VOLLENDETE TATSACHEN nennt man Geschehnisse, die von großer
Bedeutung für das Leben eines Menschen sind und die man nicht mehr rückgängig
machen kann. Für unsere Existenz schlechthin ist der Tod
eine solche Tatsache, für die Liebe der
Geschlechtsverkehr,
vor allem der erste.
Während der Tod im allgemeinen als unausweichlich und schicksalshaft düster und unheimlich empfunden wird, haben wir mit dem
Geschlechtsverkehr einen ganz anderen Entscheidungsspielraum - oder wir könnten
ihn wenigstens haben.
Wie könnten wir uns da vorbereiten und darauf
einrichten, damit er nicht der Anfang eines frustrierten Liebeslebens
wird, an dem wir auch noch selbst schuld sind, sondern eines erfüllten! Das
Problem ist nämlich, daß zwar die vollendeten Tatsachen im Sexuellen
in einer Situation von Überrumplung
und Unvermeidbarkeit
schnell geschehen sind, daß sie aber unter Umständen einmal schwerwiegende
Folgen haben, selbst wenn sich keine Schwangerschaft daraus ergibt oder es zu
keiner Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit
gekommen ist. Nach solchen Tatsachen kann einem unter Umständen später
einmal der einzig zugkräftige Beweis fehlen, daß es einem nicht um vordergründige
Verliebtheit
und andere oberflächlichen Vergnügungen im Leben sondern um wirkliche
Liebe geht, und daß man dazu auch noch Geduld
hat und bereit ist, Opfer zu bringen. Wie soll man sonst begründen, daß man
nicht schon öfter dachte, den einzig ersehnten Partner gefunden
zu haben? Oder wie soll man beweisen, daß man nicht doch eine Art
Schlampe
ist, weil einem die vollendeten Tatsachen früher gleichgültig waren?
Es ist schon seltsam und sieht sogar nach Schizophrenie aus, wenn sich junge
Menschen zu derartigen vollendeten Tatsachen mit bisweilen
zweifelhaften Partnern hinreißen lassen, gleichzeitig aber zu feige und zu
verklemmt sind für Harmlosigkeiten, wie es das Mitmachen an einem Nacktstrand
ist, wo Nacktheit eben üblich ist. Dabei könnten sie doch dabei Gefühle von
Selbstbewußtsein
und in jedem Fall reuefreie Lebensfreude erfahren, ganz anders als bei dem,
was sie sich mit einem mißglückten Geschlechtsverkehr für ihr ganzes
weiteres Leben einhandelten!
Dieses widersprüchliche Verhalten läßt auf
Mangel an einem wirklichen Lebenskonzept
schließen und darauf, daß sie keine Ahnung davon haben, was man sonst noch
alles machen könnte.
Bevor sich junge Menschen daher auf die zweifelhaften vollendeten
Tatsachen im Geschlechtlichen einlassen, sollten sie sich doch einiges
fragen, wenn sie schon meinen, daß es sein müßte:
-
Will
ich hier etwas anfangen, weil ich vielleicht sogar
Komplexe
habe, nicht mitreden zu können, wenn andere mit ihren (angeblichen)
Erfahrungen
herumprotzen? Fällt mir wirklich nichts Besseres ein, um meine Komplexe
aufzuarbeiten?
-
Junge
Menschen sehnen sich normalerweise erst einmal nach der Phase des
Erlebens der Ästhetik - und dazu gehört auch
das unkomplizierte und unschuldige Zusammensein mit einem
Menschen des anderen Geschlechts. Sie möchten gern etwa die Nacktheit
erleben und genießen. Besonders Mädchen meinen nun, das eine, die
Nacktheit und den Hautkontakt etwa, nicht ohne das andere, die vollendeten
Tatsachen, erhalten zu können. Doch das ist ein Irrtum - es gehört
nur ein Partner mit positiver Männlichkeit
dazu! Und wenn dann ein solcher konkreter Partner im Spiel ist:
-
Was
ist es eigentlich, was mein Partner und ich aneinander so gut finden und
was uns aneinander bindet? Sind wir nur einfach voneinander fasziniert
oder gibt es gemeinsame Begeisterungen, die wir gern miteinander teilen
und bei denen uns voraussichtlich auch noch in einigen Jahren der Stoff
nicht ausgeht? Bindet uns also wirkliche
Liebe oder ist es nur Verliebtheit
(oder noch nicht einmal die)?
-
Sind
wir wirklich füreinander echte Gefährten?
Was wäre, wenn es keine sexuelle Anziehung gäbe, würde man dieses Gefährtesein
auch noch so sehen? Oder wäre der andere einem dann sogar gleichgültig?
Empfinde ich den anderen als den Gefährten, mit dem ich durch Dick und Dünn
gehen möchte?
-
Habe
ich irgendeine Angst
vor dem anderen? Hat er (sie) eine Angst vor mir, spüre oder merke ich,
daß er (sie) mit mir nicht über alles spricht, was ihn (sie) bewegt?
-
Bin
ich mir bewußt, welche Chancen zur Selbstmitteilung von Gefühlen es
zwischen Menschen gibt, die sich mögen und sich vertrauen? Da gibt es die
Nähe zueinander in allen möglichen Varianten über Praktiken des
Enthaltsamkeit
bis hin zu bloßem Haut-Kontakt?
Was kenne ich davon, stehe ich in einer Situation der
Überrumplung?
Bin ich mir bewußt, daß ich schon mit Hautkontakt und erst recht mit
Petting
und mit vollendeten Tatsachen viele zarte Möglichkeiten des
Sichkennenlernens für immer zerschlagen kann - auch mit weiteren
Partnern?
-
Bin
ich mir bewußt, daß gerade der weibliche Partner auch ohne
vollendeten Geschlechtsverkehr, ohne Petting
und mit nur ganz leichtem und eher absichtslosem Körperkontakt zum
Orgasmus
kommen kann, wenn wirkliche Lebensfreude und Begeisterung da ist? Ein
solcher Orgasmus des Mädchens kann sogar als Indiz angesehen werden, ob
überhaupt die Angstfreiheit und die Harmonie da sind, die die
Grundvoraussetzungen für eine echte dauernde Partnerschaft auf körperlichem
Gebiet sind.
Die
Vorteile ungeschehener vollendeter Tatsachen gerade im Sexuellen dürften
ziemlich offensichtlich sein:
-
Für
beide Partner sind gerade aus einer bewußten Enthaltsamkeit heraus
echte Grenzerfahrungen
möglich - und die sind es doch, die man im Rausch einer Liebe oder
Verliebtheit erst einmal erleben möchte! Und auch hierbei ist so
etwas wie eine Verführung
möglich und bei einem liebevollen und im positiven Sinn männlichen Verführer
können beide alle romantischen Gefühle erleben und schließlich auch die
der Schwäche (siehe allerdings unter Männlichkeit).
-
Solche
vorläufigen Kontakte lassen auch ein längeres Zusammenleben zu,
ohne durch völlige Rührmichnichtan-Mentalität überfordert zu werden.
Und
gerade so ist auch etwa eine interessante Reise möglich, bei der jeder
das Verhalten des Partners auch in schwierigen Situationen kennenlernen kann.
Bemüht sich der andere wirklich um mich, kann ich seine Bemühungen um mich
überhaupt auf längere Zeit ertragen, wirken sie vielleicht gekünstelt? Nach
vollendeten Tatsachen kann sich nämlich gekünstelte Zuneigung in
blanke Ausbeutung umkehren, weil man glaubt, den anderen sicher zu haben. Auch
muß jeder schließlich für sich selbst herausfinden, ob es einem der andere
wirklich wert ist, daß man sich in ganz besonderer Weise auch über längere
Zeit um ihn bemüht oder ob er (oder sie) nicht auf Dauer eher lästig wird.
-
So
wie ein Mädchen, ohne Endgültiges geschehen zu lassen, herausfinden
kann, ob es möglicherweise auf das
Imponiergehabe
eines Jungen oder Mannes hereinfällt, kann der männliche Partner
feststellen, ob er da nicht eine lebensuntaugliche und unverbesserliche
Prinzessin
oder unreife Cinderella
vor sich hat, die doch nur auf die Versorgung durch einen Mann und vor
allem auf sein Geld und seine Stellung aus ist.
-
Allerdings
gilt es auch, ein Ersatz-Bruder-Schwester-Verhältnis
rechtzeitig zu erkennen. In der Gefahr, ihren Ersatzbruder oder
ihre Ersatzschwester zum Partner zu nehmen, stehen insbesondere
junge Menschen, die keine eigenen andersgeschlechtlichen Geschwister im
geeigneten Alter haben.
-
Wenn
man sich von dem Partner löst, hat man bei einem nächsten Partner keine
Probleme mit der Vergangenheit, es war ja nichts. Wenn ein
Kind im Alter von vier Jahren mit einem gleichaltrigen Freund nackt im
Bett (oder hinter einer Hecke im Gras) liegt, so ist normalerweise das völlig
unproblematisch - und wenn man ein Dutzend Jahre später genauso
miteinander im Bett liegt, ist das wohl genauso unproblematisch,
vorausgesetzt, es bleibt bei demselben!
-
Die
Macht- und Besitzdenken-Problematik,
die mit dem Geschlechtsverkehr nun einmal automatisch gegeben ist, ist
nicht berührt. Da es allenfalls beim äußerlichen Hautkontakt
bleibt, sind beide, der männliche wie der weibliche Partner, gleichermaßen
betroffen und eventuell auch bei einem Scheitern der Beziehung an
Liebeskummer
leidend.
-
Keiner
der Partner ist erpreßbar nach dem Motto: "Jetzt habe ich mit dem
Geschlechtsverkehr einmal angefangen, jetzt muß ich die Partnerschaft
auch vor mir und anderen durchstehen, die mich vielleicht sogar gewarnt
haben, gleichgültig, wie ich mich dabei fühle". Ohne vollendete
Tatsachen kann eine Freundschaft viel leichter gelöst werden, wenn
sie aus irgendwelchen Gründen doch nicht das Wahre ist. Natürlich sind
die Voraussetzungen, daß man solche Partnerschaften wieder löst, am günstigsten,
wenn überhaupt noch nie vollendete Tatsachen, also auch noch nicht
mit anderen, stattgefunden haben.
-
Dadurch
wird auch das eigene Selbstbewußtsein
gefördert, denn wer noch frei und unabhängig ist, braucht sich auch
nichts gefallen zu lassen, was irgendwie gegen die eigene
Ehre und Würde geht. Niemand braucht sich selbst oder einem anderen
etwas zu verbergen, vorzumachen oder gar vorzuwerfen. Wir sollten diesen
Punkt nicht unterschätzen: Je reiner das Gewissen ist, desto
deutlicher und unbefangener kann jeder später seinen Partner auch in den Dingen
der Sexualität "motivieren", ohne daß der Partner argwöhnisch
wird, ob man das nicht mit anderen auch schon alles durchprobiert
hat.
-
Jeder
kann ohne Schuldgefühle feststellen, ob er wirklich bei der Sache ist
und bei dem ziemlich intimen Zusammensein nicht doch an einen
anderen denkt! Wer mit dies fairerweise zugeben und die Beziehung
schleunigst abbrechen.
-
Keiner
steht in der Beweisnot, später einmal Zweifel an seiner mangelhaften
Menschenkenntnis
ausräumen zu müssen, weil er sich in blinder
Verliebtheit
an einen ungeeigneten Freund oder sogar an mehrere verschwendet hatte.
-
Es
sind keine Verhütungsmittel
notwendig und trotzdem besteht keine Furcht vor einer
Schwangerschaft
oder einer Abtreibung.
Und eine Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten
ist auch unwahrscheinlich. Dadurch ist eine völlig neue
Spontaneität
möglich: Wenn man sich einmal mit einem Menschen recht kurzfristig
ganz besonders gut versteht, kann man viel schneller und unkomplizierter
etwa ein gemeinsames Hotelzimmer nehmen (unbedingt das Stichwort
Enthaltsamkeit
beachten!), ohne irgendwelche seelischen oder sonstigen ernsthaften Folgen
befürchten zu müssen. Voraussetzung sind natürlich dieselben
Auffassungen von Moral.
-
Ist
da noch irgendeine Spur von Ekel und Leere nach solchem Zusammensein ohne
oder mit Hautkontakt? Wir sollten uns bewußt machen, daß solche
negativen Eindrücke mit der Zeit nicht ab-, sondern eher zunehmen. Ja sie
können sich später sogar so ausweiten, daß wir von jeglichen Zärtlichkeiten
zueinander nichts mehr wissen wollen - und das überträgt sich dann auch
auf andere Dinge des gemeinsamen Lebens.
-
Wie
ist das Theorie-und-Praxis-Verhältnis
des anderen? Redet er (oder sie) nur und hat tolle Ideen und es ist doch
nichts dahinter?
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Wenn
es grundsätzlich bei solchem näheren Zusammensein ohne vollendete
Tatsachen bleibt, ist irgendwann auch die Befürchtung gegenstandslos, daß
gerade über ein Mädchen hergezogen wird, indem es als Schlampe
oder Flittchen bezeichnet wird. Letzlich steigt ein Mädchen in der
Anerkennung, wenn es weiß, was es will, und sich von einem überzeugenden
Lebenskonzept
leiten läßt.
-
Kein
Wiederholungszwang
für Handlungen, für die man sich vielleicht sogar wirklich schämen müßte.
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Jeder
behält die Freiheit
von Sünde,
um die es in unserem christlichen Glauben geht
- und er lebt dhar in Übereinstimmung mit dem, was man glaubt und was man
nach außen vorgibt!
-
Und
so gibt es auch für menschenfeindliche und ausbeuterische
Religionen
keinen Ansatz, uns ein schlechtes Gewissen
einzureden oder ein tatsächlich vorhandenes schlechtes Gewissen für
Schuldgefühle und andere Ängste
zu nutzen. Solange die vollendeten Tatsachen grundsätzlich
ausgeklammert bleiben, haben Partnerwechsel selbst aus belanglosen Gründen
so schnell nichts Anrüchiges an sich bis hin zur Abwerbung. Das
ist der Lauf der Dinge bei der Partnersuche und gewiß ein Vorrecht junger
Menschen, das ihrer Neugier
und ihrer Lebensfreude entspricht. Damit muß sich auch ein Mensch, der
seine große Liebe auf diese Weise verliert, schließlich abfinden,
vor allem, wenn ihm die Gründe einsichtig sind oder gemacht werden. Erst
recht ist nichts dagegen einzuwenden, mit einem anderen Partner als dem Dauerfreund
(oder der Dauerfreundin) auszugehen und sich etwa für neue
kulturelle oder sonstige schöne Erlebnisse begeistern zu lassen. So kann
jeder schließlich viel besser entscheiden, wessen Gemeinschaft ihn (und
andere!) tatsächlich besser lebenslang ausfüllen könnte. Es wäre ja
auch ein merkwürdiger Zufall, wenn gleich der erste Mensch des anderen Geschlechts, für den
wir Gefühle entwickeln, sozusagen der Richtige fürs ganze Leben wäre.
Im übrigen handelt sich auch bei einem Zusammensein ohne vollendete
Tatsachen um eine Art Ehe auf Probe, doch wird wenigstens hierbei vermieden, daß es hierbei zu
dem Streß
und den größeren Konflikten kommt (der Un-Freiheit), wie sie bei
einer Ehe auf Probe mit vollendeten Tatsachen (oder bei einer
vorgezogenen Ehe) nun einmal unvermeidlich sind.
Es
wäre zu überlegen, ob nicht die Verlobung
ganz bewußt zu einer Art Ehe auf Probe ohne vollendete Tatsachen
aufgewertet wird.
(Wörterbuch von
basisreligion)
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