(Fehlende) VORBILDER (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

VORBILD. Über fehlende VORBILDER zu klagen, gehört zum guten Ton derjenigen Zeitgenossen, die sich ganz offensichtlich selbst nicht mehr als Vorbild für andere verstehen. Dabei ist es gar nicht so schwer, Vorbild für junge Menschen zu sein!

Denn als Vorbilder können ja sowohl Menschen mit gelungenem eigenen Leben oder auch nur mit gelungenen Lebenssituationen dienen, als auch, wenn dies alles offensichtlich mißlungen ist. Es kommt nur darauf an, daß sie für die jungen Menschen transparent sind, das heißt, daß sie die Zusammenhänge durchschauen.

Denn es ist oft nicht leicht zu erkennen, woran es liegt, daß jemand ein gutes oder ein weniger gutes Vorbild ist, und genau das aber wäre für junge Menschen wichtig. Denn sie stehen doch immer vor dem Problem, daß sie zwar in ihrem eigenen Leben alles besser machen wollen gegenüber dem, was sie in ihrer Umwelt beobachten, doch sie kennen oft nicht die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung. So wirken nur zu oft gerade freudlose und langweilige Erwachsene, deren Liebe offensichtlich nicht gelungen zu sein scheint, sehr verklemmt und leibfeindlich und moralisch. Junge Menschen, die dies beobachten, kombinieren nun, daß Moral, Verklemmtheit, Leibfeindlichkeit, Freudlosigkeit und Langeweile zusammengehören und werfen alles in einem Schwung über Bord und verhalten sich im eigenen Leben eben nicht mehr so moralisch. Andererseits erkennen junge Menschen auch nicht die Zusammenhänge bei Menschen, deren Liebe gelungen zu sein scheint, einfach, weil sich auch solche Menschen mit Informationen über sich selbst zurückhalten.

Die praktischste Lösung zur Überwindung dieses Dilemmas gab es vielleicht in der Urkirche: Da war das, was wir heute Beichte nennen, öffentlich. So konnte auch jungen Menschen klar werden, daß hinter dem, was nach außen hin so unverklemmt und modern aussah, in Wirklichkeit nur zu oft regelrechte menschliche Katastrophen standen. Vorbilder im Guten wie im Schlechten waren somit transparent und wirklich hilfreich.

Wahrscheinlich ist solche Transparenz von den jeweiligen Erziehern, die jungen Menschen am nächsten stehen, also vor allem den Eltern, nur bedingt zu verlangen: Wer breitet schon gern vor seinen Kindern seine Fehler und Schwächen so genau aus, daß die Zusammenhänge wirklich klar werden? Hier sind in Schule und Kirche Menschen mit Verantwortlichkeit gefragt, die den jungen Leuten nicht so nahe stehen.

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)