Wir können heute absolut sicher sein, dass keiner dieser Mythen so war, wie er uns überliefert wurde, dass vielmehr hinter jedem einzelnen Mythos eine (richtige oder falsche) Erkenntnis über ein Problem steht, das uns heute nicht auf Anhieb in die Augen springt. So ging es im Mythos der Schöpfungsgeschichte der Bibel nicht um eine Erklärung für die Entstehung der Welt und der Menschen, sondern um die Entmythologisierung der Naturgewalten und um den freien siebten Tag in der Woche, der auch den Sklaven zugute kommen sollte. Im Adam-und-Eva-Mythos ging es nicht darum, ob ein erstes Menschenpaar einen Apfel von einem verbotenen Baum gegessen hatte, was eine Erbsünde für alle Menschen seitdem zur Folge hatte, sondern um einen psychologisch geschickt geführten Kampf gegen die zur Zeit der Entstehung dieses Mythos verbreitete Tempelprostitution und schließlich um die Aufwertung der Frau als Gefährtin und damit auch der Liebe zwischen Mann und Frau. Und bei den Ideen eines Paradies und eines Himmels ging es nicht um Vorstellungen für ein künftiges Leben nach dem Tod, sondern um eine Hoffnung auf eine künftige bessere diesseitige Welt. Wir müssen uns eine mythologische Geschichte wie eine zeitgenössische Verpackung vorstellen, unter der sich ein Anliegen verbirgt, das den Menschen früherer Zeiten sozusagen unter den Nägeln brannte, das wir heute bisweilen jedoch nur mit Mühe herausfinden. Wir stellen ja heute auch manche alte Krüge als Schmuckstücke in ein Museum oder in unser Wohnzimmer, die zur Zeit ihrer Herstellung jedoch für etwas völlig anderes verwendet wurden. Kein Mensch ahnte damals, dass diese Krüge später einmal als etwas Besonderes gelten und als Ausstellungsstücke gehandelt werden würden! Erschwerend für unser Verständnis ist allerdings, dass wir diejenigen Lebensfragen, die hinter einer Mythologie stehen, nur zu oft mit einem Tabu belegt haben, und die wir daher nicht wahrhaben wollen oder können, wie etwa das Problem der Prostitution bei der Adam-und-Eva-Geschichte. Aus den so gereinigten mythologischen Überresten haben wir dann eine Dogmatik gemacht, die wir schließlich nur noch in einem unverständlichen Glaubensbekenntnis daherplappern können. Doch braucht nicht jeder Mensch etwas Überirdisches und Geheimnisvolles, fehlt nicht ohne dieses Mythische etwas in unserem Leben? Sicherlich! Doch muss das ausgerechnet etwas Irrationales (Unwirkliches) sein, können das nicht auch durchaus mögliche konkrete Grenzerfahrungen sein? Sind wir vielleicht schon so oft enttäuscht worden, dass wir trotz aller andersartiger Beteuerungen schon gar nichts mehr erwarten können? Es sieht leider für viele Menschen zur Zeit wirklich so aus, dass die höchsten Grenzerfahrungen, nämlich vor allem die der Liebe in einer brisanten Einheit von Leib und Seele, schon so sehr ihren einmaligen Zauber verloren haben, dass gerade das, was das Besondere im Leben ist oder wenigstens sein sollte, in einer Flut von Vordergründigkeiten, von Sklavenmoral, von Lüge, von Misstrauen, vom Streben nach Trieb-, Macht- und Wohlstandsbefriedigung untergegangen ist. Erkennen wir doch diese Enttäuschung an der Wirklichkeit und hören wir auf, uns in irgendeiner phantastischen Mythologie einen Ersatz im Unwirklichen aufzubauen! Die Idee unseres christlichen Glaubens ist es ja gerade, dass das Zauberhaft-Geheimnisvolle in unserem jetzigen Leben wirklich wird. Lassen wir uns also nicht mit abgestandenen Mythen vertrösten, sondern erleben wir die Mythen vor allem in den möglichen Grenzerlebnissen selbst! Das wäre doch der Knüller! Wie wir mit Mythen um Umgang mit Kindern umgehen können, siehe unter Märchen.
Und hier aus einem Mailwechsel, was hierhin passt:
Lieber M.,
H. sagt nun aufgrund
seiner Untersuchungen: "Mythen sind wichtig für die Menschen." Und die Antwort von basisreligion: Hallo F., ich habe bei "Mythen" einen Hinweis auf Märchen gemacht und dort ein wenig deutlicher zu dem praktischen Problem, um was es geht, Stellung genommen. Ich fühle mich bei dem Problem an mein Bäumepflanzen erinnert. Als ich einmal einen Nussbaum gepflanzt hatte, ging der toll an, doch starb dann ab. Na ja, ich bekam in der Gärtnerei einen neuen, doch der Gärtner meinte, ob ich vielleicht Wühlmäuse hätte... Und ich erinnerte mich, als ich die Wurzeln wieder ausgrub, da könnte so etwas gewesen sein... Und heute setze ich also alle neuen Bäume von vornherein zusammen mit der Erde in Scherben von Weinflaschen usw., beuge also diesen und anderen Viechern vor...ich weiß, warum... Und nie mehr stirbt ein Baum ab! Das Problem ist gelöst, denn den Bäumchen machen die Scherben nichts aus und wenn die Wurzeln den Bereich der Scherben überschreiten, dann schadet es nichts, wenn eine Maus mal die eine oder andere Spitze abbeißt... Und ich meine, so ist das auch mit den schönen mythischen Geschichten, alles wunderbar... Doch der Fachmann sollte wissen, dass die irgendwann kontraproduktiv sind (wozu haben wir denn studiert?), weil sie die Botschaft der Bibel als Kinderkram, als LÜGE, als nicht zeitgemäß, als unwirklich erscheinen lassen. Und dann kippen die jungen Menschen eben alle Kinder mit dem Bade aus... Also sollte er von sich aus eben Scherben oder Ähnliches in seine Katechese einbauen, auf alle Fälle schadet das nicht.... Warum also nicht der kriminologische Ansatz? Warum nicht die Susannageschichte? Warum nicht die Adam-und-Eva-Geschichte entmythologisiert und aufgearbeitet für uns heute? Also bevor die Kinder drauf kommen, dass das alles Märchen sind? Was spricht gegen eine Flucht nach vorn? In dem von Dir empfohlenen Buch kann ich die Mythen nur als Incorporeted Identity einer Leidensgemeinschaft erkennen, bei basisreligion werden sie zur aggressiven Munition aufbereitet! So geht´s m.E. eben und nicht wie Du es willst und dagegen bin ich auch entschieden... Und daher also auch unser Streit... Tschüs
M.
(Wörterbuch von
basisreligion und basisdrama)
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