NAIVITÄT (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

NAIVITÄT ist die Ahnungslosigkeit von den tatsächlichen Zusammenhängen (etwa von den natürlichen Mechanismen) und vor allem von der Ambivalenz (Kehrseite) gerade in den Dingen, deren Wissen für die meisten Menschen eigentlich selbstverständlich ist oder wenigstens sein sollte. Demgegenüber ist Unschuld etwas völlig anderes, die hat etwas mit Wissen zu tun, jedoch mit bewusster Distanz (also Enthaltsamkeit). 

Mit der Naivität geht ein Mangel an Realitätsbewußtsein einher, der jede wirkliche Verständnis für die Dinge dieser Welt und jede wirkliche Emanzipation verhindert.

Und das für den Betroffenen besonders Nachteilige dabei ist, daß er seinen Mangel gar nicht als solchen empfindet und daß er sich deswegen auf Handlungen einläßt oder diese sogar bewußt anstrebt, die er bei klarem Überblick immer vermieden hätte.

Damit ist die Naivität vermutlich der wesentliche Grund, warum Verführungen und Überrumplungen überhaupt gelingen können: Ist es nicht seit jeher schon fast ein Naturgesetz, daß der Wolf das ahnungslose und brave Lamm nun einmal reißt? Selbst in Gemeinschaften, die sich wirklicher Moral verschrieben haben, also selbst in den lautersten christlichen Gemeinschaften (siehe Gemeinde), ist Naivität ein absolut "kritischer Zustand": Wer ist auf Dauer schon so moralisch, daß er "durchhält", wenn um ihn herum alles attraktive, jedoch naive "Mäuschen" sind? Das ist doch zumindest auf Dauer die wirkliche Versuchung und nicht, ob jemand mehr oder weniger gegen irgendwelche Äußerlichkeiten (siehe etwa Scham) verstößt! (Bei Markus 7, 20 bezieht sich Jesus zwar auf Speisegebote, bei denen ein Verstoß gegen sie eben nicht wirklich unrein macht und daher auch nicht sündhaft ist, doch dürfte das ganz allgemein gelten, daß das Böse eben unabhängig von Äußerlichkeiten ist.) Und selbst wenn man selbst da durchhält, wer kann garantieren, daß sich nicht irgendwelche "Hechte im Karpfenteich" einschleichen? Die Lösung kann nur sein, Konzepte zu verwirklichen, bei denen jeder Beteiligte sozusagen wie ein Einzelkämpfer für eine gute Sache vom Ernst des Lebens mehr als eine Ahnung hat und ein echtes Lebenskonzept frei von jeglicher Naivität "bekommt" (siehe Strategie)!

Die perfekte Waffe des Patriarchats: Menschen naiv zu machen und zu belassen.

Obwohl das eigentlich klar ist und obwohl sich aus der Naivität bisweilen größte Nachteile gerade für das leibseelische Glück der davon betroffenen jungen Menschen ergeben, verwechseln unsere Erzieher immer noch Unschuld und NAIVITÄT und kommen keineswegs auf die Idee, sich Gedanken um eine Änderung des Grundkonzepts der Erziehung zur Naivität zu machen, ja sie fördern sogar noch die Mauern in den Köpfen, die eine solche Erziehung zur Naivität mit aufbaut.

Der Grund kann eigentlich nur der sein, daß es in unserer männerrechtlichen Gesellschaft (siehe Patriarchat) gar nicht darum geht, den jungen Menschen vor allem beim Gelingen ihres Glücks zu helfen, also dort, wo es auf eine Überwindung der Naivität besonders ankäme. Das Belassen von Menschen in Naivität gehört wie auch das Belassen in Dummheit und in Ängsten zu den Waffen nicht nur im Kampf des Patriarchats gegen die nachwachsenden Generationen, sondern auch im Kampf zwischen den Geschlechtern (siehe Geschlechterkampf). Leider gibt es genügend nützliche Idioten, denen jede Zivilcourage fehlt und die immer wieder die falsche Seite unterstützen. 

Durch ihre Naivität erkennen junge Menschen beispielsweise nicht so recht, welch ein Köder die Verliebtheit ist und daß die Folge keineswegs dauerhaftes Glück ist, wenn sie darauf reinfallen.

Geradezu abartig ist es, daß auf manche Männer vor allem naive Mädchen und Frauen besonders erotisch wirken. Die Sexualität hat für solche Männer, denen es bei der Frau weniger um den Typ der Gefährtin, sondern mehr um den Typ der Dienstmagd und Dirne geht, dann auch einen besonderen Reiz, den man allerdings wohl schon als Perversität bezeichnen kann. Bei der Ausnutzung der Naivität eines Mädchens handelt es sich im Grunde gar nicht mehr um eine Verführung, sondern fast schon um eine Vergewaltigung mit der Zustimmung oder gar der Aufforderung des Mädchens.

Oder machen wir uns einmal bewußt, daß die Kehrseite von Kavaliersdelikten, über die wir uns vielleicht amüsieren, auch Naivität ist mit den entsprechenden Folgen (siehe etwa Recht der ersten Nacht).

Wohl zu allen Zeiten der Menschheit bedeutete und bedeutet es für junge Menschen eine Gnade,  damit sie diejenigen Informationen erhalten und sie auch anzunehmen, die für ihn wirklich hilfreich sind, um ihre Naivität zu überwinden. Gern werden solche Informationen von etablierten Gesellschaften jedenfalls nicht gegeben. Siehe auch Unschuld. Das ist etwas völlig anderes!

Als naiv werden auch gern Menschen bezeichnet, die sich um Utopien bemühen. Doch nicht alle Utopien zeugen von Naivität, es kommt darauf an, aus welchen Komponenten sie sich zusammen setzen. (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)