URMORAL - NATÜRLICHE MORAL (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

URMORAL oder auch NATÜRLICHE MORAL kann man die Moral nennen, die es sich beim Übergang oder Ablösung des Menschen vom Tierreich entwickelte. Wir gehen immer davon aus, daß in dieser gewiß mehrere hunderttausend, wenn nicht gar mehrere Millionen Jahre dauernden Zeit zunächst einmal im Bereich der Sexualität eine allgemeine Promiskuität herrschte, daß das also die Ethik der Urmenschen war, die sich dann unter dem Einfluß von Kultur, Religion und Zivilisation so langsam gezähmt wurde und zu den entwickelte, was wir heute unter Moral verstehen.

Zunächst einmal dazu: Wir wissen über eine sogenannte Urmoral gar nichts, weil wir nicht dabei waren und weil wegen der fehlenden Schrift auch nichts überliefert ist, und selbst wenn wir dabei gewesen wären, ist fraglich, ob wir die Wirklichkeit mitbekommen hätte, ob man uns wirklich erzählt hätte, was wir wissen wollen. Wir sind also letztlich auf Vermutungen angewiesen.

Eine allgemeine Promiskuität ist allerdings kaum vorstellbar. Denn:

1.   Jede Gesellschaft, auch jede tierische Gesellschaft, hat ihre Ordnung. Ein völliges Durcheinander gerade auch im Sexuellen gibt es so schnell nirgendwo, wenigstens nicht bei Säugetieren (zu denen ja auch der Mensch gehört), nicht bei Vögeln, und manchmal auch noch nicht einmal bei Insekten, denken wir an die Bienen, wo genau geregelt ist, wer was macht… Und wenn uns Wissenschaftler solche angebliche Promiskuität bei Naturvölkern (etwas bei den Trobriandern) einreden wollen, dann haben sie erfahrungsgemäß nur nicht genau hingeguckt!

2.   Die Sexualität ist auch immer mit der Möglichkeit verbunden, dass sich Nachwuchs einstellt. Gerade bei Menschen ist eine nun eine intensive Brutpflege nötig mit der entsprechenden Versorgung. Und das weist nun immer auch auf die Notwendigkeit einer wirklichen Partnerschaft hin, also auf die Bildung von Familien. Wirkliche Promiskuität dürfte es nur in Gesellschaften mit ständigem Nahrungsüberschuß geben, wo es kein Problem ist, jemanden zu versorgen. Doch nach allem was wir wissen, gibt es wirklichen Nahrungsüberschuß nur in hochzivilisierten Gesellschaften, wie etwa in der unsrigen. Siehe auch Hedonismus.

3.   Das bei Menschen (und auch bei den Weibchen!) ausgeprägte größere Gehirn dürfte nun durchaus auch dafür benutzt werden, dass sich die Menschen nicht wahllos den ersten besten nehmen, sondern sich genauer informieren, wer nun wirklich für eine funktionierende Partnerschaft infrage kommt.

4.   Es gibt immer auch Geschlechtskrankheiten, die sich gerade bei Promiskuität sehr gut verbreiten und auf die Bevölkerungsentwicklung nun wirklich hemmen wenn nicht gar verhindern. Promiskuitive Gesellschaften würden sich also immer wieder selbst ausrotten. Nach den Spielregeln von Mutation und Selektion bleiben also die nichtpromiskuitiven Individuen und Gesellschaften der Spezies Mensch übrig.

5.   Wir dürfen nicht immer von unseren Gegebenheiten der Tabus und Verweigerung von Information für junge Leute im Hinblick auf Menschenkenntnis auf frühere Zeiten schließen. Daß man etwa jungen Menschen jegliche Information über ein Verhalten, wie es das Gespräch 2 zwischen Alexander und Felix über das Knacken von Jungfrauen geradezu hartnäckig verweigert und eben nicht an die betroffenen Mädchen weitergibt (und entsprechend auch umgekehrt) und noch nicht einmal in eine entsprechende Pädagogik einfließen läßt und ihnen stattdessen eine Erlösung in einem Leben nach dem Tod verspricht, muß nicht immer so gewesen sein, das alles dürften Entwicklungen sein, die erst mit der Dekadenz zusammenhängen.

6.   Wenn es die bei manchen (patriarchalisch strukturierten) Völkern übliche Beschneidung der Frauen erst seit etwa 5000 Jahren gibt, so heißt das längst nicht, daß dort alle Zeiten davor immer nur Promiskuität herrschte. Eher wahrscheinlich ist, daß diese Völker infolge einer patriarchalischen Umwandlung die alten Methoden der Moral (also die Urmoral) vergessen haben und jetzt panikartige Verfahren praktizieren.

7.   Wenn wir bedenken, wie wichtig so etwas wie das Jungernhäutchen.heute für junge Leute (und auch andere!) ist, wie sie das alles bewegt, wenn sie erst einmal davon wissen, dann können wir zumindest erahnen, daß alles einmal ganz anders gewesen sein kann. Jedenfalls  dürfte so etwas wie dieses Häutchen auch schon frühen Menschen aufgefallen sein. Und es ist nicht einzusehen, dass damals darüber nicht geredet wurde und das also auch von früher Pädagogik nicht in das Lebenskonzept junger Menschen eingebaut wurde – ebenfalls anders als heute in unserer Dekadenz, in der das alles als belanglos und nutzlos und daher überflüssig abgetan wird.

8.   Auch im Hinblick auf die Nacktheit müssen wir bedenken, daß wir alles immer aus unserer heutigen Sicht sehen und es uns sehr schwer fällt, einen anderen Blickwinkel zu bekommen. Wir müssen immer bedenken, daß Nacktheit bei der Menschwerdung des Menschen nun einmal üblich war. Die Erfindung der Kleidung ist noch gar nicht so alt - nach einem kurzen Beitrag in der WELT vom 19. August 2003 http://www.welt.de/data/2003/08/19/155616.html so um zwischen 130.000 - 30.000 Jahre (es geht um die Entschlüsselung der Gene des Kleiderflohs)! Wir dürfen also auch hier von unseren heutigen Einstellungen bei uns "nie und nimmer" auf die von Menschen früherer Zeiten schließen und gerade nicht auf die im Tier-Mensch-Übergangsfeld. Und unter dieser Bedingung gelten nun einmal völlig andere moralische Spielregeln, weil es etwa die mit der (Sexual-)Scham nun einmal weitestgehend als normal akzeptierte Notgeilheit gar nicht oder zumindest weniger ausgeprägt gibt.

Es sieht also so aus, dass unser heutiger und auch früherer Sittenverfall (im Sexuellen) immer nur eine späte Erscheinung in der Entwicklung der Menschheit ist, der durchaus mit Zivilisation und Kultur zusammenhängt – siehe auch die Startseite www.basistheologie.de dieser Website.

Ob es nun überhaupt Möglichkeiten gibt, etwas über die "Ur-Moral" herauszubekommen? Ich meine, es ginge!

Doch es gibt die üblichen Schwierigkeiten. Als Wege bieten sich an:

1.   Wenn sich Kinder spontan äußern können (siehe etwas den Reisebericht "Mit Frankfurter Kindern im Bayrischen Wald und in Österreich" oder auch die Hinweise auf die Reaktionen der Kinder im Stichwort Kindererziehung) dürfte am ehesten eine Urmoral zum Vorschein kommen, die menschengemäß ist, siehe unter Beweise.

2.   Ideen der "experimentellen Archäologie", die heute durchaus akzeptiert sind, sollten auch einmal auf unsere Problem mit der Urmoral übertragen werden. Wie etwa wirkt sich die Nacktheit, die ja bei der Entstehung des Menschen üblich war, auf moralisches Verhalten aus? Wir haben seit hundert Jahren FKK, doch zumeist wird immer noch Nacktheit mit Promiskuität gleichgesetzt (was völliger Unsinn ist) und wissenschaftlich wird dieses Thema so gut wie nicht angegangen. Und wenn wir wirklich bei heutigen "nackten" Naturvölkern forschen, dann müßten wir uns zumindest genauso verhalten wie sie, also auch nackt sein und in ihrer Ethik und mit ihren Perspektiven leben, ansonsten wird alles verzerrt, weil wir bei ihnen immer Außenseiter sein und nur das erfahren werden, was sie wollen. Sie werden uns also vermutlich von vornherein etwas völlig anderes erzählen als was sie selbst denken und tun. Wir bekommen also nichts oder nur sehr Unzuverlässiges heraus - und selbst wenn sie uns ihre Wirklichkeit erzähle würden, würden wir sie nicht verstehen. Ich habe nie von solcher Forschung gehört - und ich meine, diese würde nun wirklich bekannt werden und man würde darüber auch schreiben und reden.

3.   Und wenn dann noch eine geeignete Information für junge Leute hinzu kommt, dann ist fraglich, ob es etwa bei ihnen immer noch die „Grauzone“ (was also alles passiert zwischen den jungen Leuten und was sie weitgehend vor allem gegenüber Erwachsenen verheimlichen) überhaupt noch gibt, ob nicht alles so mit Ehre und selbstverständlicher Tugend abläuft, daß sie gar nichts mehr verheimlichen müssen.

Nicht zuletzt scheint es auch nach den Vorstellungen der Verfasser der Bibel – wenn sie von einem Paradies reden – eine Urmoral gegeben zu haben, die einfach nur durch eine patriarchalische Religion oder auch Kultur (siehe negatives Patriarchat) zunichte gemacht wurde.

In diesem Zusammenhang ist vielleicht ein Hinweis angebracht, wie ich vorgehe, wenn ich "Insiderwissen" über eine andere Kultur erfahren oder wenigstens eine richtige Ahnung bekommen will: Ich habe ja eine vietnamesische Adoptivtochter, also einen Menschen aus einem völlig anderen Kulturkreis. Und ich "erziehe" sie nach dem Konzept basisreligion hier, weil ich dies als gute Chance erkenne, daß sie die Moral ihrer eigenen Kultur mit unserer verbinden kann. Dabei muß man sich natürlich auch zwangsläufig damit auseinandersetzen, was in den verschiedenen Kulturen wirklich Moral und was nur Leibfeindlichkeit und  Verklemmtheit ist und das eine vom anderen trennen und auch danach leben. Und weil ich hier vor allem ihre Bezugsperson bin, wird sie ihre Kultur mit unserer und mit dem, was ich mache, auch in Gesprächen mit mir vergleichen - also erfahre ich Insiderwissen. Doch wer macht das schon auch so!

Siehe auch Natürlichkeit.

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)