NATÜRLICHE MECHANISMEN (Basislexikon - kompetent-kritsch-konstruktiv)

NATÜRLICHE MECHANISMEN sind angeborene Verhaltensmuster.

   Mit NATÜRLICHEN MECHANISMEN kann man am ehesten diejenigen Automatismen bezeichnen, die ganz offensichtlich normalerweise bei allen Lebewesen in vergleichbaren Situationen in gleicher Weise funktionieren. Vermutlich hat die Natur zahlreiche solche Mechanismen den Lebewesen von ihrer Veranlagung her mitgegeben, damit bestimmtes Verhalten entweder geschieht oder auch nicht geschieht, wenn es - eben je nachdem - vorteilhaft oder nicht vorteilhaft im Sinn der Arterhaltung und da insbesondere auch der Weitergabe eigenen Erbguts (also eigener Gene) ist. Andere Mechanismen ergeben sich einfach aus den Situationen des Lebens, weil bestimmte Dinge gefördert oder benachteiligt werden.

 

Der Dorftrottel schafft trotz größter Anstrengung nichts, weil er nicht die Naturgesetze in sein Tun miteinbaut.

Aus meinem frühen Physikunterricht ist mir in Erinnerung, wie unser Lehrer uns einen Sinn der Physik am Beispiel der Hängeschaukel erklärte: Der Dorftrottel rüttelt an ihr wie wild, um sie mit einem Kumpel, der auf ihr sitzt, in Schaukelbewegung zu bringen, und schafft es doch nicht. Ein kleines Mädchen dagegen bringt es ohne viel Kraft fertig, ihren Vater, der auf ihr sitzt und der auch noch viel schwerer ist als es selbst, bis zur höchsten Höhe "aufzuschaukeln". Das Mädchen hat einfach die "inneren Gesetze" - oder hier eben die "Natürlichen Mechanismen" der Schaukel begriffen und angewandt. Und um die Kenntnis dieser "inneren Gesetze" geht es!

Wir können uns solche Mechanismen als regelrechte Schalter vorstellen, auf deren Funktion sogar vorausschauend Verlaß ist, solange die Bedingungen dafür nicht gerade völlig durcheinander gebracht oder sogar zerstört sind. Berühmt im Bereich der Biologie sind die Forschungsergebnisse des Verhaltensforschers Konrad Lorenz (1903 - 1989) mit seinen Wildgänsen. Er fand heraus, daß nach dem Schlüpfen die Gänseküken sich lebenslang auf das erste sich bewegende größere Objekt fixieren, das sie sehen und das sie offensichtlich als ihre Mutter betrachten. Im allgemeinen ist das nun auch tatsächlich ihre eigene Gänsemutter, die sie ja ausgebrütet hat und für sie sorgt, im Fall des Verhaltensforschers Lorenz war es jedoch er selbst, weil die Küken ihn nach dem Schlüpfen aus dem Brutkasten als erstes größeres bewegendes Objekt entdeckt hatten.

 

Man muß natürlich die Bedingungen für das Funktionieren auch vernünftig arrangieren.

 

Und derartige natürliche Mechanismen gibt es zur Genüge auch bei uns Menschen in den verschiedensten Bereichen!

Der natürliche Mechanismus, dem für unsere (Sexual-)Moral von vielen Menschen, insbesondere von Moralaposteln, wohl immer noch die entscheidende Wirkung zugeschrieben wird, ist allerdings vermutlich auch der problematischste, gedacht ist hier an die (Sexual-)Scham. Wird da nicht immer noch viel zu sehr davon ausgegangen, daß für alle und gerade für junge Menschen allein vom Anblick eines nackten Körpers und insbesondere auch von Geschlechtsteilen des anderen Geschlechts (und bisweilen sogar des eigenen) eine sozusagen magische Wirkung ausgeht, daß dadurch ganz automatisch genau jener Schaltvorgang ausgelöst wird, der jede weitere erzieherische Bemühung im Hinblick auf eine Sexualmoral vor vornherein über den Haufen wirft? Nach dieser Auffassung ist der junge Mensch dann irgendwann einmal in seiner sexuellen Neugier nicht mehr zu bremsen und er ist daher dann ganz zwangsläufig bei passender Gelegenheit genau zu jenen voreiligen und enttäuschenden sexuellen Handlungen manipulierbar, die schließlich auch jedes persönliche Glück dauerhaft nachteilig beeinflussen.

Es ist schon merkwürdig, bei wie vielen Menschen solche Ansichten fest verwurzelt zu sein scheinen, obwohl es genügend Gegenbelege dafür gibt, daß enttäuschende sexuelle Handlungen nun wirklich anders anfangen. Denn wenn das stimmen würde, müßte jeder Frauenarzt ständig erregt sein und an Nacktbadestränden müßte sozusagen ständig ein sexuelles Chaos herrschen. Doch allem Anschein nach sind die Frauenärzte oder die Menschen an den entsprechenden Stränden weder besser noch schlechter als diejenigen Menschen, die nichts damit zu tun haben. Dagegen bekommen Orientalen, die in ihrer Heimat nur verschleierte Frauen sehen, bisweilen schon Anwandlungen, wenn sie bei uns nur unverschleierte Frauen sehen. Bei der Wirkung der Sexualscham scheint es sich - zumindest weitgehend - um einen "künstlichen Mechanismus", also um eine Frage der Kultur oder des Über-Ichs (siehe Gewissen) zu handeln.

Und es ist auch nicht vorstellbar, daß von der Menschwerdung des Menschen und damit von seiner menschlichen Ur-Veranlagung her die Scham automatisch dazu gehörte. Denn nach unseren heutigen Erkenntnissen liegt der Ursprung der Menschheit im (warmen) Schwarzafrika, wo keine Kleidung erforderlich ist, und wo es auch wenigstens zunächst einmal keine Veranlassung zum Kleidungtragen gab. Daß nun deswegen schrankenlose Promiskuität herrschte (also gar keine Sexualmoral), ist nun auch nicht wahrscheinlich, denn damit wären nicht nur alle geordneten menschlichen Beziehungen unmöglich geworden, die zumindest auf Dauer für eine Weitergabe des Lebens notwendig sind (siehe Jungfernhäutchen), sondern die Menschen hätten sich auch recht schnell allein durch die schon immer vorhandenen (oder zumindest sporadisch auftretenden) Geschlechtskrankheiten selbst ausgerottet.

Es ist eher zu denken, daß mit dem Zwang, Kleidung zu tragen, Reize und Spannungen ins Spiel der Geschlechter kamen, die so von der Natur nicht vorgesehen waren und die eine mit der Nacktheit mögliche Menschenkenntnis im Hinblick auf gelingendes Partnerschaft und damit die Bedingungen für eine natürliche Moral (oder auch Ur-Moral) zumindest erschwerten, wenn nicht sogar zerstörten. Da uns auf Grund unserer Zivilisierung jedoch das Gespür für alle die für das Funktionieren dieser natürlichen Moral erforderlichen natürlichen Mechanismen (bisweilen vielleicht treffender natürliche Sperren) verloren gegangen zu sein scheint, die jedoch mit Sicherheit heute noch funktionierten, wenn wir sie nicht bewußt oder unbewußt durch grobe Fehler unwirksam machten, seien hier einige wichtige genannt:

  1. Die Natur verhindert durch das Inzesttabu auch Sexualkontakte unter nahen Verwandten, etwa unter Geschwistern, weil das nicht vorteilhaft in ihrem Sinn ist. Es kommt allein durch das nahe Zusammensein von Geschwistern, von Eltern und Kindern - und auch von nicht blutsverwandten Menschen zustande. Mit Sicherheit ist allerdings gerade dieser natürliche Mechanismus heute durch die wohlstandsbedingte Abkapselung junger Menschen (getrennte Zimmer der Geschwister, falls überhaupt Geschwister vorhanden sind, vor allem auch andersgeschlechtliche, Tabuisierung der Nacktheit unter Geschwistern usw.) stark in seiner Funktion beeinträchtigt.

  2. Ekel und Scham sind keinesfalls Schranken, die junge, unerfahrene Menschen von Sexualkontakten abhalten, die letztlich nur als Reinfallen bezeichnet werden können. Denn gerade bei jungen Menschen pflegen sich im Fall einer Verliebtheit und natürlich auch einer Liebe automatisch die Gefühle von Ekel und Scham in etwas Anziehendes und Faszinierendes umzukehren. Die Sicherheit, mit der ein junger unerfahrener Mensch alles Sexuelle abweist, weil er es als ekelhaft und unschamhaft empfindet und sich vielleicht wegen dieser Einstellung sogar noch als moralisch vorkommt, ist also eine trügerische! (Gerade dieser natürliche Mechanismus kommt den typischen Don Juans sehr gelegen: Mädchen mit Ekel und Scham gegenüber Dingen, die mit der Sexualität zu tun haben, pflegen nämlich die harmlosen und gutwilligen Jungen abzuweisen (denen es vielleicht nur um eine nette Freundschaft bis allenfalls zu einer unbefangenen Nacktheit gehen würde), jedoch nur zu oft ausgesprochenen Don Juans hinterherzulaufen, die dann gleich auch immer alles bekommen, also auch die vollendeten Tatsachen. Das natürliche Bauchgefühl insbesondere auch junger Mesnchen gerade in den Fragen der Liebe wird nämlich durch die Scham weitestgehend außer Kranft gesetzt, so dass es leicht zu Fehlentscheidungen kommt.

  3. Unser außerordentlich großes Gehirn haben wir vermutlich von unserer Veranlagung vor allem mitbekommen, um unsere Gefühle mit den durchaus möglichen Grenzerfahrungen nicht an einen für uns untauglichen Partner zu verschwenden, sondern den im Sinne einer gelingenden "Brutpflege" geeigneten Partner zu finden. Das Gehirn braucht doch dafür auch "Futter", also entsprechende Informationen, andernfalls ist es unterfordert und rebelliert, indem es unverständige oder gar verrückt erscheinende Dinge will, oder es wird träge.

  4. Und wie der Geist erprobt werden will, so auch unsere verschiedenen Hormone. Werden etwa die Anti-Streß-Hormone einer aktiven Enthaltsamkeit oder vergleichbarer unproblematischer Harmonie nicht abgerufen, kommt es zur Situation des Horror Vacui und damit bei Gelegenheit automatisch zur Produktion der Hormone, die mit der Befriedigung verbunden sind.

  5. Partner mit wirklicher leibseelischer Harmonie, bei denen also die Verbindung von Partnerschaft und Orgasmus-Gemeinschaft geglückt ist und die dabei auch echte Grenzerfahrungen erleben (oder die ein entsprechendes Lebenskonzept dazu haben), sind sozusagen immun für sexuelle Erlebnisse mit anderen Partnern. Sie können zwar ganz besonders unbefangen zu anderen sein, Seitensprünge kommen dennoch nicht infrage. Dabei ist besonders für Frauen gar nicht einmal die Häufigkeit der Harmonie- und Orgasmuserlebnisse von Bedeutung, Hauptsache ist, daß es diese in berauschender Weise gibt (oder bei Krankheit des Partners: gab),

  6. Als Mitschnacker (Kinderschänder), Triebtäter (siehe Triebverbrechen), Verführer und Vergewaltiger kommen nur Menschen infrage, die die Sexualität nicht im Zusammenhang mit einem wirklichen Gefährten sehen und bei denen also Verdrängungen gegeben sind. Menschen mit hohen Idealen im Hinblick auf ihr Lebenskonzept und ohne solche Verdrängungen sind sozusagen immun. Das Problem ist daher eigentlich nur herauszubekommen, wer in leibseelischer Harmonie lebt oder wer wenigstens solche Ideale hat. Die Erfahrung der unbefangenen Nacktheit bietet hier den sichersten und schnellsten Filter einer sinnvollen Menschenkenntnis: Triebtäter wie Kinderschänder und Vergewaltiger dürften zu solcher Nacktheit nicht fähig sein und werden - zumindest in Anwesenheit möglicher Opfer - stets versuchen, sich irgendwie zu verstecken und zu verbergen (die Kleidung kann solche Funktion haben).

  7. Beim Menschen gibt es nur zwei Dinge, die nicht erlernt zu werden brauchen: Neben dem Orgasmus ist das der Saugreflex beim Neugeborenen. Alles andere bedarf einer Anleitung oder zumindest eines Darumwissens. Daher ist es auch durchaus eher ganz normal, daß Menschen, die noch keinen Geschlechtsverkehr erlebt haben, durchaus mit einer bewußten Enthaltsamkeit zurecht kommen und sich eher nach irgendeinem den Orgasmus auslösenden Hautkontakt sehnen als nach den sogenannten vollendeten Tatsachen. Besonders junge Mädchen stimmen dem Geschlechtsverkehr wahrscheinlich nur zu, weil sie den Eindruck haben, das eine nicht ohne das andere erhalten zu können.

  8. Oft wird übersehen, daß die Erlebnisfähigkeit des sexuellen Höhepunkts bei Mann und Frau völlig unterschiedlich ist. Wenn ein Mädchen oder eine Frau da von ihrer eigenen Veranlagung auf die des Mannes schließt, ist sie völlig im Irrtum. Bei einer Frau kann sich nach einem Orgasmus durchaus das Verlangen nach dem nächsten steigern, bei einem Mann ist nach einem Orgasmus erst einmal Schluß. Nach einmal erfolgter Ejakulation kann ein Mann also nicht sofort zum nächsten Angriff übergehen, er braucht zumindest eine Verschnaufpause. Auf das Sexualverhalten eines Mannes (nicht das Liebesverhalten!) trifft eher das Bild einer prall gefüllten Blase zu: Ist die Blase geplatzt, ist erst einmal Ruhe. Dieses Wissen kann bei einer drohenden Vergewaltigung sehr nützlich sein.

  9. Ob Empfehlungen in moralischen Dingen überhaupt von Menschen angenommen werden, hängt davon ab, ob sich auch die Mitmenschen davon ansprechen lassen, es muß also hier ein besonderer positiver Gruppeneffekt (siehe Gruppenzwang) gegeben sein. Ansonsten würden einzelne Menschen, die ihr Leben etwa nach den Zehn Geboten gestalten wollen, ja sozusagen asozial werden. Wenn einzelne Eltern ihren Kindern eine vernünftige Moral beibringen, dann würden sie etwa einsame Jungfrauen erziehen – und das klappt eben nie! Daher funktionieren Empfehlungen für moralische Verhaltensweisen vermutlich auf Dauer nur, wenn sie einer Gemeinschaft von Menschen nahe gebracht werden. Glaubensgemeinschaften müssen also hier ihre Verantwortlichkeit erkennen. Das ist letztlich die Begründung für Kirche und Gemeinde! Mit der Zerstörung dieser "Natürlichen Mechanismen" oder des Wissens um sie stellen sich zwangsläufig eher "Künstliche Mechanismen" ein:

  10. Menschen, denen gegenüber Moral mit Sitte und Anstand und mit Scham verbunden wurde, werden in ihrem Leben ihre Moral auch nur so sehen. Doch anders als bei wirklicher Moral kostet es nun keinerlei Anstrengung, Sitte und Anstand und Scham zu praktizieren und sogar zu demonstrieren: Man braucht sich nur einen Bikini oder eine Badehose anzuziehen, und hat schon das gesellschaftlich gewünschte Soll an Moral erfüllt. Es kommt zwangsläufig zur Heuchelei. Nach wirklicher Moral fragt dann niemand mehr, gegen die verstößt man ja nur im Verborgenen!

Vergleichbar einfach kann die Angst vor der Bestrafung durch einen Gott umgangen werden, wird nicht in allen Religionen auf die Vergebung durch eine Gottheit spekuliert, die uns ja auch in unserem christlichen Glauben in einer verwässerten Dogmatik mit der Erlösung durch Jesus angeblich zugesichert ist? Das Ergebnis von alledem ist eine oberflächliche Moral und eine an typisches Heidentum angepaßte Religion und unter keinen Umständen eine wirkliche Emanzipation der Menschen.

Das Wissen um diese Mechanismen und ihre bewußte Berücksichtigung erleichtert unser eigenes Leben, die Erziehung unserer Kinder und unseren Umgang mit anderen Menschen ungemein. Dadurch werden auch nicht zuletzt viele Ängste und künstliche Tabus überflüssig gemacht. Geschickte Tests, die die betroffenen jungen Menschen selbst vornehmen, können diejenigen ihrer Mitmenschen eingrenzen, die gefährlich werden könnten. Menschen mit einem reinen Gewissen werden sich bereitwillig diesen Tests stellen oder offen ihre Schwierigkeiten nennen und sogar um Hilfe bitten.

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)