KIRCHE (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

KIRCHE ist die Gemeinschaft der Gläubigen, umgangssprachlich werden damit allerdings eigentlich immer nur „die da oben“ der Kirche gemeint. Das Bewusstsein, dass „wir alle“ die Kirche sind, ist weitgehend verloren gegangen, die meisten Menschen sehen in der Kirche eben nicht mehr ihr Zuhause.

Die christlichen Kirchen sind ein Paradebeispiel, wie man eine exzellente Ware so verhunzt, daß sie schließlich niemand mehr will, und es auch noch zu Mangelerscheinungen kommt. 

Die widersprüchliche Situation, dass Menschen einerseits Kirche wollen, sie andererseits aber vehement  ablehnen, mag eine Episode aus meinem Unterricht verdeutlichen: Ich erzählte da einmal in einer Einzelhändlerklasse, dass ich in Rom war und dort im Petersdom an einer Messe teilgenommen hätte, zu der u. a. auch der Papst (Johannes Paul II) an mir vorbeigezogen sei. Da explodierte sozusagen eine etwas ältere Schülerin (aus den neuen Bundesländern - weder katholisch und auch sonst nicht kirchlich), dass der doch ein Idiot sei,  dass der sie doch nicht mehr alle hätte usw. Na, gut, meinte ich dann, meine eigene Meinung würde jetzt hier nicht interessieren, doch immerhin hätten wir ja katholischen Religionsunterricht, und da sollten wir zumindest sachlich sein und so sollte sie doch sagen, was sie nun gegen den Papst hätte. Da kam sie dann darauf zu sprechen, dass der Papst doch weltfremd sei wegen seiner Einstellung gegen Verhütungsmittel und gegen Abtreibung und dass es überhaupt bei der ganzen Kirche doch nur ums Geld gehe. Darauf fragte ich sie, ob sie selbst denn abtreiben würde. Und entrüstet wies sie dies zurück: Nein, sie würde nie abtreiben! „Na, sehen Sie“, erwiderte ich, „da haben Sie in einem Punkt schon dieselbe Meinung wie der Papst...“

Und auch anderweitig habe ich die Erfahrung, dass die Kritik an der Einstellung des Papstes, und der wird immer noch vor allem mit Kirche identifiziert, gar nicht einmal daher rührt, weil die Menschen prinzipiell andere Einstellungen hätten, sondern weil es „der Kirche“ nicht gelingt, ihre Einstellungen, die im Grunde auch die Einstellungen der Menschen sind, plausibel zu machen. Die Menschen würden ja gerne leben, wie es sich die Kirche vorstellt und wie sie es bisweilen auch lehrt. Doch von Seiten der Kirche gibt es immer nur „starke Worte“, und die helfen jedoch niemandem, jedoch keine Konzepte, wie Menschen wirklich nach den Vorstellungen der christlichen Botschaft leben können. Wie kann es auch welche geben, wenn die Lehren der Kirche von Menschen gemacht sind, die selbst die Probleme der normalen Menschen „in der und für die Blüte ihrer Jahre“ nicht mehr selbst haben und diese daher auch nicht mehr wirklich existentiell wahrnehmen?

Die Kirchen sind zu sehr zu einer eher billigen Nachahmung typischer (außerchristlicher und irrationaler) Religionen (oder auch Weltanschauungen) geworden - und entweder durchschauen die "Kunden" diese Geschäftemacherei "mit nichts" oder sie wenden sich gleich an andere Weltanschauungen, weil sie das, was sie suchen, dort besser kriegen

Nach eigenen nicht gerade fröhlichen Erfahrungen mit meinen direkten kirchlichen Vorgesetzten wird immer mehr die Diskrepanz deutlich:

-     Die Kirche (damit sind in diesem Zusammenhang alle die gemeint, die sozusagen profimäßig „Ämter“ innehaben, also die auch mit der Kirche ihren Lebensunterhalt bestreiten, siehe Amtskirche) sieht sich vor allem als eine Organisation, die in der Tradition der alten Pharisäer zur Zeit Jesu sich zuerst einmal vom Glauben her definiert, also mit Glaubenswahrheiten und Hoffnungen auf eine zukünftige Welt. Demnach taucht bei den Fragen um den Fortbestand der Lehrerlaubnis immer wieder die Frage auf: „Glauben Sie, daß Jesus wahrer Gott ist“ und vor allem auch “Wie halten Sie es mit dem Glauben an die Auferstehung Jesu“? Und so sieht sich die Kirche (immer aus der Sicht der „Kirchen-Profis“ her) als Gemeinschaft (oder besser "Leidensgemeinschaft" derer, die an diese Glaubenssätze glauben. Aufgabe für einen kirchentreuen Religionslehrer muß es im Sinn dieser offiziellen Kirche vor allem sein, Menschen zu diesem Glauben zu bringen.

-     Dem „Fußvolk“ der Kirche (das Fußvolk sind alle, die die Profis bezahlen) werden alle diese Glaubensfragen jedoch immer mehr gleichgültig, das sind Dinge aus einer Welt, die mit ihrem jetzigen Leben nichts (mehr) zu tun haben. Und das Wissen darum ist ein Spezialwissen, um das sich bestimmte dafür von ihnen bezahlte Spezialisten kümmern sollen, mit dem man aber die „normalen Menschen“ gefälligst in Ruhe lassen soll.

Nach meinen Erfahrungen als Religionslehrer hören die Menschen jedoch durchaus hin, wenn es um Ideen geht, die ihr jetziges Leben betreffen, selbst wenn dabei moralische Verhaltensweisen im Spiel sind:

Für Lebensfragen - und durchaus auch im Sinn der Kirche (s. o.!) - wären die Menschen durchaus offen, nur müssen diese aus Interesse am Dienst am Menschen gelehrt werden und nicht aus Interesse am Wohlergehen der Kirche! Die Menschen spüren genau, was letztlich der Zweck der Lehre der Kirche ist nach dem Motto von Wilhelm Busch: „Man merkt die Absicht und ist verstimmt“.

Die Frage stellt sich natürlich, auf welcher Seite Jesus gestanden hätte, auf Seite der Kirche, die Glauben fordert, oder auf Seiten des Fußvolks, das eine Ethik braucht und auch für eine Ethik offen ist, die ihnen selbst hilft. Die Antwort ist ziemlich eindeutig: Jesus hätte mit Sicherheit auf Seiten des „Fußvolks“ gestanden. Es ging ihm ja vermutlich gerade um eine Ethik für dieses Fußvolk, das auch zu seiner Zeit schon in derselben Situation war, daß es lediglich als Manipulationsobjekt und vor allem auch als Geldgeber die „Glaubensprofis“ diente!

Und es sieht so aus, als ob zu Zeiten der frühen Kirche, also als das Christentum sich trotz bisweilen grausamer Verfolgung ausbreitete, das ethische Anliegen im Sinne Jesu durchaus im Vordergrund stand, ja dass das gerade der „Knüller“ des Christentums war! Unter dem Stichwort Taufe finden Sie u. a. das Beispiel eines Atheisten, der auch heute noch genau aus diesen ethischen Gründen mit seiner Familie christlich wurde. Ob er allerdings mit der heutigen Kirche Glück hatte, wage ich zu bezweifeln...

Das Anliegen dieser Homepage ist daher die Abkehr von den Wünschen der „etablierten System-Kirche“ und die Hinwendung zu Gemeinden der lebensnahen Konzepte im Sinn des wirklichen Jesus, also der Nachfolge Jesu. Und wenn das gelingt, dann kann die Kirche wieder glaubwürdig und schließlich auch das Zuhause der Menschen werden.

Ob die Kirche noch Zukunft hat? Eine persönliche Meinung des Verfassers der Homepage: Die Kirche im Sinn der „etablierten Glaubens-und-Dogmen-System-Kirche“ hat  wohl kaum Chancen, sie sagt jetzt schon selbst den meisten Gläubigen nichts mehr, schließlich wird sie auch nur noch bei wichtigen Abschnitten des Lebens in Anspruch genommen, ansonsten besteht die Mitgliedschaft bei uns weitgehend im Bezahlen der Kirchensteuer.

Die "Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden" dürfte ein Auslaufmodell sein (nicht zuletzt wird ja das, an was wir glauben sollen, selbst von der Theologie her immer fragwürdiger) - dagegen glaube ich absolut an die Zukunft von Gemeinden einer ethisch-rationalen Kirche. Ich meine, daß da noch einiges vor uns liegt!

Konkret dürfte sich das äußern einerseits in einem offenen und allen unkompliziert zugänglichen "Kirchen"-Bildungsangebot wie (!) in dieser Website und andererseits in zahllosen kleinen Gemeinschaften, die besonders die ethischen Ideen in die Praxis umsetzen und auch aufgrund der Erfahrungen mit der Praxis weiterentwickeln. Dabei handelt es sich dann auf alle Fälle nicht um typische Glaubenszirkel, sondern um kleine Gemeinschaften, eben "Gemeinden", die zusammenkommen, um irgendetwas nach den Spielregeln zu gestalten, wie sie in Sinne Jesu sind. Das können normale Feste sein, gemeinschaftliche Reisen, Theaterbesuche, Sportwettkämpfe oder was auch immer. Bedenken wir, daß die typische christliche Veranstaltung ein Abendessen war! Und wenn diese Umsetzung gelingt – und dazu gehören natürlich unbedingt die Zehn Gebote – dann kann ich mir wegen der gerade junge Menschen treibenden Dynamik kein Schmoren im eigenen Saft und geruhsame Kaffeekränzchen-Debattiererei vorstellen, sondern eine insgesamt dynamisch-kreative Erneuerung!

Und hier ein kleiner Schriftwechsel zum Thema Kirche und Machtmißbrauch:

Der Besucher D.G.: Auch halte ich ihre Ehrenrettung des Christentums für nicht tragbar, da im  Namen dieser Heilsreligion gerade die Welt dahin gebracht wurde wo sie steht, und mitnichten die Fehlentwicklungen nur Randerscheinungen sind,  sondern IMO (heißt im Computerslang "in my opinion", also "meiner Meinung nach") grundsätzliche Dinge zur Unterstützung von Machtinteressen, die  man nicht so einfach  durch nachgelagerte Umdeutung lösen kann. Die Kirchen sind das beste Beispiel!
Und die Antwort von basisreligion: Ihre Kritik an der Kirche verstehe ich. Doch wie soll man´s denn machen? Wissen Sie denn einen anderen Verein, der infrage käme, eine andere Religion? Gott bewahre, die sind ja alle noch schlimmer... Und einen "Verein" muß es ja geben, von alleine wird gar nichts. Und warum nicht christlich? Wenn hier etwas pervers ist, dann doch nur, daß wir zwar von der Nachfolge Jesu reden, doch dass dieser Jesus (siehe Lehre des Jesus) etwas ganz anderes wollte - und das einfach nicht interessiert (weil es nichts mit mit dem üblichen Religionsbrimborium wie Transzendenz zu tun hat usw.).
Ich weiß, wie schwierig das alles ist, doch ich stelle immer wieder fest, daß es gerade in der Kirche viel Idealismus gibt - und daß es vor allem viele Menschen gibt, die ihren Idealismus genau hier einbringen würden. Würde nicht jede andere Organisation auch so einen Verfallsprozeß durchmachen? Und alles würde dort genauso laufen? Immerhin hat die Kirche schon einige Erfahrung damit (!). Und immerhin habe ich mein Wissen durchaus aus dem Studium - und es gibt Professoren, die mich fördern, und immerhin habe ich auch in ... einen "Freifahrtsschein" - natürlich muß ich mich durchbeißen, klar, es wäre ja auch unnormal, wenn (so schnell) alles auf das Kommando eines kleinen Relilehrers hört...   Und: Wie wäre das denn, wenn man uns Deutsche immer nur an Auschwitz messen würde, wenn man uns nur immer das in die Schuhe schieben würde?  Beste Grüße M. P.
 

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)