SEXUALITÄT (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Die SEXUALITÄT des Menschen dient im Grunde auf doppelte Weise sehr wirkungsvoll seiner Fortpflanzung und damit seiner Arterhaltung:

  1. Die geschlechtliche ("sexuelle") Vereinigung von Mann und Frau ermöglicht es, daß männliche Samenzellen die weiblichen Eizellen befruchten und daß dadurch dann neues menschliches Leben entsteht.

  2. Durch das beglückende und sehnsüchtig immer wieder neu angestrebte Erlebnis dieses Geschlechtsverkehrs auch über die fruchtbaren Tage der Frau hinaus (anders als in der übrigen Tierwelt) und anderer Zärtlichkeiten erreicht die Natur eine innige Bindung der Partner aneinander.

Im Grunde wären nämlich zur eigentlichen Fortpflanzung im Sinn der Arterhaltung einige wenige Geschlechtsverkehre im Lauf des Lebens eines Menschen ausreichend. Wenn es jedoch in der Geschichte der Menschheit immer nur dabei geblieben wäre und die Paare nach der Zeugung kein "triebbedingtes Interesse" mehr aneinander gehabt und sich immer wieder getrennt hätten, hätte sich die Menschheit wahrscheinlich gar nicht entwickelt. Denn zur Erzeugung von Nachkommen genügt es ja nicht nur, daß diese gerade in die Welt gesetzt, sondern daß sie auch aufgezogen und versorgt werden. Und wenn wir uns da die urzeitliche Welt mit ihren den Menschen oft feindlichen Bedingungen vergegenwärtigen, können wir uns auch ausrechnen, daß diese weiteren Leistungen kaum von den menschlichen Weibchen allein erbracht werden konnten.

Dank der Sexualität hat das Weibchen eine Möglichkeit, sich beim Männchen für die Nahrungsbeschaffung zu revanchieren und es damit an sich zu binden.

Und diese "weiteren Leistungen" beginnen schon einmal bei der Nahrungsbeschaffung. Wegen unseres Eiweißbedarfs sind wir Menschen ja seit jeher zumindest teilweise auf Fleischnahrung angewiesen, und das bedeutete in den Zeiten der Entstehung der Menschheit Jagd auf Tiere. Dabei wären nun Kinder, die bei der Jagd mit herumgetragen werden müßten, äußerst hinderlich, zumal wir Menschen ja nicht wie die Affen ein "angewachsenes" Haarkleid haben, an dem sich die "Jungen" festklammern könnten. Würden die Menschenweibchen ihre Kleinstkinder jedoch während ihrer Jagd irgendwo unbeaufsichtigt ablegen, so würden sich diese unweigerlich durch ihr anders als bei anderen Tieren übliches Schreien und durch ihren Geruch (Ausdünstungen, Ausscheidungen) allen möglichen Freßfeinden verraten und schließlich auch gefressen werden. Damit wäre dann die ganze Fortpflanzung wieder infrage gestellt.

Natürlich funktioniert das nur, wenn das Weibchen auch Spaß dabei hat - auch außerhalb der fruchtbaren Tage!

Mit der gegenüber allen Tieren gesteigerten Sexualität der Menschen hat die Natur nun vorgesorgt, daß - wenn nötig - die Weibchen die Männchen für die Nahrungsbeschaffung gewinnen konnten, indem sie sie durch ihre Bereitschaft zu einem eigentlich überflüssigen Geschlechtsverkehr belohnten - und durch die Fähigkeit zum Orgasmus haben die Weibchen auch selbst dabei noch Spaß und daher Verlangen nach dem Zusammensein. Und da es nun für die Beteiligten im allgemeinen schon immer doch recht kompliziert gewesen sein dürfte, immer wieder neue Partner für die gegenseitigen Bedürfnisse zu finden, war die Wahrscheinlichkeit gegeben, daß die Männchen mit denjenigen Weibchen zusammenblieben, mit denen sich das Versorgungs-Belohnungs-Verhältnis am besten eingespielt hatte. Somit dürfte also die gesteigerte Sexualität der Menschen in Verbindung mit seinem Angewiesensein auf Fleischnahrung sozusagen die enge Gemeinschaft der Familie geschaffen haben und auch die damit zusammenhängenden Spielregeln, die wir heute als natürliche Moral von unserer Veranlagung her bezeichnen könnten.  

Im Laufe der Geschichte der Menschheit dürften sich dann die möglichen Eigenschaften der Bindung dieser Paarbeziehung nach den Gesetzen von Mutation und Selektion immer mehr von banaler Befriedigung gelöst und bis hin zu dem gesteigert haben, was wir heute noch als Liebe oder als Gemeinschaft in der Einheit von Leib und Seele erfahren können.

(Soviel wir heute wissen, haben von allen Tieren nur die Bonobos, die in einem entlegenen Gebiet Zaires lebenden Zwergschimpansen, ein den Menschen vergleichbares Sexualverhalten, könnten also von daher als nächstes Bindeglied zwischen Mensch und Tier angesehen werden.)

Die Harmonie, die mit und in Sexualität möglich ist, läßt ihren ersten Zweck, nämlich den der Zeugung neuen Lebens, im Grunde schon fast zur Nebensache werden, wichtig ist vor allem das, was mit der Gemeinschaft der Partner zusammenhängt.

So hat auch beispielsweise eine falsch eingesetzte Sexualität nicht nur eventuell ein uneheliches Kind zur Folge, sondern sie kann zur Zerstörung der inneren und äußeren Harmonie der Einheit von Leib und Seele eines Menschen führen - völlig unabhängig von der Zeugung eines Kindes. Gerade junge Menschen sollten sich vor allem dabei das bewußt machen, was mit der gesamtmenschlichen Harmonie alles zusammenhängt.

Die von der Natur vorgesehene partnerbindende Wirkung der Sexualität wird wohl vor allem erreicht, weil sie sozusagen wie eine Droge wirkt. Denn dadurch kommt es ehesten zu demjenigen Wiederholungszwang, der sozusagen nach einer länger dauernden Partnerbindung verlangt. Die Vergleichbarkeit mit Drogen geht allerdings noch weiter, denn wir Menschen haben zwar sicher von Natur aus einen Drang nach sexueller Betätigung, jedoch scheint offen zu sein nach welcher. Wir müssen eben erst einmal auf einen "speziellen Geschmack" kommen (der allerdings üblicherweise "der normale" ist, wenn nichts anderes - etwa durch eine fragwürdige Kultur - dazwischen kommt, siehe Homosexualität).

Die drogenähnliche Wirkung der Sexualität ist im übrigen beim Menschen durch die Möglichkeit zum Orgasmus von der Natur her bis zur Fähigkeit zu höchsten Grenzerfahrungen gesteigert:

Es sind da dann einzigartige und phantastische Rausch- und Trancezustände möglich, denen gegenüber alle Möglichkeiten mit Drogen ein schwacher Abklatsch sind.

Man muß es allerdings richtig anfangen. Vor allem kann eine bewußt und aktiv eingesetzte Enthaltsamkeit eine angstfreie und daher um so freiere Sinnlichkeit grundlegen (siehe Reihenfolge).

Durch das Zerbrechen einer Beziehung - vor allem einer mit vollendeten Tatsachen - sind auch wieder kaum vorstellbare Entbehrungsqualen möglich, die bisweilen nur noch mit brutalster Folterung zu vergleichen sind (siehe Liebeskummer). Männer und Frauen, Jungen und Mädchen, können hiervon in gleicher Weise betroffen sein. Um solche Qualen von vornherein zu vermeiden, ist es sinnvoll, sich vor irgendwelchen intensiveren Zärtlichkeiten mit aller nur erdenklicher Menschenkenntnis darum zu kümmern, ob ein Partner schon wenigstens von den äußeren Voraussetzungen her tatsächlich der Gefährte sein könnte, der einem auch lieb und gerne für beliebige Wiederholungen zur Verfügung steht (und dem man auch selbst gern zur Verfügung steht).

Beim Tod eines geliebten Partners hilft die Natur dem Menschen vermutlich durch die Erfahrung der Trauer, selbst das intensivste Sexualleben abbrechen zu können, ohne (gleich) auf Ersatz angewiesen zu sein und sich damit möglicherweise unter Niveau wegzuwerfen.

Allerdings muß man es schon richtig anfangen: Sexualität und Moral  

Gerade in diesem Punkt klaffen die Meinungen weit auseinander, die einen meinen, Sexualität sei einfach eine Naturgewalt und habe wie alle Naturgewalten nun einmal nichts mit Moral zu tun, andere meinen, daß es ja schließlich eine Freiheit des Willens des Menschen gebe und daß die Sexualität deswegen schon etwas mit Moral zu tun habe. Vermutlich hängt die Einschätzung der Sexualität von der jeweiligen Einstellung desjenigen ab, der sie vertritt, jeder schließt schließlich von sich auf andere (siehe Unterstellungen). Und da die Sexualität von vielen Menschen zunächst heiß begehrt und auch "heiß gelebt" wird, schließlich jedoch selten oder auch nie zum wirklichen Glück führt, hält man sie für eine bösartige Erfindung des Teufels und macht sogar ganze direkt leibfeindliche Weltanschauungen und Religionen daraus, um sie zu überwinden (siehe etwa Gnosis, Dualismus, Buddhismus). 

Der Wirklichkeit kommen wir vermutlich am nächsten, wenn wir die Ambivalenz des Sexualität anerkennen, das heißt, daß es bei ihr wie bei allen brisanten Dinge dieser Welt die Problematik von Gebrauch und Mißbrauch gibt.  

Ob die Sexualität tatsächlich so wichtig ist und ob es sich überhaupt lohnt, so viel Aufhebens um sie zu machen, ist nicht ganz unumstritten. Doch seien wir einmal ehrlich: Hätte es in unserem Umgang mit anderen Menschen nicht absolute Vorteile, wenn völlig sicher wäre, daß sich andere gerade hier nur an den "Gebrauch" denken und sich also an die Spielregeln der Zehn Gebote halten, wo es genau darum geht? Was wäre, wenn wir uns absolut darauf verlassen können, daß andere ebenso wie wir mit Selbstbeherrschung und Enthaltsamkeit umgehen? Denn dann könnten wir Menschen wirklich unsere Ängste zueinander aufgeben und unser wirkliches Wirselbstsein (siehe Manselbstsein) leben. Welche neuen Möglichkeiten der Begegnung wären jetzt möglich, was könnten wir alles miteinander unternehmen? Wie könnten wir so ohne irgendwelche möglicherweise problematischen Begleiterscheinungen feststellen, wer wirklich der Gefährte ist, zu dem wir wirklich passen und für den wir passen und mit dem die Einheit von Leib und Seele wirklich gelingt? Welche Möglichkeiten der Steigerung des Menschseins ergäben sich daraus, wenn wir Menschen ein wirklich zuverlässiges Konzept im Hinblick auf unsere Sexualität hätten?

Und auf alle Fälle bringt die Erfahrung dieser Einheit für uns Menschen nie Nachteile, eher ist es wahrscheinlich, daß sich tatsächlich manches (oder sogar vieles) in dieser Welt von allein zum Besseren wendet, wenn sie kollektiv, also für alle, gelänge. Auch dürfte ein bewußtes und intelligentes Denken und Handeln auf dem Gebiet der Sexualität schon deswegen keinem Menschen schaden, weil kaum anzunehmen ist, daß Menschen, die in einem zumindest besonders wichtigen Bereich ihres Lebens, in dem dazu noch die Gefühle eine große Rolle spielen, ausgesprochen intelligent denken und handeln, in anderen weniger wichtigen Bereichen dagegen dumm und naiv bleiben (siehe Theorie und Praxis).

Wohl nicht umsonst wird im Alten Testament der Bibel der Anfang alles Bösen mit der Adam-und-Eva-Erzählung in einer Handlung der Sexualität gesehen, in der es um die Zerstörung der Einheit von Leib und Seele geht. Schon die Verfasser dieser Erzählung wußten wohl, wie man mit einem vertretbaren und möglichen Aufwand ein hohes Ziel, nämlich das des Paradieses hier und jetzt, tatsächlich erreichen könnte - wenn man nur wollte.

Wenn in unserer heutigen Philosophie und in unserer Theologie diese bedeutsame Stellung des vernünftigen Einsatzes der Sexualität für das Glück der Menschen nicht nur nicht beachtet, sondern sogar heruntergespielt wird ("uns geht es um den ganzen Menschen und nicht nur um ein Körperteil", die Transzendenz ist der eigentliche Sinn des Lebens), so scheinen wir hier zumindest eine typische strategische Konzeptlosigkeit im Hinblick auf das Wohl der Menschen vor uns zu haben. Anders als die Militärs, die schon immer wußten, daß es bei einem erfolgversprechenden Kampfkonzept bisweilen gerade auf einen bestimmten Hügel oder einen bestimmten Küstenabschnitt ankommt, der unter Umständen von seinem wirtschaftlichen Wert her tatsächlich völlig unwichtig ist, jedoch für die Gewinnung des Gesamten von unschätzbarer Wichtigkeit ist, geben sich Menschen, die sich für pädagogisch klug halten, da ahnungslos. Und hat nicht jeder von uns es schon erlebt, daß etwa bei einem technischen Gerät "alles in Ordnung" ist und nur "ein klitzekleines Teilchen" einen Fehler hat - und deswegen das Ganze gar nicht oder nicht richtig funktioniert. Wer nun die vollständige Reparatur dieses "klitzekleinen Teilchens" durch sein großspuriges Reden vom Ganzen, um das es ihm angeblich geht, unterbindet, der erfüllt damit - schlicht gesagt - den Tatbestand der Sabotage am Ganzen! Und beim Menschen dürfte solche Sabotage mindestens genauso folgenschwer sein wie bei jedem technischen Gerät. (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)