EGOISMUS-EGOZENTRIK. EGOISMUS bezeichnet einerseits die eher niedere Selbstsucht und die Eigenliebe, andererseits aber durchaus auch die höhere Einsicht, daß alles Menschliche, auch das sittliche Handeln, in der Eigenliebe oder dem Eigeninteresse des Menschen gründet. Seien wir doch einmal ehrlich gegen uns selbst: Tun wir nicht zumindest alles das, was in unserem Leben von größerer Bedeutung ist, irgendwie aus Eigenliebe oder aus Eigeninteresse heraus, also aus Egoismus - und ist das denn alles so falsch? Selbst unser moralisches Handeln ist schließlich davon nicht ausgenommen, können wir uns etwa aus einer bewußt gelebten Phase der Ästhetik und der damit verbundenen Enthaltsamkeit nicht nur prickelnden Nervenkitzel (= momentan berauschende Hormonausschüttungen) versprechen, sondern auch höheres, intensiveres Glück auf Dauer? Geschieht das Streben nach einer gelungenen Einheit von Leib und Seele mit einem anderen Menschen mit den Grenzerfahrungen, die wir nun auch einmal dabei erwarten, nicht auch aus Egoismus? Und es ist ja auch nichts Verwerfliches dabei, solange nicht andere darunter leiden, wir uns dabei an den Zehn Geboten als Spielregeln des Paradieses orientieren und die anderen so auch noch ihren Vorteil haben! Gegen wirklichen Egoismus läßt sich daher überhaupt nichts einwenden. Und so stufen auch die Psychologen das Gewissen eines Menschen, der sich von einem gesunden Egoismus leiten läßt, als ichgesteuert und als seelisch gesund ein. Verwerflich dagegen ist die Egozentrik, also die kurzsichtige Einstellung und das sich daraus ergebende Verhalten, das nur das eigene Ich zum Mittelpunkt macht. Ein egozentrischer Mensch denkt etwa wie folgt: "Ich selbst bin der wichtigste, meine Probleme und mein Glück, meine Befriedigungen und meine Wünsche, meine Bequemlichkeit und mein Wohlergehen sind der Mittelpunkt der Welt, das sollten schließlich auch alle anderen Menschen begreifen. Und daher müssen sie sich gefälligst auch um mich kümmern, ja ich dulde sie im Grunde nur, soweit ich sie für meine Vorteile brauchen kann. Die Probleme und das Glück anderer Menschen, und natürlich auch deren Bequemlichkeit und Wohlergehen sind mir völlig gleichgültig, ja ich will gar nicht mehr erkennen, daß die anderen mit mir auf Dauer nur glücklich sind, wenn sie auch ihren Egoismus leben können." Im Volksmund wird ein egozentrisches Mädchen ironisch als Prinzessin bezeichnet, die sich für so bedeutend hält, daß in ihrem unverbindlichen Umgang mit den Mitmenschen sogar eine gewisse Verachtung zu erkennen ist: So hat sie es nicht nötig, sich an Vereinbarungen zu halten, sie beansprucht die Gefälligkeit anderer ohne wirkliche Notwendigkeit, sie glaubt, daß alle nur für sie da sind. Mit echtem Egoismus hat das nichts zu tun, denn eine Prinzessin müßte einsehen, daß sie mit solchen Allüren auf die Dauer alle wirklichen Freunde verprellt und andere weniger feinfühlige Ersatzfreunde ihr schließlich beibringen werden, wer sie wirklich ist und sie dann gründlich reinfallen lassen. Sehr treffend werden egozentrische Menschen in dem Film "Rosemaries Baby" dargestellt. Rosemary und ihr Ehemann Guy sind jeweils derart mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und ordnen alle anderen Menschen diesen ihren Problemen unter, daß ganz zwangsläufig eines Tages ein Teufelskind sozusagen leibhaftig in der Wiege liegt. Der Regisseur des Films, Roman Polanski, hat die menschliche Tragik mit einer Gruselgeschichte überlagert und gleichzeitig parodiert. Unser eventuelles Mitleid mit der Hauptfigur dieses Films Rosemary beweist nur, wie wenig uns ihre egozentrische Verhaltensweise auffällt - vielleicht, weil wir selbst ihr so ähnlich sind? Die hier dargelegte Unterscheidung von Egoismus und Egozentrik macht auch Jesus im Lukasevangelium (10, 27), wenn er als Maßstab für die Nächstenliebe eine recht verstandene Eigenliebe, also den Egoismus, sieht: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst"! Die wichtigste Motivation für einen gesunden Egoismus ist ein gutes Realitätsbewußtsein: Je mehr und bessere Informationen ein Mensch (auch und gerade ein junger) hat, welche Risiken und Chancen es im Leben gibt, desto mehr wird auch sein Egoismus zunehmen, sich richtig zu verhalten. Und davon werden dann auch die andern profitieren! Wenn also Egoismus, dann aber richtig! (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) |