MUTATION UND SELEKTION nennen wir die Wechselwirkung zwischen spontan und richtungslos auftretenden Änderungen des Erbguts einer Art und der natürlichen Aussortierung der für das Weiterleben der Art untauglichen Ergebnisse dieser Änderungen. Wir müssen uns dabei das Erbgut wie einen im Grunde unveränderlichen Prägestempel vorstellen. Im Rahmen der mit der geschlechtlichen Fortpflanzung möglichen Neukombinationen der Elterngeneration werden immer wieder Abdrücke bei der Kindergeneration erzeugt, die dann ihrerseits zu neuen Prägestempeln für die nächste Generation werden. Nur in ganz seltenen Fällen kommt es dabei durch so genannte "Mutationen" zu wirklich andersartigen Abdrücken, die dann zu veränderten Nachkommen führen. Und diese verschwinden in den allermeisten Fällen ganz von selbst wieder oder haben zumindest selbst keine eigenen Nachkommen, weil es sich dabei keinesfalls um Verbesserungen im Sinn der Natur im Hinblick auf den Lebenskampf handelt sondern eher um Verschlechterungen, die in der Praxis des Lebens nicht bestehen können. Dieses Verschwinden etwa durch ungenügende Fähigkeit zur Verteidigung gegen Fressfeinde oder durch Krankheitsanfälligkeit oder durch ungünstige und nicht mehr funktionierende natürliche Mechanismen wird "Selektion" (= gezielte Ausmerzung durch Auslese) genannt. Eine Weiterentwicklung untauglicher Abdrücke wird so zumindest auf die Dauer automatisch unterbunden und eine Verbesserung der Art gefördert. Das Ergebnis ist, dass inzwischen in unserer Tierwelt jede Eigenschaft, jede Besonderheit oder Normalität, ja jeder Farbfleck, jede etwas merkwürdige Haltung, jede Bewegung eines Tieres ihre besondere Bedeutung haben. Jeder Streifen eines Zebras und jeder Farbfleck eines Schmetterlings haben ihre Bedeutung. Und auch jede Verhaltensweise hat ihren Sinn und verbessert in irgendeiner Hinsicht die Überlebenschance der betreffenden Tierart. Entsprechend gilt das dann auch für die Pflanzenwelt. Das wohl bekannteste Beispiel für dieses Wechselspiel von Mutation und Selektion ist das des Birkenspanners, einer Schmetterlingsart, im englischen Industriegebiet. Ursprünglich waren diese Birkenspanner weißlich, weil sie damit auf den weißen Birkenstämmen die beste Tarnfarbe hatten. Alle Mutanten (also die von der Normalität abweichenden Birkenspanner) waren besonders auffällig und konnten leicht von Vögeln entdeckt und gefressen werden. Es gab folglich kaum nicht-weiße Birkenspanner. Wegen der Verschmutzung durch die Industrialisierung war dann irgendwann einmal die schwarze oder graue Farbe die bessere Tarnfarbe - und es überlebten die dunkleren bis schwarzen Mutanten, die sich dann auch fortpflanzten. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts stieg so der Prozentsatz der schwarzen Birkenspanner von 1 % auf 99 %. Weniger Kohleverwendung und bessere Filter haben in den letzten vierzig Jahren die Umwelt nun wieder sauberer werden lassen und es gab wieder weiße Flächen - und so kehrten die Birkenspanner wieder zu ihrer ursprünglichen Farbe zurück. Vergleichbar mit dieser Auswahl infolge von Mutation und Selektion ist die Zuchtauswahl, die mit der ganz normalen geschlechtlichen Fortpflanzung gegeben ist: Die Natur lässt die Lebewesen eine überreichliche Anzahl von Nachkommen produzieren, von der von vornherein nur ein kleiner Teil bis zur eigenen Fortpflanzungsfähigkeit überlebt. Und dazu werden dann aller Wahrscheinlichkeit am ehesten diejenigen Exemplare gehören, die mehr oder weniger zufällig die besten Chancen dafür haben, weil sie die gesündesten, die stärksten oder auch die raffiniertesten im Lebenskampf oder alles zusammen sind. Auch die Female Choice, also die Auswahl der Männchen durch die Weibchen, spielt hierbei eine nicht unerhebliche Rolle. Trotz aller modernen Erkenntnisse und Techniken befinden wir Menschen uns wie alle Lebewesen nun auch im Wechselspiel von der Erzeugung durch die Gesetze der Vererbung und natürlicher Auslese. Das klingt zwar ziemlich brutal, und in gewisser Weise versuchen wir Menschen dem auch etwa durch vielfältigste medizinische Entdeckungen und Entwicklungen entgegenzuwirken, doch wir müssen uns immer mehr eingestehen, dass sich die Natur letztlich wohl nicht überlisten lässt. Unvernünftiges Verhalten gegen die Natur wird früher oder später dann zu einer um so größeren Katastrophe führen. Diese Problematik trifft durchaus auch auf unser moralisches Verhalten zu. Höchstwahrscheinlich sind wir Menschen da beispielsweise von der Natur zur Einehe (Monogamie) veranlagt, weil im Laufe der Entwicklung der Menschheit denjenigen Menschen, die sich daran hielten, besonders vorteilhaft die Aufzucht von Nachkommen gelang. Und letztlich könnten sich auch die Menschen, die nicht nach den Gesetzen der Einehe lebten, etwa durch sporadisch auftretende Geschlechtskrankheiten immer wieder von selbst ausgerottet haben. Übrig geblieben und zur Fortpflanzung gekommen wären dann jeweils vor allem diejenigen Menschen, die durch eine besondere Fähigkeit zum Nachdenken und einem gesunden höheren Egoismus den Drang zur Einehe hatten und auch die Möglichkeit, danach zu leben. So erscheint es durchaus möglich, dass sich auch heute noch alle diejenigen Menschen, die sich nicht im Sinn unserer menschlichen Veranlagung zur Einehe verhalten, wieder etwa durch die Ansteckung und Verbreitung gefährlicher spezieller Krankheiten, wie der Immunschwächekrankheit AIDS, oder durch nicht gelingende partnerschaftliche Verhältnisse, die zur Aufzucht von Nachkommen in einer lebensfeindlichen Umwelt notwendig sind, irgendwann sozusagen von selbst im uralten Spiel von Mutation und Selektion ausrotten. Wie etwa die Mutation und Selektion bei uns Menschen funktioniert, können Sie in dem Bericht in der WELT vom 2. Januar 2005 nachlesen: "Menschen - die ewigen Säuglinge": Genetischer Zufall erlaubt, dass wir ein Leben lang Milch vertragen. Vollständige Url. des Artikels: http://www.wams.de/data/2005/01/02/382365.html. Anmerkung: Doch es scheint so zu sein, dass nicht nur die Stärksten oder die am besten Angepassten überleben. Wenn wir manche herrlichen Sachen in der lebendigen Natur beobachten, dann können wir beim besten Willen keinen Sinn für diese Herrlichkeit erkennen. Es drängt sich dann eine Abwandlung des Prinzips der Evolution auf: "Was nicht stört, das darf überleben." (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) |