MISSTRAUEN (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Das MISSTRAUEN unter den Menschen gehört zu den typischen Ängsten, die keinesfalls Kennzeichen nur unserer Zeit sind. Es lähmt das Vertrauen unter uns Menschen, und nicht nur einzelner, sondern zwischen ganzen Völkern, ohne letztlich das wirklich Böse verhindern zu können. Mißtrauen hat seine Ursache gewiß nur teilweise in der Anonymität unserer heutigen Industrie- oder Computergesellschaft, sondern vielmehr in gestörten personalen Beziehungen von vielen einzelnen Menschen, wie sie seit Menschengedenken immer eine große Rolle gespielt haben und immer noch spielen.

Wie kommt es nun im Leben eines Menschen zum Mißtrauen?

Erziehungsbedingt ist unser Verhältnis zu anderen Menschen im allgemeinen entweder von Naivität oder von ausgesprochenen irrationalen Ängsten geprägt: Entweder sind wir völlig arglos anderen Menschen gegenüber oder wir wittern gleich überall irgendwelche Gefährdungen oder Hinterhältigkeiten, selbst dort, wo wirklich kein Grund besteht oder wo es im Grunde eher belanglos ist. Naivität und Arglosigkeit lassen uns nun in unserem eigenen Leben zunächst einmal leichtfertig werden, und die Folge unserer Leichtfertigkeit ist zwangsläufig, daß wir die wirklichen Fallstricke des Lebens nicht erkennen und daß wir früher oder später unsere bitteren Erfahrungen machen müssen, wie wir auch das Reinfallen nennen können. Wir sind sozusagen darauf vorprogrammiert, es fehlt nur noch die passende Gelegenheit, der wir jedoch schließlich kaum ausweichen können.

Werden uns statt Naivität und Arglosigkeit jedoch von vornherein Ängste anerzogen, so befinden wir uns damit von Anfang an in einer Atmosphäre des Mißtrauens. Doch das hilft uns jedoch in einer entscheidenden Situation wie in einer typischen Verliebtheit auch nichts, und so landen wir schließlich bei denselben Erfahrungen, zu denen uns auch die Erziehung zu Naivität und Arglosigkeit hingeführt hätte.

Beide Methoden der Erziehung sind für uns im Endeffekt ohne Nutzen, beide Methoden laufen letztlich auf dieselbe Katastrophe hinaus: Eigene Leichen im Keller und damit durch eigene Erfahrung erlebte oder wenigstens bestätigte Notwendigkeit zu Mißtrauen!  In der Weitergabe in direkter oder indirekter Erziehung hat dies schließlich für die Menschenkenntnis nachfolgender Menschen ganz allgemein eine fatale Folge: Es ist von ihr vor allem das Lieblingsobjekt erzieherischer Warnungen betroffen, nämlich zunächst einmal eher vage umschriebene Phantome, die sich dann als unbekannte, fremde Männer konkretisieren lassen. In der kindlichen Vereinfachung werden damit dann vor allem diejenigen Männer als sogenannte "böse, schwarze Männer" verdächtigt, die außerhalb dessen stehen, was üblicherweise als normal gilt, am ehesten können Kinder sich noch etwas unter Spannern und Exhibitionisten vorstellen.

Unsere Fixierung auf angeblich typisch böse Männer verunsichert nur und erzeugt nur Mißtrauen. 

Doch ob die Fixierung auf solche Menschen für die Kinder irgendeinen moralischen Nährwert hat, ist mehr als fraglich, schließlich wird ja noch nicht einmal erklärt, was Mitschnacker und Triebverbrecher nun eigentlich sind und wollen. Das Problem ist, daß eben kaum Näheres und Hilfreiches gesagt wird, woran Kinder nun wirklich die Bösen erkennen und von den Guten unterscheiden können. Damit werden dann schließlich stets Gute oder zumindest Harmlose und Böse in einen Topf geworfen und die Kinder bekommen in keinem Fall die Wirklichkeit mit, denn es können ja grundsätzlich alle "schlecht" sein. Und das ist nun weder wahr noch für ihre Lebensbewältigung hilfreich, denn irgendwie müssen sie ja später doch nun einmal zu eigenen Entscheidungen kommen, wem gegenüber Mißtrauen angebracht ist und wem nicht, und nicht zuletzt im Zusammenhang mit ihrer späteren eigenen Partnerwahl.

Kennzeichen einer brauchbaren Erziehung wäre dagegen zum Beispiel, daß wir jemandem, der tatsächlich gut ist, auch die Chance geben, daß er vom Verstand her als Guter erkannt werden kann, doch gerade das geschieht ja sehr selten.

Und weil nun bei allen unseren Ängsten auch noch die Sexualität mit im Spiel ist, ohne daß auch hier Genaueres oder wenigstens einigermaßen Hilfreiches gesagt wird, so entsteht nun in unserem Realitätsbewußtsein genau die Vorstellung, nach der gerade die Kombination Fremdheit (im Sinn von Unangenehmheit) und Sexualität lebenslang als verdächtig empfunden wird und schließlich als Kennzeichen des Bösen schlechthin gilt. Dieser Eindruck wird schließlich auch noch durch eine falsche oder fehlende Interpretation der Märchen und unserer christlichen Religion verstärkt.

Wenn uns unsere Angst vor "schwarzen Männern" in unserer Kindheit nun vielleicht noch ein wenig hilft, so nutzt uns doch diese Prägung wohl kaum in unserem späteren Leben.

Einerseits entsteht so nämlich oft ungerechtfertigtes Mißtrauen gegen alles Fremde oder besser Fremdartige, genauso wie auch bei den Fremden, die ja ein ähnliches Erziehungsverfahren hinter sich haben, wahrscheinlich Mißtrauen gegen uns entsteht.

Sowohl der Hexenwahn als auch der Haß auf die Juden im Nationalsozialismus lassen sich zumindest teilweise so erklären. Andererseits beschert uns das Mißtrauens auch derartig unüberwindliche Mauern in unseren Köpfen, die auf Dauer alle nun wirklich notwendigen wirklich neuen (alternativen) Gedankengänge abwehren, nicht etwa weil sie unbedingt nachteilig für uns sein könnten, sondern einfach, weil sie fremd sind.

Typische Folge solcher Verdrängung ist im Bereich der Sexualität das Beharren auf der (Sexual-)Scham, und da vor allem auf der des kulturbedingten Selbstverhüllungszwangs. Wie wenig hilfreich solche Erziehung ist, müßten wir ja spätestens erkennen, wenn unsere erste Liebesbeziehung in die Brüche geht, doch an genauerem Nachdenken hindern uns da auch wieder unsere anerzogenen Tabus.

Das Vertrackte am Mißtrauen ist, daß es jemandem ohne rechte Menschenkenntnis gar nichts hilft, weil dadurch nur genau die falschen Typen ausgesiebt werden:

Wir weisen diejenigen Menschen ab, denen wir eigentlich vertrauen könnten, und fallen auf die Typen herein, die es gar nicht verdienen. Denn wir haben ja nie wirklich gelernt, wie wir Menschen tatsächlich einordnen können.

Eine Änderung ist nur möglich, wenn Erzieher sich selbst hinterfragen in ihren Maßstäben der Menschenkenntnis und nur das weitergeben, was wirklich Bestand hat. Zudem dürfen sie sich selbst nicht noch Steine in den Weg legen, indem sie Dinge erzählen, die ihre eigene Glaubwürdigkeit unmittelbar oder später erschüttern. Es bestehen gute Aussichten, daß die jungen Menschen dann in den Zehn Geboten genau die entscheidenden Maßstäbe zur Beurteilung ihrer Mitmenschen erkennen und in sich verinnerlichen, welche Handlungen unbedingt zu vermeiden sind, weil sie schließlich zu nachhaltigem Mißtrauen gegenüber anderen Menschen führen. Verlorenes Vertrauen ist sehr schwer wieder zu gewinnen, es ist viel einfacher, es durch überlegtes Handeln gar nicht erst dazu kommen zu lassen. (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)