GLAUBWÜRDIGKEIT (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Obwohl die GLAUBWÜRDIGKEIT eine der elementaren Bedingungen für einen sachlichen und angstfreien Umgang der Menschen miteinander ist, scheint vielen Menschen überhaupt nichts daran gelegen zu sein, sie zu erreichen und zu erhalten. Dabei müßte sie nicht nur für Werbefachleute und Politiker, sondern vor allem auch für Erzieher vor allem wichtig sein, denn eine einmal verlorene Glaubwürdigkeit läßt sich nur sehr schwer - wenn überhaupt - wiedergewinnen.

Wenn Menschen nicht die Wahrheit sagen, bleibt immer etwas hängen - und zu Recht!

Als Kind wurde mir von meiner Mutter die Geschichte von dem kleinen Jungen erzählt, der "Hilfe, ein Wolf" rief und dann "April, April", wenn Leute herbeiliefen, um ihm beizustehen, obwohl gar kein Wolf da war. Beim zweiten derartigen Scherz kamen die Leute auch noch, nicht jedoch beim dritten Mal, als der Junge wieder rief und der Wolf wirklich kam, denn der Junge hatte sich durch seine früheren Lügen unglaubwürdig gemacht. Diese Geschichte war für Kinder gedacht, um ihnen Ehrlichkeit beizubringen. Doch sollten Erwachsene nicht viel mehr den Sinn dieser Geschichte bedenken, treiben sie es gerade gegenüber jungen Menschen nicht viel ärger, vor allem wenn es um die Dinge der Seele geht? Werden Kinder da nicht sozusagen grundsätzlich belogen, so daß sie irgendwann gar nichts mehr den Erwachsenen glauben oder deren Gedankengut zumindest skeptisch betrachten, zumal wenn es schließlich um Verhaltensweisen geht, die zum Bereich der Moral gehören und die einige Standhaftigkeit und Selbstbeherrschung erfordern? Fatal ist auch, daß oft jemand, der es wirklich ehrlich meint, schließlich für andere, die hier Fehler gemacht hatten, büßen muß. Und wenn dann beispielsweise ein erwachsenerer Mensch mit einem Menschen des anderen Geschlechts die typische Enttäuschung erlebt hat, entsteht nur zu oft ein Mißtrauen gegenüber vielen, wenn nicht gar allen Menschen des anderen Geschlechts. So wird ein Mädchen, das einmal Opfer einer Vergewaltigung oder Verführung geworden ist, unter Umständen zunächst einmal in jedem Mann, in jeder Zärtlichkeit und in jeder Bemühung um Vertrauen eine Gefahr wittern oder zumindest dasselbe unterstellen, das es schon einmal erlebt hat (siehe Projektion und Unterstellungen).

Da wir allerdings gerade bei Eltern und den meisten der anderen Erziehern vom guten Willen gegenüber Kindern ausgehen können, dürfte es im Grunde gar nicht schwer sein, die Glaubwürdigkeit auch zu erhalten.

Vieles an Unglaubwürdigkeit wird keinesfalls durch Dummheit oder Böswilligkeit, sondern schlicht und einfach durch mangelndes Nachdenken verursacht, was dann später zu dauerndem Unverständnis führt, selbst wenn man über alles miteinander reden könnte. Hier seien einmal einige Todsünden gegen die Glaubwürdigkeit zusammengestellt:

  1. Erzähle erst einmal über eine Angelegenheit etwas Falsches! Irgendwann wird derjenige, den du da falsch informiert hast, darauf kommen, daß nicht stimmt, was du erzählt hast - und dann auch das Übrige, was du sonst erzählst, in Zweifel ziehen. Erzähle also ruhig deinen Kindern vom Weihnachtsmann oder vom Christkind und vom Osterhasen, erzähle den Kindern, wenn sie älter sind, von Adam und Eva als den ersten Menschen, von Wundern, von Jungfrauengeburt, von Auferstehung! Und schmücke das alles mit dem Feiern von Festen und Gedenktagen aus und korrumpiere die jungen Menschen mit Geschenken und vermeintlich kindgemäßen Überraschungen zumindest zu einigen dieser Anlässe! Natürlich gibt es immer Rationalisierungen, die jede Unwahrheit rechtfertigen. Denke aber daran: Zunächst sind es Kleinigkeiten, die nicht stimmen, sehr bald wird's mehr auf dem Weg zu völliger Unglaubwürdigkeit! Und davon ist dann auch bald der gesamte christliche Glaube betroffen!

  2. Vermische geschickt Richtiges und Falsches! Eine Zeitlang geht das gut, vor allem wenn du das sehr eindrucksvoll machst. Doch irgendwann wird man dir gar nichts mehr glauben.

  3. Gehe von der Annahme aus, daß Du viel mehr fordern mußt, als was der andere überhaupt halten kann! Übertreibe also! Fordre so in der Erziehung zur Sexualmoral, daß deine Kinder keine unmoralischen Filme ansehen und keine unmoralischen Reden führen sollen - sie werden das alles entweder zum Schein auch einhalten oder sie werden sich tatsächlich ehrlich daran halten, jedoch eines Tages feststellen, daß das Leben anders ist, und alles, was du ihnen anerzogen hast, um so gründlicher über Bord werfen.

  4. Sorge dafür, daß die dir anvertrauten (jungen) Leute Tabus entwickeln, wenn es um das belanglose Drumherum unseres Glaubens oder unserer Sexualität geht. Dazu gehören auf alle Fälle die Angst vor göttlicher Strafe und die (Sexual-)Scham. Je intensiver die Ängste der jungen Leute da werden, desto mehr werden sie sich darauf fixieren, daß hier die Kernpunkte des Lebens schlechthin liegen. Wenn sie sich später einmal über alles hinwegsetzen, so werden sie doch die Angst vor göttlicher Strafe und die Sexualscham nicht verlieren. Das verhilft ihnen zwar nicht zu ihrem persönlichen Glück, doch sie bleiben so auf alle Fälle unserer Religion und unserer Kultur erhalten und werden vor allem weiter Kirchensteuer bezahlen, weil ja etwas dran sein könnte. Und in dir werden sie wenigstens vielleicht noch einen Leidensgefährten sehen, dem es auch nicht besser ergangen ist als ihnen selbst!

  5. Vermeide stets, offen darzulegen, um was es dir wirklich geht! Wenn es dir um die Sexualmoral junger Menschen geht, sprich ja nie direkt aus, daß sich die jungen Leute durch vorehelichen Geschlechtsverkehr (auch so etwas nicht aussprechen!) ihre Freiheit und Unabhängigkeit beschneiden. Rede in Rätseln, sage zum Beispiel, daß sie immer anständig bleiben müßten, aber sage nicht, was das nun wirklich bedeutet. Für die Unglaubwürdigkeit gilt immer noch die alte Regel: Je mehr du verschleierst, je weniger deutlich du sagst, was du meinst, umso besser wirst du nicht verstanden (!).

  6. Verprelle junge Menschen durch dumme Antworten! Sie werden sich dann bei Gelegenheit anderen anvertrauen, die unverklemmter sind. Die von dir verprellten Menschen werden dann nicht nur mit den Unverklemmteren reden, sondern sie werden auch von ihrer Handlungsweise motivieren lassen!

  7. Gib gerade im sexuellen Bereich ja keine Alternativen an, die man anstelle der wirklich folgenschweren Sachen tun könnte. Tabuisiere grundsätzlich alles - so vermeidest du, daß die jungen Leute ein Ventil finden zum Dampf Ablassen und lernen, sich damit zu begnügen und schließlich doch noch rechtzeitig zur Besinnung kommen und deine Glaubwürdigkeit erkennen, bevor sie vollendete Tatsachen geschaffen haben. Weise so nie und nimmer auf die Ideen hin, die auf eine bewußte und aktive Enthaltsamkeit hinauslaufen könnten oder auf die Möglichkeit eines relativ unproblematischen Kontakts mit der Haut!

  8. Um die jungen Menschen bei der Moral zu halten, behaupte steif und fest, daß die ganze Sexualität fies und ekelhaft sei. Auch sonst ist es eine brauchbare Methode, etwas Schönes abzuwerten, wenn man andere davon abbringen will. Vor allem junge Menschen werden irgendwann woanders her hören, daß das, was du da fies und eklig machst, in Wirklichkeit etwas Faszinierendes und Berauschendes sein soll, und sich dann nach den neuen Informationen richten.

  9. Stelle deine bessere Meinung möglichst langweilig und langatmig dar. Fang am besten bei der Thematik der Sexualität bei Bienen und Blumen oder bei Spermien und Eizellen an und bilde die jungen Leute später mit allem möglichen und für sie nutzlosen medizinischen Detailwissen zu Frauenärzten, Geburtshelfern und sonstigen medizinischen Spezialisten aus! Wenn es dann endlich um die Probleme der Menschenkenntnis dabei geht, werden sie nicht mehr zuhören wollen oder sogar eingeschlafen sein. Jetzt kannst du wenigstens sagen, daß du beobachtet hast, daß gerade diese Themen alle die jungen Leute langweilen.

  10. Mach die Meinung der jungen Leute lächerlich! Das ist auch eine Methode, seine eigene Verklemmtheit und Leibfeindlichkeit zu verbergen und dafür zu sorgen, daß sich die jungen Leute denen anvertrauen, die das alles gar nicht lächerlich finden!

  11. Verschleiere anderen Menschen, welche Vorteile du hast an Macht, Einfluß und eventuell auch materiellem Gewinn, wenn sie deinen (falschen) Ratschlägen folgen! Gerade unsere Religionen verdienen ja an Menschen mit Problemen mehr als an Menschen ohne Probleme. Und davon profitieren schließlich alle diejenigen, die von den Kirchen ihr Gehalt empfangen oder sogar in Staatsdiensten sonstwie religiöses Wissen verbreiten.

  12. Gestehe ja nicht, welche Probleme du selbst mit einem Thema hast, wie du selbst gar in einer bestimmten Situation gescheitert bist (dabei wäre es gar nicht notwendig, den Vorgang des Scheiterns genau zu berichten, es würde reichen, zu sagen, daß du eben gescheitert bist), lenke am besten ab und sage, daß es Wichtigeres gibt!

  13. Bei alledem spielt das berühmte gute Vorbild für die Glaubwürdigkeit eines Menschen schon fast keine Rolle mehr. Bezieht es nicht ohnehin nur auf das, was man auch offen sehen kann, wie auf das Bei-roter-Ampel-nicht-über-die-Straße-Gehen? Und was hat das schon für eine Vorbildfunktion, wenn wir schlechte Dinge heimlich tun, bloß damit Kinder es nicht sehen? Die merken ja sowieso irgendwann, daß etwas faul ist!

Und wenn den jungen Menschen gar nicht auffällt, wie wir ihnen Falsches als Wahres und Richtiges ausgeben und sie das dann auch als wahr und richtig annehmen, praktizieren wir dann nicht eine Art Gehirnwäsche?

Zusammenfassung: Wenn du als Erzieher einige oder sogar alle diese Todsünden gegen die Glaubwürdigkeit begangen und immer noch den Eindruck hast, Glaubwürdigkeit zu besitzen, triumphiere nicht zu früh! Vielleicht gehörst du auch zu jenen Glückspilzen, deren anvertraute Kinder woanders her Vernünftigeres als von dir erfahren haben und die auf deine Ratschläge nicht angewiesen waren, oder zu den Dusseligen, zu denen die Kinder irgendwann zurückkehren, weil sie von anderen Menschen noch mehr enttäuscht wurden?

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)