MÄRCHEN (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

MÄRCHEN (es geht hier vor allem um die sogenannten „Volksmärchen“ und weniger um "Kunstmärchen" wie etwa Harry Potter, aber auch um sogenannte Mythen, siehe Mythologie) sind Erzählungen mit wunderbaren und daher unglaublichen Geschehnissen, die mit der Wirklichkeit nur im übertragenen Sinn etwas zu tun haben. Kinder scheinen Märchen zunächst einmal zu lieben, allerdings kommt mit Sicherheit der Zeitpunkt, an dem sie sie als kindisch abtun und sogar diejenigen Menschen, die ihnen Märchen erzählen, nicht mehr so recht als glaubwürdig empfinden (siehe Glaubwürdigkeit) und sie bisweilen sogar spöttisch verachten. Dies kann nicht nur eine der späteren Nebenwirkungen sein, sondern es ist eine ganz wesentliche Nebenwirkung, die unbedingt beachtet werden muss, wenn wir Kindern unüberlegt Märchen erzählen! Wer also seine Glaubwürdigkeit bei jungen Menschen nicht aufs Spiel setzen will, muss schon von sich aus dafür sorgen, dass Kinder nicht bei einem vordergründigen Sinn stehen bleiben, sondern die wirklichen Zusammenhänge erfassen!

Leider taugen die Märchen für eine vernünftige Phantasie gar nicht viel.

Ob aber nicht die Märchen einfach notwendig sind, weil sie die Phantasie junger Menschen anregen? Das ist eine weitverbreitete Ansicht. Doch bedenken wir: Mit dem Märchen (die Rede ist hier immer von den nichtaufgearbeiteten!) kommen auch irrationale Komponenten in das Denken eines Menschen - und was sollen die einen anderen Zweck haben als ihn zu manipulieren (siehe Manipulation) und von seiner Angelegtheit zu einer wahren Freiheit und Emanzipation abzulenken? Sind diese Komponenten denn nicht zumindest Mit-Ursachen eines falschen Realitätsbewusstseins, das dazu führt, dass Menschen Schwierigkeiten haben, Gefühl und Verstand richtig auseinander zu halten? (Für das Problem „Phantasie“ in „Gefühl“ und in „Verstand“ eignet sich das Bild von einem Koordinatensystem mit den beiden rechtwinklig zueinander stehenden Achsen, der horizontalen und der vertikalen. Das Märchen mag vielleicht die Phantasie auf der Achse „Gefühl“ anregen, wo Irrationales ganz sinnvoll sein kann, doch auf der Achse „Verstand“ bringt das gar nichts oder nur Konfusion. Und noch so viel Gefühl produziert letztlich nie „Verstand“, wie auch "Verstand" allein nie "Gefühl" zerstört.)

Und erst einmal das Menschenbild der Märchen...

Eine andere Nebenwirkung haben wir nicht lange vor der Zeit erlebt, da diese Zeilen hier geschrieben werden. Es geht um das problematische Menschenbild, das Märchen möglicherweise nachhaltig prägen. Sind wir nicht erschüttert über die Grausamkeit der Serben in ihrem - von uns aus - völlig überflüssigen Krieg in Bosnien gegen ihre Landsleute islamischen Glaubens? Da wird gemordet, geplündert, zerstört, vergewaltigt (siehe Vergewaltigung), scheinbar hemmungslos und ohne Sinn und Verstand. Doch ganz von ungefähr kommt dieses Verhalten nun doch nicht: Die meisten Märchen und Mythen (vergleichbar den Mythologien) sind während der Zeit der türkischen Besetzung (etwa 1400 bis etwa 1800) entstanden und haben den Hass gegen die damaligen Unterdrücker zum Inhalt. Und wegen dieses Hasses gilt bei den Serben noch heute genau derjenige als Held, der mordet, plündert, zerstört und vergewaltigt, es kommt nur darauf an, dass die Opfer Türken sind, also Menschen islamischen Glaubens! Ob da nicht etwas durch solche angeblich so harmlosen Kindergeschichten an Grausamkeit und Unmenschlichkeit grundgelegt wurde (Reinhard Lauer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6. März 1993)?

Doch sollten wir wegen dieses offensichtlichen Zusammenhangs nicht vorschnell und selbstüberheblich auf dieses Volk im Südosten Europas herabschauen, wie sieht es denn mit dem Menschenbild in unseren deutschen Märchen aus? Weist die strikte Trennung von gut und böse da nicht auf ein sowohl falsches wie auch verheerendes Weltbild des Dualismus hin, von dem her unsere menschliche Wirklichkeit auch schon in unserem entstellten christlichen Glauben völlig verzerrt gesehen wird? In Kindern prägt sich dadurch ein, dass es Böse gibt, die gequält und vernichtet werden dürfen (wie der böse Wolf oder die Hexe in Hänsel und Gretel) und bei deren Bekämpfung und Vernichtung man sich verdient macht und sich schließlich sogar freuen und tanzen darf. Ich kann nicht anders, als hier eine Parallele vom Feuer, in dem die böse Hexe verbrannt wird, zu den Verbrennungsöfen in Auschwitz zu sehen. Nicht zuletzt wurden von den Nationalsozialisten die Juden als Grundübel der Menschheit hingestellt, nach dessen Ausrottung die Menschheit zum Besseren aufbrechen kann. Und Sie selbst, lieber Leser, werden sich ja ohnehin stets auf der Seite des Guten fühlen. Und so wird mit den Märchen sozusagen eine Leerstelle im Gehirn von Kindern produziert und es fehlt nur jemand in der Wirklichkeit des Lebens, auf den diese Leerstelle vom Bösen passt und auf den sie sie anwenden können. Was zunächst nach Kultur aussieht, kann somit die Grundlage einer verderbenbringenden Manipulation werden.

...und insbesondere das Frauenbild!

Dem Dualismus entspricht auch das merkwürdige Weiblichkeitsbild fast aller Märchen. Die Prinzessinnen etwa sind da zwar allesamt sehr schön, doch weitgehend so seelisch krank (traurig, vereinsamt, versponnen, in der Sprache der Märchen "verzaubert"), dass jemand, der sie zur Frau nimmt, im allgemeinen noch mindestens das halbe Königreich dazu geschenkt bekommt. Von königlicher Herkunft brauchen die Bewerber oftmals gar nicht mehr zu sein, denn die Prinzen holen sich sowieso ihre Bräute sehr oft woanders her (sie werden schon wissen, warum sie sogar Aschenputtel vorziehen), Prinzessinnen haben bei ihnen nur selten eine Chance. Allein die Geschichte von der empfindlichen und lebensuntauglichen Prinzessin, die eine Erbse durch sieben Matratzen hindurch spürt und deswegen nicht schlafen kann, ist ein deutlicher Hinweis auf ein katastrophales Weiblichkeitsbild, das besonders in den höheren Schichten gepflegt wurde!

Und dann fehlen in den Märchen weitgehend Hinweise, dass Männer und Frauen auch Gefährten sein können, die füreinander durch Dick und Dünn gehen. Am ehesten wird noch die Treue erwähnt, doch die wird ja stets hohl bleiben, wenn dabei nur Schönheit wesentlicher Faktor ist und nicht auch das Gefährtesein beziehungsweise die Partnerschaft zwischen Mann und Frau gegeben ist.

Ob mit solchem Weiblichkeits- (und Männlichkeits-)Bild nicht auch der Denkhorizont unserer jungen Menschen hier und jetzt grundgelegt wird, zumal sie in sehr jungen Jahren damit in Berührung kommen, wo die Prägewirkung am intensivsten ist (siehe Denkschema, zeitbedingte Atmosphäre)? Dabei müssten weder die Glaubwürdigkeit noch ein sinnvolles Menschenbild mit allen diesen merkwürdigen Märchen vielleicht gar nicht einmal leiden, möglicherweise ließe sich da sogar eine positive Wirkung erzielen. Denn gerade unsere beliebtesten Märchen stecken voller lebensnaher Volkspsychologie, die auch heute noch stimmt, zumindest könnte sie viele gute Gespräche mit Kindern auslösen, nur müssen wir auch damit anfangen!

Man kann und muss Märchen unbedingt mit den Kindern zusammen aufarbeiten, denn sie sind oft wohl kaum für Kinder geschrieben, etwa das Märchen vom Froschkönig.

Dazu ein Beispiel: Im Märchen vom Froschkönig holt ein hässlicher Frosch einer schönen Prinzessin mehrmals eine goldene Kugel aus einem tiefen Brunnen, die ihr da hineingefallen ist. Der Frosch stellt mehrere Forderungen für Gegenleistungen, wenn er sie wieder heraufholt, schließlich will er auch mit ihr in ihrem Bettchen schlafen. Die Prinzessin weigert sich, doch ihr Vater besteht darauf, dass sie ihr Versprechen erfüllt ("was man versprochen hat, muss man halten"), und aus Wut wirft sie den hässlichen Frosch an die Wand. In diesem Moment entpuppt sich dann der Frosch als ein schöner Prinz, den sie heiratet und mit dem sie auch glücklich wird.

Wie bei den (Wunder-)Geschichten der Bibel verbietet sich eine Wörtlichnahme dieses Märchens eigentlich schon von selbst. Denn die vordergründige Lehre der Geschichte, nämlich auch das Versprechen zu halten, mit jemandem zu schlafen, mit dem man nicht verheiratet ist, und auch nicht daran denkt, dies zu tun, kann gar nicht im Sinn des Vaters sein, auch nicht, dass man jemanden gegen die Wand wirft und dafür noch belohnt wird!

In diesem Märchen geht es um etwas völlig anderes: Die goldene Kugel, mit der die Prinzessin spielt, ist Zeichen ihrer Gefühlskälte und ihrer Kontaktarmut, und auch ihrer Eingebildetheit und ihrer Egozentrik (also wieder eine Geschichte um so eine seelisch kranke Prinzessin!). Sie findet sich selbst so schön, dass sie nur mit einem toten Gegenstand spielen kann, um sich schließlich auch noch in ihrer Schönheit zu spiegeln (in der Sprache unserer heutigen Psychologie ist sie "narzisstisch"). Andere Lebewesen findet sie hässlich und behandelt sie wie Dienstpersonal. Sie gebraucht sie, fühlt sich jedoch zu nichts verpflichtet. Ihr Vater verurteilt diese ihre unsoziale Einstellung. Daher besteht er darauf, dass sie diejenigen, die ihr helfen, auch wie Menschen behandelt, dass sie mit ihnen zusammen isst, mit ihnen trinkt, ja sie auch mit in ihr Bettchen nimmt. Sie wird schließlich über alle diese Forderungen so wütend, dass es bei ihr zu einem Gefühlsausbruch kommt - und sie damit Mensch wird. Jetzt sieht sie auch die ihr dienstbaren Wesen anders und ist geheilt. Ihrem wahren Glück steht nun nichts mehr im Wege.

In diesem Sinn haben auch wir heute nur zu oft auch ähnliche Probleme. Leiden nicht viele unserer Kinder heute unter Kontaktschwäche, weil sie sich weiß Gott was beispielsweise auf ihre Schönheit oder den Beruf ihres Vaters, ihre vermeintliche Gebildetheit, ihre Nationalität, ihre Rasse oder sogar auf ihre tollen Kleider von weiß Gott welcher Marke einbilden, und haben sie nicht eine (Macho-)Mentalität, indem sie andere wie Dienstpersonal gebrauchen? Sehen sie sich nicht am liebsten Videofilme an, in denen sie sich als ganz besondere Helden wiederfinden (oder -spiegeln) und in denen die anderen Menschen nur Nebensache sind? Stehen wir Erwachsenen nicht vor konkreten Problemen, Kindern solche Zerrformen menschlichen Verhaltens auszutreiben?

Überprüfen wir als Erzieher uns anhand der Märchen doch selbst einmal, inwieweit wir solches Verhalten bisher bei den Kindern gefördert haben - vielleicht sogar durch eigenes schlechtes Beispiel! Wenn wir hier etwas ändern, dann hätte so ein Märchen schon ein konkretes Anliegen, das auch heute noch seine Gültigkeit hat!

Und lassen wir im Zusammenhang mit den Märchen den Kindern gegenüber keinen Zweifel daran, dass es sich um erfundene Geschichten handelt, die nur dazu dienen, um zu einem Gespräch über wichtige realistische menschliche Probleme zu kommen. Wenn wir eine zutreffende Deutung eines Märchens nicht wissen, sollten wir dies in jedem Fall zumindest den Kindern gegenüber klarstellen und uns nicht Deutungen aus den Fingern saugen, die nun wirklich nicht in der Absicht des betreffenden Märchens liegen.

Oder das Märchen vom Dornröschen!

Hier wage ich mich einmal aufgrund meiner eigenen Erfahrungen vor!

Um was es geht: Eine gerade geborene Prinzessin wird von einer bösen Fee verzaubert, so dass sie sich mit einer vergifteten Spindel stickt und in einen hundertjährigen Schlaf verfällt und mit ihr alle, die sich in dem Schloss befinden, und schließlich eine undurchdringliche Dornenhecke um das ganze Schloss wächst. Erst nach den Ablauf der hundert Jahre gelingt es einem Prinzen, die Hecke zu durchdringen, die sich ihm sogar von allein öffnet, und die Prinzessin und alle Schlossbewohner zu erlösen.

Gehen wir einmal davon aus, dass wir Menschen von der Natur her zur Freiheit, zur Emanzipation und zur Reife bestimmt sind und - wenn wir das alles leben können - schließlich auch unser Glück und unsere Erfüllung finden, sowohl für uns als auch in unserem Leben mit anderen. Doch daran haben gerade viele alte und ältere Menschen gar kein Interesse - obwohl sie es eigentlich gut mit uns meinen. Und ich denke hier durchaus auch an ältere Frauen! Die Ratschläge, die diese etwa gerade jungen Mädchen geben, sind oft nicht nur nicht hilfreich, sondern geradezu regelrecht verderblich oder eben im negativen Sinn verzaubernd, und auch, was sie sonst mit den jungen Mädchen anstellen.

Schrecklich ist die Beschneidung der Mädchen und Frauen in vielen anderen Kulturen, die ja in diesen Kulturen nicht nur ein Leid der betroffenen Frauen ist, sondern die auch die gesamte Gesellschaft betrifft! Schließlich sind wirkliche Partnerschaften "in der Einheit von Leib und Seele" damit in diesen Kulturen von vornherein unmöglich! Wir meinen, dass es das alles bei uns nicht gibt - doch so etwas gibt es auch bei uns, nur etwas anderes! Ich denke hier etwa, wie den Mädchen eingeredet wird, wie schlecht und gefährlich die Männer sind und wie man sich vor ihnen in acht nehmen muss, so dass sie sich schließlich regelrecht einigeln. Echte Kameradschaft zwischen Jungen und Mädchen etwa mit gemeinsamen Unternehmungen, bei denen sich die Geschlechter auf ganz harmlose und eben unschuldige Weise kennen lernen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen erfahren könnten, eine Vorbedingung dafür, wenn es zwischen den Geschlechtern schließlich gute Partnerschaften geben soll, sind schließlich unmöglich. Dabei wäre solche Kameradschaft gewiss durchaus möglich, wenn die jungen Menschen von Kind an nur die entsprechenden Informationen hätten und die Leibfeindlichkeit überwunden wäre. Sexualität findet schließlich doch zuerst einmal in den Köpfen statt - und wenn die Köpfe in Ordnung sind, dann kommen wir vermutlich doch auch mit den entsprechenden Körperteilen klar?

Doch genau das alles wird von den Erwachsenen und insbesondere alten Frauen (also Frauen, die nicht am Leben und am Glück der Gemeinschaft richtig teilhaben, weil sie etwa ausgeladen wurden oder sich selbst ausgeladen haben, im Märchen eben die böse Fee, für die kein Platz an der Geburtstagstafel der kleinen Prinzessin war) torpediert! Und die Mädchen igeln sich ein und versinken im Dornröschenschlaf den Jungen und Männern gegenüber - eben wie eingebildete Prinzessinnen, keine Kameradschaft mit Jungen, keine gemeinsamen Unternehmungen... Ob der Prinz, der irgendwann kommt und der das Mädchen wach küsst und damit erlöst und dann allerdings gleich immer alles "erreicht", allerdings der richtige ist?

Ich wage das doch sehr zu bezweifeln. Denn ihm öffnet sich alles sozusagen von allein, er muss gar nichts mehr dazu tun, und um eine Partnerschaft zwischen Mann und Frau geht es in diesem Märchen schließlich ja schon gar nicht. Besser wäre gewiss eine andere Erziehung (oder eben Beeinflussung) als durch solche Frauen mit ihren schlechten Erfahrungen mit Männern...

Auch andere Missstände, von denen die Märchen handeln, gibt es heute noch!

Das Märchen von Rotkäppchen und dem Wolf etwa hat nun einmal etwas mit der Verführung eines Mädchens durch einen sittenlosen bösen Mann und das von Hänsel und Gretel mit der eines Jungen durch eine sittenlose böse Frau (was "testet" sie wohl, um den Jungen zu "vernaschen"?) zu tun. Gerade hinter der Geschichte von Hänsel und Gretel steckt ganz offensichtlich die uns auch heute noch bekannte schauerliche Tatsache, dass bisweilen arme Eltern bei uns oder auch Eltern in armen Ländern ihre Kinder an reiche und gleichzeitig gewissenslose Menschen zu „eindeutigen Zwecken“ „verkaufen“ oder „vermieten“. Und Hexen galten nun einmal auch als Menschen, die besonders „triebaktiv“ waren, ja, die es deswegen sogar mit dem Teufel "trieben". Und es ist ziemlich eindeutig, dass auch hier wie in der Adam-und-Eva-Erzählung das Wort für eine Nahrungsaufnahme ("essen") etwas Sexuelles betrifft und dass sich die fast blinde Hexe natürlich nicht ein Fingerchen des Hänsels testet, sondern ein anderes Körperteil... Die Lösung des Märchens Hänsel und Gretel ist nun, dass Kinder, die geschwisterlich zusammenhalten, diese bösen Menschen austricksen und damit sich selbst und auch die anderen Kinder befreien können. (In gewisser Weise geht es um dasselbe Anliegen, um das es auch vermutlich dem historischen Jesus ging – es ist halt immer dasselbe!)

Zwar mögen bisweilen hinter den „Märchen-Geschichten“ wiederum irgendwelche (Götter- oder Geister-)Mythologien stecken, doch ist nicht auszumachen, dass es auch dabei letztlich doch wieder um menschliche Alltagserfahrungen mit der Moral geht.

Zu einer Richtigstellung brauchen wir vermutlich einen sinnvollen Gemeinschaftsunterricht - am besten von Seiten der Religion!

Und wer zu verklemmt ist, mit Kindern darüber zu sprechen, also etwa über Chancen und Risiken von Verirrung und Verführung, der sollte korrekterweise auch diese Märchen ihnen gar nicht erst erzählen und auch nicht zulassen, dass sie erzählt werden. Denn damit würden genau die oben erwähnten Leerstellen produziert werden, die sich bei Gelegenheit dann so verhängnisvoll auswirken. Dasselbe gilt auch für andere Märchen mit grausamen Inhalten.

Im Hinblick auf unseren christlichen Glauben ist zudem wichtig, dass dieser nicht durch Leben-nach-dem-Tod- und durch Wunder-Geschichten schließlich in derselben Kiste der merkwürdigen Dinge landet wie unverstandene Märchen. Wir haben später die größten Schwierigkeiten, Menschen zur Annahme christlicher Lebenseinstellungen (siehe Lebenskonzept) zu motivieren, wenn sie erst einmal zur Einstellung gekommen sind, dass diese sowieso alle auf Märchen beruhen und dass daher alles Lüge ist. Ansonsten werden sie in den Leben-nach-dem-Tod- und in den Wundergeschichten (wie auch in den Märchen) allenfalls die Bestätigung für späteren Aberglauben finden.

Einer tiefenpsychologischen Deutung kann hier nicht zugestimmt werden, andere Deutungen sind wesentlich plausibler.

Anmerkung: Märchen werden heute im allgemeinen „tiefenpsychologisch“ interpretiert, so auch beim Theologen und Psychologen Eugen  Drewermann, danach geht es um die Überwindung von angeblich typisch menschlichen Grundängsten, wie dem Gefühl des Alleinseins im dunklen Wald ohne Eltern im Märchen "Hänsel und Gretel", siehe Tiefenpsychologie. Manches spricht gewiss für diese Deutungen, doch befürworte ich eher „volkspsychologische Deutungen“, bei denen es um die Lösung von sozialen und kulturellen Problemen geht, oft um dieselben, die es heute noch gibt. Der mögliche im Grunde kriminelle Hintergrund des Märchens Hänsel und Gretel wurde angesprochen. Oder wenn etwa im Märchen vom Dornröschen die Angst der Eltern und besonders des Vaters vor den Spindeln, an denen sich das Kind verletzen könnte, als Angst der Eltern vor der irgendwann eintretenden Menstruation des Mädchens mit denen damit gegebenen Gefahren gedeutet wird, hat das zunächst einmal gar nichts mit Tiefenpsychologie zu tun, denn diese Angst kann auch anders als tiefenpsychologisch erklärt werden. Es kann schlicht und einfach die Angst sein, die hier unter Eifersucht beschrieben ist, dass der Vater nämlich einfach nicht weiß, wie er seine Tochter vor den Typen Mensch (siehe Don Juan) „bewahren“ soll, wie er selbst einmal einer war. Für diese Deutung würde sprechen, dass die Mutter von dem wirklichen bösartigen Denken von Männern keine Ahnung hat und daher alles viel mehr als unabwendbare Naturgewalt sieht, mit der „frau“ einfach leben muss und schließlich auch kann. Der "Vorteil" der tiefenpsychologischen Deutung ist im Grunde nur der, dass Menschen, die "ethische Schwierigkeiten" mit Kindern haben, nicht zu nahe getreten wird und dass sich Konzepte erübrigen, etwas zu ändern. Das griechische Wort "paidagogos" meint ja auch "Kinderverführer", steckt hinter angeblicher Wissenschaft also in Wirklichkeit eine Art "Kinderschänder-Mafia"? 

Die wohl beste Märchen- und Sagensammlung im Internet finden Sie unter http://www.sagen.at/. Dabei gibt es auch einige der berühmten neuen Großstadtsagen wie die vom "Sperma in der Kebabsoße" oder die von der "AIDS-Spritze nach dem Diskothekbesuch".

Und hier ein Leserbrief vom Mai 2005:

Werte Person, die die Interpretation von Märchen verfasste,

Leider haben sie keine ahnung wie märchen auf kinder und erwachsene wirken, haben sie ein märchen auch mal gelesen?
Wenn sie solche Interpretation niederschreiben und veröffentlichen, kommt mir die Frage auf, ob sie noch alle auf den besagten sender haben?
Märchen ist eine jahrhundertalte weise geschichten zu erzählen und bei jung und alt beliebt.
Welche psychischen Probleme muss man haben auf solche Ideen bzw. Interpretation zu kommen.
Ich rate ihnen dringend einen psychologen aufzusuchen , um ihre kindheit zu analysieren, denn da muss wohl einiges im argen liegen
übrigens sehr dringend!!!!!!

Aus der Antwort von basisreligion:

...aber Sie haben die Ahnung...? Natürlich gehört auch zu einer anderen Interpretation das entsprechende Fingerspitzengefühl! Ohne das geht nämlich gar nichts!

Doch etwas zu meiner Interpretation: Als ich mich einmal in einer Klasse das Problem "Märchen" besprach, meldete sich eine nette und hübsche Schülerin (ja, auch noch eine Blondine) und erzählte, wie sie noch als Siebenjährige an die Märchen geglaubt und sie als wahr gegenüber einem Spielkameraden verteidigt hätte, weil sie sie von ihrer Mutter wisse und ihre Mutter doch nie lügen würde. Und wie hätte sie sich da doch blamiert! Wenn ich also heute so konsequent die Probleme der Märchen sehe, dann hängt das gewiss auch mit solchen Erfahrungen zusammen: Hier war etwas nicht richtig gelaufen und das hatte ganz offensichtlich auch weitere Konsequenzen - siehe etwa Blondinenwitze. Und so entstand für mich auch so etwas wie Verpflichtung!

Tschüss und besten Dank für Ihre Mail!

M. P.

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) Computer-Übersetzung des Buchs HONESTY AND FUN WITH THE MORALITY ins Englische unter English