BIBEL kritisch und positiv (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

BIBEL (von gr. das Buch) ist die umgangssprachliche Bezeichnung für die heiligen Schriften der Christen. Wir unterscheiden nach Altem Testament, das Christen weitgehend mit den Juden gemeinsam haben, und Neuen Testament, in dem es um die Botschaft Jesu geht, die den Juden weitgehend unzugänglich ist.

Noch mehr als das Neue Testament ist das Alte Testament eine ganze Bibliothek verschiedenster Schriften, die für uns aus eher praktischen Gründen in einem einzigen Buch zusammengefaßt ist. Es handelt sich um eine Sammlung alter Mythologien und vor allem von "Gegenmythologien", wie der Schöpfungs- und der Adam-und-Eva-Erzählung, vor allem im Buch Genesis, dann der Ursprung des jüdischen Volkes im Buch Exodus und schließlich um Gesetzesvorschriften, Erbauungsschriften und vor allem um eine Zusammenstellung der weiteren Geschichte des jüdischen Volkes. Hauptanliegen des Buches Genesis ist der Kampf gegen den Götzendienst und des Buches Exodus die Befreiung von Sklaverei. Siehe hierzu auch das Stichwort basistheologie!

Das Neue Testament, wie es uns heute vorliegt, besteht vor allem aus den vier Evangelien (Markus, Matthäus, Lukas, Johannes) und den sogenannten Briefen, also Schriften zur Geschichte und zu Problemen in der frühen Kirche. Hauptanliegen ist die Darstellung des Leben Jesu und seiner Botschaft als Information für alle diejenigen, die bereits Christen sind oder dazu missioniert werden sollen. Die Namen der Evangelien sind im Grunde frei gewählt, denn die wirklichen Verfasser des größeren Teils aller dieser Schriften sind nicht bekannt, wir können jedoch durch unsere heutige Bibelwissenschaft ("Exegese") die Herkunft und die wirklichen Verfasser (wenn auch nicht die Namen) ziemlich genau eingrenzen. Das Verfahren mancher Schriftsteller, unter dem Namen bekannter Personen zu schreiben, wird bisweilen auch heute noch angewandt, um so zu mehr Autorität zu gelangen oder um mehr Aufmerksamkeit zu erfahren - erwähnt seien die "berühmten" Hitler-Tagebücher in der Illustrierten STERN.

"Gottes Wort" finden wir nur insoweit in der Bibel, wie die Verfasser es fühlten und es sich vorstellten. Es ist nicht ganz leicht und oft sogar unmöglich, einen bestimmten Bibeltext richtig einzuordnen und seine Bedeutung richtig zu verstehen, weil die Verfasser natürlich stets von den Denkschemata ihrer jeweiligen Zeit und ihres Kulturbereiches ausgegangen sind, das von ihrer zeitbedingten Atmosphäre beeinflußt und keinesfalls ohne weiteres auf eine andere Zeit und einen anderen Kulturkreis übertragen werden darf.

Vor allem wollten sie irgendwelche ganz konkreten Mißstände in ihrer Zeit beeinflussen und vor allem ändern - und wohl die meisten der biblischen Geschichten ergeben erst dann einen richtigen Sinn, wenn wir diese Mißstände kennen und sie auf die entsprechenden Parallelen heute angemessen anwenden. 

Es geht in der Bibel also vor allem um eine Verhaltensänderung. Vor diesem Hintergrund kann auch nur die Frage gesehen werden, ob die Bibel etwas mit Wissenschaft zu tun hat.  Jawohl, sie hat etwas mit Wissenschaft zu tun, aber nicht mit einer klassischen, in der es um die Formulierung von Aussagen und schließlich um ein Abbild der Realität geht (es ist also etwa in der Bibel gar nicht wichtig, ob die Welt durch Evolution oder Schöpfung entstanden ist), sondern um eine Wissenschaft, die sich mit der Veränderung des Verhaltens beschäftigt, also mit einer Wissenschaft, die zu der Kategorie "strategische Wissenschaft" gehört. Hierzu mehr unter Wissenschaft

Wir müssen uns also das Problem solchen Verstehens genauso vorstellen wie bei irgendeinem Witz, den wir heute hören. Können wir doch eigentlich immer einen Witz nur verstehen und schließlich auch darüber lachen, wenn wir auch den Hintergrund kennen, ja, von der Kenntnis des Hintergrunds lebt geradezu jeder Witz! Und wenn wir den Hintergrund nicht kennen, sind wir darauf angewiesen, daß uns jemand aufklärt.

Bei Kindern fällt uns die Problematik des fehlenden oder falschen Hintergrunds eher auf, wenn sie etwas aufschnappen, was sie nicht verstehen, sich einen neuen Sinn zusammenreimen und den Witz dabei dann so umformen, daß er in ihrem Verständnis wieder halbwegs lustig klingt. Natürlich entspricht der neue Sinn dann nur zu oft nicht mehr im geringsten dem ursprünglichen Sinn des Witzes, ja, man hat oft sogar größte Schwierigkeiten, ihn zu enträtseln, vor allem, wenn die Umformung gut gemacht ist. Die Wissenschaft, die sich um das Verständnis vom Hintergrund her kümmert, ist die Hermeneutik. 

Da nun bei der Bibellektüre zum Verständnis auch immer Hintergrundwissen notwendig ist, stellt sich die Frage, ob ein Nichtfachmann überhaupt sinnvoll die Bibel lesen kann. Nein und ja. Auf alle Fälle ist es immer bedenklich, einen bestimmten Bibeltext entweder wörtlich zu nehmen (siehe Wörtlichnahme) oder ganz frei aus dem Gefühl heraus zu interpretieren. Da können wir dann total daneben liegen, weil wir möglicherweise genau dieselben Fehler machen, den eben Kinder mit den Witzen begehen. Doch wir können uns auch wieder darauf verlassen, daß die jeweiligen tatsächlichen Hintergründe auch wieder nicht so kompliziert sind, als daß uns ein Zugang unmöglich wäre. 

Basisreligion vertritt als alleinige Methode der Erklärung der Bibel den religionsgeschichtlichen Ansatz: So können wir davon ausgehen, daß

-          bei den Mythologien in den Büchern Genesis und Exodus des Alten Testaments immer gegen irgendwelche menschenverachtende Götzendienste und Herrschaftsstrukturen vorgegangen wird (siehe Schöpfung, Adam und Eva, Menschenopfer

-          es bei den Legenden um Jesus zeitgenössische Vorlagen über irgendwelche Götter oder Persönlichkeiten gibt, gegenüber denen man meinte, Jesus in einer Art früher "public relation" aufwerten zu müssen mit Berichten von genau solchen spektakulären Ereignissen (siehe Auferstehung, Jungfrauengeburt, Wunder),

-          es im Alten Testament weitgehend und erst recht in Neuen Testament nicht um eine Kult- oder Jenseitsreligion geht, sondern vielmehr darum, all das zu beseitigen, was eine größere Harmonie unter uns Menschen stört oder gar verhindert.  Insbesondere geht es auch um die Gleichwertigkeit und das Gefährtesein von Mann und Frau. Und da wir inzwischen wissen, wie das zur Zeit Jesu mit geradezu krimineller Energie weitestgehend unmöglich gemacht wurde, sieht basisreligion hier die Zeit reif für einen kriminologischen Ansatz

-          das Anliegen der Bibel nicht eine Wissenschaft im Sinn unserer heutigen Naturwissenschaften über irgendwelche Wahrheiten über Gott oder über unsere Herkunft oder Zukunft außerhalb unseres jetzigen Lebens ist, sondern daß es um vorteilhafte Strategien im Sinn unseres menschlichen Glücks geht.

Wir können davon ausgehen, daß sich die Wörtlichnahme einer bestimmten Bibelstelle immer dann von vornherein verbietet und daß wir auf alle Fälle einen besonderen Hintergrund berücksichtigen müssen, wenn ein bestimmter Bericht phantastisch und unwahrscheinlich klingt, also gegen jede Plausibilität ist.

Anmerkung: Hier werden keine neuen Weisheiten verkündet, sondern das alles ist im Großen und Ganzen das Thema der gesamten Kirchengeschichte (siehe etwa URL www.joerg-sieger.de/einleit/nt/07kan/nt101.htm) und längst Allgemeinwissen der Theologen, wenn es sehr oft auch nicht bis "nach unten" durchdringt! Denn es gibt immer noch viele Theologen, denen es nur darum geht, daß Menschen lernen "zu glauben"!

Zur Entstehung des Neuen Testaments siehe dort!

Anmerkung! Zum Thema "Bibel und heutiges Leben" ging es auch in einem Schriftwechsel mit einer Kollegin, die allerdings Biologie unterrichtet und nicht Religion. Sehen Sie sich diesen Schriftwechsel doch einmal unter dem Stichwort Sexualerziehung an!

Hier eine Passage aus ihrer Mail:

Nun ja, dann war da ein diskussionsbereiter Religionslehrer an meiner Schule (ich unterrichte an einer Gesamtschule), der meinte, ich müsste unbedingt die Kinder taufen lassen, und das Ganze hätte durchaus seinen Sinn, wenn man sich nur darauf einließe usw., jedenfalls, ich solle doch einfach mal in der Bibel lesen. Auf die Diskussion zumindest ließ ich mich gerne ein; selten genug, dass sich für so was mal jemand wirklich Zeit nimmt. Es fand sich auch noch eine alte Lutherbibel im Kellerregal meines Mannes (der ist konfirmiert, wenn auch aus der Kirche ausgetreten). Aber die Lektüre war alles andere als eine Motivation in Richtung christlicher Glaube – die meisten Texte fand ich ziemlich grausam und menschenverachtend, oder aber unbegreiflich bzw. schlicht langweilig. Man muss (als Outsider) da ja schon ziemlich lange suchen, um mal was vergleichsweise Positives zu finden, was an heutige (bzw. eigene) ethische Normen erinnert, oder mit dem man überhaupt was anfangen kann, wobei ich da auch noch skeptisch war, ob ich das überhaupt richtig interpretierte. Selbst in den Evangelien fand ich vieles abstoßend oder zumindest etwas anrüchig von der Wortwahl her. Und dieses Buch bekommt man als Grundlage des christlichen Glaubens in die Hand gedrückt?

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)

See also English!