MAUERN IN DEN KÖPFEN (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Mit MAUERN IN DEN KÖPFEN bezeichnen wir innere Sperren in einzelnen Menschen oder in ganzen Gesellschaften vor allem bei der Kommunikation, wenn es um Ungewohntes geht, das zunächst einmal unangenehm erscheint, selbst wenn es bei näherem Hinsehen noch so vernünftig ist. Das inzwischen schon fast geflügelte Wort entstand, nachdem im Jahr 1989 die Mauer in Berlin gefallen war und es sich immer mehr herausstellte, daß damit längst nicht wieder alles in Ordnung war, daß eben noch Mauern in den Köpfen fortbestanden. Übertragen wurde dieses Phänomen nun auch auf andere Bereiche des menschlichen Zusammenlebens. Von einem Menschen mit einer Mauer im Kopf sagen wir etwa umgangssprachlich, daß er gar nicht weiß, worum es geht, daß er daneben steht, obwohl etwas eigentlich gar nicht so schwierig zu begreifen wäre.

Zu den tiefsten Ursachen von Mauern in den Köpfen gehört vermutlich die Angst vor der Einsicht in Lebensirrtümer, in ein verpasstes Leben, in einen falsch gelaufenen Sinn des Lebens, man kann sich gar nicht eingestehen, dass man gerade da etwas falsch gemacht hat, wo es am wichtigsten gewesen wäre, nichts falsch zu machen.

Und dann gibt es noch die ausgesprochenen Leichen im Keller, eigene eher schuldhafte Erlebnisse, die man am liebsten gar nicht mehr wahr haben will und die Ängste und insbesondere Sexualängste und typische Hartherzigkeit verursachen (siehe auch Verdrängungen).

Selbst bei Kindern bauen sich schließlich solche Mauern auf, die mit Sicherheit keine eigene Schuld daran haben, ihr Schicksal war eben, daß sie entweder die Mauern in den Köpfen ihrer Eltern übernommen haben oder Opfer der Schlechtigkeit anderer sind (siehe Mitschnacker). Doch Kinder können auch aus anderen Gründen "mauern", wenn sie etwa spüren, daß da eine Unstimmigkeit ist zwischen dem, wonach sie sich sehnen oder was sie zumindest gern machen würden und was die Erwachsenen, die ihnen nicht gleichgültig sind, zumindest nach außen hin nicht akzeptieren. Soweit es dabei um Sexuelles geht, ist das Problem, daß sie dann nicht zwischen Harmlosem und sogar Positivem und wirklich Schädlichem unterscheiden können.

Wurde da nicht etwa immer die Nacktheit verpönt und als etwas Ungeheuerliches dargestellt, haben sie nicht auch schon selbst schlechte Erfahrungen damit gemacht, daß sich andere etwa dabei über sie lustig machten oder zumindest merkwürdig benahmen? So gehören für sie etwa vernünftige Gespräche und selbst unschuldigste Nacktheit einerseits und moralisch tatsächlich Bedenkliches andererseits, das sie vielleicht irgendwo beobachtet haben, in einen Sack, alles ist lästig, gegen alles gibt es dann eine Mauer im Kopf.

Das Tückische bei derartigen Mauern in den Köpfen ist, daß sie für eine sinnvolle Lebensgestaltung nicht nur überhaupt nichts nützen, sondern sogar noch höchst nachteilig und sogar verderblich sind.

Denn sie bilden sozusagen eine Art negativen Filter: Im Hinblick auf Überrumpelungen lassen sie gerade die Argumenten vom Intellektuellen her nicht durch - und seien sie noch so vernünftig - , nicht jedoch die Attacken von Gefühl her - und seien sie im Endeffekt noch so nachteilig und sogar zerstörerisch. Argumente, die positiv für unser Lebenskonzept sein könnten, prallen wegen der Mauern in unseren Köpfen an uns ab, weil sie auf unser Denken angewiesen sind, gegen das Reinfallen haben wir nichts entgegenzusetzen, weil dies vom Gefühl her kommt. Die Vernunft ist eben für die meisten Menschen nicht der stärkste Trieb und schon gar nicht für die gesunden! Begünstigt werden die Mauern in den Köpfen von fehlender geistiger Beweglichkeit von Jugend an und von der jeweiligen zeitbedingten Atmosphäre bzw. vom jeweiligen Meinungsklima. Ausgelöst werden sie im Allgemeinen schon durch Reizworte.

Doch wer hat schon ein Interesse daran, daß sich da etwas ändert, wenn nicht wir selbst? Denken wir immer daran, daß sich keine Gesellschaft Nachkommen erziehen möchte, die ihr System hinterfragen, also wird versucht, Mauern in den Köpfen zu errichten, also ist Gehirnwäsche angesagt!

Wie betonhart solche Mauern in den Köpfen sehr oft sind, können wir an dem Brauch der Beschneidung der Frauen etwa in Ägypten seit fünftausend Jahren ermessen, einem Brauch, der der leibseelischen Erfüllung der Menschen hier und jetzt zutiefst widerspricht. Es ist doch eigentlich bemerkenswert, daß in diesem Land inzwischen Religionen kamen und gingen, erst der pharaonische Götterglaube, dann das Christentum, dann der Islam, doch daß diese Beschneidung davon nicht beeinflußt wurde, an ihr konnten oder wollten offensichtlich auch die Religionen nichts ändern. Waren also alle Religionen letztlich doch nur eine Tünche, unter denen die alte Einstellung eines menschenverachtenden Patriarchats die bestimmende Kraft blieb? Besonders peinlich ist dieses Versagen für unser Christentum, war denn nicht Sinn der Botschaft Jesu ausdrücklich, dem Menschen über die Vernunft (siehe heiliger Geist) Wege zur Einheit von Leib und Seele zu öffnen und steht diese Beschneidung denen nicht radikal entgegen? Doch die Mauern des Mißtrauens zwischen den Geschlechtern und Generationen und damit auch des Geschlechterkampfes waren einfach zu hart.

Auf Mauern in den Köpfen ist gewiß die Tragik vieler Menschen zurückzuführen, die trotz bester Absicht genau das Falsche machen und schließlich als sozusagen nützliche Idioten sogar direkt Diener des Bösen werden oder bleiben.

So können auch wir heute nur um Gnade beten (siehe Gebet), daß sich Mauern in unseren Köpfen trotz allem guten Willen nicht doch noch in irgendeiner Weise unmenschlich auswirken und daß sie unseren Zugang zu wirklichem christlichen Glauben versperren, ganz verhindern werden wir sie ohnehin nicht können.

Je früher Menschen nun mit Gedankengängen konfrontiert werden, die die Gehirnwäsche hinterfragen und sogar entlarven, die die Mauern erzeugt (siehe auch Kairos), desto leichter können sie diese begreifen und sie überwinden. Im Alter von etwa 27 Jahren werden unsere Denkstrukturen erfahrungsgemäß schließlich so starr (nach Rupert Lay S.J.), daß wir auf völlig neue Gedankengänge gar nicht mehr kommen können, wir können nur noch dort weiter arbeiten, was in unserem Denken bis dahin grundgelegt ist. Ein Problem ist, wie man mit Menschen fertig wird, die ganz offensichtlich von Mauern in den Köpfen "beherrscht" sind. Ernsthafte und engagierte Diskussionen oder gar Meinungsänderungen und Verhaltensänderungen werden da unmöglich sein, denn solche Menschen werden immer wieder neue Rationalisierungen für ihre Auffassungen finden. Bei Diskussionen mit ihnen sollten daher keine privaten oder gar intimen Erfahrungen als Argument angeführt werden, denn Menschen, die solche Erfahrungen nicht oder die sie bereits verdrängt haben, werden sie ohnehin nicht verstehen (wollen) und irgendwann als Argument gegen uns verwenden. Auch mit schlagfertigen ironischen und humorvollen Geistesblitzen wird man nichts erreichen. Wahrscheinlich hilft nur eins: An solchen Leuten vorbei unmittelbar diejenigen Menschen direkt ansprechen, die die eigentlichen Betroffenen sind! Das wäre im Fall der kleinen ägyptischen Mädchen allerdings nicht ganz einfach, weil deren Verstümmelung ja schon sehr früh geschieht und weil die zuständigen Erwachsenen argwöhnisch darüber wachen, daß niemand ihr menschenverachtendes Konzept durcheinander bringt (weil sie ja meinen, daß es gut sei!). Wir müssen dann ganz einfach in unserem eigenen Leben und dort, wo wir Einfluß haben, ein gutes Konzept vorstellen und es verwirklichen und darauf vertrauen, daß sich bei einem guten Konzept immer auch einmal Menschen finden werden, die froh über einen Andersdenkenden sind, ihn dabei ermuntern und ihn zumindest durch Gewährenlassen unterstützen. Vielleicht hatten sie selbst schon einmal gezweifelt, doch ihnen fehlte bisher der Mut oder sie hatten nicht die Möglichkeit, sich selbst anders zu verhalten. Erforderlich sind Geduld, Phantasie und natürlich auch Gnade. Siehe auch heilige Kühe. (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)