ABTREIBUNG - Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv

ABTREIBUNG ist der umgangssprachliche Ausdruck für den Schwangerschaftsabbruch, d.h. die bewußt herbeigeführte Abtötung der Frucht im Mutterleib zwischen Empfängnis und Geburt. Die Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit Abtreibung eine Versündigung am werdenden Leben ist oder ob sie eine eher belanglose medizinische Routinehandlung ist, die der Entscheidung der Mutter überlassen werden sollte, verdrängt leider den Blick auf etwas wohl genauso Wichtiges: Mit welchen Unannehmlichkeiten, Erniedrigungen und vor allem Ängsten ist eigentlich eine Abtreibung verbunden? Kann eine Frau (oder erst recht ein Mädchen) eine Abtreibung einfach genauso über sich ergehen lassen und schließlich wegstecken, wie wenn sie sich ihre Haare oder ihre Zehennägel schneiden ließe oder wie wenn ihr der Blinddarm entnommen würde?

Die Antwort auf diese Frage ist ziemlich eindeutig: Sie wird es im allgemeinen nicht können! Und sie wird es selbst dann nicht können, wenn die Abtreibung offiziell von Staat und Kirche erlaubt wäre, weil es einfach in der Natur der Sache liegt, daß eine Frau das nicht so einfach übergehen kann, eine Abtreibung ist einfach etwas Unnatürliches - und selbst wenn diese im Jahr 1990 weltweit von etwa 45 Millionen Frauen vorgenommen wurde. Wir müssen uns den seelischen Zustand einer Frau, die abtreibt, etwa vorstellen wie denjenigen eines Mannes, der an einer ihm wichtigen Erfindung arbeitet, die ihn mit seinem vollen Einsatz beschäftigt, und dem man diese Erfindung einfach wegnimmt und zerstört.

Die sowohl seelischen wie körperlichen Belastungen einer Frau durch eine Abtreibung können ein Leben lang dauern und sind oft mit kaum zu überwindenden Ängsten verbunden. Mit Sicherheit wird es bei einer Frau, die abgetrieben hat, daher zu Verdrängungen kommen. Eine Frau oder ein Mädchen, die vor dem Problem einer Abtreibung steht, muß sich also ihre Zwickmühle vergegenwärtigen: Bekommt sie das Kind, hat sie es mit Ängsten zu tun, treibt sie ab, ebenso. In beiden Fällen wird sie so sehr seelisch belastet, daß sie wahrscheinlich schon allein deswegen etwa beim Kampf um die Karriere gegenüber den Männern, die von alledem ja letztlich unberührt bleiben, benachteiligt ist. Sehen wir also das Problem von Abtreibung und Geburt eines nicht erwünschten Kindes auch einmal vom Gesichtspunkt von Macht und Unterwerfung her im Zusammenhang mit dem Geschlechterkampf!

Wenn schon allein die Möglichkeit, abtreiben zu müssen, eine Frau benachteiligt, wieviel mehr ist es verwerflich, wenn Männer dann noch ihre Schuldgefühle steigern, indem sie eine Abtreibung als Mord darstellen und verurteilen?

Vermutlich ist die Problematik Abtreibung unzertrennlich mit der Problematik Partnerschaft gekoppelt.

Statt immer nur über die Problematik der Abtreibung zu diskutieren, sollten wir lieber überlegen, wie es zu solch einer Zwangslage überhaupt kommt.

Nach Eindrücken von Berater(inne)n von Frauen und Mädchen, die sich mit dem Gedanken einer Abtreibung tragen, sieht es so aus, als ob es bei ihnen auch längst schon Partnerschaftsprobleme der unterschiedlichsten Art gibt, die eigentlich gar nichts mit der Abtreibungsproblematik zu tun haben. So glaubt etwa eine Frau - ihr oft unbewußt - einen Mann, der abzuspringen droht, durch ein Kind zu halten, oder sie kommt überhaupt nicht mit Männern klar oder sie sucht - wiederum unbewußt - einen Ersatz für den Mann, den sie eigentlich umsorgen möchte, den sie jedoch nicht haben oder halten kann oder sie hat es auch direkt drauf angelegt, einen Mann über eine sozusagen programmierte Schwangerschaft, also eine von ihr geplante Schwangerschaft, zu "ködern" - und das ist dann eben schief gegangen.

Die Abtreibung scheint also immer ein Folgeproblem von einem weiteren nicht gelösten tieferen menschlichen Problem zu sein!

Wenn auch Verhütungsmittel da oft ganz praktisch sein mögen, damit es gar nicht erst zur Problematik der Abtreibung kommt, so sind sie jedoch gewiß nicht Lösungsrezepte für solche tieferen Probleme. Menschliche Probleme lassen sich nicht chemisch oder sonstwie technisch, sondern nur menschlich lösen, am besten natürlich schon bei der Auswahl eines Partners, mit dem man gar nicht erst in sie hineingerät. Wohl nicht umsonst hat die Natur den Befruchtungsvorgang beim Menschen mit einer äußerst intimen Handlung verknüpft, die so ungewollt nun wieder auch nicht passiert.

Dagegen wird niemand selbst von einer noch so aktiven Enthaltsamkeit schwanger - und werden wir nicht zu solcher sogar in der Adam-und-Eva-Erzählung geradezu ermuntert? Wie muß es eigentlich um die Liebe eines Partners bestellt sein, der seiner Partnerin - wenn auch oft nur anflugsweise - zumutet, irgendwie doch einmal mit dem Problem einer Abtreibung konfrontiert zu werden? Schauen Sie doch einmal in das Stichwort über den berühmten Gandhi hinein, wie der das gemacht hat!

Christlicher Glaube, dem es um wirkliche Liebe unter uns Menschen in der Einheit von Leib und Seele geht, setzt genau bei dieser menschlichen Problematik an. Obwohl die Abtreibung mit Sicherheit auch zu biblischer Zeit genügend praktiziert wurde, ist merkwürdigerweise beim besten Willen nirgends in der Bibel eine Auseinandersetzung damit zu erkennen. Auch von Jesus ist hier kein Urteil und auch sonst keine Äußerung überliefert, obwohl er doch zur Genüge mit Prostituierten und Ehebrechern zu tun hatte, ihm also gewiß auch im Hinblick auf die Abtreibung nichts Menschliches fremd war. Jesus scheint also seinen Blickwinkel weniger oder sogar gar nicht auf die abgetriebenen Kinder gerichtet zu haben, sondern auf die menschlichen Probleme der beteiligten Frauen (siehe das Stichwörter über die Lehre des Jesus und über Jesus und die Sünderin). Es entspricht also durchaus seiner Botschaft, wenn auch wir heute genau da ansetzen. Und das dürfte dann auch für die heikle Problematik gelten, ob ungeborene Kinder, bei denen etwa durch Ultraschall, Fruchtwasseruntersuchung oder Gehirnstrommessung Behinderungen oder Krankheiten festgestellt wurden, abgetrieben werden dürfen oder gar sollen.

Und inzwischen wird auch schon einmal über die seelischen Konflikte nach einer Abtreibung, also über die Folgeprobleme, nachgedacht und gesprochen. Siehe etwa den Beitrag in der WELT vom 12. Dezember 2005:

Scham und Angst nach Schwangerschaftsabbruch - Neue Studie findet seelische Probleme noch nach Jahren - Nur wenige Frauen können darüber sprechen.

Einerseits: "Kein erhöhtes Risiko für psychische Störungen nach Abtreibung, dieses Resümee zog 2001 ein internationales Symposium in der Schweiz. Die meisten Studien ergaben, daß eine gewisse Trauer nach dem Abbruch ohne große Probleme verarbeitet wird. Das scheint sich zu bestätigen, auch wenn sogenannte "Pro-Lifers", vehemente Abtreibungsgegner, seit den achtziger Jahren versuchen, ein "Post Abortion Syndrome" zu verankern."

Andererseits: "Wie schwer es Frauen fällt, über ihre Abtreibung zu sprechen, weiß Christina Schneider seit ihrer Zeit als Klinikärztin: "Wenn wir fragten, ob sie schon mal geplant oder ungeplant schwanger waren, fiel es keiner Frau leicht, das zu sagen. Eher so mit einer stillen Stimme, schambesetzt." Anne Broen bestätigt: "Die Gesellschaft hat wenig Verständnis für die Reaktionen der Frauen nach dem Abbruch. Wir müssen genauer hinschauen. Vielleicht haben wir all die Jahre etwas übersehen."

Vollständige Url des Artikels: http://www.welt.de/data/2005/12/12/816378.html

 

Informationsseiten von Betroffenen für Frauen im Schwangerschaftskonflikt und Frauen nach Abtreibung. Mit angeschlossenen, passwortgeschützten Foren für Frauen im Konflikt, Frauen nach Abtreibung, sowie deren Partner, Angehörige und Freunde: www.nachabtreibung.de

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) Computer-Übersetzung des Buchs HONESTY AND FUN WITH THE MORALITY ins Englische unter English !

Und hier eine Mail zu diesem Stichwort:

Sie haben offensichtlich keine Ahnung über Frauen, die abtreiben, ihre Gründe und Gefühle. Abtreibung ist für viele Frauen BEFRFREIUNG von einer nie gewollten Schwangerschaft (die möglicherweise trotz Verhütung eingetreten ist). Nicht mehr und nicht weniger. Nach dem Eingriff kann sie ihr Leben wieder aufnehmen, wo es vorher quasi stehen geblieben ist. AMR
 

Und die Antwort:

Liebe Frau R!

Ich gebe zu, daß ist ein ganz schwieriges Thema - besonders auch für mich als Mann. Können wir Männer überhaupt etwas darüber und schreiben, weil wir nie damit zu tun haben, zumindest nicht unmittelbar? Doch auf der anderen Seite sind wir vielleicht doch die objektiveren "Instanzen", weil eine Frau aufgrund ihrer unmittelbaren Betroffenheit immer parteiisch ist?

Und könnte es nicht sein, daß Sie in dieser Weise parteiisch sind? Wenn Sie nur froh wären, daß das Leben "wie vorher" weitergeht, dann hätten Sie sich doch genauso wenig um das Stichwort "Abtreibung" gekümmert wie jemand sich "nachher" nie um alte abgefahrene und ausgewechselte und zur Entsorgung gebrachte Reifen seines Autos kümmert oder was mit dem aus seinem Körper herausoperierten Blinddarm passiert ist. Und dass Sie so kategorisch für alle Frauen sprechen, läßt auch Verdrängungen bei Ihnen vermuten, denn schließlich werden Sie doch zugeben, dass es für manche Frauen schon Probleme gibt.

Ich versichere Ihnen, daß ich mir meine Argumentation nicht aus meinen männlichen Fingern gesogen habe. Ich meine schon, daß ich genau Frauen zugehört habe, von denen mir zumindest eine von ihren Erfahrungen damit erzählte, ohne dass ich sei gefragt hatte, einfach nur weil ich als junger Theologe ihr sympathisch war und sie mich doch nicht so "grün" rumlaufen lassen konnte. 

Und die Familienberaterin mit ihren Beobachtungen war doch auch weiblich.

Da es mir fern liegt, Sie nach den Gesetzen einer Selffulfilling Prophecy zu beeinflussen, übermittle ich Ihnen nicht die ganze Antwort, wie ich sie dem Stichwort "Abtreibung" hinzugefügt habe. Sie können sie also dort lesen oder es auch bleiben lassen. Denn schließlich geht es mir schon gar nicht darum, eine Frau möglicherweise mit so etwas wie Schuld zu belasten. Soviel ich sehe, lag dies auch Jesus völlig fern, und er war bei seinen Gesprächen mit Frauen gewiss auch mit der Thematik Abtreibung konfrontiert. Wenn er irgendwo eine Schuld sah, dann vermutlich bei den damaligen Priestern, denn gegen die ist er in seinen Reden gegen die Heuchler massiv vorgegangen - und ich vermute, daß er sie auch wegen ihrer Versäumnisse bei der Pädagogik junger Menschen angegriffen hat, ihnen etwa (statt eines undurchschaubaren Glaubens) eine sinnvolle Menschenkenntnis beizubringen, damit das alles gar nicht erst passiert.

Mir geht es ja vor allem um junge Leute, die das Leben noch vor sich haben. Statt sich auf  vollendete Tatsachen einzulassen, sollten sie doch erst einmal die Phase einer unkomplizierten und unschuldigen Ästhetik erleben.

Mit besten Grüßen

Ihr M.P.

Und eine Mail von F. L. vom 15. Januar 2004:

 Guten Tag

Als ich Ihren Text zur Abtreibung gelesen habe, war ich sehr traurig.
Wie können sie es sich anmaßen, generell über die Abtreibung zu urteilen, (für) Christen müsste es eigentlich in Ihrem Sinne sein, dass jedes Kind in Liebe aufwachsen kann? Was zum Beispiel in diesem Fall nicht möglich ist. Und wie kommen sie dazu zu sagen, dass eine Frau parteiisch ist? In der heutigen Zeit kann man leider nicht mehr davon ausgehen, dass die Beziehung ein Leben lang hält, und Fakt ist, dass die Frau dann das Kind betreut, wie können sie nur so weltfremd sein, die Statistiken sprechen für sich. Wenn sie persönlich gegen die Abtreibung sind, finde ich das in Ordnung aber es gibt einfach viele Konstellationen, in denen es für die Betroffenen nicht möglich ist ein Kind in die Welt zu setzen. Und es würde von Toleranz zeugen (die in ihrem Text wirklich nicht vorkommt), diese Menschen nicht schon im Vorherein als beziehungsgestört, verdrängend etc zu bezeichnend. Das steht niemandem von uns zu so urteile ich ja auch nicht darüber, dass Sie nicht abtreiben würden oh sorry, als Mann werden sie ja gar nie vor diese Entscheidung gestellt werden.

Zudem finde ich ihr Bild von Frau und Mann äußerst verwerflich. Das Patriarchat sollte eigentlich schon seit längerer Zeit abgeschafft sein.

Trotzdem wünsche ich Ihnen einen schönen Tag

Hier die Antwort von basisreligion:

Liebe F.!

Ich wollte Sie natürlich nicht traurig machen und bitte vielmals um Entschuldigung. Doch ich bitte Sie auch zu sehen, daß ich in einem argen Dilemma stecke (ich habe das unter dem Stichwort
Dilemma geschrieben): Ich bin nun einmal Lehrer für junge Menschen, die das Leben vor sich haben. Und wenn ich nicht deutlich schreibe, um was es geht, geht das alles auf ewige Zeiten weiter so, auch bei den nachwachsenden jungen Menschen. Und ich sehe mich eben als Anwalt dieser jungen Menschen, und die brauchen das nun einmal knallhart....

Und ich sehe das gar nicht so, daß man heute nicht mehr davon ausgehen kann, daß eine Beziehung ein Leben lang hält. Eigentlich ist die Motivation doch dafür bei den meisten Menschen wenigstens zuerst einmal da - doch daß das nicht klappt, kann doch nur daran liegen, daß wir etwas falsch machen, daß also irgendetwas gestört ist. Diese Störungen gehen nun von ein wenig bis ganz viel... Und hier steht nun Aussage gegen Aussage! Ich bin ganz einfach der Auffassung, wenn die Leute sich wirklich an das Konzept mit der "Phase der
Ästhetik" hielten, wenn sie die Spielregeln der (wirklichen) Monogamie wirklich einhielten, dann würde das auch hinhauen mit dem Ein-Leben-lang-Halten. Denn dann würde sich alles das, was irgendwann zu Bruch geht, schon zu einem Zeitpunkt abzeichnen und auflösen oder in eine nette unschuldige Freundschaft umwandeln, wo noch gar nichts passiert ist. Und ich wette, dass alle die, bei denen die Beziehungen nicht halten, eben nie diese Phase der Ästhetik erlebt hatten, oder kennen Sie jemanden?  Nicht umsonst habe ich mich sehr weit vorgewagt, das alles genau zu beschreiben, klar, wenn etwas vom Negativen abhält, dann ist es doch positiv und dann kann man doch dazu stehen!!!

Wo ist denn mein Bild von Mann und Frau verwerflich? Andere sehen das ganz anders, ich habe eine entsprechende Mail unter
Kritik an basisreligion aufgeführt. Mir geht es doch nun wirklich um ein partnerschaftliches Bild? Oder haben Sie nicht näher hingesehen? Aber vielleicht ist das auch alles Standpunktsache..

Ich nehme an, Sie haben nichts dagegen, wenn ich Ihre Mail und meine Antwort unter dem Stichwort ABTREIBUNG bringe, natürlich nur mit den Initialen.

Mit den besten Grüßen

M. P.

Übrigens: Hat das Problem Vergewaltigung nicht auch etwas mit gestörten Beziehungen zu tun? Zumindest der Vergewaltiger hat doch wohl welche? Und auch hier denke ich mehr an die Zukunft!

Anmerkung viele Jahre später (2020): Der spanische Philosoph Ortega y Gasset sieht in seinem Buch "Über die Liebe" einen sehr intensiven Zusammenhang zwischen der Liebe und dem Kinderwunsch. Er schreibt: "Doch bleibt die Sehnsucht nach Verschmelzung hierbei nicht stehen. Die volle Liebe gipfelt in einem mehr oder weniger klaren Wunsch, die Vereinigung in einem Kind zu symbolisieren, in dem die Vollkommenheiten des geliebten Wesens fortdauern und sich behaupten." (Stuttgart 1954, S. 120). Was wäre also, wenn es nur noch Geschlechtsverkehre mit Partnern gäbe, wo es nicht um eine simple Abreaktion oder etwas in dieser Richtung, sondern um die "volle Liebe" geht und bei denen also auch ein Kinderwunsch dabei wäre - selbst wenn er "im Moment" nicht passt und daher verhindert wird? Und darum geht es bei meinem Engagement!