, wenn das Mädchen in die Glaubwürdigkeit seiner Eltern und seiner sonstigen Erzieher kein rechtes Vertrauen mehr hat. Wenn es dem Freund gelingt, des Mädchens Suche nach jemandem, dem es wirklich vertrauen kann, auf sich zu lenken, kommt er dem Ziel der Verführung schon ein ganzes Stück näher.

  5. Der Verführer muß konkret genau dort ansetzen, wofür das Mädchen empfänglich ist. Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe, nach Vertrauen, nach Geborgenheit und Sicherheit, nach Anerkennung und nicht zuletzt auch nach Freiheit, also danach, endlich einmal unabhängig von der Bevormundung durch Eltern, Lehrern und auch Pfarrern selbständige Entscheidungen zu treffen.

  6. Er weiß aber auch, daß alle Mädchen auch Menschen aus Fleisch und Blut sind, selbst wenn sie sich noch so unnahbar geben. Jedes von ihnen sehnt sich nach einem Rausch der Gefühle (siehe Hormone), nach Zärtlichkeit), nach hautenger Gemeinschaft mit einem Jungen oder Mann, der ihm sympathisch ist, ja es platzt schier vor Sehnsucht und Neugier, mit einem solchen Menschen zusammen zu sein. Es sucht nur die Gelegenheit und eine passende innere Rationalisierung, die es ihm leicht macht, alle Bedenken über Bord zu werfen.

  7. Und ein Verführer versteht es auch, eine gewisse Torschlußpanik zu vermitteln: Auf wen wartet das Mädchen denn noch, ob es nicht etwa frigide (gefühlskalt) sei, ob es am Ende nicht doch noch eine alte Jungfer werden möchte, ob es nicht wisse, daß man vor der Ehe doch das Zusammensein (natürlich auch das mit vollendeten Tatsachen) erproben müsse, damit es nicht später zum Zerbrechen einer Ehe kommt.

  8. Falscher christlicher Glaube erleichtert einem Verführer sein Spiel erheblich. Wie vorteilhaft ist es für ihn, wenn sich das Mädchen Illusionen über Vergebung und Verzeihung macht, wenn es sogar noch die Beichte als Lösungsmöglichkeit im Hinterkopf hat, falls etwas schief laufen sollte! Man darf sich natürlich jetzt wirklich einmal fragen, ob diejenigen, die solchen Glauben schon an Kinder verkaufen, nicht den Zuhältern näher stehen als wirklichen Erziehern, selbst wenn ihre Religionsstunden noch so fromm und kindgemäß klingen. (Richtiger  christlicher Glaube dagegen hätte vernünftige Informationen vermittelt und auf das Gebet um die Gnade verwiesen, nicht auf eine Verführung reinzufallen. Solches Gebet hat übrigens höchste Chancen, erhört zu werden, ganz einfach schon einmal deshalb, weil derjenige, der um etwas betet, wenigstens schon einmal das Problem erkannt hat.) 

  9. Zustatten kommt dem Verführer auch die rosarote Brille des Mädchens, das von seinen intensiven und subjektiv auch ehrenvollen Gefühlen auf eben solche des Partners schließt.

Das alles kann sehr langsam aber natürlich auch gerafft in Windeseile sozusagen im Überrumpelungseffekt geschehen! Wichtig ist nur noch ein konkreter Auslöser mit viel Verliebtheit und mit mehr oder weniger viel Zärtlichkeit. Und wenn das Mädchen sich in seine vermeintliche Liebe so recht hineingesteigert hat, wird über kurz oder lang bei ihm aller Widerstand erlöschen und es wird sozusagen schon von sich aus eine Möglichkeit zum Geschlechtsverkehr suchen und natürlich auch finden. Erst hinterher - oft sogar allerdings schon im Moment des Geschlechtsverkehrs - kommt die Ernüchterung und es merkt (vielleicht), wie es reingefallen ist.

Die Fehlentscheidung wird jetzt mit neuen Rationalisierungen verdrängt und als notwendige Erfahrung interpretiert. Sollte es zu einer Ehe kommen, etwa weil das Mädchen zu allem Pech auch noch schwanger wurde und eine Abtreibung abgelehnt wird, wird diese oft zur Katastrophe, weil hinter der ganzen Beziehung ja im Grunde sogar eine Verachtung des Mädchens und kaum je brauchbare Ansätze einer wirklichen Partnerschaft gestanden haben. Im Unterschied zu einer Vergewaltigung hatte der Verführer nicht von der körperlichen, sondern von der geistigen Unterlegenheit profitiert. 

 

Oft sind heute die Mädchen auch die treibenden Kräfte.

 

Mir wird bisweilen vorgeworfen, ich sähe immer nur die Mädchen als die armen Opfer, die Situation heute sei doch oft schon ganz anders: Es seien nicht mehr nur die Mädchen, die verführt würden, sondern sie seien oft sogar schon "die treibenden Kräfte".

Ich zitiere hierzu aus dem Stichwort Kindererziehung:  

Das stimmt - ja und nein. Auch ich kenne tatsächlich mehrere Mädchen, die mir versicherten, daß sie es waren, die "damit" anfingen und "es" wollten. Doch war für mich auch im folgenden Gespräch oder besser in den folgenden Gesprächen eindeutig, daß hier gar nicht einmal eine Art sexueller Druck vorlag - zumindest nicht von den "betreffenden Körperteilen" (also von dem, was wir unter Notgeilheit verstehen, kann schon gar keine Rede sein), sondern eher eine Art Gruppenzwang und/oder Langeweile, da war einfach irgendein Drang da und sie hatten gleichzeitig eben keinen Überblick oder besser Durchblick, auf was sie sich einließen und vor allem wegen der ihnen anerzogenen Leibfeindlichkeit keine Vorstellung von Alternativen oder eben "Ventilen" oder Sollbruchstellen, wie sie ihre Sexualität noch hätten anders gestalten können, sie hatten nie etwas von einer Unterscheidung von Liebe und Verliebtheit gehört, nichts von einer Phase der Ästhetik und von der Gandhi-Methode und auch nicht von Konzepten á la Gespräch 9 zwischen Beatrix und Martina - genau in diesen entscheidenden Fragen für ihr Handeln gab es immer noch die typischen Tabus. Ihnen blieb bei ihrem "Lebendigsein" sozusagen zwanghaft eigentlich nur "dieser eine Ausweg". Da war überhaupt keine Information gewesen, die ich als angemessen und vernünftig hätte erkennen können. (Vielleicht können wir also nicht von der Verführung durch einen einzelnen reden, sondern durch die ganze Gesellschaft, inklusive der sich christlich nennenden Religion?)

 

Und wie sieht nun eine Strategie gegen Verführung aus? Vor allem in einer Strategie zu einer positiven Verführung!

Im Grunde ist das ganze Konzept basisreligion als Strategie gegen die falsche und für die positive Verführung gedacht. Statt auf das Konzept der Männer einzugehen mit ihrer männlichen Sexualität preschen die Mädchen und Frauen jetzt mal mit einer typisch weiblichen Sexualität vor! Die wesentlichen Punkte sind:

1. Weg mit den irrationalen Ängsten (auch vor der Nacktheit, vor den bösen alten Männern, vor den K.-o.-Tropfen) und hin zu rationaler Furcht! Keine starren moralischen Regeln wie die (Sexual-)Scham! Wenn etwas - wie diese Scham - zum Bösen führt, dann ist auch das nun einmal böse! Und wenn etwas nicht dazu führt, ist es auch nicht böse, sondern eben gut, selbst wenn es erst einmal ungewohnt ist! Damit hängt zusammen:

2. Moral im Sinn von Sittlichkeit und nicht in Form von Sittsamkeit!

3. Unterscheidung zwischen Traumpartner und wirklicher Partnerschaft! Und man muß auch danach leben!

4. Realistische und rechtzeitige Vorstellungen von Verführungen, siehe etwa Gespräch 2 und auch Gespräch 35 oder der Bericht von der Abtreibung im Stichwort Kindererziehung

5. Natürlicher Umgang miteinander in der Familie - siehe Inzesttabu.

6. Ein Gruppeneffekt muß schon da sein: Es muß auch andere geben, die keine Lust haben, Opfer einer Verführung zu werden! Das wäre der Grund für eine Gemeinde.

7. Konkrete Vorstellungen, was ein Mann noch alles bieten kann, durch die Welt zu kommen oder die Welt zu erobern.

8. Die Verführungsgeschichten in unserer Kulturproduktion sollten schon bekannt und ausdiskutiert sein.

Und natürlich eine Vorstellung, wie es anders aussehen könnte!

Charmante Verführung ohne Ausbeutung und mit Gewinn an Menschenkenntnis - eine tolle Idee des alten Gandhi!

 

Was also, wenn da in einer Situation großer Sympathie jemand vorsichtig ausforschte, wie der Partner zu vollendeten Tatsachen steht, was er von der Adam-und-Eva-Geschichte hält, wie er die "erlaubten und die verbotenen Früchte" sieht und wie er seine Sicht in die Praxis umsetzt, ob er schon etwas von der Phase der Ästhetik und der Gandhi-Methode mit bewußter Enthaltsamkeit und von Tantrismus gehört hätte, was er sonst so an Erfahrungen in seinem Leben gemacht (oder hoffentlich nicht gemacht) hat, für was er sich sonst alles so interessiert und ob sie beide zusammen vielleicht sogar einmal etwas gemeinsam unternehmen könnten? Wie spannend wäre das alles, wenn man spürt, daß der andere dieselbe Utopie von einer Liebe in einer Einheit von Leib und Seele hat wie man selbst und auch genau die Furcht, da etwas falsch zu machen. Und irgendwann geht einem ein Licht auf, daß da eine ganz charmante Initiative anläuft und das Gefühl einer schönen Unvermeindbarkeit einen auch selbst zu überkommen beginnt...

Doch jetzt ist wirkliche Männlichkeit gefragt, eine, die aufbaut und nicht zerstört! Und je sicherer man (oder eben frau) sich des anderen wird, daß da Grenzen sind, desto angstfreier, phantasievoller und raffinierter kann sich jeder dann auch verhalten. So wie der eine sein Mannsein ausspielen und zeigen kann, kann die andere Weib sein und es auch zeigen ("Frau" ist hier nicht der richtige Ausdruck!).

Und wenn das klappt, dann weiß man, wie sehr man sich auf den anderen verlassen kann. Daher können jetzt die vernünftigen Verführungen beginnen: Zu den Erlebnissen der Phase der Ästhetik - und damit zu den berühmten kleinen Schritten, die die wirkliche Emanzipation und Freiheit bedeuteten. Siehe etwa das Gespräch 9 und das Gespräch 16 zwischen Martina und Beatrix - was gibt es hier nicht für spannende Möglichkeiten, die vor allem auch etwas mit Intelligenz und Menschenkenntnis zu tun haben!

Und wenn solche Begegnung jetzt zu keiner dauerhaften Beziehung führt, bleibt überhaupt kein fader Beigeschmack und erst recht kein (negativer) Streß, denn es sind ja keine vollendeten Tatsachen geschehen und so gibt es dieselbe Chance von Anfang an bei jemandem anders - noch einmal - und auch noch einmal! Das alles entspricht dann wohl auch der Neugierde und der Lebendigkeit junger Menschen, was sollte dagegen einzuwenden sein!

Und es fördert schließlich auch noch ihre weitere Menschenkenntnis, ja, damit stehen sogar die Chancen nicht schlecht, daß Verbindungen auf Dauer zustande kommen, die anders noch nicht einmal denkbar gewesen wären! Ein sehr schönes und zeitloses Buch über - allerdings die üblichen - Verführungskünste ist die "Liebeskunst" des römischen Schriftstellers Ovid. Dieses Buch wird oft als Ausdruck der Unmoral und Verkommenheit im Rom vor zweitausend Jahren gehalten. Es ist jedoch das völlige Gegenteil! Denn es besteht aus zwei Teilen, in einem wird den Männern erklärt, wie sie die Frauen verführen, und in dem anderen den Frauen, wie sie mit den Männern umgehen. Und sobald jeder die Verführungsstrategien des anderen Geschlechts kennt, wird man viel weniger leicht reinfallen. Nur müßte man natürlich auch wissen, wie nun richtige Liebe geschieht!

 

Aufgabe einer eigendienlichen Erziehung wäre, den jungen Menschen so vorzubereiten, daß er Verführungen erkennen und vermeiden lernt, um für wirkliche Liebe frei zu bleiben.

 

Ein konkretes Beispiel, wie solche Erziehung aussehen kann, siehe unter Kindererziehung

Bei der Verführung von Menschen mit Erfahrungen zu sexuellen Abenteuern gelten andere Gesetze, bisweilen kann man sie direkt darauf ansprechen (siehe Wiederholungszwang). Verführer von Kindern nennt man Kinderschänder oder Mitschnacker. Der Begriff der Verführung wird auch übertragen auf andere Lebensbereiche, etwa auf die Politik und auf die Wirtschaft, wir reden dann allerdings eher von Manipulation.

(Anmerkung: In der Diskussion mit einer Surferin ging es darum, daß ein Mädchen gerne begehrt und erobert werden möchte. Auch diese Erwartungshaltung birgt in sich ein großes Risiko für eine Verführung! Eine viel sinnvollere Erwartungshaltung wäre die nach echter Partnerschaft, denn durch diesen "Filter" kommen nur diejenigen durch, die auch selbst Partnerschaft suchen, draufgängerische und rücksichtslose Verführer bleiben hängen! Und innerhalb der Spielregeln der Zehn Gebote kann es eben durchaus auch so etwas wie Verführung geben, nur eben eine, die nicht zerstört sondern das wunderbare Feuer des Lebens ist!)  (Wörterbuch von basisreligion)

Siehe auch "sexuelle Selbstbestimmung" und "sexueller Missbrauch".