AMTSKIRCHE (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

AMTSKIRCHE meint die offizielle evangelische und mehr noch katholische Kirche mit ihrem ganzen Apparat. Und wenn etwas an unserer ganzen christlichen Religion ungeliebt ist, dann sind es eigentlich weniger die einzelnen Priester oder auch Bischöfe oder auch nicht der Papst, dann ist es vor allem diese Amtskirche.

Dabei vergißt man, daß die Starrheit und Ungeliebtheit eines Systems sozusagen zwingend "schicksalhaft" ist:

Systeme oder Organisationen sind immer in einer Art Dilemma: Einerseits muß es sie geben, andererseits neigen sie nach den Parkinsonschen Gesetzen immer dazu, früher oder später zum Selbstzweck zu werden.

Und natürlich wehren sich ihre "Funktionäre", das mit den Parkinsonschen Gesetzen einzusehen und sich zu ändern. Sie können sich auch gar nicht ändern, weil sie dann nämlich gegen die festgefahrenen Regeln (und bei Religionen sind das immer auch heilige oder gar göttliche Regeln) verstoßen und damit ketzerisch werden würden. Wenn sich nach ihrer Meinung einmal jemand ändern sollte, dann sind das immer nur die anderen.

Und es stecken hinter allen ungeliebten Systemen doch immer einzelne! Was geht in diesen einzelnen Menschen vor, daß sie mitmachen, warum nur durchschauen diese einzelnen nicht die Unmenschlichkeit ihres Systems und wenden sich nicht dagegen? Wenn sie wirklich in der Nachfolge Jesu stünden, dann müßten sie das doch tun...

Im Internet findet sich die Website www.kirchenopfer.de , die es sich zur Aufgabe gestellt hat, für ein Mahnmal für die Millionen Opfer der Kirche(n) zu sammeln. Wenn auch einzelne dieser Opfer, auf die dort hingewiesen wird, der Kirche nicht genau zuzuordnen sind, wenn manche Opfer auch die Folge von tragischen Verstrickungen sind (siehe etwa Inquisition), so stimmt das im großen und ganzen schon mit den Opfern: Wir haben das Anliegen Jesu von der Botschaft der Liebe nicht nur nicht verstanden, wir haben ganz offensichtlich sehr oft auch noch das Gegenteil daraus gemacht!

Woran liegt das nur? Es ist hier wohl am sinnvollsten, nicht immer nur in der Ferne oder in der Vergangenheit herumzusuchen, sei es in Ruanda im fernen Afrika (dort geschah der Völkermord an den Tutsis teilweise unter den Augen und sogar mit Unterstützung kirchlicher Stellen, Nonnen und Priester waren gar daran beteiligt) oder sei es bei der Verfolgung der Hexen oder bei den Aufrufen zu den Kreuzzügen, sondern bei uns hier und jetzt. Wo gibt es offensichtliche Gleichgültigkeit gegenüber Menschen, wo gibt es geradezu Boshaftigkeit? Es wäre doch eigentlich verwunderlich, wenn es so etwas immer nur woanders und zu anderen Zeiten gäbe...

Ich kann hier vor allem auf Einstellungen hinweisen, die ich selbst mitbekommen habe, und wo es mir einfach die Sprache verschlagen hat. Auf so etwas war ich nicht vorbereitet.

Bei meiner Vorladung vor der Missiokommission (die im Prinzip ja genau ein Inquisitionstribunal ist) wurde ich von einer Frau (!) spöttisch gefragt, wie ich denn auf diese Deutung des Dramas "Jesus und die Sünderin" käme, da würde ich doch Jesus unter Wert einsetzen, Jesus sei es doch um viel mehr gegangen... Meine Antwort, daß ich auf diese Interpretation mit einem Bauern aus meiner Nachbarschaft gekommen sei, also mit einem Mann aus dem Leben, erntete nur Kopfschütteln. Daß es sich bei dem Fall der Sünderin nicht nur darum geht, daß hier Liebe kaputt geht bzw. längst kaputt gegangen ist, und daß Jesus hier gegen eine kriminelle Handlungsweise von religiösen Leuten vorgeht, ließ meine Inquisitoren völlig kalt. Das Typische an unserer Religion sei eben der Glaube und nicht die Ethik, und ich verstoße gegen den Glauben, daher Entzug der Lehrerlaubnis!

Das Problem ist eben, dass "die" nun einmal ein bestimmtes Verständnis vom Glauben haben, und schließlich sind sie ja auch von diesem Verständnis her Priester geworden, Theologen. Und so schnell werden sie dieses Verständnis nicht aufgeben, selbst wenn es allen Forschungen widerspricht, siehe etwa Sühnetodtheologie!

Sind die Freikirchen wirklich besser?

Vermutlich können auch sie nur in den Nischen, die die großen Kirchen lassen, leben und überleben. Sie profitieren ganz gewiß auch von den Forschungsergebnissen der großen Kirchen, weil sie sie manchmal schneller in die Praxis umsetzen können, einfach weil sie kleiner und daher flexibler und weniger an dogmatische Verkrustungen gefesselt sind. Doch wesentliche neue Impulse kommen allerdings auch nicht von ihnen.

Immerhin bieten die Strukturen von großen Organisationen ja auch Vorteile: Qualifizierte Ausbildung des Personals, solide wissenschaftliche Arbeit, wenn auch oft um den heißen Brei herum, gute finanzielle Basis, sinnvolle Organisation, trotz aller Kritik immer noch große Akzeptanz bei der Bevölkerung (wem sonst - außer der Zwangsschule - würde man seine Kinder zur Belehrung anvertrauen?).... (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)
Den "Offenen Brief eines alten Religonslehrers an junge Mädchen über die weibliche Sexualität und die Bibel" (Mai 2012) gibt es auch online auf Deutsch, auf Englisch und auf Niederländisch!