VERSUCHUNG (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

VERSUCHUNG. In der herkömmlichen Moralpädagogik werden die Gläubigen stets vor der Versuchung gewarnt: Sie ist eine Fußangel des Teufels und in der Bibel bei Jesus Sirach (3,27) steht ja: "Wer eine Gefahr sucht, kommt darin um". Doch da sind wir schon bei der Schwierigkeit, daß da etwas von Gefahr steht und nicht von Versuchung und daß "Jesus Sirach" eben nicht Jesus ist, sondern eine lockere Sammlung von Lebens- und Verhaltensregeln, in der auch sonst alles Mögliche steht. Wo ist also eine wirklich gültige Anweisung? Und wenn wir schon bei Lebensregeln oder Sprichwörtern über die Gefahr sind, dann gibt es vor allem eher aufmunternde: "Gefahr macht die Leute einig" oder "Je größer die Gefahr, je größer der Mut" oder "Je mehr Gefahr, je mehr Vorsicht".  

Und so finden wir auch über "Versuchung" in der Bibel eher Zuversichtliches: "Glückselig der Mann, der die Versuchung erduldet! Denn nachdem er bewährt ist, wird er den Siegeskranz des Lebens empfangen, den er denen verheißen hat, die ihn lieben" (Jakobusbrief 1,12f) und "Wer also zu stehen meint, der sehe zu, daß er nicht fällt. Noch ist keine Versuchung über euch gekommen, die den Menschen überfordert. Gott ist treu; er wird nicht zulassen, daß ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet. Er wird euch in der  Versuchung einen Ausweg schaffen, so daß ihr sie bestehen könnt." (1 Kor. 10, 12f). 

Was aber mit der Vater-unser-Bitte, daß Gott uns nicht in Versuchung führen möge? Sie ist bei näherem Hinsehen so merkwürdig, daß sie nun wirklich so nicht von Jesus stammen oder zumindest so gemeint sein kann, wie wir sie heute kennen - siehe Vater unser!

Und die üblichen pädagogischen Warnung vor Versuchungen? Sie sind sowieso für die Katz, denn Versuchungen haben nun einmal etwas an sich, das sie so faszinierend macht. Vermutlich ist das auch von der Natur so gedacht, sie sind einfach der Reiz des Lebens, der Ansporn, kreativ zu werden und etwas zu machen, sie sind eben das Adrenalin, das wir nun einmal sozusagen als körpereigene Droge brauchen.

Sind sie nicht auch ein wunderbares Geschenk der Natur? Denken wir an die Farben der Blumen und der Schmetterlinge, an den Gesang der Vögel, an die Schönheit der Frauen - das alles sind doch "Versuchungen", und die Welt wäre ärmer ohne das alles und schließlich hat das auch alles wohl seinen Sinn! Es gibt wohl auch hier das alte Problem der Moral von Gebrauch und Mißbrauch!

Wenn wir also den Versuchungen nicht nur nicht ausweichen können, sondern auch noch offen oder klammheimlich nach ihnen gieren, dann sollten wir sie doch endlich einmal als sinnvoll anerkennen und aus der Not eine Tugend machen: Machen wir uns so fit, daß uns nur diejenigen Versuchungen "Spaß machen" und "vom Hocker reißen", die auch o.k. sind!

Das geht nicht?

Wie heißt es: Ekel und Scham kehren sich in der Pubertät und besonders im Fall einer Verliebtheit ins Gegenteil um, also in besondere Faszination. Mit dem Ekel ist das so eine Sache, sich den abzutrainieren, doch man kann ja schon einmal zuhause der Mutter helfen, die Toilette zu säubern, oder sich überwinden, etwas normalerweise Unappetitliches nicht mehr unappetitlich zu finden. Und die Scham - da müssen wir uns wohl mal mit der Nacktheit wirklichkeitsnah auseinander setzen! Was glauben Sie, wie "man" bei den schönsten nackten Mädchen cool bleiben kann, wenn man erst einmal damit klar kommt und sein Adrenalin steuern kann! Und dann können wir auch irgendwann die aktive Enthaltsamkeit praktizieren, vielleicht  sogar nach der Gandhi-Methode? Natürlich gehört dazu Menschenkenntnis und Diskussionsbereitschaft.

Besser brisante Versuchungen mit Intelligenz und Konzept, als Bravheit mit Langeweile. Solche Bravheit klappt nämlich sowieso nie - zumindest nicht auf Dauer!

Der Mensch ist nun einmal darauf angelegt, daß seine Gefühle gereizt werden. Und sogar die biblischen Schriftsteller tragen dem Rechnung! Es kommt eben darauf an, daß man es mit Konzept macht! (Wörterbuch von basisreligion)