ÄSTHETIK (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

ÄSTHETIK.

Vorbemerkung: Mir ist kein einziger Fall bekannt, bei dem der Einstieg in Fehlentscheidungen auf dem Gebiet der Moral (also etwa in enttäuschenden Liebesbeziehungen) irgendetwas mit Spaß an unschuldiger Nacktheit etwa an einem FKK-Strand zu tun gehabt hätte. Kennen Sie vielleicht einen solchen Fall? Und auch die Literatur und die Medien berichten immer nur von anderen "Geschichten", sei es, wie Faust Gretchen verführt, sei es wie Don Giovanni in der gleichnamigen Oper das Bauernmädchen Zerlina "anmacht", sei es wie im Film "Kids" die jungen Mädchen "geknackt" werden - bis zum Zeitpunkt der sexuellen Beziehung waren gerade die "Opfer" doch immer zumindest in Richtung "Nacktsein" völlig verklemmt oder eben leibfeinldich. Es sieht also aus, als ob das mit dem sittlichen Wert der (Sexual-)Scham ein leeres Phantom (oder mit einem Wort Mao Tse Tungs ein "Papiertiger") ist - und wir also durchaus endlich damit aufhören sollten, in der Scham, also in der Vermeidung der Nacktheit, eine Bedingung, ohne die es nicht geht, für (wirkliche) Moral zu sehen. Denn wenn wir das erst einmal geschafft haben, können wir zu ganz anderen Ufern aufbrechen!

Doch zum Thema: Mit ÄSTHETIK  wird eine rein geistige, eher bewundernde und vielleicht in gewisser Weise höhere erotische (siehe Erotik) Beziehung zum Schönen, Ausgewogenen, Anmutigen und Gelungenen bezeichnet, wenn der Begriff Ästhetik in unserem heutigen Sprachgefühl verwendet wird. Irgendwie stimmen dann Ausstrahlung und Form, Geist und Materie, Seele und Leib überein, das Äußere passt nicht nur zum Inneren, sondern es spiegelt es direkt wieder. In diesem Sinn können dann Naturgegebenheiten und Kunstwerke wie Bauten (denken wir an manche Kirchen und Schlösser!), Gemälde, Musikschöpfungen, Landschaften und vor allem Menschen ästhetisch wirken. Für das Ideal von körperlicher und geistiger Vollkommenheit bei Menschen prägten die alten Griechen den Begriff Kalokagathie (kalòs = körperlich schön, agathòs = sittlich vollkommen). Allerdings traute man solche geistig-sittliche Höhe damals wohl nur Männern zu - auch verstand man in der damaligen homoerotischen Gesellschaft darunter letztlich wohl etwas anderes wir heute bei uns.

In unserer Kultur ist es leider üblich, dass wir sozusagen aus dem Status der "Un-Sexualität" gleich in "alles" hineinspringen - heute noch verklemmt und ohne jede Erfahrungen mit irgendetwas - und morgen ist schon "alles passiert" (gleichgültig ob mit oder ohne Hochzeit). Damit verpassen wir jedoch eine absolut wichtige Phase unseres Lebens: Die PHASE DER ÄSTHETIK, die Phase des unschuldigen Menschseins (und Mensch ist man ja immer entweder als Weib oder als Mann, also auch und gerade des unschuldigen Weibseins), die Phase der un-verklemmten Nacktheit, die Phase der Freude an der Unschuld ohne Naivität, die Phase der Natürlichkeit, die Phase der weiblichen Sexualität - und damit vor allem auch die Phase des Abbaus von unseren kulturbedingten Ängsten!

Sollen denn alle die Ängste, die uns eine solche Befreiung weitgehend versperren - wenigstens zunächst einmal, wirklich Kultur sein? Allenfalls schnüren wir uns doch in Zwangsjacken, die uns die Mode vorschreibt - von wirklicher Freiheit und Emanzipation keine Spur! Gerade den kleinen Mädchen werden doch jegliche Phantasien und erst recht das Ausleben im Hinblick auf eine typische weibliche Sexualität mies gemacht und sogar verboten! Strategien dazu werden den Mädchen jedenfalls nicht aufgezeigt! Bedenken wir: Unsere Ängste vor der Nacktheit (nach dem Motto: "Nackt darf mich nur mein späterer Mann sehen oder wer eben der Auserwählte ist") in der Öffentlichkeit (natürlich nur dort, wo es angemessen und allgemein akzeptiert ist, also auch auf Gegenseitigkeit beruht) weist auf Besitzdenken hin und das hat mit Sklaverei bzw. Sklavenmoral zu tun und das geht nie gut. Doch vermutlich ist das eben die Basis der offiziellen Kultur!

Was könnte man in der Phase der Ästhetik nicht alles machen, vor allem, wenn sie noch bis lange nach der Pubertät gelebt wird? Und natürlich mit verschiedenen Menschen - siehe etwa Gandhi-Methode! Ob wir nicht etwas ganz Wichtiges und Wesentliches für unsere Persönlichkeit verpassen? Die Amerikanerin Colette Dowling bemängelt bei vielen Frauen einen Cinderella-Komplex, ob die Ursache für viele Fehlentwicklungen nicht hier zu suchen ist? Und vermutlich merken wir sowieso erst mit der Zeit, was wir eigentlich wollen, welche Möglichkeiten in einer Partnerschaft mit echter Liebe stecken. Und vielleicht bekommen wir auch eine Ahnung, welchen Sinn es hat, bis nach der Ehe mit dem ersten Mal zu warten?

Und so ganz nebenbei kommt es zu einer völlig anderen Weise von Freiheit und Emanzipation, diesmal jeweils von wirklicher, die auch für alle Beteiligten attraktiver und überzeugender wirkt als das Emanzen-Getue, was bisher so oft läuft.

Vor allem haben wir auch einen äußerst praktischen und sogar einfach anzuwendenden Filter, echte Liebe von nur oberflächlicher Verliebtheit zu unterscheiden! Denn (ich zitiere - etwas verändert - aus dem Stichwort "Verliebtheit"):

Bei einer Verliebtheit ist es wie im Krieg, da müssen bei den Soldaten an der Front einige wenige Griffe sitzen. Vor allem kommt für die meisten das mit der Liebe (oder was sie dafür halten) wie eine Naturgewalt und also urplötzlich  - und da hilft eigentlich nur, dass man den passenden Schutzanzug oder eben Filter schon längst hat, dass er sozusagen zum eigenen Wesen gehört. Und ein solcher Filter ist der "Einbau" einer "Phase der Ästhetik"! Sie könnte für uns normale Menschen genau das sein, was der Gründer von IKEA Ingvar Kamprad als Grundregel für Unternehmen sieht, dass die Regeln nämlich einfach sein müssen, wenn sie funktionieren sollen: "Je komplizierter diese Regeln sind, umso schwerer sind sie zu befolgen. Komplizierte Regeln lähmen (Jungbluth, "Die 11 Geheimnisse des IKEA-ERFOLGS", Campus 2006, S. 227)!" Und bisher sehe ich keinen besseren Filter als die Phase der Ästhetik - denn diese Phase erfordert nicht ein ausgetüfteltes intellektuelles Konzept (was sowieso nur Ängste bringt und das im Erlebnisfall weggewischt wird), sondern lässt sich in der Gefühlswelt verankern, also auch in unserem Bauchgefühl!

Der typische Ästhet nimmt nämlich die Eindrücke von dem, was er als ästhetisch empfindet, rein geistig auf, und er ist dabei erfüllt von einem geistigen Genuss, der weit entfernt ist von jedem Besitzdenken und gar Zerstörenwollen.

Denn dadurch würde ja die Einheit des bewunderten Objekts verloren gehen, die eben die Ästhetik ausmacht. So freut er sich an der Blume im Wald, ohne sie gleich für sich abpflücken zu müssen, an dem Gemälde in einem Museum oder in einer Kirche, ohne es im eigenen Tresor lagern zu wollen, an dem Charme und der Schönheit eines Mädchens oder einer Frau oder möglicherweise auch eines Mannes, ohne dabei an einen unmittelbaren eigenen Besitz und eigenen Vorteil zu denken. Und wenn einem Ästheten dann schließlich etwas anvertraut ist, so ist es ihm gelegen, auch für dessen künftige Ästhetik, also dessen Weiter- und Höherentwicklung in der ihm gemäßen Art, zu sorgen.

Leider wird mit den Wundern der Ästhetik nur zu oft nicht nur großzügig und zerstörerisch, sondern auch geradezu dumm umgegangen. Besonders beklagenswert ist der Missbrauch, wenn es nur um reine materialistische Befriedigung geht, wie sinnliches Genießenwollen oder um Triebabreaktion.

Ein Mädchen äußerte einmal auf diese Website hin, sie wüsste gar nicht, was an dem Geschlechtsverkehr denn so Besonderes sei. Ja, was soll man da sagen: Solche Ernüchterung kann im Grunde nur davon kommen, wenn wir den wohl schönsten Schatz, der uns Menschen von der Natur gegeben wurde, nämlich unsere Angelegtsein auf die wunderbare Einheit von Leib und Seele zwischen Mann und Frau, zur bloßen Triebabreaktion verkommen lassen. (Manche Leute meinen ja, dass diese Stöhnerei und Zuckerei dabei etwas mit Orgasmus zu tun hätte, doch nicht einmal das stimmt.) Wir verkonsumieren oder wir verramschen sozusagen eines der höchsten Güter der Menschheit, wenn nicht das höchste Gut überhaupt, wie schade!

Unverständlich, warum bei der Propagierung der Enthaltsamkeit, denn die gehört nun einmal dazu, nie die positiven Werte einer "Phase der Ästhetik" in den Vordergrund gestellt werden! Wir haben doch ein hervorragendes "Produkt"! We toll könnte das hier sogar mit einem sinnvollen Speeddating laufen! Stattdessen verstößt die übliche Moralerziehung penetrant gegen alle Regeln einer guten Werbung, etwa nie mit negativen Argumenten für etwas Schönes zu werben!

Sehen wir also die voreheliche Enthaltsamkeit in einem anderen Licht: Sie ist - richtig praktiziert - eine absolut positiv-geistige und gleichzeitig sinnenfrohe Erfahrung! Siehe auch unter Paradieserlebnisse oder/und Kuscheln, ja warum wird diese Alternativen gar nicht erst erwähnt! Und so ganz nebenbei bleibt jeder Mensch auch noch einerseits in seinem Wesen ohne missklingende Enttäuschungen und angstvolle Verdrängungen offen, den passenden Lebenspartner zu suchen, und erhält sich andererseits für ihn so, dass er für ihn nicht nur eine soziale und sinnliche Ergänzung, sondern auch eine ästhetische Freude ist. Wenn im übrigen nichts von einer solchen Freude gegeben ist, sollte man die Beziehung am sinnvollsten überhaupt abbrechen.

Ein Problem ist natürlich, dass wir alle noch nicht in einer solchen unverklemmten Welt aufgewachsen sind, doch schließlich war das ja auch nicht bei Gandhi der Fall, und der konnte dennoch damit umgehen! Schaut doch mal in das Stichwort, wie der das gemacht hat! Oder lest mal das Gespräch 9 zwischen Beatrix und Martina, wie weit man doch unschuldige Ästhetik mit reiner und berauschender Sinnlichkeit verbinden kann.

Und dann gibt es natürlich auch noch die Freude der Ästhetik in der Natur, in der Kunst, in der Musik - öffnen wir uns doch erst einmal dafür! Wie heißt doch das Gebot in den amerikanischen Nationalparks: Freue Dich - doch hinterlasse nichts - außer Deinen Fußspuren! 

Das Erlebnis der Phase der  Ästhetik als Universalrezept der Menschenkenntnis.

Bitte die Idee der Phase der Ästhetik nicht falsch verstehen: Es geht nicht darum, solch eine Phase aus Misstrauen zu anderen einzufädeln, also sie als Instrument der Erkenntnis zu benutzen, weil man misstrauisch ist. Nein und abermals nein! Vielmehr muss man vom Menschsein ohne Leibfeindlichkeit und mit sinnvoller Furcht so erfüllt sein, es muss regelrecht Spaß machen - so dass man schon von daher alle Menschen und insbesondere natürlich diejenigen, die man besonders mag, einbeziehen möchte. Und wenn Menschen dabei dann nicht mitmachen wollen - dann erst kommt das Misstrauen - und wir werden sehen, das wirkt dann auch ernüchternd für die größte Verliebtheit!

Und das passt dann auf alle möglichen und unmöglichen Situationen, vor allem werden auch die typischen Teufelskreisläufe unterbrochen, hingewiesen sei etwa auf das Problem der Wiederholung des Schicksals, dass sich also bei der nachfolgenden Generation genau dasselbe wiederholt wie bei der gegenwärtigen.

Und was hat das mit Jesus zu tun? Wo steht so etwas in der Bibel?

Eigentlich eine dumme Frage! Wenn etwas zwischen uns Menschen besser werden kann, dann hat das immer mit dem Anliegen der Bibel zu tun! Wenn wir nur näher hinsehen, dann ging es dem wirklichen Jesus nämlich genau darum, dass diese Verramscherei - oder in der Sprache der Religion Sünde - endlich ein Ende hat und dass wieder wirkliche Liebe unter uns Menschen zum Tragen kommt.

Wenn wir einmal davon ausgehen,  dass die Worte Jesu in unserer Tradition zu einem sehr großen Teil nicht mehr in ihrem ursprünglichen "diesseitigen" Zusammenhang wiedergegeben werden, weil sein Anliegen, hier und jetzt etwas zu verändern, in ein Leben nach dem Tod verlegt wurde, erscheint auch die Forderung aus Matthäus 10, 39 nach einer kleinen Änderung viel plausibler und menschlicher. Wir lesen sie üblicherweise vor einem jenseitigen Hintergrund: "Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen." Die diesseitige Lesart liest sich dagegen: "Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das vordergründige und oberflächliche Leben verliert, wird das wirkliche Leben gewinnen." Also: "Wer vordergründig sein Leben auslebt, hat schließlich im Grunde gar nichts, wer sich aber zusammen nimmt im Sinn eines Konzept im Anliegen Jesu, der gewinnt sein Leben wirklich!"

Und die Worte des Apostels Paulus in Korinther 6, 18f sollten wir vielleicht einmal unter dem Gesichtspunkt einer höheren Ästhetik sehen: "Jede Sünde, die ein Mensch begehen mag, ist außerhalb des Leibes; wer aber Unzucht treibt, sündigt gegen den eigenen Leib. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes in euch ist, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden; verherrlicht nun Gott mit eurem Leib."?

Anmerkung: Ästhetik muss unbedingt von Moral unterschieden werden: Nicht jede Nacktheit ist unmoralisch, bisweilen aber vielleicht unästhetisch! Ob da nicht ein wenig regelmäßiger Sport ganz nützlich wäre? Zumindest sollten diejenigen, die die mögliche Phase der Ästhetik in ihrer eigenen Jungend - aus welchen Gründen auch immer - verpasst haben und jetzt im Alter vielleicht nicht mehr so ästhetisch aussehen, sie den jungen Leuten nicht missgönnen!

Und noch etwas: Bei vielen Naturvölkern in den warmen Ländern laufen bzw. liefen die Mädchen bis zur Heirat vollständig nackt herum, sie hatten also "keine Probleme mit der Nacktheit". Man müsste ja einmal wissen, inwieweit die damit verbundene Freude an der Ästhetik mit einer sinnvollen Partnerschaftsmoral einhergeht bzw. einherging, denn eine ungezügelte Promiskuität (also jeder mit jedem usw.) gibt es ja nirgends auf dieser Welt, wenn man mal von irgendwelchen durchgedrehten Sekten und Swingerclubs absieht...).

In der Philosophie wird im allgemeinen etwas anderes unter Ästhetik verstanden.

Der dänische Theologe und Philosoph Sören Kierkegaard (1813 - 1855) meinte zum Beispiel, dass es drei verschiedene Existenzmöglichkeiten gibt oder "Stadien", wie er sie nennt. Für ihn ist das das "ästhetische Stadium", das "ethische Stadium" und das "religiöse Stadium". Wenn er das Wort "Stadium" wählt, dann will er damit auch zeigen, dass man in einem der beiden unteren Stadien leben und ganz plötzlich den "Sprung" in ein höheres schaffen kann. Viele Menschen verbringen allerdings ihr ganzes Leben in einem einzigen Stadium.

Dabei ist das ästhetische Stadium für Kirkegaard das Leben im Augenblick und im Streben nach Genuss. Was gut ist, ist das, was schön, nett oder angenehm ist. So gesehen, lebt ein solcher Mensch voll und ganz in der Welt der Sinne. Der Ästhet wird allerdings auch zum Spielball seiner eigenen Lüste und Stimmungen. Negativ ist alles, was öde oder nicht geil ist, wie man heute sagt. Auch jemand mit einem spielerischen Verhältnis zur Wirklichkeit - oder zum Beispiel zur Kunst oder zur Philosophie, mit denen er sich beschäftigt - lebt im ästhetischen Stadium. Selbst Kummer und Leid gegenüber kann man sich ästhetisch oder "betrachtend" verhalten. Was dann regiert, ist die Eitelkeit...

Wer im ästhetischen Stadium lebt, ist anfällig für Gefühle der Angst und der Leere. Erlebt er diese Gefühle aber, dann gibt es auch noch Hoffnung. Für Kierkegaard ist die Angst fast etwas Positives. Sie ist ein Zeichen dafür, dass sich jemand in einer "existentiellen Situation" befindet. Der Ästhet kann sich nun selber entscheiden, ob er den Sprung in ein höheres Stadium machen will.

Und so beginnt er vielleicht, im ethischen Stadium zu leben. Dieses Stadium ist geprägt von Ernst und von konsequenten Entscheidungen nach moralischen Maßstäben. Dabei ist nicht unbedingt wichtig, was man für richtig oder falsch hält, wesentlich ist, dass man sich überhaupt entschließt, sich zu dem, was richtig oder falsch ist, zu verhalten. Der Ästhet hatte sich ja nur interessiert, was lustig oder langweilig ist.

Doch auch dieser "ethische Pflichtmensch" hat es nach Kierkegaard irgendwann einmal satt, immer nur pflichtbewusst und ordentlich zu sein. Viele Menschen erleben eine solche Phase des Überdrusses und der Müdigkeit, wenn sei längst erwachsen sind. Und manche fallen jetzt vielleicht in das verspielte Leben im ästhetischen Stadium zurück. Aber andere machen auch den Sprung ins nächste, ins religiöse Stadium. Sie wagen den wirklichen Sprung in die unendlichen Tiefen des Glaubens. Sie ziehen den Glauben dem ästhetischen Genuss und den Geboten der Vernunft vor. Und obwohl es entsetzlich sein kann, "in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen", wie Kierkegaard sich ausdrückt, kann sich der Mensch erst jetzt mit seinem Leben versöhnen.

Dazu ist anzumerken, dass das, was Kierkegaard unter ÄSTHETIK versteht, hier im Konzept basisreligion als Hedonismus bezeichnet wird - und so dürfte auch der allgemeine heutige Sprachgebrauch sein. Und bei diesem Hedonismus kann tatsächlich schließlich das passieren, was Kierkegaard schreibt. Doch das, was wir heute unter Ästhetik verstehen und wie der Begriff bei basisreligion verwendet wird, kann durchaus mit dem Stadium der Ethik und der Religion zusammenfallen, im Grunde ist nur das, wenn alles zusammenfällt, die wahre christliche Religion! (Anmerkung: Wenn ich hier mit Kierkegaard nicht übereinstimme, so trifft er doch woanders den Nagel auf den Kopf. Er meint etwa: Wenn die Christen wirklich begriffen hätten, was im Christentum steckt, würde sie das nicht mehr los lassen und sie würden sich ganz anders engagieren!) 

Allerdings ist das alles auch für Sigmund Freud (1856 - 1939) ein Problem!

Denn er ist zu der Erkenntnis gekommen, dass die Ursache psychischer Krankheiten durchaus auch darin liegen könnte, weil Seele und Leib nicht harmonieren, weil der Körper einfach eine Art fremdes Wesen in uns und für uns ist. Auch Freud dürfte also eigentlich nichts dagegen haben, wenn wir mit einer Phase der Ästhetik erst einmal unseren Körper akzeptieren lernen, so dass er auch ein wirklicher Teil von uns wird. Nur: Die Verbindung von Menschsein und Überwindung der Leibfeindlichkeit in Form der Scham ist nicht seine Sache...