LÜGE (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Über die LÜGE als Ursache alles Bösen schreibt der österreichische Dramatiker Franz Grillparzer in seinem Schauspiel "Weh dem, der lügt" treffend:

    Dein Wort soll aber sein: Ja, ja; nein, nein.

    Denn, was die menschliche Natur auch Böses kennt,

    Verkehrtes, Schlimmes, Abscheuwürdiges,

    Das Schlimmste ist das falsche Wort, die Lüge,

    Wär' nur der Mensch erst wahr, er wär auch gut.

    Wie könnte Sünde irgend doch bestehn,

    Wenn sie nicht lügen könnte, täuschend? erstens sich,

    Alsdann die Welt; dann Gott, ging es nur an.

    Gäb's einen Bösewicht, müßt'er sich sagen,

    So oft er nur allein: Du bist ein Schurk'!

    Wer hielt' sie aus, die eigene Verachtung?

    Allein die Lügen in verschiednem Kleid:

    Als Eitelkeit, als Stolz, als falsche Scham, 

    Und wiederum als Großmut und als Stärke,

    Als innre Neigung und als hoher Sinn,

    Als guter Zweck bei etwa schlimmen Mitteln,

    Die hüllen unser Menschheit Antlitz ein

    Und stellen sich geschäftig vor, wenn sich

    Der Mensch beschaut in des Gewissens Spiegel.

    Nun erst die wissentliche Lüge! Wer

    Hielt sie für möglich, wär' sie wirklich nicht?

    Was, Mensch, zerstörst du deines Schöpfers Welt?

    Was sagst du, es sei nicht, da es doch ist,

    Und wiederum es sei, da es doch nie gewesen...?

 

Wie beim Hass gibt es auch bei der Lüge den Unterschied wissentlich und unwissentlich oder bewusst und unbewusst.

Dabei ist die Verdrehung der Wahrheit mit bewusster Lüge, also die gezielte Falschdarstellung der Wirklichkeit, eher wie ein offenes Gift. Anders als es Grillparzer meint, scheint dieses offene Gift das harmlosere zu sein, denn es besteht dabei immerhin die Chance, dass es irgendwann einmal ein schlechtes Gewissen verursacht und dass dann doch noch einmal etwas geändert wird. Schlimmer und verhängnisvoller ist vermutlich die unbewusste Falschdarstellung, dass einfach etwas erzählt wird, weil es schon immer so war, und gar nicht mehr darüber nachgedacht wird. Denn die unbewusste Falschdarstellung ist eher wie ein schleichendes Gift, das man nicht so recht wahrnimmt oder wahrnehmen will, weil es immer wieder neue Rationalisierungen gibt, bis gar kein Hinweis mehr zu erkennen ist, was ursprünglich gemeint war. Daher hält sich solches Gift auch am hartnäckigsten und ist am schwierigsten zu bekämpfen.

 

Wenn wir allerdings unsere kulturelle Praxis überdenken (siehe Kultur), erkennen wir dieses schleichende Gift an zentraler Stelle in unserem Leben: Es ist die Falschdarstellung der Wirklichkeit in den so genannten Lügen "aus pädagogischen Gründen" gegenüber jungen Menschen.

Wir haben sie selbst in unserer eigenen Kindheit zur Genüge erfahren und wiederholen sie dennoch weitgehend bei unseren Kindern. Nur zu oft wird den jungen Menschen in bester Absicht eine Welt vorgegaukelt, die es so gar nicht gibt. Oberflächlich gesehen scheint das nicht besonders schlimm, denn oft handelt es sich um Nebensächlichkeiten und Belanglosigkeiten und diese haben angeblich ja auch noch niemandem geschadet (siehe allerdings Political Correctness). Doch werden nicht gerade dadurch genau die Menschen am selbständigen Aufbau eines besseren Realitätsbewusstseins gehindert, die es vor allem nötig hätten? Hat nicht alles, was gerade jüngste und junge Menschen erfahren und wissen wollen, auch größte Bedeutung für sie? Verspielen nicht so die Religionen, die eigentlich auch moralische Instanzen sein wollen, ihre Glaubwürdigkeit, weil dieses frühe Wissen junger Menschen zumeist zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehört?

Denn was die jungen Leute da erfahren, stimmt entweder überhaupt nicht oder wenigstens nicht so, wie sie es hören, ja wir können sogar sagen, dass sie mit der Lüge aufwachsen, siehe auch doppelte Wahrheit. Und nach dem Motto, dass die größten und unwahrscheinlichsten Lügen am ehesten geglaubt werden, geht es schließlich dann doch nicht nur um traditionelle Belanglosigkeiten sondern vor allem um Dinge, die unsere Lebenskonzepte betreffen. Was stimmt denn an diesen ganzen üblichen Wunder-, Schöpfungs-, Erlösungs- und Leben-nach-dem-Tod-Vorstellungen wirklich? Und auch im Hinblick auf die Moral, die uns anerzogen wird, hat die Erziehung zur SCHAM wirklich einen wahrhaftigen moralischen Sinn, weist sie in die richtige Richtung? Wurde und wird immer noch nicht unser Glaube und unser Streben zum Guten ins Nichtwirkliche verlegt, bei dem nur schwer zu erkennen ist, dass er eigentlich etwas mit dem Sinn des Lebens im jetzigen Leben zu tun hat? Wurde durch das alles nicht unser Christentum in eine Ideologie zurückgeworfen, die eher der Gedankenwelt und schließlich auch der Praxis üblicher Vielgöttereien entspricht? Dabei wäre alles so einfach - zu den "Lügen" über Jesus siehe HIER!

Wie unter dem Etikett des "neutralen Wissens" Lügen aufrecht erhalten werden, siehe unter WIKIPEDIA.

 

Das Schlimme an den so genannten pädagogischen Lügen ist weiterhin, dass bei ihnen im allgemeinen noch nicht einmal das Gegenteil von dem richtig ist, was da gesagt wird, das heißt, dass man auch nicht von allein auf die Wahrheit kommen kann, indem man die Sache umdreht!

Wer käme schon auf die Idee (und gar welches Kind!), dass die Erzählung von Adam und Eva nichts mit der Erschaffung der ersten Menschen, sondern etwas mit Tempelprostitution in den Fruchtbarkeitskulten und von daher mit dem Problem des Zerbrechen der Liebe von Mann und Frau zu tun hat, was auch heute noch jeden etwas angeht? (Hier muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die alten Bibelgeschichten, die wir heue als Lüge empfinden, ursprünglich nicht so gesehen wurden, sie entsprachen sozusagen früherem Stand von Wissenschaft. Siehe hierzu unter Wahrheit!)

Und wenn dann endlich aus anderem Zusammenhang heraus die Sprache auf die menschlichen Fragen in unserem heutigen Leben kommt, dann wird zwangsläufig wieder gestümpert: Wie wird da nicht das Entscheidende vor allem durch Auslassungen unzugänglich gemacht? Die jungen Leute werden nämlich nie so recht und vor allem so angemessen, dass sie es auch begreifen können, auf die Kehrseite vor allem von sittlich falschem Handeln, also auf dessen Ambivalenz, aufmerksam gemacht und nur zu gern wird auch stets der rechte Zeitpunkt, der Kairos, verpasst. Dass das alles zu Illusionen über die Wirklichkeit führt, wodurch es schließlich zu falschem Handeln kommt, will niemand so recht wahrhaben. Das schleichende Gift kann seine Wirkung entfalten, ohne dass das jemanden überhaupt aufgefallen zu sein scheint! Dabei haben wir es hier genau mit den Lügen zu tun, die im achten Gebot (siehe unter Zehn Gebote) angesprochen sind. Zwar geht es dort um Falschaussagen vor Gericht, deren Folge ist, dass Leben und Glück eines Menschen zerstört werden. Doch das trifft ja auf die Lügen gegenüber Kindern genauso zu, denn die pädagogischen Lügen stehen ja durch ihre Be- und Verhinderung von Realitätsbewusstsein im unmittelbarem Zusammenhang mit der Verhinderung von wirklicher Emanzipation von innen her und damit von Lebensglück.

Dabei wäre alles ganz einfach, wenn wir endlich gegenüber unseren Kindern ehrlicher würden.

 

Wie kommen wir eigentlich dazu, Kindern etwas zu erzählen, was wir selbst nicht oder zumindest genau wissen und woran wir selbst noch nicht einmal glauben? Woher nehmen wir eigentlich den Optimismus, zu erwarten, dass etwas Gutes herauskommt, obwohl wir mit "nicht-guten" Mitteln arbeiten?

War es nicht vielmehr schon immer der Fluch der bösen Tat, dass sie fortlaufend Böses gebiert? Neben den Unterlassungen von Informationen, die zu falschem Realitätsbewusstsein führen, sind dann auch noch die Lügen beklagenswert, bei denen es um die unmittelbare Zerstörung eines Menschen geht (siehe Manipulation, Verführung). Und wenn es dann zu einer Enttäuschung gekommen ist, wird wieder gelogen, denn dann werden die wirklichen Motive und Lebensaussichten verschwiegen und andere Motive und Ersatzaussichten vorgetäuscht.

Es gehört zur Lebensaufgabe eines jeden Menschen schlechthin, zunächst einmal nicht selbst in wichtigen Dingen andere oder sich selbst zu belügen, und dann vor allem auch, die Lügen anderer zu erkennen. Denn dadurch kann am ehesten der Kreislauf verhindert werden, zuerst zum Opfer und dadurch später zum neuen Täter zu werden. Allerdings ist dazu nicht nur ein wenig, sondern schon viel Gnade erforderlich, denn welcher Erzieher gesteht sich schon freiwillig seine Verlogenheit ein, wenn er die Realität anders darstellt als sie ist?

 

Und nicht zuletzt: Selbst wenn wir etwas über Gott erzählen, von dem wir letztlich doch nichts wissen, wie kommen wir eigentlich darauf, dass darauf auch noch Sein Segen ruhen soll?

Der russische Regimekritiker Alexander Solschenyzin schreibt in seinem berühmten Aufruf vom 12. Februar 1974 "Lebt nicht mit der Lüge", dass sich niemals etwas von uns selbst lösen wird, wenn wir alle es Tag und Nacht anerkennen, preisen und ihm Halt geben. Er empfiehlt: IN NICHTS DIE LÜGE BEWUSST UNTERSTÜTZEN! Erkennen, wo die Grenze der Lüge ist (für jeden sieht sie anders aus) - und dann von dieser lebensgefährlichen Grenze zurücktreten! Nicht die toten Knöchelchen und Schuppen der Ideologie zusammenkleben, nicht den vermoderten Lappen flicken - und wir werden erstaunt sein, wie schnell und hilflos die Lüge abfällt, und was nackt und bloß dastehen soll, wird dann nackt und bloß vor der Welt stehen. Und dies würde schließlich sogar der leichteste der möglichen Wege sein, um etwas zu ändern, und der einzige für die Seele. 

Aber nicht heiliger als der Papst!

Leider geht es manchmal nicht anders, auch und gerade wenn etwas Gutes durchgesetzt werden soll. Wir brauchen also keine Gewissensbedenken zu haben, wenn wir Verbrecher anlügen. Zum Problem, dass wir auch bisweilen bei typischen Gutmenschen nicht die Wahrheit sagen können, weil sie sie einfach nicht vertragen können, siehe unter Salazar-Methode. Nicht umsonst weise ich hier auf diese Problematik hin, damit die Betonklötze, die so etwas zu brauchen scheinen, weil sie ganz offensichtlich mit der Wahrheit nichts anfangen können, sich überlegen, ob sie nicht doch lieber etwas sachlicher werden sollten.

Inwieweit die Lüge möglicherweise dem Menschen zu seiner Intelligenz verhalf, siehe unter Evolution!

Und noch etwas: Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge, die sie schon hundertmal gehört haben, als eine Wahrheit, die ihnen völlig neu ist  (Alfred Polgar).

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)