PHANTOME (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

PHANTOM. Phantome nennen wir einerseits die überspannten und unsinnigen Träumereien und Phantasiegebilde, die sich Menschen oder Gemeinschaften von Menschen vor allem als unwirkliche Lebensziele setzen und denen sie nur zu oft fanatisch hinterherlaufen oder sogar hinterher jagen (siehe Illusion). Andererseits versuchen wir mit diesen Begriff diejenigen nicht konkret faßbaren geheimnisvollen und eher bedrohlichen Kräfte und Mächte unserer Vorstellung zu umschreiben, die uns von Kindheit an bewußt oder unbewußt beigebracht werden und die allein durch die Ängste und Zwänge (und da vor allem Sexualängste), die sie in uns auslösen, unser Leben erheblich wenn nicht sogar entscheidend negativ beeinflussen. Das Grundmuster solcher Phantome ist der berühmte "Schwarze Mann", mit dem früher einmal Kinder eingeschüchtert wurden, wenn sie unartig waren, doch Phantome gab und gibt es längst nicht nur im Zusammenhang mit Kindern! Mao Tse Tung prägte dafür den Ausdruck "Papiertiger".

Der Glaube an Phantome wird nicht nur von unseren bekannten Religionen, sondern auch von allen Kulturen eifrigst am Leben erhalten, ist er doch wohl die wesentliche irrationale Stütze einer jeglichen etablierten Gesellschaft (siehe Establishment und Patriarchat).

Gleichzeitig wird oder zumindest wurde durch Tabus stets zu verhindern versucht, daß die scheinbar allgemein akzeptierten Phantome hinterfragt oder gar auf ihre Wirksamkeit hin auf die Probe gestellt werden. Und wer es in einer Gesellschaft trotzdem wagt, sich mit ihnen in Wort und Tat auseinanderzusetzen und sie schließlich anzuzweifeln, der gilt im mildesten Fall als nicht mehr normal und schon gar nicht als seriöser Gesprächspartner, er hat schlicht und einfach verspielt.

Die wichtigsten Phantome in der Vergangenheit und in der Gegenwart sind vermutlich zunächst einmal einige angebliche Geistwesen wie:

  1. ein Gott, der alles erschaffen hat, der auch heute noch alles lenkt, der Gebote und Verbote erläßt und der in einem späteren Leben nach dem Tod uns straft oder belohnt je nachdem wir diese Anordnungen im jetzigen Leben gehalten haben (siehe allerdings Zehn Gebote!) und 
  2. ein Teufel, der schuld an allem Bösen ist, der sozusagen der ungeliebte Helfer Gottes bei der Bestrafung ist und dessen willfährige Diener hier auf Erden in noch nicht langer Vergangenheit und für manche Menschen auch heute noch etwa die Hexen sind (siehe Hexenwahn). Und dann gibt es jede Menge weiterer Phantomkonstruktionen, die angeblich für unser Leben von größter Bedeutung sind und die daher in der Erziehung immer wieder jungen Leuten mit allem zu Verfügung stehenden Mitteln und sozusagen mit geballtem Einsatz von allen Erziehungsinstanzen (Elternhaus, Kirche, Schule, Medien) beigebracht werden:
  3. dass der Glaube an einen Gott immer sinnvoll ist, damit der Mensch eine letzte Orientierung zum Guten behält,
  4. der Glaube, daß (Sexual-)Scham und ein Verhalten nach Sitte und Anstand Grundlage der Moral und damit für ein glückliches Leben ist und daß Menschen, die gegen diese Normen verstoßen, allen voran Spanner und Exhibitionisten, gefährlich sind,
  5. die Vorstellung, daß insbesondere von fremden Männern - gleichgültig, ob sie sympathisch oder unsympathisch sind - immer eine Gefahr ausgeht, daß man ihnen also nie trauen kann und daß man nie wissen kann, ob sie letzten Endes nicht doch Mitschnacker sind oder es auf Vergewaltigungen abgesehen haben, und daß es angeblich auch kein zuverlässiges Verfahren der Menschenkenntnis gibt, dies sicher zu festzustellen und zu erproben,
  6. die Fixierung auf die Unberechenbarkeit von Männern ganz allgemein, wenn es vor allem um Gewalt gegenüber Frauen geht, ohne die Auslöser genügend zu bedenken,
  7. die Vorstellung, daß die eigene Gemeinschaft, die eigene Religion, das eigene Geschlecht, das eigene Land und die eigene Rasse in jedem Fall allem anderen vorzuziehen ist und man notfalls dafür - bisweilen bis zum eigenen Untergang - kämpfen muss.
  8. In und vor der Zeit des Nationalsozialismus waren die Juden an allem Schuld - vor allem auch an der Unmoral: "Frauen und Mädchen, die Juden sind euer Verderben", war etwa ein Slogan der Nationalsozialisten auf Spruchbändern. Nun gibt es keine Juden mehr - und der Sittenverfall eskaliert geradezu. Die Schuld der Juden am Sittenverfall war also ein leeres Phantom!
  9. Gerade kirchliche Leute behaupten immer wieder, dass man nichts gegen den Sittenverfall machen könnte, gegen die Macht der Medien sei einfach nichts auszurichten. Die Frage stellt sich, woher der Sittenverfall im Alten Rom kam, damals gab es doch gar keine Medien? Oder warum die Frauen in vielen afrikanischen und asiatischen Gesellschaften seit Jahrtausenden ihre Töchter beschneiden, wenn es doch dort gar keine Gefahr des Sittenverfalls geben dürfte, weil es dort doch gar keine Medien gibt?
  10. Gerade Frauen behaupten immer wieder, dass man gegen die Macht der Männer nichts machen könnte, dass sie es eben sind, die die Frauen als Sexualobjekte missbrauchen. Die Frage stellt sich, wer die Mädels heißt, dass sie etwa ihren Entjungferern geradezu hinterherlaufen und sich auch nicht davon abbringen lassen? Für den Einstieg in das Sexualleben suchen sie sich einen rasanten Partner, für den Alltag später ist irgendein braver Biedermann gut genug. Wenn das nicht  eine Männerverachtung ist, an der die Männer nun wirklich nicht schuld sind? Siehe Machismo!

 

Im Grunde könnte jeder sehr einfach überprüfen, daß diese Phantome nur in unseren Köpfen existieren und etwa für wirkliches Glück oder für wirkliche Moral in unserem Leben keinen letzten Wert haben und oft genug sogar nur hinderlich sind.

Wir müßten eben nur einmal bei uns selbst oder bei anderen genau nachhaken, wie etwa die mehr oder weniger glücklichen (Liebes-) Erfahrungen angefangen haben, und dann genügend Selbstbewußtsein besitzen, gegen den bisher eingeredeten Weg der Unmoral mit bewußter Übertretung von Sitte und Anstand zu verstoßen - natürlich wenigstens vorläufig nur an den Orten, wo es wenigstens einigermaßen üblich ist oder toleriert wird!

Der Jesuitenpater Friedrich von Spee hatte vor etwa 360 Jahren etwa tausend angeblichen Hexen die Beichte abgenommen und dabei festgestellt, daß der ganze Hexenwahn offensichtlich nur ein typisches Phantom war und da immer nur arme und geschundene Frauen gequält und gemordet wurden. Er konnte jedenfalls bei näherem Hinhören keine einzige Hexe erkennen.

Und das mit dem Genauhinhören und Genaunachdenken ist sicher auch heute noch ein großes Problem. Wir behalten da doch lieber unseren Glauben an Phantome.

Und wer sich von solchem Glauben an Phantome, der eben nie mit Hexenwahn erledigt ist und den es immer in irgendeiner Form gibt, befreien möchte, kann sich ja hin und wieder fragen: Kenne ich wenigstens ganz genau einen einzigen Fall, der so abgelaufen ist, wie es immer als typisch angesehen wird? Habe ich mich mit dem betreffenden Menschen wirklich lange und intensiv unterhalten? Kenne ich auch wirklich die Gegenseite? Oder gab es da doch noch irgendwelche Tabus, über die wir nicht reden konnten? Und kann man diesen Fall nicht auch anders sehen und ihn wirklich verallgemeinern?

Recht bald werden wir feststellen, daß die angeblich typisch ablaufenden Vergewaltigungen und Verführungen, die Enttäuschungen und Erfahrungen, vor denen wir immer gewarnt werden und auf den wir daher vorbereitet sind, vermutlich so selten oder sogar gar nicht und dann ganz anders geschehen, so daß die ganzen Warnungen nutzlos sind!

Die Empfehlung hier kann nur ganz allgemein lauten: Mit Konzept und Strategie Phantome erkennen und hinterfragen und gegen sie verstoßen! Bei aller Kritik allerdings darauf achten, daß wir uns nicht gleich immer über alles hinwegsetzen!

 

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)