REIZWORTE (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

REIZWORTE seien hier einmal solche Worte (oder auch Wortkombinationen) genannt, bei deren Erwähnung (oder besser Auftauchen) ein Mensch bestimmte Gedankengänge assoziiert oder auch sozusagen schon fast zwanghaft ein bestimmter Film abläuft. (Ich meine, der Fachbegriff ist ein anderer, doch könnte ich mir vorstellen, dass Internet-Sucher gerade auch diesen Begriff eingeben, daher belasse ich es dabei.)

Um zu verdeutlichen, was gemeint ist: Während meines Studiums in Innsbruck war ich Untermieter bei einer Zimmerwirtin. Da ich in dieser Zeit nun ein oder mehrere Male besuchsweise nach Dresden gefahren war, erzählte ich ihr davon. Und jedes Mal, wenn ich davon anfing, zitierte sie gleich einige Reime aus einem alten Studentenlied: "In Dresden in der Kursachsen, wo die schönen Mädchen wachsen, hätt´ ich das gewusst...". Das geschah sozusagen völlig automatisch, eben fast zwanghaft. Und hier allerdings in einer völlig harmlosen Sache, wenn es vielleicht bisweilen auf die Nerven ging, über was sollte man sich denn als netter Student, der ich doch sein wollte, schon mit einer Zimmerwirtin unterhalten?

Da es sich bei solchen Automatismen bisweilen allerdings um ganz ernste Angelegenheiten handelt, die realitätsgerechtes Handeln in wichtigen Dingen blockieren, hat der russische Mediziner und Physiologe Iwan Petrowitsch Pawlow (1839 bis 1936) bei seinen Experimenten mit hungrigen Hunden etwas Interessantes beobachtet. Und zwar zeigte er ihnen Futter und kündigte dies zuvor durch Klingeln an einer Glocke an. Nach mehreren Versuchen lief den Hunden schon der Speichel aus dem Maul, wenn nur die Glocke läutete. Sie verknüpften diese Töne mit dem Futter. Von daher wird dieses Phänomen des Speichelflusses im Zusammenhang mit dem Klingeln einer Glocke dann "Pawlowscher Reflex" genannt oder auch das Phänomen des "Pawlowschen Hundes".

Und diese Art von Reflex funktioniert eben nicht nur bei Hunden, sondern auch bei Menschen, und nicht nur bei Dingen, die mit dem Essen zusammen hängen, sondern gerade auch bei geistigen Dingen. Hier spielen sich eben solche Abläufe ab wie bei den Pawlowschen Hunden, nur dass es dabei nun einmal nicht zu Speichelfluss kommt sondern allenfalls zu Hormonausschüttungen (das mit den Hormonen ist allerdings nur mein Versuch einer rationalen Erklärung) und dass alles bei den geistigen Vorgängen viel problematischer ist, weil sozusagen realitätsgerechtes Handeln blockiert wird.

Wohl jeder Mensch kann hiervon ein Liedchen singen, wenn andere Menschen ihn in manchen seiner Gedankengänge einfach nicht verstehen können und er schließlich feststellt, dass er etwas gesagt hat, was sein Gegenüber zu einer mehr oder weniger abstrusen Assoziation verleitet hat, auf die er selbst gar nicht kam und auch nicht gekommen wäre, bei dem Gesprächspartner lief eben auf sein Reizwort hin ein anderer Film ab. Umgekehrt kann das natürlich genauso geschehen, dass andere mit Reizworten kommen und bei einem selbst ein "Film" abläuft.

Beispiele im Zusammenhang mit dem Konzept basisreligion sind etwa:

  • Ein Besucher, der mit mir in Gedankenaustausch kam, tat meine Gedankengänge zum Thema "Kybernetik und Philosophie" gelangweilt ab, das sei doch ein alter Hut aus den 80er Jahren, der eh nichts gebracht hätte. Auf Nachfragen nannte er den Kybernetiker Heinz Zemanek (geb. 1920). Oh je, entfuhr es mir da, gerade der hätte doch zu der Thematik "Kybernetik und Philosophie" gar nichts gebracht, die eigentlichen Pioniere hier seien doch der westdeutsche Kybernetiker Karl Steinbuch (1917 - 2005) und der mitteldeutsche Georg Klaus (1912 - 1974). Nun, mein Gesprächspartner war ein offener und intelligenter Ingenieur, und so konnte er seine Fixierung überwinden und es kam zu einem fruchtbaren Gedankenaustausch.

  • Ein anderer Besucher, der sich als atheistisch vorstellte und auch gleich auf die christliche Religion losschimpfte, hielt mir auf meinen Hinweis, er solle doch mal das Vorwort 16 für für Kirchen- und Religionskritiker und Atheisten in dem Buch "Das Durchblickkonzept" lesen, um mich zu verstehen, nach einigen Tagen einen langen Vortrag, wie man mit Theologie gerade die jungen Menschen verdummte usw. Sehr schnell merkte ich, dass er etwas völlig in die falsche Kehle bekommen hatte und ich schrieb ihm das und bat ihn, doch noch das Vorwort 14 für Theologen zu lesen, damit er erkenne, dass es mir ja gerade um eine Überwindung genau der Theologie ginge, die er da anspräche. Das tat er denn auch und er entschuldigte sich sogar. Das Interessante daran: Wenn dieser Besucher, nach seinen Mitteilungen ein genialer Organisator und Geschäftsmann, auch das ganze Vorwort gelesen hatte, so hatte er es doch unter einem bestimmten Aspekt, unter einem bestimmten Vorurteil gelesen, aus dem er nicht herauskam. Bei ihm war eben von Anfang an ein falscher Film abgelaufen, und so hatte er alles falsch einsortiert, er hatte somit alles nur falsch verstanden.

  • Und auch ganz allgemein, wenn die meisten Menschen "Religion" oder "Religionslehrer" und dazu auch noch "katholisch" hören, dann fällt bei ihnen eine bestimmte Klappe. Sie können einfach nicht mehr sachlich reden, man wird in eine bestimmte Schublade gesteckt - aus und fertig.

  • Wenn wir hier in Europa von den Städten Hiroshima und Nagasaki hören, laufen in unseren Hirnen im Allgemeinen sofort die "Filme" von den Atombombenkatastrophen ab. Doch abgesehen von den üblichen Gedenktagen denken die heutigen Bewohner nun wirklich genauso wenig daran wie die Kölner oder Dresdner an den Bombenterror der Alliierten. Wir alle haben andere Sorgen!

  • Umgekehrt denken diese Menschen und auch andere Menschen in der großen weiten Welt, wenn sie allein das Wort "Deutschland" oder "Deutscher" hören, recht schnell an Auschwitz und wie die Deutschen mit ausgefeilter Logistik und fabrikmäßig Genozid an den Juden und Zigeunern (ich verwende bewusst dieses Wort!) begingen. Wir müssen uns klar sein, dass diese schlimmen Geschehnisse uns Deutschen noch in Jahrhunderten anhängen. Wir hier denken daran gar nicht an "so etwas" oder kaum.

  • Ein ganz schlimmes Reizwort muss wohl das Wort "Nacktheit" und gerade noch in Verbindung mit "Kindern" sein. Da läuft bei den meisten Menschen dann nur noch der Film "Geschlechtsverkehr" oder gar "sexueller Missbrauch" und "Pädophilie" oder sonst etwas in dieser Richtung ab. Der tiefere Grund, wenn Menschen so etwas verbinden, muss wohl irgend so ein Zusammenhang im Leben dieser Menschen sein oder gewesen sein, vielleicht wurde auch nur eine Scheinmoral übernommen. Gerade hier ist es wirklich wie beim Pawlowschen Hund, irgendein sachliches Auseinanderhalten ist für sehr viele, wenn nicht die meisten, Menschen völlig unmöglich, obwohl ihnen doch klar sein müsste, dass es Frauenärzte gibt, die ja auch Frauen und auch Kinder nackt sehen und die nun wirklich über alle solche Unterstellungen erhaben sind. Oder denken wir auch an die Besucher der Nacktstrände oder an die Angehörigen mancher Naturvölker in den warmen Ländern, bei all denen hat die Nacktheit doch im Allgemeinen überhaupt nichts mit Geschlechtsverkehr oder gar sexuellen Verirrungen zu tun, und wenn, dann eher weniger als bei den Bekleideten. Aber dann kommt es zu den typischen Rationalisierungen, die alles nur noch schlimmer machen. Dagegen können Kinder beide Phänomene auseinander halten, ihnen ist jedenfalls die Nacktheit sehr leicht als etwas völlig Unproblematisches zu erklären, was auch noch Spaß macht, während mit dem Geschlechtsverkehr das nicht so einfach ist - und wenn sie die freie Wahl hätten, dann hätten sie mit der Nacktheit gewiss keine Probleme (siehe auch sexuelle Selbstbestimmung).  (Ob in der Theologie der Erbsünde beziehungsweise des Sündenfalls nicht dieses Problem theologisch verarbeitet ist? Religionsgeschichtlich ist die Adam-und-Eva-Erzählung ja eine Polemik gegen die kultische Prostitution, die ja ein Missbrauch der Sexualität und auch der Frau ist, von einer Einheit von Leib und Seele also keine Spur, auch nicht von echter Liebe und Partnerschaft. Beide Beteiligten kommen also mit der Sexualität nicht so recht klar. Die Folge ist die Verdrängung, die nicht mehr mögliche emotionelle Unterscheidung von Nacktheit und Sexualität, also der Verlust der Unschuld - im Gegensatz zu den Kindern. Anmerkung: Bei Menschen, bei denen diese Einheit geglückt ist, ist dieselbe Einstellung wie bei Kindern dagegen sehr leicht möglich! Wir erinnern uns an den Ausspruch Jesu in Matthäus 18,3: "Wenn ihr nicht so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen!")

Und wie kommt man nun von solchen Assoziationen, die sich aus Reizworten ergeben, nun los? Denn wir müssen davon gerade im Hinblick auf die Moral loskommen, denn das Problem ist ja, dass es durch diese Assoziationen zu einer falschen Moral kommt, die schließlich für eine wirkliche Moral völlig kontraproduktiv ist und mit der wir also nie und nimmer zu einer wirklichen Moral kommen. Für eine wirkliche Moral ist nun einmal Eine Überwindung der Leibfeindlichkeit unabdingbar. Also müssen wir davon loskommen, wenn es uns um wirkliche Moral geht, gerade auch im Hinblick auf unsere jungen Menschen!

Die einzige Möglichkeit ist Sachlichkeit und Gebet um die Gnade wirklicher Sachlichkeit.