ZUFALL (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Das Problem des ZUFALLS kann von der Theologie als auch von der Philosophie her gesehen werden. Eher theologischer Natur ist die Frage, ob es ihn überhaupt gibt oder ob nicht alles irgendwie eine Fügung (durch eine höhere Macht) ist. Da dies mit der Frage nach Gott zusammenhängt, die sich nicht grundsätzlich klären läßt, lohnt auch hier ein weiteres Nachdenken nicht.

Überlegungen von unserem Alltag und auch von moderneren mathematischen Theorien her sind dagegen eher philosophischer Natur. Von Zufall sprechen wir da, wenn Geschehnisse zusammen kommen, für die von keinem der Beteiligten irgendeine  konkrete Absicht vorhanden ist. Allerdings gibt es hier gewiss Abstufungen, was mehr oder weniger Zufall ist. Wenn ich etwa Fußballfan bin und gehe zu einem Fußballspiel, so ist es eher kein Zufall, zumindest nicht ein "voller Zufall", wenn ich dort zufällig einen früheren Klassenkameraden treffe, der auch Fußballfan ist. Und wenn ich von meinem Kölner Vorort morgens mit der S-Bahn zur Arbeit ins Zentrum von Köln fahre, und ich treffe in der S-Bahn einen Nachbarn, der auch in Köln arbeitet, so ist auch das eher kein voller Zufall. Treffe ich dagegen den früheren Klassenkameraden oder den Nachbarn bei einem Opernbesuch in Rom, wohin es auch keine ausdrücklichen Gruppenreisen aus "meiner Gegend" gab oder auch nicht sonst ein Anlass für Menschen aus meiner Gegend, gerade diese Oper zu besuchen, so ist das gewiss ein voller Zufall. Und nur von solchen Zufällen soll hier die Rede sein.

Eine praktische Anwendung von Überlegungen zum Zufall sind die Überlegungen, ob es außerirdisches Leben gibt. Wir neigen ja dazu anzunehmen, dass es einen solchen Planeten wie die Erde mit ähnlichen oder vergleichbaren Bedingungen in den Weiten des Weltraums doch sicher nicht nur einmal, sondern sogar öfter gibt. Doch wie leicht ist es möglich, dass solche Bedingungen wirklich einmal zusammen kommen? Schauen Sie dazu bitte einmal in das Stichwort "Außerirdisches Leben"! Von der Betrachtung des Problems "Zufall" gibt es also eher kein außerirdisches Leben - zumindest nicht in der Weise, wie es auf unserer Erde existiert.

Eine weitere Anwendung von Überlegungen zum Zufall sind Überlegungen, ob der Jesus, von dem das Neue Testament berichtet, wirklich existierte, also ob er zumindest so existierte, wie es in den Evangelien beschrieben ist. Ich verweise hier etwa auf die Startseite des Projekts www.michael-preuschoff.de. Die These ist hier, dass es einfach zu viele mythische Geschichten gibt, die von irgendwelchen Göttern und Halbgöttern aus der heidnischen Antike erzählt werden, die auch von Jesus erzählt werden, und die bei Jesus einfach nicht "stimmen". Wenn eine einzige solche mythische "Götter-Begebenheit" auch von Jesus erzählt wird, dann kann es durchaus sein, dass die auch bei Jesus tatsächlich passiert ist. Doch je mehr solche Götter-Geschichten auch von Jesus erzählt werden, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie bei Jesus tatsächlich auch passiert sind, sondern hier wurde sozusagen eine "Kunsfigur" aus allen diesen Göttergeschichten konstruiert.  Jedenfalls hat es eine Person mit allen diesen "Göttereigenschaften" nie gegeben. Die Frage stellt sich nun, warum diese Kunstfigur konstruiert wurde. Meine Meinung hierzu ist, dass es Jesus tatsächlich gab, doch dass aus ihm einerseits ein Ideal gemacht werden sollte, dass für möglichst viele Menschen attraktiv sein solte, und andererseits sollte die Erinnerung an den wirklichen Jesus ausgelöscht werden. Näheres finden Sie etwa unter "Eine christliche Theologie - oder auch Philosophie - auf der Basis der ursprünglichen jüdischen Religion"  oder ausführlicher unter "JESUSIDEOLOGIE"

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Ich mache es mir jetzt etwas einfach, indem ich das um das Jahr 2000 geschriebene Stichwort nicht weiter überarbeite und es also weiter im Internet lasse. Ich denke, falsch ist das ja nicht, was ich damals geschrieben hatte, wenn ich auch jetzt vieles anders schreiben würde. Hier also weiter:

Ein passendes Modell für typische Zufälle, über deren Zustandekommen weiter nachzudenken müßig ist, ist etwa das Ergebnis beim Verteilen der Karten beim Kartenspiel.
Damit wir nun diese philosophischen Zufälle in unserem Leben, denen wir nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung mehr oder weniger ausgeliefert sind, richtig im Sinn unseres Lebenskonzepts nutzen und damit sie nicht unser Unglück werden, sind sinnvolle Strategien erforderlich.

Unser Leben ist hier bis in Einzelheiten mit dem Kartenspiel vergleichbar, es kommt nicht nur darauf an, was für Karten wir erhalten, sondern auch, was wir damit machen! Und es ist nie von vornherein entschieden, ob auch derjenige mit den anfänglich guten Karten gewinnt und der mit den schlechten verliert!

So kann durchaus das Leben eines schönen Menschen (siehe Schönheit), der noch dazu aus einem reichen Elternhaus stammt und also alle möglichen äußeren Vorzüge hat, völlig scheitern, dagegen das Leben eines eher von Natur und Elternhaus benachteiligten Menschen voll und ganz gelingen.

Wirklicher christlicher Glaube setzt sich daher nicht mit der Problematik des theologischen Zufalls auseinander, sondern er soll uns nun helfen, daß die (philosophischen) Zufälle unseres Lebens uns und anderen zum Vorteil beziehungsweise zum Glück und nicht zum Schaden werden.

In diesem Sinn kann man die zweite Strophe des Eingangslieds der Volksmesse von Franz Schubert lesen:

  1. 2. Ach wenn ich Dich nicht hätte, was wär' mir Erd' und Himmel?
    Ein Bannort jede Stätte, ich selbst ich Zufalls Hand.
    Du bist's der meinen Wegen ein sich'res Ziel verleihet
    Und Erd' und Himmel weihet zu süßem Heimatland.

Und auch das Lied zum Glaubensbekenntnis kann man durchaus im Sinn von basisreligion lesen:

  1. Noch lag die Schöpfung formlos da, nach heiligem Bericht:
    Da sprach der Herr: Es werde Licht! Er sprach's und es ward Licht.
    Und Leben regt und reget sich, und Ordnung tritt hervor.
    Und überall, all überall, tönt Preis und Dank empor.

  2. Der Mensch auch lag in Geistesnacht, erstarrt von dunklem Wahn;
    Der Heiland kam, und es war Licht! Und heller Tag bricht an.
    Und seiner Lehre heil'ger Strahl weckt Leben nah und fern;
    alle Herzen pochen Dank u. preisen Gott den Herrn u. preisen Gott den Herrn.

  3. Doch warnend spricht der heil'ge Mund: Nicht frommt der Glaub' allein,
    nur die Erfüllung eurer Pflicht kann Leben ihm verleih'n
    Drum gib ein gläubiges Gemüt! Und gib uns auch o Gott,
    liebend Herz, das fromm und treu stets folget dem Gebot, stets folget dem Gebot!

  4. Verleih' uns Kraft und Mut, dass wir nicht nur die Wege seh'n,
    die der Erlöser ging, dass wir auch strebend nachzugeh'n.
    Lass' so Dein Evangelium uns Himmelsbotschaft sein,
    führ' uns Herr durch Deine Huld ins' Reich der Wonnen ein, ins Reich der Wonnen ein.

Und hier auch noch das Schlusslied:

  1. Herr, Du hast mein Fleh'n vernommen, selig pocht's in meiner Brust;
    in die Welt hinaus in's Leben folgt mir nun des Himmelslust.
    dort auch bist ja Du mir nahe, überall und jederzeit,
    allerorten ist Dein Tempel, wo das Herz sich fromm Dir weiht.
    Segne, Herr, mich und die Meinen, segne unsern Lebensgang!
    Alles, unser Tun und Wirken, sei ein frommer Lobgesang,
    sei ein frommer Lobgesang.

Den vollständigen Text finden Sie unter http://www.gutenberg2000.de/neumann/dtmesse/dtmesse.htm .

 

Zu sagen ist, daß die lateinischen Messen von Schubert nie oder nur höchst selten im katholischen Gottesdienst verwendet werden, denn es fehlt immer der Passus "Und ich glaube an die eine und heilige katholische Kirche..." Es ist eben Aufklärung, um was es auch Franz Schubert ging, und damit hat die Amtskirche nun einmal ihre Probleme...

Den Zufall beeinflussen....

Ich erhalte schon mal Zuschriften, dass jemand die Website basisreligion rein zufällig gefunden hätte. Nun, "rein zufällig" ist das wohl nicht, denn ich habe mich schon bemüht, die Site so ins Web zu stellen, dass sie auch gefunden werden kann (etwa, in dem ich alles nach Stichwörtern geordnet habe, die jedes für sich über Suchmaschinen gefunden werden können, und von denen der Besucher dann vielleicht "Appetit auf mehr" bekommt). Oder anders herum: Wer also immer zuhause bleibt oder nur an bestimmten Orten aufhält, also etwa nur bestimmte Diskotheken besucht, darf sich nicht wundern, wenn er entweder gar keine Menschen oder nur solche bestimmter Sorte kennen lernt. Und wer vor allem durch sein Make-up und seine tolle Kleidung oder auch durch seine Parfümierung (siehe Hygiene) wirken will, muss damit rechnen, dass er (nach den Regeln des konkludenten Handelns) Menschen an sich zieht, die eher auf Äußerlichkeiten ansprechen.

Interessant ist auch das Phänomen, dass 40 % aller Fußballtreffer zufällig sind. Daher sollte also der Zufall sowohl von Trainern wie von Spielern stärker ins Kalkül gezogen werden. Und das gilt nicht nur für den Fußball, das gilt mit Sicherheit auch sonst im Leben! Verhalten wir uns also so, dass wir dem Zufall eine Chance geben! Für den Spannungsgehalt einer Partie ist der Zufallsanteil ohnehin das Salz bin der Suppe. (Den Beitrag "40 Prozent der Tore sind Zufall" vom 23. 05. 2006 in der WELT finden Sie unter der Url.  http://www.welt.de/data/2006/05/23/890851.html.)

Zum "Zufall in der Wissenschaft"

Gerade in der Wissenschaft kommen Zufälle vor. Bekannt sind die Entdeckungen der Röntgenstrahlen und der Antibiotika. Da hatten Personen, die eigentlich gar keine Wissenschaftler waren, in ihrer Praxis eine Anormalität bemerkt bzw. beobachtet. Und sie ließen diese Anormalität nicht auf sich beruhen, sondern gingen ihr auf den Grund und entdeckten dabei revolutionäre Zusammenhänge. Doch nicht jedem wäre eine solche Anormalität aufgefallen, da war so etwas wie "das Glück des Suchenden" im Spiel. Ich hoffe, ich liege nicht falsch, wenn dieses "Glück des Suchenden" mit Serendipity bezeichnet wird. Das heißt, eine gewisse Vorbereitung war bei dem "Suchenden" schon längst da, so dass sie die Bedeutung ihrer Beobachtung der Anormalität zumindest recht schnell ahnten.

Und noch eine hübsche Plauderei über die Zahl "e" und darüber, welchen Gesetzen "alle Zufälle dieser Welt" unterworfen sind: Die Zahl "e" signalisiert Wachstum ohne Ende.

"Schwere Zeiten für Anleger: Es gibt hier zu Lande nur noch minimale  Zinsen. Wir träumen deshalb einmal und stellen uns eine Bank in einer Bananenrepublik vor, die sagenhafte 100 Prozent gibt: Aus einem Euro  werden in einem Jahr zwei Euro. Jemand hat nun die kluge Idee, die Geschäftsbedingungen auszureizen. Er hebt nach einem halben Jahr den  bis dahin aufgelaufenen Betrag - mit Zinsen bei einem Euro Einlage 1,5 Euro - ab und legt ihn sofort wieder an. Nach einem weiteren halben  Jahr ist daraus das 1,5fache geworden, also 2,25 Euro.

Erhöht man die Besuchsfrequenz, indem man nun die Zinsen nach jedem Quartal wieder anlegt, ist aus dem einen Euro nach einem Jahr der schon stattlichere Betrag von 1,25 mal 1,25 mal 1,25 mal 1,25 = 2,44 Euro geworden. Da fragt man sich, ob nicht eine tägliche oder gar stündliche, minütliche oder gar sekündliche Geldumschichtung zu noch besseren Ergebnissen führt. Die Überraschung: Auf diese Weise sind keine beliebig hohen Gewinne zu erzielen: Es gibt vielmehr eine Grenze, die man nicht überschreiten kann. Es ist die Zahl 2,7182. . ., die berühmte Eulersche Zahl e.

So wie für Normalverbraucher die Ziffern 0, 1, . . ., 9 allgegenwärtig sind, taucht für Mathematiker die Zahl e an allen Ecken und Enden in  ihrer Wissenschaft auf. Neben der Kreiszahl Pi gehört sie sicher zu den wichtigsten Zahlen. Sie darf nicht fehlen, wenn es um  exponenzielles Wachstum (Bakterienvermehrung!) oder exponenzielle  Abnahme (Zerfall einer radioaktiven Substanz!) geht. Sie ist aber auch  in der Wahrscheinlichkeitstheorie häufig anzutreffen. Haben Sie noch einen alten Zehnmarkschein? Dann schauen Sie einmal auf die Formel für die Glockenkurve neben dem Gauß-Porträt. Völlig zu Recht ist diese Kurve dort aufgenommen worden, sie beschreibt ein universelles Gesetz, dem alle Zufälle dieser Welt unterworfen sind. Und e spielt dabei eine  fundamentale Rolle.

Artikel erschienen am 19. Jan 2004 in der WELT, vollständige Url des Artikels: http://www.welt.de/data/2004/01/19/225180.html
 

Hinweis für einen Freund: Wenn Sie einmal etwas zu drucken haben, dann fragen Sie doch einmal ihn nach einem Angebot: http://freenet-homepage.de/lotus/satzservice.htm .

(Wörterbuch von basisreligion)