Bevor ich mit dem Stichwort ERBSÜNDE vom theologischen Gesichtspunkt her beginne, möchte ich erst einmal ein Erlebnis schildern, das m.E. sehr viel mit dem Thema der "Weitergabe oder auch der Vererbung von Sünden" zu tun hat. Ich arbeite inzwischen (also im Jahr 2020) seit bald 30 Jahren an dieser Website - und mit der Thematik dieser Website war ich zunächst auch ziemlich allein im Internet. Und so kam es bisweilen vor, dass ich offensichtlich nicht nur gefunden, sondern auch angeschrieben wurde. Aus dieser Zeit habe ich auch noch heute Freunde. Und so hatte ich eines Tages auch eine Mail von einer 17-jährigen Schülerin bekommen, die sehr religiös in einer Freikirche war, jedoch nicht mit allem einverstanden war. Irgendwie war ihr ihre Kirche wohl zu eng und zu weltfremd und sie empfand manches auch als nicht wirklich echt. Und sie ließ durchblicken, dass sie gerne einmal diese unschuldige paradiesische Nacktheit erleben möchte, von der ich ja schrieb, dass sie bei passender Einstellung durchaus möglich sei und dass daher auch gar nicht "mehr" passieren müsste. Ich empfahl ihr also, sich mal in ihrer Gegend umzusehen, wo so etwas möglich sei, und dorthin zu gehen. Doch das war offensichtlich nicht das, was sie wollte. Sie hatte wohl auch irgendwie Angst,und sie suchte daher einen Mann, dem sie dabei vertrauen konnte und der sie beschützen würde. Für mich war das sehr verständlich, ich fand, sie hatte eine sehr gesunde Einstellung, um sich aus der Enge ihrer Erziehung auf eine harmlose und natürliche Weise zu befreien, ohne sich gleich mit Geschlechtsverkehr in eine wirkliche Problematik hineinzustürzen. Sie erzählte mir dann auch sehr offen von ihrer Einstellung, dass etwa die Ehe ihrer Eltern beschissen sei und dass sie selbst einmal nie so eine Ehe leben möchte. Und ihre Erklärung war damals, warum die Ehe ihrer Eltern so schlecht sei: Ihre Mutter hätte ihr nämlich erzählt, dass sie vor der Ehe keinen Sex gehabt hätte, und sie wüsste, dass ihre Mutter sie nicht belügen würde, das würde also stimmen. Von daher dann ihre Analyse: So eine schlechte Ehe käme also offensichtlich davon, wenn man vorher nichts ausprobiert, wenn man also blind und ohne alle sexuellen Erfahrungen sich in eine Ehe stürzt. Daher war also ihr Entschluss, dass sie es einmal nicht so machen wollte wie ihre Mutter - und also nicht als dumme Jungfrau in eine Ehe stolpern wolle. Sie wolle also schon vor der Ehe auch den Sex erleben - und gerade für den ersten Sex möchte sie sich einen Mann aussuchen, mit dem sie ein wirklich tolles Erlebnis hätte. Was dann in der Ehe passiere, das sei dann sowieso offensichtlich nur noch Langeweile und Alltag auch im Sexuellen, doch er Anfang sollte doch wenigstens toll sein... Und da hätte sie eben meine Website gefunden, dass das also mit dem Sex vielleicht gar nicht sein müsste, dass es auch wunderbar sei, erst einmal die eigene paradiesische "Unschuld" richtig zu erleben und noch in schöner Natur. Na ja, und da sie gerade 18 wurde, kam mehr oder weniger von ihr die Idee, ob sie nicht mit mir zu meinem Haus am Atlantik in Frankreich mitfahren könnte, von dem ich erzählt hatte... Da sei dann ja auch ein geeigneter Strand. Sie fragte auch noch, ob ihre etwas jüngere Schwester nicht auch mitfahren könnte. Na ja, dagegen hatte ich nichts, ich fand es doch sehr gut, zwei Mädchen von einer Idee, wie das Paradies hier und jetzt gelebt werden könnte, zu gewinnen. Und ich wollte ja sowieso "nichts" von dem Mädchen. Und mit einigen geschickten Begründungen konnten sie auch ihre Eltern überzeugen, sie fahren zu lassen, und ich holte sie auch von zu Hause ab. Doch der langen Rede kurzer Sinn: Das ältere Mädchen fühlte sich auch sehr wohl, doch das jüngere hatte sich unter der Fahrt offensichtlich etwas anderes vorgestellt (obwohl ich mit den beiden auch noch eine Fahrt nach Spanien unternahm, damit sie etwas von den Pyrenäen und der Kultur erleben würden) und wurde irgendwann grantig und unausstehlich. Zuerst beklagte es sich bei mir über seine Eltern und besonders über seine Mutter - und irgendwann beklagte es sich bei einem Freund von mir über mich. Und zuhause angekommen beklagte es sich bei seiner Mutter über uns alle und schilderte wohl auch alles in den schwärzesten Farben. Da es das ältere Mädchen nun erst recht nicht mehr zuhause nicht mehr aushielt, hatte es mich in einem Schriftwechsel gefragt, ob es nicht bei mir wie eine Tochter leben könnte, so wie ja schon einmal eine Gasttochter bei mir gelebt hatte. Und da ich ja gute Erfahrungen mit dieser Tochter hatte und das Mädchen einen sehr gutwilligen Eindruck machte, hatte ich nichts dagegen. Sie könnte dann hier aufs Gymnasium gehen, ihr Abitur machen und dann irgendwo studieren und dann wäre sie sowieso wieder frei. Und ich hatte mir das Mädchen auch unter diesem Aspekt gut angesehen, ich dachte, dass sie das alles auch schaffen würde. Sozusagen als Vorbereitung kam sie in den folgenden Herbstferien auch auf eine gemeinsame Flughreise in ein osteuropäisches Land mit, in dem auch ich noch nicht war - und das Mädchen sollte dabei dann sehen, wie das mit mir so sei, wenn wir alleine wären, und sich entscheiden. Irgendwie muss dem Mädchen diese Fahrt allerdings nicht so recht zugesagt haben, ich nehme an, dass sie von Mutter und Schwester regelrecht gegen mich aufgehetzt war, und daher sah es dann alles nicht mehr so unschuldig und natürlich wie auf der Sommerfahrt. Sie sah vielmehr in allem oder zumindest in vielem das bestätigt, was ihr eingeredet worden war, warum ich das alles machte usw. Ich sehe noch, wie mich die Mutter hasserfüllt anfauchte, als ich das Mädchen wieder zuhause "ablieferte", was ich hier ihren Töchtern beibrächte: "Wir sind gegen FKK, wir sind gegen Sex vor der Ehe..." Für eine Argumentation, dass ich ja auch gegen Sex vor der Ehe sei, doch dass Spaß an der Nacktheit damit doch nichts zu tun hätte, war die Mutter einfach nichtt offen. Das Mädchen bzw. die junge Frau wollte dann auch nicht mehr zu mir kommen, wir blieben aber noch in Kontakt. Etwa ein halbens
Jahr später schrieb das Mädchen (oder auch die
junge Frau) mir, dass sich der Bruder einer
Freundin für sie interessiere. Und wie es so ist, warf
sie dann alles, was sie von mir erfahren und mit mir
erlebt hatte, über Bord und machte auch genau das
alles, wie sie es ursprünglich vor hatte. Nicht
zuletzt war ja die Hetzerei in der Familie gegen mich
und dann war sie wohl auch von dem Freund ausgelacht
worden, erst einmal mit harmonischer Nacktheit zu
beginnen.... Ja, was sollte sie machen? Und sicher
hatte ich ihr das Konzept "erst mal nur die Harmonie"
auch nicht gut genug beigebracht - und der Schwester
schon gar nicht. Warum ich das erzähle? Hier war offensichtlich die "Sünde" der Mutter auf die Tochter übergegangen .... Und zwar durch eine falsche Moral, nämlich der des Versteckens und des Lügens, die die Mutter wohl selbst in ihrer Jugend erlebt hatte und mit der auch sie ihre eigenen Fehlentscheidungen zu kaschieren suchte. So kam dann die Tochter auch wieder genau zu dieser falschen Moral - und der Teufelskreis übertrug oder auch vererbte sich .... Und ich denke,
wir haben es hier nicht mit einem Einzelfall zu tun -
das was hier lief, ist irgendwie der Normalfall ....
Das berühmteste Beispiel ist hier wohl der heilige
Kirchenvater Augustinus, der ja überhaupt die
Theologie der Erbsünde erfunden hatte. Er hatte vor
seiner "Bekehrung" wohl recht lockeren Umgang mit
Frauen, vor allem auch mit Prostituierten. Und aus
seinem persönlichen Problem eines schlechten Gewissens
wegen dieses Lebenswandels machte er dann eine
Theologie für alle draus - bis hin zu den neu- und
ungeborenen Babys. Klar, wenn aus etwas eine
allgemeine menschliche Unvollkommenheit gemacht wird,
ist man selbst mit seinen persönlichen
Unvollkommenheiten schon fast entschuldigt, weil ja
sozusagen normal war, wie man selbst handelt bzw.
gehandelt hatte. Das Problem ist dabei nur: Auf diese
Weise wird das Problem des Teufelskreis des Bösen nie
gelöst! Allerdings
möchte ich doch hinzufügen, dass der Grund nicht immer
ist, dass die Eltern es einmal selbst nicht so
moralisch angefangen hatten und dann bei ihrer
Erziehung lügen und heucheln. Es kann auch durchaus
sein, dass sie selbst alles richtig gemacht hatten,
jedoch sich bei ihrem Erziehungskonzept dem angepasst
haben, was nun einmal das Normale ist, und nicht
drüber nachgedacht haben, ob das alles auch so richtig
und wirklich moralisch ist. Und jetzt also das Theologische: Bei der ERBSÜNDE geht es um den angeblichen Sündenfall unseres angeblichen Stammelternpaares Adam und Eva und um die Vertreibung aus dem Paradies. Besonders nach katholischer Dogmatik hat sich diese Sünde dann auf alle Menschen weitervererbt und ist schuld an allem Bösen in dieser Welt, bis sie schließlich durch den Tod Jesu am Kreuz gesühnt wurde (siehe Erlösung und Sühnetodtheologie). Auf den ersten Blick scheint die Lehre von der Erbsünde ziemlich weit hergeholt zu sein, schon einmal, weil es mit Sicherheit weder ein erstes Stammelternpaar (wenigstens konnten das die Verfasser der Adam-und-Eva-Erzählung noch weniger sicher wissen als wir heute), noch ein Gott diesem Paar persönlich Anweisungen gegeben haben dürfte. Dazu kommt noch die auffällige Verwandtschaft mit anderen Erlösungsmythologien der Antike (siehe etwa der Osirismythos bei Auferstehung), ist sie also vielleicht von dorther in unser Christentum eingeflossen? Es sieht also so aus, dass auch hier uns nur der religionsgeschichtliche Ansatz weiter hilft! Was also steckt nun ursprünglich hinter dieser Erbsündenproblematik? Wenn es um den Missbrauch von Kindern geht, ist uns auch heute noch geläufig, dass beim Missbrauch der Sexualität (siehe auch sexueller Missbrauch) etwas grundsätzlich zerstört wird. Warum allerdings nur beim Missbrauch bei Kindern? Der Missbrauch der Liebe tut doch allen weh, ganz gleich wie alt die betroffenen Menschen sind, er zerstört doch immer etwas! Wenn auch deren Mythologie nun zeitbedingt war, so ist die Zerstörung oder das Zerbrechen zeitlos, sie geschah und geschieht zu allen Zeiten der Menschheit auf ähnliche oder zumindest vergleichbare Weise, sie ist eben - mit einem heutigen Wort ausgedrückt - ein Trauma. Daher wurde sie als typisches Merkmal der Menschen von Anfang an gesehen und somit eben auch den (vermeintlichen) ersten Menschen zugeschrieben. Und der Hintergrund dieses Zerbrechens ist in der Vorstellung der Verfasser der Sündenfallerzählung schlicht und einfach derjenige (erste) Geschlechtsverkehr, bei dem keine echte und vollkommene Einheit von Leib und Seele besteht. Es geht also im den Verlust der Einheit von Leib und Seele durch Fehlverhalten im Bereich der Beziehungen, die mit der Sexualität der Menschen zusammenhängen. Bei der Erzählung von der ersten Sünde geht es also in Wirklichkeit um eine Erklärung der Zerstörung der paradiesischen Harmonie von Mann und Frau (und damit auch den Beginn des Geschlechterkampfs) in der Sprache derjenigen Mythologie, von der die biblischen Schriftsteller vor über dreitausend Jahren beeinflusst waren. Das Sexualverhalten in den orientalischen Kulturen zur Zeit der Entstehung der Bibel war sozusagen (wohl immer nur) "wilder" oder "institutionalisierter" Missbrauch. Zur Zeit der Entstehung der Sündenfallerzählung gab es solchen zerstörerischen Geschlechtsverkehr ganz offiziell und allgemein üblich entweder "wild" mit den Sklavinnen (siehe etwa Sklaverei oder Frauenhandel) oder auch als notwendig empfunden, also "institutionalisiert", in Form der kultischen Prostitution (siehe Fruchtbarkeitskulte und Tempelprostitution). Und die sonstige Praxis, wenn Vätern ihre Töchter in eine Ehe verkauften, was wohl die Wirklichkeit hinter vielen arrangierte Ehen war, war ja auch nicht viel humaner. Das Alte Testament weist ausdrücklich darauf hin, dass Mann und Frau, die für die Gemeinschaft in einem Fleisch angelegt sind, dabei auch Gefährten (oder auch Hilfen füreinander) sind, also in der Einheit von Leib und Seele leben. Bei solcher wilden oder geschäftlichen Praxis oder solchem offiziellen Kult kann aber davon keine Rede gewesen sein! Auch sonst waren die Beziehungen zwischen Mann und Frau nicht viel besser, wirkliche Liebe und Partnerschaft zwischen Mann und Frau gab es jedenfalls (fast) nie. Durch seinen Umgang mit Prostituierten und anderen Außenseitern muss Jesus wohl über mehr als tausend Jahre nach der Entstehung der Sündenfallerzählung von vergleichbaren Geschehnissen und von deren Hintergründen zu seiner Zeit erfahren und einen Eindruck von der menschlichen Tragik dabei mitbekommen haben, selbst wenn das alles nun nicht mehr aus Verehrung für irgendwelche Götter geschah (siehe auch Jesus und die Sünderin). Was aber ist
daran nun "vererbbar"? Die
"Vererbung" der Sünde durch die Scham
Immer wieder ist die perfekte Psychologie der Adam-und-Eva-Geschichte faszinierend: Als Folge der Sünde (gemeint ist der Geschlechtsverkehr außerhalb der Einheit von Leib und Seele)) schämt sich das (Fruchtbarkeitskult-Prostitutions-)Pärchen und braucht also die Feigenblätter. In der Folge werden diese Feigenblätter zur Scham oder auch einer (Schein-)Moral, die dann an die nächste Generation als gültige Moral weiter gegeben wird. Und weil es ja nun keine echte Moral, sondern nur eine Feigenblatt-Scheinmoral ist, hält diese Moral natürlich nicht. Also kommt es bei den nächsten Generation bei Gelegenheit wieder zur „Sünde“ - und der Kreislauf geht weiter... Theologen haben daraus dann eine komplizierte Erbsündenideologe gemacht, dabei ist die Sache doch ganz einfach! J.J. Rousseau sieht die Ursache allen
menschlichen Unglücks darin, dass wir uns durch die
Zivilisation von der Natur
entfremdet haben, in ähnlicher Weise sehen das etwa
auch Sigmund Freud und Erich Fromm, für Zivilisation
steht jeweils etwas anderes. Wenn wir unter
Zivilisation nun die Feigenblätter (im wörtlichen
Sinn, also die Bedeckung der Scham durch einen
zivilisatorischen Textilfetzen) sehen, dann stehen
Rousseau, Freud und Fromm durchaus in der Folge der
Autoren der Adam-und-Eva-Geschichte. Nur eben sie
kommen sie an die ursprüngliche genialische
kraftvolle Beobachtungsgabe dieser Leute vor 3000
Jahren nicht heran! "Diese Leute" sollen übrigens
Frauen gewesen sein! Erbsünde und Scham: Ein Teufelskreis - könnte es sein, dass die Täter-Opfer-Überlegungen uns hier weiterhelfen? Es scheint heutzutage völlig unmodern, an eine Erbsünde zu glauben, alles Märchen aus der Vergangenheit! Und dass sie etwas mit der Sexualität zu tun hat und dass daher die Scham kommen soll - so ein Unfug! Wirklich? Ja, was war denn das Problem bei dem mythologischen Pärchen? Haben die Verfasser dieser Erzählung denn nicht etwas sehr gut beobachtet, was noch heute gilt: Der Missbrauch der Sexualität zieht ein Trauma nach sich - und das Indiz für dieses Trauma ist, dass wir mit den entsprechenden Körperteilen nicht mehr frei und unbefangen (wie die Kinder) umgehen können - wir brauchen Verklemmungsfetzen...und wir wollen diese Traumata auch gar nicht wahr haben - und so arbeiten wir sie auch nicht auf und geben sie sozusgen als Kollektivtrauma an die nächsten Generationen weiter.... Das ist ja gerade das Dilemma im Bereich der Sexualität bis heute noch, dass sich der fehlerhafte Umgang mit ihr in der einen Generation mit geradezu teuflischer Sicherheit sozusagen von Generation zu Generation nach dem Wechselspiel Opfer-Täter-Opfer usw. oder auch über das Helfersyndrom "weitervererbt", dass es also immer wieder zu einer Wiederholung des (negativen) Schicksals kommt. Für eine solche Deutung spräche die (Sexual-)Scham (also die Sexualängste und Verdrängungen und Traumata) und der Geschlechterkampf (also etwa die Einstellung zur Frau als Dienstmagd und Dirne, statt als Gefährtin), was ja beides Folgen der Erbsünde sind, wie es in der biblischen Erzählung weiter berichtet wird. Oder denken wir allein, dass die meisten Menschen nicht mehr harmlose Nacktheit und vor allem missbräuchlichen Geschlechtsverkehr auseinander halten können, wenn von Nacktheit die Rede ist, dann assoziieren sie gleich mit Geschlechtsverkehr, siehe unter Reizworte. Und auch das Engagement Jesu für Frauen und Kinder spräche dafür, dass er diesen Kreislauf des Bösen oder zumindest des Nicht- Guten erkannt hatte und unterbrechen wollte. Bei seinen Bemühungen um eine Änderung hier wurde Jesus vom Establishment seiner Zeit allerdings entweder gar nicht verstanden oder (bewusst?) missverstanden, und so es kam zu seiner physischen Vernichtung durch seine Hinrichtung am Kreuz. Aus jeder religiösen Fehldeutung wird schließlich ein Dogma, bei dem der ursprüngliche Sinn immer mehr abhanden kommt. Weit entfernt von diesem geschichtlichen Zusammenhang wurde schließlich die Theologie von der Erbsünde etwa um das Jahr 400 vom Kirchenvater Augustinus aus Ansätzen des Apostels Paulus in Römer 5, 12ff unter dem Einfluss Gnosis entwickelt und machte damit aus dem ganzen zwischenmenschlichen Problem endgültig eine theologische Konstruktion einer typischen Priesterreligion. Augustinus sah nicht mehr die Ambivalenz der Sexualität und die plausible Täter-Opfer-Problematik, sondern er übernahm die in der Gnosis vorhandene (und auch schon in der zeitgenössischen christlichen Tradition angedeutete) Aufteilung des Menschen in einen guten Geist und einen bösen Leib und verurteilte damit die ganze Sexualität von vornherein als etwas Minderwertiges und Schlechtes (siehe Dualismus), das nur durch Ablehnung gelöst werden kann. Es ist nun dem heiligen Augustinus gewiss nicht anzulasten, wenn er aus seinem Denkschema heraus und von den Ergebnissen seiner Untersuchungen her zu seiner Interpretation der "Ursünde" kam und diese zu einer lebensfernen Ideologie weiterentwickelte, obwohl er den Sinn der Adam-und-Eva-Erzählung gewiss nicht richtig gesehen hatte. Wenn wir heute allerdings lediglich diese Interpretation weiterinterpretieren, kommt mit höchster Wahrscheinlichkeit dabei Unsinn heraus. Unsere Aufgabe kann nur sein, mit der Hilfe anderer Wissenschaften wie der Geschichte, der Archäologie und heutiger Wissenschaften vom Menschen von dem uns heute zugänglichen wirklichen Anliegen der Adam-und-Eva-Erzählung auszugehen, und da bietet sich eben die Deutung vom Täter-Opfer-Täter-Kreislauf vor allem im Bereich der Sexualität, also bei den Mann-Frau-Beziehungen, an. In der heutigen katholischen Dogmatik wird allerdings jegliche Deutung im Zusammenhang mit der Sexualität abgelehnt und in der Erbsünde der Beginn des Ungehorsams der Menschen gegen Gott und damit der Beginn alles Bösen gesehen. Diese Deutung verbietet sich schon deswegen, weil Gott niemals ausdrücklich zu den Menschen spricht und weil eine Forderung nach Gehorsam stets nur von Menschen gestellt wird, die über andere Menschen herrschen wollen (siehe Macht), und daher eher auf ein negatives Patriarchat als auf einen liebenden Gott hinweist. Außerdem ist diese Deutung im Hinblick auf den Beginn des Bösen so allgemein, dass sie wirkungslos verpufft, weil sich niemand betroffen fühlt und das Böse daher ungehindert unter uns Menschen weiter sein Unheil anrichten kann. Zu bedenken ist auch, dass es im jüdischen Glauben keine Erbsündentheologie gibt, die ja erst entstanden ist, weil man für den Kreuzestod Jesu einen mythologischen Grund suchte, weil der wirkliche Grund verdrängt wurde. Daher entspricht die Deutung im Zusammenhang mit dem Missbrauch der Sexualität und damit mit der Zerstörung der Liebe wohl am ehesten dem Anliegen der Verfasser der Adam-und-Eva-Erzählung: Es ist schlicht und einfach genial, dass sie sich auf eine ganz konkrete zentrale Handlung beschränken, mit der jedermann in seinem Leben ganz gewiss einmal konfrontiert ist und seine ganz persönliche Entscheidung treffen muss! Und auch der Hinweis auf die Scham als Folge des Sündenfalls ist treffend, steht die Sexualscham nicht auch heute noch bei vielen Menschen in unmittelbarem Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr oder anderen abnormen sexuellen Verhaltensweisen, die als Missbrauch der Sexualität nicht in der Einheit von Leib und Seele geschehen? Herrschaft und Sexualität "Nach dem Mann wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen!", also die Herrschaft des Mannes über die Frau, ist der Fluch des Geschlechtsverkehrs? Wieso das - wo ist denn der Zusammenhang? Der Kulturforscher Ernest Bornemann sieht - etwa in seinem Werk "Das Patriarchat" (Fischer TB 1680) - durchaus auch heute noch einen Zusammenhang zwischen Sexualität und Herrschaft: Mit jemandem Geschlechtsverkehr haben, heißt auch, über ihn herrschen, und Bornemann meint das ganz grundsätzlich - und das überträgt sich dann auch auf alle anderen Bereiche der Gesellschaft. Die Bibel sieht das allerdings in der Adam-und-Eva-Erzählung, die ja als eine Erzählung gegen die kultische Prostitution angesehen werden muss, etwas anders: Das Problem Herrschaft - Sexualität gibt es nur bei missbräuchlicher Sexualität (und die kultische Prostitution bedeutet ja ein Missbrauch der Sexualität), wenn eine wirkliche Partnerschaft zwischen Mann und Frau vorliegt und eine wirkliche Liebe, dann ergänzen sich beide auf wunderbarer Weise und es gibt das Problem Herrschaft und Sexualität nicht. Und vielleicht überträgt sich das dann auch auf die anderen Bereiche der Gesellschaft - ob sich also auf diese Weise am Ende sogar die Macht der Waffen und des Geldes brechen lässt? (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) |