WUNDER sind ein Lieblingsargument aller Religionen für ihr Selbstverständnis. Wie auch bei anderen Religionen ist vermutlich auch kein einziges der Wunder, von denen wir in der Bibel lesen, tatsächlich passiert, denn in der Bibel geht es nicht um magische Praktiken, sondern um eine Verhaltensänderung, und zwar im Sinn der Zehn Gebote. Soweit Wunder im Leben und Wirken Jesu eine Rolle spielen, sind sie dem Jesus der Verkündigung, also dem des Kerygmas, zuzuordnen, sie sind also nicht historisch. Zum großen Teil entsprechen sie den in der damaligen Zeit auch in anderen Religionen bekannten Wundern. Eine gute Zusammenstellung finden wir unter http://www.fb1.uni-siegen.de/kaththeo/doc/antike_t/index.htm, Kapitel III: "Antike Parallelen zu den Wundergeschichten im Neuen Testament". Im einzelnen können wir die Wunder der Bibel nach unterschiedlichen Deutungen abgrenzen:
Gegen alle diese Deutungsmöglichkeiten wird die magische Deutung immer unwahrscheinlicher, daß Jesus etwa aus fünf Gerstenbroten und zwei Fischen soviel herausgezaubert hatte, daß fünftausend Männer mit ihren Frauen und Kindern satt wurden. Selbst wenn alle wundersamen Begebenheiten nun offensichtlich doch nicht richtige Wunder sind, ist den Verfassern der Bibel wohl am wenigsten der Vorwurf bewußter Lüge zu machen: Zu ihrer Zeit waren die Wundergeschichten entweder so offenkundig eindeutig, daß sie kein Mensch für bare Münze nahm, oder man hatte keine Schwierigkeiten damit, weil die ganze Welt auch sonst voller wundersamer Vorkommnisse war. Bedenken wir doch, daß Krankheiten und Katastrophen immer wieder als Strafe Gottes, also als Wunder mit negativen Vorzeichen, gesehen wurden und immer noch werden. Was gab es noch nach dem Jahr 1752, in dem der Amerikaner Benjamin Franklin den Blitzableiter erfunden hatte, nicht für erbitterte Diskussionen darüber, ob es nicht Gottesfrevel war, damit das angebliche wundersame Eingreifen Gottes in unsere Natur anzuzweifeln und sogar zu verhindern. Eine brauchbare Methode für die Erklärung von Wundern ist, sie unter den Gesichtspunkten der Plausibilität zu untersuchen. Sehen wir uns zum Beispiel hier die Erzählung von der Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit von Kana an (Joh. 2, 1 ff): Eine Wörtlichnahme dieses Wunders würde bedeuten, daß Jesus nicht nur einem schlampigen Bräutigam aus der Patsche half, der seine Hochzeitsfeier nicht richtig vorbereitet hatte, sondern auch, daß er in unverantwortlicher Weise eine Hochzeitsgesellschaft mit alkoholischem Getränk im Übermaß versorgt hatte. Nach heutigen Berechnungen der Angaben waren es um die sechshundert Liter, und eigentlich hatten alle ja auch schon genug getrunken ("...du hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten, wo die Gäste schon zuviel getrunken haben...")! Eine Wörtlichnahme verbietet sich da im Grunde schon von selbst. Doch um was ging es? Die Begebenheit bezieht sich aus religionshistorischer Sicht (siehe religionsgeschichtlicher Ansatz) ganz offensichtlich auf eine Legende um den griechischen Weingott Dionysos (siehe ebenfalls Kapitel III der Website http://www.fb1.uni-siegen.de/kaththeo/doc/antike_t/index.htm), der angeblich auch einmal eines oder gar mehrere solcher Wunder vollbracht hatte. Jeder, der im griechischen Kulturkreis zu Hause war, und für diese Menschen ist die Geschichte ja verfaßt, kannte sie damals, so wie heute etwa bei uns schon jedes Kind das Märchen von Hänsel und Gretel kennt. Wenn man nun damals eine solche phantastische Geschichte dann noch über eine andere Person hörte, konnte man sich leicht denken, daß hier vor allem eine Gegenüberstellung beabsichtigt war, die dazu dienen sollte, die (noch) unbekannte Person aufzuwerten nach dem Motto: "Was euer Gott kann, kann unser Jesus schon längst!". Sinnvollerweise ging es dabei diesmal allerdings noch um mehr: Denn die Menschen damals verbanden mit der Vorstellung vom Wein auch noch die von einer Medizin. Da sie beobachtet hatten, daß man mit Wein nicht nur seine Sorgen und auch seinen Kummer vergessen und sogar regelrecht fröhlich werden konnte, und auch, daß Wunden zwar zunächst brannten, wenn man sie mit Wein betupfte, aber schließlich doch schneller und besser heilten, wenn man sie damit auswusch, schlossen sie auf eine übernatürliche Ursache. Man erklärte sich die doppelte "heilsame" Wirkung des Weins damit, daß im Wein wohl Geister seien, und zwar gute Geister. Und auf diese guten Geister bezieht sich das Wunder von der Weinvermehrung nun ganz gewiß: Jesus (und nicht mehr Dionysos) ist der neue und der wahre Herr der guten Geister. Und bei Jesus führt die Weinverwandlung nicht am Ende zu einer Orgie (siehe Tempelprostitution), die den Menschen doch letztlich nur noch mehr Probleme bereitet, sondern Jesus hilft gerade in überreichlichem Maß bei einer Hochzeit. Denn es ist ja in besonderer Weise sein Anliegen, daß Menschen in der innigen Gemeinschaft von Liebe und Ehe ihr wirkliches und lebenslanges Glück finden. Vielleicht als Denkhilfe: In unserem heutigen Klosterfrau Melissengeist ist ja auch Alkohol, doch niemand käme wohl heute auf die Idee, daß man ihn auf einer Feier trinken könnte. Was würden wir denn damit verbinden, wenn wir erführen, daß jemand sechs Eisenbahnwaggons von solchem Melissengeist hervorzaubert und an kranke Menschen verschenkt (vorausgesetzt, es entspricht unserem Denkschema heute, daß so etwas auch wirkt)? Da würde doch auch niemand an eine Verführung zum Alkohol, sondern an einen hilfreichen Menschen denken! Und wie mit diesem Wunder ist es so oder in ähnlicher Weise mit den meisten anderen Wundern, wichtig für eine Interpretation ist in jedem Fall unbedingt eine Kenntnis der Zusammenhänge, ansonsten kommt Unsinn heraus. Warum nun kommen wir trotz aller dieser Argumente gegen den Wunderglauben auch in unserer christlichen Religion nun davon nicht so recht los? Die zutreffende Erklärung dafür ist sicher, daß sich in allen Religionen damit Priestergesellschaften Respekt und geheimnisumwobenes Ansehen bei ihren Gläubigen verschaffen (siehe auch Priesterreligion). Wunder, die nicht mehr hinterfragt werden können, sind der Beweis, daß es etwas gibt, was geradezu unheimlich ist. Und vor dem, was unheimlich ist, haben Menschen schließlich Scheu und Angst. Diese Angst wiederum bedeutet bedeute ja immer Macht und Herrschaft für eine andere Seite. Der Wunderglaube muß also leider auch unter dem Gesichtspunkt von Macht und Herrschaft gesehen werden: Etablierte Priestergesellschaften wissen genau, daß sie durch Wunderglauben die Menschen verunsichern und verunsicherte Menschen neigen eher dazu, gläubig und untertänig zu sein. Und sie wissen auch, die schließlich ja von der Gläubigkeit der Gläubigen leben, daß durch den Wunderglauben sogar Opfer besser sprudeln wie ja auch durch den Glauben an eine Leben nach dem Tod (siehe Mafia!)! Vielleicht auch deshalb gilt der Glaube an Wunder auch für manche unserer Priester als unverzichtbar für unseren christlichen Glauben? Warum nur haben wir überall durch die Übernahme von heidnischem Glaubensgut unseren Glauben so belastet und entfremdet? Wie eine christliche Erziehung ohne Wunderglauben, die sich jedoch an den Zehn Geboten orientiert, aussehen kann, siehe unter Kindererziehung und vor allem unter Kindergarten den Essay "Das Rätsel der heiligen Drei Könige und der `Nacktkindergartenskandal´ von Duisburg". (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)
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