PAULUS (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)


Hinweis des Autors im März 2020: Leider muss ich nach neuesten Erkenntnissen Paulus als Gegenspieler Jesu sehen, dessen Intention es war, die Erinnerung an das wahre Engagement Jesu auszulöschen. Dabei hat er völlig neue Glaubensideen erfunden bzw.  von anderen Religionen  übernommen als auch allgemein bekannte Erinnerungen an Jesus so uminterpretiert, dass der Sinn nicht mehr der ursprüngliche war. Die neue Sicht ist etwa im Text "Der Kriminalfall Jesus" und in den Hinweisen dargestellt. Ich bitte diese "neue Sicht" zu beachten!

Der Apostel PAULUS ist erst mindestens zwanzig Jahre nach dem Tod Jesu in den engsten Kreis der Jünger Jesu aufgenommen worden. Er entstammte der jüdischen Priesterschicht, also aus den Kreisen, mit denen Jesus zu seinen Lebzeiten sich in heftigster Auseinandersetzung befand (siehe Pharisäer), und war von antikem Denken und von der damaligen griechische Philosophie beeinflusst.

Teil 1: Geschrieben etwa 2002:

Paulus kannte Jesus nicht persönlich, hat allerdings schließlich aus seiner eigenen Sichtweise einen so entscheidenden Einfluss auf die Lehre Jesu genommen, dass es möglich ist, dass er sie verfälscht hat. Doch es kann auch sein, dass er die Lehre Jesu noch am besten gekannt hat - und Paulus sich daher am besten eignet, dem wirklichen Jesus näher zu kommen. 

Im Prinzip hat Paulus nämlich richtig erkannt, dass Fehlverhalten in der Sexualität wie Prostitution, Seitensprünge, Homosexualität und Perversität nicht zum menschlichen Glück und zum Reich Gottes führen, und er verurteilt auch dies alles engagiert, vielleicht sogar zu engagiert (hatte er etwa sogar massive Leichen im Keller?). Vieles von seiner Theologie - vor allem in Römer 5,12ff  ("Darum, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod und so der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben - denn bis zum Gesetz war Sünde in der Welt; Sünde aber wird nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz ist. Aber der Tod herrschte von Adam bis auf Mose selbst über die, welche nicht gesündigt hatten in der Gleichheit der Übertretung Adams, der ein Bild des Zukünftigen ist...) - klingt auch durchaus danach, dass er von demselben redet, von dem der wirkliche Jesus vermutlich geredet hatte. Allerdings dürfte er das Anliegen des wirklichen Jesus (siehe Leben-Jesu-Forschung) von der Befreiung der Frau (und damit auch des Mannes) zu wirklicher Liebe und Partnerschaft (siehe Jesus und die Sünderin) und damit auch von der Gleichwertigkeit der Frau (siehe Emanzipation und Freiheit) nicht so recht verstanden haben, daher war ihm auch die Vorstellung Jesu von einer diesseitigen Einheit von Leib und Seele letztlich wohl nicht zugänglich.

Jesus kann man eben eher als Praktiker sehen, der etwa die Lüge und die Heuchelei seiner Zeit lösen wollte, indem er alles schonungslos aufdeckte und Visionen entwickelte (siehe kriminologischer Ansatz) und Paulus eher als Theologen, der ein theologisches System daraus machen wollte. Vielleicht wird das Problem verdeutlicht, wenn ein Praktiker und ein Theoretiker vor einem kaputten Auto stehen: Der Praktiker sucht den Fehler und beseitigt ihn, notfalls kann er sich behelfen, weil der den Durchblick hat, damit das Auto wieder fährt, doch der Theoretiker macht über das Problem eine Doktorarbeit und geht bestenfalls zu Fuß los, um einen Abschleppdienst zu holen, und ermahnt die zurückbleibenden Mitfahrer, auf seine Rückkehr zu warten... Ich erinnere mich an meine Fahrt durch die Sahara, als der Kühler defekt war: Immerhin haben wir den Kühler mit unserem Bordwerkzeug und, was sich sonst fand, geflickt, zumindest so, dass wir fünf Stunden bis zur nächsten Werkstatt fahren konnten. Siehe auch Theorie und Praxis.

Die Begründung des Paulus für die Ehe "Wegen der Gefahr der Unzucht soll jeder seien Frau haben und jede soll ihren Mann haben" (1 Korinther 7,2) lässt doch darauf schließen, dass er von Liebe und Partnerschaft überhaupt keine Ahnung hat, dass für ihn der Sex zwischen Eheleuten lediglich die Lösung des Problems Notgeilheit ist. Und auch seine Ausführungen über die Liebe im ersten Brief an die Korinther ("Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke...") klingen trotz aller Dringlichkeit jedenfalls recht papieren und fern von jeder eigenen positiven Erfahrung mit der Liebe, ganz im Gegensatz zu den Gesängen des Hohen Lieds im Alten Testament ("...wie schön ist deine Liebe, meine Schwester Braut; wieviel süßer ist deine Liebe als Wein, der Duft deiner Salben köstlicher als alle Balsamdüfte...").

Paulus vor allem war es wohl, der die theologische Grundlage für die christliche Urgemeinde mit dem Glauben an die Auferstehung des Christus des Glaubens und an ein Leben nach dem Tod legte (siehe Kerygma) und damit auch die Weichen für einen Glaubensinterpretation in Richtung Dualismus und Gnosis stellte, also für die Fehlentwicklung, unter der wir noch heute zu leiden haben. Möglicherweise hatte er die Auferstehung allerdings auch nicht so konkret gemeint...

Siehe auch das HEFT "Erst einmal das Paradies erleben...", im Anhang S. 60:

Es ist doch weit hergeholt, dass sich Jesus vor allem für eine Harmonie der Geschlechter einsetzte.“ Ein (weiteres) Argument für diese These ist der Vergleich „erster Adam“ und „zweiter Adam“ (= Jesus) im Römerbrief (12 ff) des Paulus. Paulus gibt viel­leicht noch am besten das Anliegen Jesu wieder. Und wir wissen ja nach der Arbeit von Jan Heller, für was der erste Adam steht, nämlich für eine Gesell­schaft ohne diese Harmonie der Geschlechter. Und von der hat uns nach Pau­lus doch Jesus befreit. Also steht Jesus zunächst einmal für ein Gegenkonzept zu dem der alten „Adam-Gesellschaft“! Und das ist eben diese Harmonie, die es allerdings nur geben kann mit festen und zuverlässigen „(Spiel-)Regeln“.


Auf alle Fälle wurde der christliche Glaube durch die Theologie des Paulus so sehr beeinflusst, dass wir uns zwar immer noch "Jesusanhänger" oder auch "Christusanhänger"  ("Christen") nennen, jedoch viel mehr "Paulusanhänger" ("Paulisten") sind.

Denn wo ist denn der kriminologische Ansatz geblieben und mit ihm die Nachfolge Jesu, die doch darauf aufbauen müsste? Priester (und Pfarrer) sehen sich doch gewiss nicht mehr als Kämpfer im Sinne Jesu!

Ein weiteres Problem der Schriften des Apostel Paulus ist, dass noch nicht einmal alle von ihm selbst stammen, so ist mit großer Wahrscheinlichkeit der Brief an die Epheser von einem Theologen verfasst, der glaubte, Paulus sehr gut zu kennen und unter seinem Namen eher Beachtung zu finden.

Sie können auch einmal in eine freikirchliche Seite schauen: http://www.theologe.de/theologe5.htm ! Ob Jesus allerdings Vegetarier war und Paulus daran schuld war, dass die Christen wieder zum Fleisch zurückfanden, wage ich doch zu bezweifeln...


Teil 2: Geschrieben im Februar 2019: 

Wie es so ist, es ergeben sich immer weitere Erkenntnisse. Im Rahmen der Bearbeitung des Buchs "Echte Monogamie von der Vernunft her" (siehe www.michael-preuschoff.de) bin ich auf die Bücher "Der Mythenschmied" von Hyam Maccoby und "Zelot" von Reza Aslan gestoßen. Maccoby sieht Paulus zunächst zwar durchaus richtig als einen Agenten des Hohenpriesters, der die Anhänger des Jesus in Damaskus verfolgen soll und der jedoch auf dem Weg dorthin durch eine Offenbarung ein Bekehrungserlebnis hat. In der Folge, so Maccoby, konstruiert Paulus einen Mysterienglauben mit Jesus als Gottessohn und wird antijüdisch (oder auch "antisemitisch") und immer mehr Sympathisant der Römer, während die Anhänger Jesu immer mehr antirömisch werden und auf eine Befreiung von den Römern hoffen. Von einem Mysterienglauben redet Aslan nicht, doch es läuft auch bei ihm "in dieser Richtung" eines neuen Glaubens, der mit dem Anliegen des wirklichen Jesus nichts zu tun hat. Ich zitiere am besten beide Autoren.
    Im Laufe meiner Arbeit an dem Buch "Echte Monogamie ..." sehe ich, also der Autor dieser Website, immer mehr, dass es zur Zeit Jesu eine Halbwelt mit Prostitution und dazu so eine Art Mafia (oder eben eine "Halbweltmafia") gegeben haben muss, die wie bei uns heute die Russenmafia über die Unterwelt das Land voll im Griff hat. Siehe dazu den ersten Zeitungsbericht im Punkt "Mein Engagment ..." unter www.michael-preuschoff.de. Das Konzept dieser Website ist nun, dass Jesus diese Rolle der Mafia durchschaut hatte und von daher versuchte, durch aufklärerische Volksreden ("gegen die Sünde, gegen die Heuchler, für die Liebe") dagegen anzugehen - und schließlich scheiterte, indem er durch einen Justizmord aus dem Weg geschafft wurde.
Doch damit war das Anliegen Jesu nicht beendet, es gab durchaus Anhänger, die damit auch nach dem Tod Jesu weiter machten. Diese Anhänger dachten nicht daran, eine neue Religion zu gründen, sondern sie blieben nach wie vor gläubige Juden, wie auch Jesus immer gläubiger Jude war.
Maccoby sieht nun hier nur einen politischen Kampf der Juden gegen die Römer, bei dem Paulus zunächst zu den Agenten und Raufbolden des Hohenpriesters gehört, später aber von dieser Truppe desertiert und immer mehr voll auf die römische Seite wechselt und sich um die Bekehrung der Heiden zu dem Glauben an Jesus kümmert, wie er ihn sieht. Damit steht er im Gegensatz zu dem Glauben vor allem der Jerusalemer Christen (also der "Judenchristen"), die Jesus noch kannten und von daher einen anderen Glauben hatten. In der Apostelgeschichte, in der es um dies alles geht und die weitgehend die Basis für die Untersuchungen Maccobys ist, ist dann bisweilen von "Juden" die Rede, die gegen Paulus sind, und bei Maccoby dann auch noch von den "Raufbolden und Schlägern" des Hohenpriesters, "die es gewohnt waren, öffentlich inszenierte oder geheim durchgeführte Morde zu begehen ..." Ich finde das alles nun ziemlich wirr und auch, dass der Hohepriester so eine Truppe haben soll. Viel plausibler ist für mich, dass es da eine Halbweltmafia gibt, die sich nach außen natürlich als ordnungsliebend und korrekt gibt, die aber die Gesellschaft "voll im Griff" hat (wie diese Russenmafia s.o.), den römischen Soldaten die Prostituierten zuschanzt und auch Abweichler und Störenfriede aus dem Weg räumt, mit der der Hohepriester zusammen arbeitet. Und das sind dann diese "negativen Juden", von denen die Rede ist. Mit den normalen Juden und schon gar nicht mit den "Judenchristen" haben die jedoch nichts zu tun, solche Leute gibt es in allen zivilisierten Gesellschaften, auch ohne dass sie Juden sind. Wenn Paulus hier allerdings pauschal "alle Juden" meint, dann ist das ein Hinweis auf seinen Antisemitismus. Leider hatte Maccoby zu "dieser anderen Seite" der Gesellschaft allerdings keinen Zugang, er war eben ein Studierstubengelehrter ...

Ich möchte dazu die entsprechenden Seiten aus dem Buch "Der Mythenschmied" zitieren (ab S. 180):

"Paulus beschloß also, so gut er eben konnte, in die Rolle eines Nazareners vom Typus des Jakobus oder Petrus zu schlüpfen, weil er ganz genau wußte, daß solch ein Mensch der Sympathie der pharisäischen Mehrheit im Sanhedrin sicher sein konnte. Hier der Bericht der Apostelgeschichte über die Verhandlung:

Paulus aber sah den Rat an und sprach: Ihr Männer, liebe Brüder, ich habe mit allem guten Gewissen gewandelt vor Gott, bis auf diesen Tag. Der Hohepriester aber, Ananias, befahl denen, die um ihn standen, daß sie ihn aufs Maul schlügen. Da sprach Paulus zu ihm: Gott wird dich schlagen, du getünchte Wand! Sitzest du, mich zu richten nach dem Gesetz, und heißest mich schlagen wider das Gesetz? Die aber umherstanden, sprachen: Schiltst du den Hohenpriester Gottes? Und Paulus sprach: Liebe Brüder, ich wußte es nicht, daß er der Hohepriester ist. Denn es steht geschrieben: »Dem Obersten deines Volkes sollst du nicht fluchen.« Da aber Paulus wußte, daß ein Teil Sadduzäer war und der andere Teil Pharisäer, rief er im Rat: Ihr Männer, liebe Brüder, ich bin ein Pharisäer und eines Pharisäers Sohn; ich werde angeklagt um der Hoffnung und Auferstehung willen der Toten, Da er aber das sagte, war ein Aufruhr unter den Pharisäern und Sadduzäern und die Menge zerspaltete sich. (Denn die Sadduzäer sagen, es sei keine Auferstehung noch Engel noch Geist; die Pharisäer aber bekennen beides.) Es ward aber ein großes Geschrei; und die-Schriftgelehrten von der Pharisäer Teil standen auf, stritten und sprachen: Wir finden » nichts Arges an diesem Menschen; hat aber ein Geist oder ein Engel mit ihm geredet, ; so können wir mit Gott nicht streiten. Da aber der Aufruhr groß ward, besorgte sich der oberste Hauptmann, sie möchten Paulus zerreißen, und hieß das Kriegsvolk hinabgehen und ihn von ihnen reißen und in das Lager führen.

(Apg. 23,1-10) Dieser Bericht enthält zahlreiche ganz offenkundig unhistorische Details. Der Sanhedrin war kein undisziplinierter Haufen, sondern ein gesittetes Gremium, das seine Geschäfte mit großer Schicklichkeit durchführte, immer im Einklang mit den Vorschriften des Gesetzes: es ist doch sehr auffällig, daß das Neue Testament, das sich sonst andauernd darüber beklagt, daß die Juden im allgemeinen, allen voran aber die Pharisäer, mit übergroßem Eifer dem Gesetz anhingen, sie an dieser Stelle so darstellt, als ob sie es schamlos verhöhnen würden. Bestimmte Vorgänge können wir wohl als historisch richtig aus diesem Bericht herauslesen, z.B. die Darstellung, daß der Hohepriester persönlich Paulus gegenüber feindselig war, daß Paulus sich an die Pharisäer um Hilfe wandte und erklärte, selbst Pharisäer zu sein und an die Auferstehung zu glauben, insbesondere die Auferstehung Jesu, ebenso wie den Bericht, daß, als die Angelegenheit zur Abstimmung kam, die Pharisäer ebenso wie im Falle des Petrus dafür stimmten, Paulus freizusprechen mit dem Argument, Nazarener zu sein, sei kein Verstoß gegen das Gesetz, und möglicherweise sei den Nazarenern (wie Gamaliel argumentiert hatte) eine Offenbarung Gottes zuteil geworden. Bei seiner Darstellung von Petrus vor dem Sanhedrin und der Rede den Gamaliel hat der Verfasser der Apostelgeschichte einiges aus der Atmosphäre der Debatte im Sanhedrin erhalten; im vorliegenden Bericht aber, wo er zuzugeben gezwungen ist, daß die Pharisäer Paulus gerettet haben, tut er alles, um ihnen dieses Verdienst abzusprechen, und tut so, als entspränge ihre Haltung bloßem Parteigeist, der zu grotesker Zänkerei verkommen ist.

Trotz dieser bösartigen Darstellung trägt der Vorfall dazu bei, das Bild der Pharisäer, wie wir es in diesem Buch gezeichnet haben, weiter ...  Pharisäer waren keineswegs Gegner der Jesusbewegung, ja, diese war in Wirklichkeit Teil der Pharisäerbewegung. Es war ausschließlich Anliegen des paulinischen Christentums, das Ansehen der Pharisäer in den Schmutz zu treten, indem sie sie im Neuen Testament, der paulinischen Heiligen Schrift, falsch und verzerrt darstellten. Unter den vier Gerichtsverhandlungen, die im NT dargestellt werden, nämlich diejenigen von Jesus, Stephanus, Petrus und Paulus, welche alle vor dem Sanhedrin stattgefunden haben sollen, können nur zwei, nämlich die von Petrus und von Paulus, tatsächlich als echte Sanhedrinprozesse gelten, und während beider zeigen sich die Pharisäer auf der Seite von Humanität und Toleranz.

Darüber hinaus zeigt die Verhandlung von Paulus endgültig, daß die Vorstellung, die an einer früheren Stelle der Apostelgeschichte vorgetragen wurde, nämlich, er sei generell allen frommen Juden verhaßt gewesen, nicht stimmen kann. Paulus' neue Lehren über Jesus waren ausschließlich unter den Nazarenern bekannt. Der Großteil der Juden, falls er Paulus überhaupt kannte, hielt ihn für ein Mitglied der Nazarenersekte und ging davon aus, daß er die gleichen Lehren vertrat wie Petrus und Jakobus. Es war also nicht schwer für Paulus, vor dem Sanhedrin in die Rolle des frommen Pharisäers und Nazareners zu schlüpfen, um sich auf diese Weise der Unterstützung der Pharisäer zu versichern.

Die meisten Bibelkommentatoren scheinen über die Doppelzüngigkeit des Paulus bei diesem Anlaß hinwegzugehen. Seine Behauptung, immer noch zu den Pharisäern zu gehören, war schlichtweg eine Lüge, und wenn seine wirklichen Ansichten bekannt gewesen wären, hätten ihn die Pharisäer sicher nicht unterstützt. Seine Strategie, allen alles zu sein, mochte eine gewisse höhere Berechtigung im Rahmen der Konvertitenanwerbung für den Glauben an Jesus als den neuen Messias gehabt haben, aber vor dem Sanhedrin ging es ausschließlich darum, seine eigene Haut zu retten. In der erfundenen Geschichte über Stephanus wird viel Gewese gemacht über dessen Festigkeit bei der Bezeugung seines Glaubens ungeachtet der Gefahr für Leib und Leben; warum sollten wir im Vergleich dazu die Weigerung des Paulus, für seinen Glauben einzustehen, bzw. seine absichtliche falsche Darstellung desselben, so gar nicht fragwürdig finden? Man muß zugeben, daß Paulus kein Märtyrer war und sich der Wahrheit nicht einmal besonders verpflichtet fühlte; er war zuallererst und ganz überwiegend jemand, der es schaffte, durchzukommen. Trotz seines unzweifelhaften Glaubens an die Echtheit seiner Damaskusvision und der folgenden Offenbarungen war er in bestimmten Bereichen skrupellos, vor allem dann, wenn er der Meinung war, die Sache des Herrn mache eine Strategie der Täuschung nötig. Angesichts dessen, wie sich Paulus während seiner Gerichtsverhandlung verhielt, erstaunt es nicht weiter, daß er auch in weniger brenzligen Situationen Lügen erzählte: so z.B. sein Anspruch, aus dem Stammte Benjamin zu kommen, oder dem, geborener Pharisäer und Sohn von Pharisäern, oder dem, römischer Bürger von Geburt zu sein (obwohl er dieses vielleicht gar nicht selbst behauptet hat, da dieser Anspruch ihm nur von Lukas, dem Verfasser der Apostelgeschichte, zugeschrieben wird und sich nicht in seinen Briefen findet).

Der Trick jedenfalls, den er bei seiner Gerichtsverhandlung anwandte, war höchst erfolgreich; er wurde freigesprochen und entlassen. Die Darstellung der Apostelgeschichte, nach der Paulus von römischen Soldaten aus der Sitzung des Sanhedrin hätte gerettet werden müssen, weil durch die randalierenden Mitglieder des Rates sein Leben in Gefahr gewesen wäre, ist schlicht unhistorisch. Der Brief des Hauptmannes Claudius Lysias an den Statthalter Felix erwähnt keinerlei Tumult im Sanhedrin, sondern faßt einfach nur zusammen, daß der Befehlshaber als Ergebnis der Verhandlung vor dem Sanhedrin zu dem Schluß kam, daß »er beschuldigt ward von wegen Fragen ihres Gesetzes, aber keine Anklage hatte, des Todes oder der Bande wert« (Apg. 23,29). Der Verfasser der Apostelgeschichte hat zweifellos diesen Brief in den Archiven gefunden und ihn eingearbeitet, ohne daran zu denken, dass er in mehreren Punkten dem widersprach, was er selber behauptet hatte.

Soweit Claudius Lysias zu entscheiden hatte, war Paulus jetzt frei und konnte gehen, wohin er wollte. Der Sanhedrin hatte sich geweigert, ihn zu verurteilen, und da Paulus bewiesen hatte, daß er römischer Bürger war (vermutlich hatte er Papiere, die seine römische Bürgerschaft dokumentierten), kam der Hauptmann nicht auf den Gedanken, er könne der Auflehnung gegen Rom schuldig sein - eine Schlußfolgerung, die sich wegen seiner Verbindung zu den Nazarenern hätte ergeben können. Wahrscheinlich hatte man den Eindruck, Paulus müsse der friedlichen Fraktion der Nazarener angehören und sei keine politische Bedrohung, hatte er doch große Anstrengungen unternommen, seine Rom-Freundlichkeit durch Erwerb der römischen Bürgerschaft unter Beweis zu stellen.

Paulus war jedoch keineswegs aus dem Schneider, denn unmittelbar darauf erfolgte ein eindeutiger Mordversuch an ihm. In der Apostelgeschichte sind natürlich wieder einmal »die Juden« daran schuld. Zwar wird nicht erklärt, wer diese »Juden« sein sollen, aber das ist auch nicht nötig, denn im NT wird generell vorausgesetzt, daß »die Juden« Feinde des Lichts sind und immer darauf aus, jeden zu ermorden, der sich als Anhänger Jesu erweist. Es sollten ja auch »die Juden« gewesen sein, die Paulus schon vorher angegriffen hatten und vor denen die Römer ihn retten mußten, obwohl wir gute Gründe für die Annahme kennengelernt haben, daß die Angreifer in Wirklichkeit Judenchristen waren. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es sicherlich schwierig gewesen, zu erklären, warum Paulus nach seinem Freispruch durch den Sanhedrin immer noch Gegenstand erbitterter Feindschaft seitens ganz normaler frommer Juden sein sollte, die doch Anhänger der Pharisäer waren und deren Anordnungen befolgten. Wer waren also diesmal diese »Juden«, die Paulus umbringen wollten?

Wir können nicht die gleiche Schlußfolgerung ziehen wie in der Episode zuvor und davon ausgehen, diese »Juden« seien Judenchristen gewesen, da ungeachtet gewisser Versuche des Autors, den früheren Angriff als versuchten Lynchmord darzustellen, in Wirklichkeit klar ist, daß es sich im Gegenteil eher um den Versuch handelte, Paulus vor Gericht zu bringen. Die jüdischen Christen waren keine Mörder oder ein lynchwütiger Mob, sondern fromme Juden, für die es zum Verhaltenskodex eines anständigen Menschen gehörte, daß niemand ohne ein Verfahren, wie es das Gesetz vorschreibt, getötet werden dürfe. Das Vorkommnis, nach der Verhandlung vor dem Sanhedrin geht, ist nichts anderes als der Plan, Paulus durch Mord zu beseitigen:

Da es aber Tag ward, schlugen sich etliche Juden zusammen und verschworen sich weder zu essen noch zu trinken, bis daß sie Paulus getötet hätten. Ihrer aber waren mehr denn vierzig, die solchen Bund machten. Die traten zu den Hohenpriestern und Ältesten und sprachen: Wir haben uns hart verschworen, nichts zu essen, bis wir Paulus getötet haben. So tut nun kund dem Oberhauptmann und dem Rat, dass er ihn morgen zu euch führe, als wolltet ihr ihn besser verhören; wir aber sind bereit, ihn zu töten, ehe denn er vor euch kommt. (Apg. 23,12-15)

Diese Verschwörer können keine Judenchristen gewesen sein, nicht nur wegen ihrer Mordbereitschaft, sondern auch wegen ihrer Nähe zu den »obersten Priestern«, d.h. zum Hohenpriester und seiner Umgebung. Der Schlüssel zur Erklärung dieser Episode liegt in der Beteiligung des Hohenpriesters. Es war Paulus gelungen, den Judenchristen zu entkommen, dem Sanhedrin und den Römern. Es gab aber noch einen Feind, mit dem er rechnen mußte, dem tödlichsten von allen, dem Hohenpriester, von dem Paulus aus eigener Erfahrung wußte, daß ihm eine Truppe von Raufbolden und Schlägern zu Gebote stand, die es gewohnt waren, öffentlich inszenierte oder geheim durchgeführte Morde zu begehen, um die Stellung des Hohenpriesters als Gauleiter der Römer zu stabilisieren. Der Hohepriester war nicht willens, Paulus ungestraft davonkommen zu lassen, nachdem er – immerhin zwanzig Jahre zuvor – desertiert war: er traf daher Vorkehrungen, um ihn auszuschalten.

Der Verfasser der Apostelgeschichte bringt natürlich wieder Verwirrung in die Angelegenheit, indem er den Hohenpriester bei der Planung des Mordes in Zusammenhang mit den »Ältesten« und »dem Rat« bringt. Angesichts dessen, dass er gerade beschrieben hat, daß Paulus von ebendiesen »Ältesten« und ebendiesem »Rat« gerade erst freigesprochen worden ist, hätte man annehmen können, er hätte sich gescheut, sie in Verbindung mit der folgenden Verschwörung zubringen; aber innere Folgerichtigkeit oder gar Logik sind nicht seine Stärke. Paulus war jedoch einmal mehr so gewitzt, daß er dem Hohenpriester entkam. Er erfuhr von dem Komplott und konnte ihm ausweichen. Der Informant war sein Neffe, aber Paulus war zweifellos längst klar gewesen, daß seitens des Hohenpriesters Gefahr drohte; dafür kannte er ihn und seine Methoden zu gut und hatte seinen Freunden Anweisung gegeben, das Terrain für ihn zu sondieren und ihm alle bedrohlichen Gerüchte zuzutragen. Paulus drang beim römischen Befehlshaber darauf, zweifellos unter erneuter Nutzung seines Status als römischer Bürger, ihn aus der Gefahrenzone heraus und unter bewaffneter Begleitung von Jerusalem nach Caesarea zu bringen.

Doch selbst in Caesarea war Paulus dem Hohenpriester noch nicht ganz entkommen, der die Angelegenheit für wichtig genug hielt, ihn bis nach dort zu verfolgen und Anklage gegen ihn zu erheben:

Über fünf Tage zog hinab der Hohepriester Ananias mit den Ältesten und mit dem Redner Tertullus; die erschienen vor dem Landpfleger wider Paulus. Da er aber berufen ward, fing an Tertullus zu verklagen und sprach: Daß wir in großem Frieden leben unter dir und viel Wohltaten diesem Volk widerfahren durch deine Fürsichtigkeit, allerteuerster Felix, das nehmen wir an allewege und allenthalben mit aller Dankbarkeit. Auf daß ich aber dich nicht zu lange aufhalte, bitte ich dich, du wolltest uns kürzlich hören nach deiner Gelindigkeit. Wir haben diesen Mann gefunden schädlich, und der Aufruhr erregt allen Juden auf dem ganzen Erdboden, und einen Vornehmsten der Sekte der Nazarener, der auch versucht hat, den Tempel zu entweihen; welchen wir auch griffen und wollten ihn gerichtet haben nach unserm Gesetz. Aber Lysias, der Hauptmann, kam dazu und führte ihn mit großer Gewalt aus unsern Händen und hieß seine Verkläger zu dir kommen; von welchem du kannst, so du es erforschen willst, das alles erkunden, um was wir ihn verklagen. Die Juden aber redeten auch dazu und sprachen, es verhielte sich also. (Apg. 24,1-9)

Es ist eindeutig, daß die Anklage des Hohenpriesters gegen Paulus auf ein politisches und nicht auf ein religiöses Vergehen zielt; zugrunde liegt die Behauptung, Paulus stelle eine Gefahr für die römische Herrschaft dar, deren Vorzüge der Vertreter des Hohenpriesters in servilen Wendungen preist. Trotzdem kann der Verfasser der Apostelgeschichte der Versuchung nicht widerstehen, die »Ältesten« ins Spiel zu bringen (diesmal schreibt er allerdings freundlicherweise nur von »einigen« Ältesten) und schließlich schon wieder »die Juden«. Der Gebrauch der Kollektivbezeichnung »die Juden« in der Apostelgeschichte, der diesbezüglich nur vom Johannesevangelium übertroffen wird, trägt ganz wesentlich zur allgemeinen antisemitischen Wirkung des Buches bei, obwohl viele Details bei näherer Betrachtung der Absicht des Autors widersprechen. Die »Ältesten« des Sanhedrin hätten keinerlei Grund gehabt, sich an diesem Fall und in diesem Stadium überhaupt zu beteiligen, nachdem der Sanhedrin Paulus hinsichtlich aller religiösen Anklagen freigesprochen hatte. Wer »die Juden« in diesem Fall sein sollen, ist noch weniger ersichtlich als gewöhnlich (die Juden von Caesarea vielleicht?), und sie tauchen hier nur auf, um die allgemeinen Anschuldigungen des Textes gegen die Juden als solche zu verstärken.

Obwohl der Hohepriester eine politische Anklage vorbringt (und sogar einen römischen Anwalt mit diesem Fall betraut), fügt er als nachträgliche Überlegung noch die Anklage wegen eines religiösen Vergehens hinzu, nämlich, Paulus versucht, »den Tempel zu entweihen«. Diese Anklage war von den »Juden aus Asien« als ersten erhoben worden - auch hier in einer Art nachträglicher Überlegung -, die Paulus zunächst auf dem Tempelgelände öffentlich angegriffen und angezeigt hatten (Apg. 21,28). Bemerkenswerterweise wird diese Anklage jedoch während der Verhandlung vor dem Sanhedrin nicht erwähnt. Es spricht daher einiges dafür, daß dieser Vorwurf eigentlich erst seitens des Hohenpriesters in Caesarea erhoben wurde und vom Verfasser der Apostelgeschichte nachträglich in die Anzeige der »Juden von Asien« eingefügt wurde (mit der holperigen Begründung, sie hatten Paulus in der Gesellschaft des Heiden Trophimus durch Jerusalem gehen sehen und fälschlicherweise angenommen, er hätte diesen Heiden in jene Tempelbezike mitgenommen, die für Heiden verboten waren). Der Hohepriester beschuldigt Paulus, ein Unruhestifter zu sein und darüber hinaus nicht nur gegen römische Gesetze, sondern auch gegen seine eigene Amtsgewalt im Tempel irgendwie vorstoßen zu haben. Auch das, so würde der römische Statthalter annehmen, hatte mehr den Charakter des Unruhestiftens als den der Stellungnahme zu religiösen Fragen. Möglicherweise finden wir hier einen Nachhall der Anklage, die man gegen Jesus erhob und später gegen Stephanus: sie hätten nämlich gegen den Tempel gepredigt) und erklärt er sei dazu bestimmt, zerstört und wieder aufgebaut zu werden, eine Prophezeiung, die typisch für messianische Bewegungen ist. Der Hohepriester fügt dieses Detail nur deshalb hinzu, um sein Bild von Paulus als prominenter Gestalt in einer ketzerischen und rebellischen, gefährlichen Messiasbewegung abzurunden.

Die Anklage des Hohenpriesters bestätigt auf diese Weise, daß er einen persönlichen Rachefeldzug gegen Paulus verfolgt, weil dieser aus dem pro-römischen Lager desertiert ist. Es kommt dem Hohenpriester gar nicht in den Sinn, daß Paulus in Wirklichkeit nach wie vor pro-römisch gesinnt ist, weil dessen persönliche Interpretation des Glaubens an Jesus gänzlich unpolitisch ist und keinerlei Erfüllung auf Erden im Sinne eines unabhängigen Judäa mit einschließt. Für den Hohenpriester sind alle Nazarener ein politisches Ärgernis, und dieser spezielle Nazarener ist ihm am verhaßtesten, weil er von der Partei der Kollaborateure desertiert ist und sich dem Widerstand angeschlossen hat. Diese Rede des Hohenpriesters ist ein weiterer wertvoller Beweis für die Einstellung der Nazarener, wie wir sie in diesem Buch herausgearbeitet haben, und sie zeigt, daß die Jesusbewegung von Jerusalem ausgesprochen politische Zielsetzungen hatte.

Der Statthalter beschloß jedoch, Paulus nicht auszuliefern, sondern ihn unter Beobachtung zu halten, einesteils wegen dessen Eigenschaft als römischer Bürger, zum anderen, weil er die Vermutung hatte, daß Paulus über reichlich Geld verfügte, und selber hoffte, sich einen Teil davon zu verschaffen. Es ist sehr wohl möglich, daß Paulus dem Statthalter Felix tatsächlich ein Bestechungsgeld gab und sich deswegen bis zum Ende von dessen Statthalterschaft zwei Jahre später unbehelligt in Caesarea aufhalten konnte.

Als der neue Statthalter, Festus, eintraf, fing der Hohepriester wieder mit seiner Anklage gegen Paulus an und brachte sie so energisch vor, daß Paulus einen neuen Ausweg finden mußte, um sich zu retten: er verlangte ein Verfahren vor dem Kaiser in Rom, wozu er als römischer Bürger berechtigt war.

Es folgt nun in der Apostelgeschichte ein »Bühnenstück«, in dem Paulus vor den jüdischen Titularkönig Herodes Agrippa II. gebracht wird und seine Ansichten so beredt vertritt, daß der König ihn voll und ganz bewundert und scheinbar drauf und dran ist, selbst Christ zu werden. Diese ganze Episode atmet eine romanhafte. Atmosphäre, wirkt ganz und gar unecht und steckt voller unhistorischer Einzelheiten. Herodes Agrippa II., dessen Vater, Herodes Agrippa I, den Nazarenerführer Jakobus, Sohn des Zebedäus, hatte hinrichten lassen, konnte wohl kaum so blauäugig sein, daß er gar nichts von den politischen Zielen der Nazarener-Bewegung wußte, die ja immerhin auch für seine eigene Herrschaft eine Bedrohung darstellte (da sie die Dynastie der Herodianer nicht als rechtmäßige Könige anerkannte). Dennoch erhebt er keine Einwände gegen die unpolitische Darstellung der Jesus-Anhänger durch Paulus, der behauptet, deren Ziel sei ausschließlich, Israel zur inneren Umkehr aufzurufen, im Einklang mit dem, was Jesus angestrebt habe, der nicht als Messiasgestalt dargestellt wird. Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, hatte einen Hang zum Romancier und konnte der Versuchung nicht widerstehen, die farbigen Charaktere des Herodes und seiner Schwester Berenike einzuführen sowie gleichzeitig seinem Helden Paulus die Gelegenheit zu geben, mit einer feierlichen Ansprache deren Achtung und Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Paulus wurde also nach Rom geschickt, wie er das verlangt hatte, um sich dort einer vom Hohenpriester vorgebrachten Anklage wegen Illoyalität gegenüber Rom zu stellen. Um Verstöße gegen die jüdische Religion konnte es in der Anklage nicht gehen, denn derlei hätte den römischen Kaiser wohl schwerlich interessiert. Lukas, der ja in cap. 24 die vom Hohenpriester vorgebrachte Anklage ganz eindeutig als politisch charakterisiert hatte, ordnet sie in 25,19 und 28,22 wieder unter »Verstoß gegen die Religion« ein. Sonst wäre es ihm nämlich nicht möglich, »die Ältesten« und »die Juden« wieder mit einzubeziehen, denen die Schuld an den Schwierigkeiten von Paulus in die Schuhe geschoben werden soll, gerade so, wie sie ja schon für die Leiden Christi verantwortlich gemacht worden waren.

Was mit Paulus in Rom geschah, wissen wir nicht. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es ihm gelang, den römischen Behörden einzureden, er habe alle Verbindungen zu der aufrührerischen Nazarenerbewegung gekappt, deren Schwerpunkt ja in Jerusalem lag. Allerdings könnte der schwerwiegende Verstoß gegen seine Amtspflichten im Dienste Roms damals in Damaskus erheblich gegen ihn gesprochen haben. Daß er römischer Bürger war, könnte dagegen hilfreich gewesen sein, um seine dauerhafte Bindung an Rom trotz seiner damaligen Verfehlung zu beweisen. Nach der Legende, die die Kirche später verbreitete, erlitt Paulus in Rom den Märtyrertod, doch diese Geschichte verdient kein Vertrauen. Es kann sehr gut sein, dass er bis ins hohe Alter weiterlebte und die heidenchristliche Kirche weiter aufbaute, deren Grundlagen er gelegt und für die er seinen großen Einfallsreichtum und seine ganze Person eingesetzt hatte."
Und hier also noch das Kapitel über Paulus aus dem Buch "Zelot" von Reza Aslan, rororo 2013/15:

Kapitel vierzehn S. 231 BIN ICH NICHT EIN APOSTEL?

"Als Saulus von Tarsus Jerusalem verließ, um jene Hellenisten zu finden und zu bestrafen, die nach der Steinigung des Stephanus nach Damaskus geflohen waren, wünschte er den Jüngern immer noch Mord und Totschlag an den Hals. Saulus war vom Hohepriester nicht dazu aufgefordert worden, Jagd auf diese Anhänger Jesu zu machen; er tat es aus freien Stücken. Als gebildeter, Griechisch sprechender Diasporajude und Bürger einer der reichsten Hafenstädte des römischen Imperiums war Saulus ein eifriger Diener des Tempels und der Tora. «Ich wurde am achten Tag beschnitten, bin aus dem Volk Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräer von Hebräern», schreibt er über sich selbst in einem Brief an die Philipper, «lebte als Pharisäer nach dem Gesetz, verfolgte voll Eifer die Kirche und war untadelig in der Gerechtigkeit, wie sie das Gesetz vorschreibt.» (Phil 3,5-6)

Auf dem Weg nach Damaskus hatte der junge Pharisäer jedoch ein ekstatisches Erlebnis, das alles für ihn veränderte und durch welches er den bis dahin verhassten Glauben selbst annahm. Als er sich mit seinen Reisebegleitern den Stadttoren näherte, traf ihn plötzlich ein Licht aus dem Himmel, das alles um ihn herum hell erleuchtete. Er stürzte zu Boden. Eine Stimme sagte zu ihm: «Saul, Saul, warum verfolgst du mich?»

«Wer bist du, Herr?», fragte Saulus.

Die Antwort schallte durch das grelle weiße Licht: «Ich bin Jesus.»

Geblendet durch diese Vision, gelangte Saulus nach Damaskus, wo er einem Anhänger Jesu namens Ananias begegnete, der ihm die Hände auflegte und seine Sehfähigkeit wiederherstellte. In diesem Augenblick fielen Saulus buchstäblich die Schuppen von d den Augen, und er wurde vom Heiligen Geist erfüllt. Unverzüglich ließ er sich taufen und schloss sich der Jesus-Bewegung an. Er änderte seinen Namen in Paulus und begann sofort damit, von dem auferstandenen Jesus zu predigen - und zwar nicht seinen jüdischen Mitbürgern, sondern den Nichtjuden, die von den wichtigsten Missionaren der Bewegung bis zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger ignoriert worden waren.

Die Geschichte von Paulus' dramatischer Wandlung auf der Straße nach Damaskus ist freilich nichts weiter als eine propagandistische Legende aus der Feder des Evangelisten Lukas; Paulus selbst erwähnt nirgends, dass er vom Lichte Jesu geblendet worden sei. Wenn man den Überlieferungen Glauben schenken darf, war Lukas ein junger, begeisterter Anhänger von Paulus: Er ist in zwei Briefen erwähnt, Kolosser und Timotheus, die allgemein Paulus zugeschrieben werden, jedoch lange nach dessen Tod verfasst wurden. Lukas schrieb die Apostelgeschichte 30 oder 40 Jahre] nach Paulus' Tod als eine Art Lobrede auf seinen früheren Meister. Tatsächlich ist die Apostelgeschichte weniger ein Bericht über das Wirken der Apostel als eine ehrfurchtsvolle Paulus-Biographie; schon früh im Buch verschwinden die Apostel und dienen kaum mehr denn als Brücke zwischen Jesus und Paulus. In Lukas' Neuauslegung ist Paulus - weder Jakobus noch Petrus, Johannes oder ein anderer der Zwölf- der wahre Nachfolger Jesu. Die Aktivitäten der Apostel in Jerusalem sind lediglich ein Vorspiel zu Paulus Wirken in der Diaspora.

Obgleich Paulus keinerlei Details über seine Konversion preis; gibt, beharrt er doch regelmäßig darauf, er habe den auferstandenen Jesus mit eigenen Augen gesehen und dass ihn diese Erfahrung mit derselben apostolischen Autorität ausstatte wie die Zwölf. «Bin ich nicht ein Apostel?», schreibt Paulus zur Verteidigung seiner Legitimation, die von der Urgemeinde in Jerusalem regelmäßig angezweifelt wird. «Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen?» (1 Kor 9,1)

Paulus mag sich selbst als Apostel betrachtet haben, aber es scheint, als hätten nur wenige andere führende Mitglieder der Bewegung seine Meinung geteilt. Nicht einmal Lukas, Paulus' Lobhudler, dessen Schriften einen bewussten, geschichtlich unhaltbaren Versuch offenbaren, den Status seines Mentors in der Frühkirche zu heben, bezeichnet ihn als Apostel. Was Lukas betrifft, gibt es 1 nur zwölf Apostel, einen für jeden Stamm Israels, so wie Jesus es vorgesehen hat. In seiner Erzählung davon, wie die verbleibenden elf Apostel Judas Iskariot nach Jesu Tod durch Matthias ersetzen, schreibt Lukas, dass der Neuling einer «von den Männern» habe sein müssen, «die die ganze Zeit mit uns zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und (in den Himmel) aufgenommen wurde» (Apg 1,21). Eine solche Anforderung hatte Paulus von vornherein ausgeschlossen, da er sich erst um das Jahr 37 der Bewegung angeschlossen hatte, also fast zehn Jahre nach Jesu Tod. Doch davon lässt sich Paulus nicht beirren. Er verlangt nicht nur, als Apostel bezeichnet zu werden - «Wenn ich für andere kein Apostel bin, bin ich es doch für euch», verkündet er seiner geliebten Gemeinde in Korinth (1 Kor 9,2) -, sondern beharrt obendrein darauf, weit höherstehend als alle anderen Apostel zu sein. «Sie sind Hebräer - ich auch. Sie sind Israeliten - ich auch. Sie sind Nachkommen Abrahams - ich auch. Sie sind Diener Christi - jetzt rede ich ganz unvernünftig -, ich noch mehr: Ich ertrug mehr Mühsal, war häufiger im Gefängnis, wurde mehr geschlagen, war oft in Todesgefahr.» (2 Kor 11,22-23)
    Besonders verhasst sind Paulus die in Jerusalem ansässigen Jakobus, Petrus und Johannes, die er als die angeblichen «Säulen» der Kirche verspottet (Gal 2,6), «Was sie früher waren, kümmert mich nicht», schreibt er, «auch von den (Angesehenem wurde mir nichts auferlegt.» (Gal 2,6) Die Apostel mochten den lebendigen Jesus (oder, wie ihn Paulus herablassend nennt, «Jesus im Fleische») begleitet und mit ihm gesprochen haben, Paulus hingegen wandelt und spricht mit dem göttlichen Jesus: Er behauptet, sie führten Gespräche, in denen ihm Jesus geheime Anweisungen gebe, die nur für seine Ohren bestimmt seien. Die Apostel mögen von Jesus persönlich auserkoren worden sein, als sie auf ihren Feldern schufteten oder gerade ihre Fischernetze einholten. Paulus indes will von Jesus erwählt worden sein, bevor er noch geboren war: Er sei «schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen» worden, erzählt er den Galatern (Gal 1,15). Mit anderen Worten: Paulus betrachtet sich nicht als 13. Apostel. Er hält sich für den ersten Apostel.

    Der Anspruch auf die Apostelrolle ist für Paulus von höchster Bedeutung, denn nur so lässt sich seine ausschließlich selbst auferlegte Missionierung der Nichtjuden rechtfertigen, scheint diese doch von den Führern der Jesus-Bewegung in Jerusalem anfänglich nicht unterstützt worden zu sein. Es gab unter den Aposteln zwar viele Diskussionen darum, wie strikt man sich an das Gesetz Mose halten solle - manche forderten dessen rigorose Befolgung, andere wiederum nahmen eine moderatere Haltung ein -, doch bestand kaum Uneinigkeit darüber, wem die Gemeinde dienen solle: Es war eine jüdische Bewegung, gerichtet auf ein jüdisches Publikum. Selbst die Hellenisten beschränkten sich in ihrem Predigen hauptsächlich auf die Juden. Wenn dann eine Handvoll Nichtjuden beschloss, Jesus als Messias anzunehmen, war das allerdings kein Problem, solange sie sich der Beschneidung und Gesetz unterwarfen.

    Für Paulus indes gibt es keinerlei Spielraum, über die Rolle des Gesetzes Mose in der neuen Gemeinde zu debattieren. Er lehnt die Vorrangstellung des jüdischen Gesetzes nicht nur ab, sondern ',, bezeichnet es gar als «Dienst, der zum Tod führt und dessen Buchstaben in Stein gemeißelt waren», der von einem viel herrlichen «Dienst des Geistes» abgelöst werden soll (2 Kor 3,7-8). Seine Mitgläubigen, die weiterhin die Beschneidung praktizieren - ein wesentliches Merkmal des Volkes Israel -, bezeichnet er als «Hunde», «falsche Lehrer» und «Verschnittene» (Phil 3,2). Für einen ehemaligen Pharisäer sind das durchaus verblüffende Aussagen. Für Paulus jedoch spiegelt sich in ihnen die Wahrheit über Jesus wider, die er allein zu erkennen glaubt und die da lautet: «Christus ist das Ende des Gesetzes.» (Rom 10,4)
    Paulus' unbekümmerte Ablehnung der Grundfeste des Judentums war für die Anführer der Jesus-Bewegung in Jerusalem ebenso schockierend, wie sie für Jesus selbst gewesen wäre. Schließlich behauptete Jesus, er sei gekommen, um das Gesetz Mose zu erfüllen, und nicht, um es abzuschaffen. Weit davon entfernt, das Gesetz abzulehnen, strebte Jesus stets danach, es zu erweitern und zu intensivieren. Wo das Gesetz gebietet, «Du sollst nicht töten», fügt Jesus hinzu: «Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll demselben] Gericht verfallen sein,» (Mt 5,22) Wo das Gesetz festlegt, «Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen», erweitert es Jesus zu «Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.» (Mt 5,28) Jesus mochte hinsichtlich der korrekten Auslegung des Gesetzes mit den Schreibern und Gelehrten uneins sein, insbesondere, was solche Dinge wie das Arbeitsverbot am Sabbat betraf. Doch das Gesetz als solches zweifelte er niemals an. Im Gegenteil; «Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein», warnt er. (Mt 5,19)

    Nun sollte man eigentlich denken, Jesu Ermahnung, anderen nicht den Bruch von Mose Gesetz zu predigen, müsste eine gewisse Wirkung auf Paulus gehabt haben. Diesem scheint es jedoch vollkommen egal zu sein, was «Jesus im Fleische» gesagt oder getan, haben mag. Vielmehr zeigt Paulus keinerlei Interesse an dem historischen Jesus. In all seinen Briefen findet sich kaum mehr als eine Spur des Jesus von Nazaret. Abgesehen von der Kreuzigung und dem Letzten Abendmahl, welches er zu einer liturgischen Formel umwandelt, berichtet Paulus über kein einziges Ereignis aus dem Leben. Ebenso wenig zitiert er Jesus wörtlich (wiederum abgesehen von seiner Version der eucharistischen Formel «Das ist mein Leib ...»). Bisweilen widerspricht Paulus Jesus sogar direkt. Man vergleiche, was Paulus in seinem Römerbrief schreibt - «Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden» (Rom 10,13) -, mit der Aussage Jesu im Matthäus-Evangelium: «Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen.» (Mt 7,21)

    Paulus' Desinteresse am historischen Jesus ist nicht, wie einige .. meinen, seiner Gewichtung christologischer Fragen vor historischen Fakten geschuldet, sondern der simplen Tatsache, dass Paulus keine Ahnung hatte, wer der historische Jesus gewesen war, und sich auch nicht darum scherte. Wiederholt brüstet er sich damit, weder von den Aposteln noch von irgendjemand anderem, der ihn gekannt haben könnte, etwas über Jesus erfahren zu haben. «Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige, da zog ich keinen Menschen zu Rate; ich ging auch nicht sogleich nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog nach Arabien und kehrte dann wieder nach Damaskus zurück.» (Gal 1,15-17) Drei Jahre lang predigt Paulus eine Botschaft, die er angeblich nicht von einem menschlichen Wesen (womit er offensichtlich Jakobus und die Apostel meint), sondern direkt von Jesus erhalten hat. Erst dann lässt er sich dazu herab, die Männer und Frauen in Jerusalem aufzusuchen, die jenen Mann gekannt! haben, den er als den Herrn verehre (Gal 1,12).

    Warum ist es Paulus derart wichtig, sich nicht nur von der Autorität der Führer in Jerusalem zu befreien, sondern diese auch noch als irrelevant (oder Schlimmeres) zu verunglimpfen und abzulehnen? Weil Paulus' Ansichten über Jesus derart extrem sind, so jenseits aller noch akzeptablen Grenzen jüdischen Denkens, sie nur dann ungestraft predigen kann, wenn er vorgibt, sie kamen direkt von Jesus. Was Paulus in seinen Briefen aufzeigt, ist nicht, wie einige seiner heutigen Fürsprecher immer noch betonen, eine alternative Version jüdischer Spiritualität. Vielmehr nähert er sich einer vollkommen neuen Doktrin, die jene Person, auf die er sie vorgeblich stützt, nicht mehr wiedererkannt hätte. Es war Paulus, der das Dilemma der Jünger löste, der den schmachvollen Tod Jesu am Kreuz mit den Messiaserwartungen der Juden in Einklang brachte, indem er diese Erwartungen schlicht verwarf und Jesus in ein vollkommen neues Wesen verwandelte, eines, das er zu großen Teilen selbst erschaffen hatte: Christus.
    Zwar ist «Christus», technisch betrachtet, das griechische Wort für «Messias», aber Paulus verwendet den Begriff anders, Er verleiht Christus keinen der Sinnbezüge, mit denen der Begriff «Messias» in den Hebräischen Schriften verbunden ist. Er spricht von Jesus nie als dem «Gesalbten Israels». Paulus mag Jesus als Nachkomme König Davids anerkannt haben, doch verweist er nicht auf das Schrifttum, um zu beweisen, dass Jesus jener davidische Befreier sei, den die Juden erwartet haben. Er ignoriert sämtliche messianischen Prophezeiungen, mit deren Hilfe die Evangelisten viele Jahre später zu beweisen versuchen, dass Jesus der jüdische Messias sei (wenn Paulus die hebräischen Propheten zitiert - zum Beispiel Jesajas Prophezeiung über den Stammbaum Jesu, der eines Tages «als Zeichen für die Nationen» dastehen wird (Jes 11,10) -, dann glaubt er, die Propheten kündigten ihn an, nicht Jesus}. Am auffälligsten ist, dass Paulus, im Gegensatz zu den Evangelisten (mit Ausnahme von Johannes), Jesus nicht den Christus nennt (lesus ho Xristos), als wäre Christus ein Titel. Vielmehr nennt er ihn «Jesus Christus» oder nur «Christus», als ob es sein Nachname wäre. Dies ist eine extrem, ungewöhnliche Formulierung, deren nächste Parallele sich in der Übernahme des «Cäsar» als Kognomen durch die römischen Kaiser findet, etwa bei «Cäsar Augustus».

    Der Christus des Paulus ist nicht einmal menschlich, wenngleich er eine menschenähnliche Gestalt angenommen hat (Phil 2,7). Er ist ein kosmisches Wesen, das vor der Zeit existiert hat. Er ist die erste Schöpfung Gottes, durch die der Rest seiner Schöpfung erst entsteht (1 Kor 8,6). Er ist Gottes eingeborener Sohn, Gottes physischer Abkömmling (Rom 8,3). Er ist der neue Adam, geboren nicht aus Staub, sondern aus dem Himmel. Allerdings ist «der letzte Adam», wie Paulus Christus nennt, kein Lebewesen wie «Adam, der erste Mensch», sondern ein «lebendig machender Geist» (1 Kor 15,45-47). Kurz, Christus ist ein vollkommen neues Wesen. Doch er ist nicht einzigartig, Er ist lediglich der Erste seiner Art, «der Erstgeborene von vielen Brüdern». (Rom 8,29). Alle, die wie Paulus an Christus glauben, also Paulus' Christuslehre annehmen, können in einer mystischen Vereinigung' eins mit ihm werden (i Kor 1,17). Durch ihren Glauben werden ihre Körper zum herrlichen Körper Christi (Phil 3,20-21). Sie werden dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt von Gottes Sohn teilzuhaben, die, wie Paulus seine Anhänger erinnert, Wesen und Gestalt Gottes sind (Rom 8,29). Als «Erben Gottes und Miterben Christi» können Gläubige somit zu göttlichen Wesen werben (Rom 8,17). Sie können wie Christus in seinem Tode werden (Phil 3,10) - also göttlich und ewig -, betraut mit der Aufgabe, an seiner Seite über die gesamte Menschheit und die Engel im Himmel zu richten (1 Kor 6,2-3).

    Paulus' Darstellung Jesu als Christus mag heutigen Christen vertraut erscheinen, da sie seitdem zur Standarddoktrin der Kirche geworden ist, aber für die jüdischen Anhänger Jesu muss sie schlichtweg bizarr gewesen sein. Die Verwandlung des Nazoräers in einen göttlichen, tatsächlichen Sohn Gottes, der gestorben und auferstanden war, führte eine ganz neue Art ewiger Wesen ein, denen es nun oblag, über die Welt zu richten. In sämtlichen Schriften über Jesus, die auch nur ungefähr zur selben Zeit entstanden sind wie die des Paulus, ist dies ohne jede Parallele (ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Christus des Paulus hauptsächlich dessen eigene Schöpfung war). So findet sich in der Logienquelle Q nichts, was den Vorstellungen des Paulus nahe käme, obgleich dieses Material etwa zur selben Zeit gesammelt wurde, wie Paulus seine Briefe schrieb. Paulus' Christus ist auch bestimmt nicht der Menschensohn, der im Markus-Evangelium auftaucht, das nur wenige Jahre nach Paulus' Tod entstand. Nirgendwo im Lukas- oder Matthäus-Evangelium - verfasst zwischen 90 und 100 n. Chr. - wird Jesus als tatsächlicher Sohn Gottes betrachtet. Beide Evangelien verwenden den Begriff «Sohn Gottes» genau so, wie er in den gesamten Hebräischen Schriften gebraucht wird: als königlichen Titel, nicht als Beschreibung. Erst im letzten der kanonisierten Evangelien, dem des Johannes! das irgendwann zwischen 100 und 120 n. Chr. geschrieben wurde, findet sich Paulus' Sichtweise von Jesus als Christus - als ewiger logos, als eingeborener Sohn Gottes. Freilich war das Christentum, fast ein halbes Jahrhundert nach der Zerstörung Jerusalems, inzwischen eine durch und durch romanisierte Religion, und der Christus des Paulus hatte langst keine Ähnlichkeit mit dem jüdischen Messias mehr, der Jesus einmal gewesen war. In den fünfziger Jahren des 1. Jahrhunderts, als Paulus seine Briefe verfasste, muss seine Jesusdarstellung jedoch schockierend und regelrecht gotteslästerlich gewesen sein. Deshalb fordern Jakobus und die Apostel ihn etwa im. Jahre 57 auf, nach Jerusalem zu kommen und sich für seine abweichlerischen Lehren zu verantworten.

    Für Paulus war es nicht das erste Mal, dass er vor den Führern der Bewegung erschien. Wie er in seinem Brief an die Galater erwähnt, begegnete er den Aposteln erstmals drei Jahre nach seiner Konversion, also etwa um 40 n. Chr., bei einem Besuch in der Heiligen Stadt. Damals lernte er Petrus und Jakobus kennen. Die beiden Anführer waren offensichtlich begeistert: «Er, der uns einst verfolgte, verkündigt jetzt den Glauben, den er früher vernichten wollte.» (Gal 1,23) Sie priesen Gott für Paulus und schickten ihn los, die Botschaft Jesu in den Regionen Syrien und Kilikien zu verkünden. Als Begleiter und Aufpasser stellten sie ihm einen jüdischen Konvertiten und engen Vertrauten Jakobus' namens Barnabas zur Seite.

    Paulus' zweite Reise nach Jerusalem fand etwa ein Jahrzehnt später statt, etwa um das Jahr 50 n. Chr., und verlief weitaus weniger freundlich als die erste. Er war bestellt worden, vor einer Zusammenkunft des Apostelkonzils zu erscheinen, um sich wegen seiner selbst gewählten Rolle als Missionar bei den Nichtjuden zu erklären (Paulus beharrt darauf, er sei nicht nach Jerusalem beordert worden, sondern freiwillig gekommen, weil Jesus ihm dies aufgetragen habe). Mit seinem Begleiter Barnabas und einem unbeschnittenen griechischen Konvertiten namens Titus an seiner Seite stand Paulus vor Jakobus, Petrus, Johannes und den Ältesten der Jerusalemer Gemeinde, um nach Kräften die Botschaft zu verteidigen, die er den Nichtjuden verkündet hatte.
    Lukas, der etwa 40 oder 50 Jahre später über dieses Treffen schrieb, zeichnet ein Bild vollkommener Harmonie zwischen Paulus und den Mitgliedern des Konzils, bei dem Petrus persönlich für Paulus einsteht und Partei für ihn ergreift. Lukas zufolge segnete Jakobus, in seiner Funktion als Führer der Jerusalemer Urgemeinde und Vorsitzender des Apostelkonzils, die Lehren des Paulus und verfügte, dass künftig auch Heiden der Zugang zur Gemeinde offen stehen solle, ohne dass diese das Gesetz Mose befolgen müssten, solange sie «Verunreinigung durch Götzen(opferfleisch) und Unzucht meiden und weder Ersticktes noch Blut essen» (Apg 15,1-21). Lukas' Darstellung des Treffens ist ein offensichtlicher Versuch, Paulus' Wirken zu legitimieren - und zwar durch nichts Geringeres als die Zustimmung des «Bruders des Herrn».

    Paulus' eigene Schilderung der Konzilssitzung, die sich in einem kurz darauf verfassten Brief an die Galater findet, bietet jedoch ein vollkommen anderes Bild davon, was sich in Jerusalem zugetragen hat. So behauptet Paulus, er sei von einer Gruppe «falscher Brüder» (jene, die immer noch die Vorherrschaft von Tempel und Tora akzeptierten), die ihn und sein Wirken heimlich ausspioniert hätten, in einen Hinterhalt gelockt worden. Obwohl Paulus nur sehr ungenau auf das Treffen eingeht, gelingt es ihm jedoch nicht, seine Entrüstung über die Behandlung zu verbergen, die er durch die von ihm spöttisch als «Angesehene» bezeichneten Kirchenführer erfährt - Jakobus, Petrus und Johannes. Paulus schreibt, er habe sich ihnen «keinen Augenblick unterworfen; wir haben ihnen nicht nachgegeben», da weder sie selbst, noch ihre Meinung über sein Wirken ihn auch nur im Geringsten kümmere (Gal 2,1-10).
    Was auch immer sich beim Apostelkonzil ereignete, so endete das Treffen offenbar damit, dass Jakobus, der Führer der Jerusalemer Gemeinde, versprach, die nichtjüdischen Anhänger des Paulus nicht zur Beschneidung zu verpflichten, Kurz darauf geschah jedoch etwas, das darauf hindeutet, dass Paulus und Jakobus weit von einer Versöhnung entfernt waren: Praktisch unverzüglich nach Paulus' Abreise aus Jerusalem begann Jakobus seine eigenen Missionare in Paulus' Gemeinden in Galatien, Korinth und Philippi, sowie in die meisten anderen Orte zu entsenden, wo sich Paulus . eine Anhängerschaft aufgebaut hatte. Sie sollten dessen unorthodoxe Lehre über Jesus korrigieren.

    Paulus war darüber erbost, sah er doch zu Recht darin eine Bedrohung seiner Autorität. Beinahe alle Paulusbriefe im Neuen Testament wurden nach dem Apostelkonzil geschrieben und richten sich an Gemeinden, die von den Abgesandten aus Jerusalem besucht worden waren. So wurde Paulus' erster Brief (an die Thessalonicher) zwischen 48 und 50 n. Chr. geschrieben, sein letzter Brief (an die Römer) etwa um 56 n. Chr. Deshalb wird in diesen Briefen so viel Raum darauf verwendet, Paulus' Apostelstatus zu verteidigen, seine direkte Verbindung zu Jesus zu betonen und gegen die Führer in Jerusalem zu wettern, die sich «als Apostel Christi tarnen», nach Paulus' Auffassung tatsächlich jedoch Diener Satans sind, die seine Anhänger verhext haben (2 Kor 11,13-16).
    
Nichtsdestotrotz konnten die Abgesandten des Jakobus offenbar einen gewissen Erfolg verzeichnen, da Paulus seine Gemeinden wiederholt bezichtigt, ihn im Stich gelassen zu haben:, «Ich bin erstaunt, dass ihr euch so schnell von dem abwendet, der euch durch die Gnade Christi berufen hat.» (Gal 1,6) Er beschwört seine Anhänger, weder den Delegationen noch irgendjemand anderem Gehör zu schenken, sondern nur ihm selbst; «Wer euch] ein anderes Evangelium verkündigt, als ihr angenommen habt,;] der sei verflucht» (Gal 1,9). Selbst wenn «ein Engel vom Himmel» eine solche Botschaft bringe, solle die Gemeinde ihn ignorieren, schreibt Paulus (Gal 1,8). Stattdessen solle sie nur Paulus allein gehorchen: «Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme.» (1 Kor 11,1)
    Paulus ist verbittert und fühlt sich an die Autorität des Jakobus und der Apostel in Jerusalem nicht langer gebunden («was sie früher waren, kümmert mich nicht»). In den folgenden Jahren! verbreitet er ungehindert seine Doktrin von Jesus als Christus. Ob Jakobus und die Apostel in Jerusalem über Paulus' Aktivitäten während dieser Zeit in vollem Umfang Bescheid wussten, ist strittig. Schließlich verfasste Paulus seine Briefe in Griechisch, also einer Sprache, die weder Jakobus noch die Apostel lesen konnten. Hinzu kam, dass Barnabas, die einzige Verbindung zu Jakobus, Paulus aus unklaren Gründen kurz nach dem Apostelkonzil verlassen hatte (wenngleich erwähnt werden sollte, dass Barnabas ein Levit war und als solcher das jüdische Gesetz strikt befolgte). Wie dem auch sei - im Jahre 57 n, Chr. ließen sich die Gerüchte um. Paulus' Lehren jedenfalls nicht langer ignorieren. Daher bestellte man ihn erneut nach Jerusalem ein, damit er sich verantworte.

    Diesmal wendet sich Jakobus direkt an Paulus und teilt ihm' mit, es sei ihnen zu Ohren gekommen, dass Paulus Gläubigen lehre, «von Mose abzufallen», und sie auffordere, «ihre Kinder nicht zu beschneiden und sich nicht an die Bräuche [des Gesetzes| zu halten (Apg 21,21). Paulus nimmt zu dieser Anschuldigung nicht Stellung, obwohl es exakt das ist, was er predigt. Er ist sogar so weit gegangen, zu behaupten, dass diejenigen, die sich beschneiden ließen, «mit Christus nichts mehr zu tun» hätten (Gal 5,2-4). Um die Angelegenheit ein für alle Mal zu klären, zwingt Jakobus Paulus, zusammen mit vier anderen Männern an einem strengen Reinigungsritual im Tempel teilzunehmen — demselben Tempel,.! der Paulus zufolge durch das Blut Jesu ersetzt worden ist: «So wird jeder einsehen, dass an dem, was man von dir erzählt hat, nichts ist, sondern dass auch du das Gesetz genau beachtest.» (Apg 21,24)

    Paulus gehorcht; er scheint in der Sache keine andere Wahl zu haben. Doch als er das Ritual gerade vollendet, wird er von einer Gruppe tiefgläubiger Juden erkannt. «Israeliten!», schreien sie. «Kommt zu Hilfe! Das ist der Mensch, der in aller Welt Lehren verbreitet, die sich gegen das Volk und das Gesetz und gegen diesen Ort richten.» (Apg 21,27-28) Da fällt eine aufgebrachte Menge über Paulus her. Sie ergreifen ihn und zerren ihn aus dem Tempel. Als sie ihn gerade totschlagen wollen, erscheint plötzlich eine Gruppe römischer Soldaten. Die Soldaten lösen den Tumult auf und nehmen Paulus in Gewahrsam - nicht wegen der Unruhe im Tempel; sondern, weil sie ihn fälschlicherweise für jemand anderen halten. «Dann bist du also nicht der Ägypter, der vor einiger Zeit die 4000 Sikarier aufgewiegelt und in die Wüste hinausgeführt hat?», fragt ein Offizier Paulus. (Apg 21,38)

    Es scheint, als hätte Paulus im Jahre 57 zu keiner chaotischeren Zeit in Jerusalem eintreffen können. Ein Jahr zuvor hatten die Sikarier ihre Schreckensherrschaft begonnen und den Hohepriester Jonatan ermordet. Nun brachten sie gezielt die Mitglieder des priesterlichen Adels um, brannten ihre Häuser nieder, kidnappten ihre Familien und säten Angst in den Herzen der Juden. Die messianische Stimmung in Jerusalem war auf dem Siedepunkt. Einer nach dem anderen waren selbsternannte Messiasse aufgetreten, um die Juden vom Joch Roms zu befreien. Der Wunder wirkende Theudäs war wegen seiner messianischen Ambitionen bereits von Rom zum Schweigen gebracht worden. Die rebellischen Sohne von Judas dem Galiläer, Jakob und Simon, hatte man gekreuzigt. Der Bandenfuhrer Eleasar, Sohn des Dinaios, der die ländlichen Gebiete unsicher gemacht hatte, war vom römischen Präfekten Felix gefangen und enthauptet worden. Dann war plötzlich der Ägypter auf dem Ölberg aufgetaucht und hatte geschworen, er könne auf sein Geheiß die Mauern Jerusalems zum Einsturz bringen.
    Für Jakobus und die Apostel in Jerusalem konnte dieser ganze Aufruhr nur eines bedeuten: Das Ende war nahe; bald würde Jesus zurückkehren. Das Königreich Gottes, von dem sie geglaubt?) hatten, Jesus würde es zu seinen Lebzeiten errichten, würde nun endlich kommen - ein Grund mehr, dafür zu sorgen, dass jene, die den abweichlerischen Lehren in Jesu Namen anhingen, in den Schoß der Familie zurückgebracht wurden.
    In diesem Lichte mag Paulus' Verhaftung in Jerusalem zwar unerwartet gewesen sein, doch angesichts der apokalyptischen Erwartungen in Jerusalem kam sie keinesfalls zur falschen Zeit und wurde sogar begrüßt. Wenn Jesus bald zurückkehrte, wäre es nicht schlecht, wenn ihn Paulus in einer Gefängniszelle erwartete, wo man ihn und seine perversen Ansichten wenigstens so lange festhalten könnte, bis Jesus sich selbst ein Urteil darüber gebildet hätte. Da die Soldaten, die die Verhaftung vornahmen, jedoch glaubten, Paulus wäre der Ägypter, schickten sie ihn unverzüglich nach Cäsarea, um ihn von dem römischen Präfekten Felix aburteilen zu lassen. Dieser hielt sich damals gerade in der Küstenstadt auf, weil zwischen den Juden der Stadt und den Syrern und Griechen', ein Konflikt ausgebrochen war. Felix sprach Paulus am Ende zwar' von den ihm vorgeworfenen Verbrechen des Ägypters frei, warf;,' ihn aber trotzdem in ein Gefängnis in Casarea. Dort schmachtete' er, bis Felix von Festus als Prokurator abgelöst wurde, auf dessen Geheiß Paulus prompt nach Rom überstellt wurde.
    
Festus gestattete Paulus, nach Rom zu gehen, weil dieser darauf beharrte, ein römischer Bürger zu sein. Er war in Tarsus zur Welt gekommen, einer Stadt, deren Bewohnern Marcus Antonius ein Jahrhundert zuvor die römischen Bürgerrechte zuerkannt hatte. Als Bürger hatte Paulus Anspruch auf ein ordentliches Gerichtsverfahren, und Festus, der nur eine sehr kurze und unruhige Zeit als Präfekt diente, schien ihm dies gerne gewährt zu haben - und wenn auch nur, um ihn loszuwerden.
    Für Paulus mag es noch einen dringenderen Grund gegeben haben, warum er unbedingt nach Rom gehen wollte. Nach dem peinlichen Spektakel im Tempel, bei dem man ihn gezwungen hatte, alles zu widerrufen, was er jahrelang gepredigt hatte, wollte Paulus so weit fort wie möglich von Jerusalem und dem immer kürzer werdenden Gängelband, das ihm Jakobus und die Apostel um den Hals gelegt hatten. Obendrein schien Rom der perfekte Ort für Paulus zu sein. Schließlich war es die kaiserliche Metropole, die Hauptstadt des römischen Imperiums.
    Bestimmt waren die hellenistischen Juden, welche die Stadt Cäsars zu ihrer Heimat erwählt hatten, empfänglich für Paulus' unorthodoxe Lehren über Jesus Christus. In Rom gab es bereits eine kleine, aber stetig wachsende Christenschar, die dort neben einer recht ansehnlichen jüdischen Gemeinde lebte. Ein Jahrzehnt vor Paulus' Ankunft hatten Konflikte zwischen den beiden Glaubensgemeinschaften zum Ausschluss beider Gruppen aus der Stadt durch Kaiser Claudius geführt. Als Paulus irgendwann Anfang der sechziger Jahre dort eintraf, florierten beide Gemeinden jedoch langst wieder. Die Stadt schien reif für seine Botschaft.

    Obwohl Paulus in Rom offiziell unter Hausarrest stand, scheint es ihm gelungen zu sein, seine Tätigkeit als Prediger mehr oder weniger ungestört fortzusetzen. Nach übereinstimmenden Berichten hatte er jedoch bei der Konversion der römischen Juden nur mäßigen Erfolg. Die jüdische Bevölkerung war seiner einzigartigen Interpretation des Messias gegenüber nicht nur verschlossen, sie begegnete ihm offen feindselig. Selbst die nichtjüdischen Konvertiten scheinen Paulus nicht gerade mit offenen Armen empfangen zu haben. Dies mag daran gelegen haben, dass Paulus nicht der einzige «Apostel» war, der in der kaiserlichen Stadt von Jesus predigte.
    Petrus, der erste der Zwölf, war ebenfalls in Rom,
Petrus war einige Jahre vor Paulus wahrscheinlich auf Jakobus' Geheiß nach Rom gekommen, um eine stabile Gemeinde Griechisch sprechender, jüdischer Gläubiger im Herzen des römischen Imperiums aufbauen zu helfen. Diese Gemeinde sollte unter dem Einfluss der Jerusalemer Urgemeinde stehen und gemäß deren Doktrin unterrichtet werden. Kurz: eine Anti-Paulus-Gemeinde. Es lässt sich nicht genau sagen, wie erfolgreich Petrus vor Paulus' Eintreffen mit dieser Aufgabe war. Der Apostelgeschichte zufolge aber reagierten die Hellenisten in Rom derart negativ auf Paulus' Predigten, dass er beschloss, sich ein für alle Mal von den Juden loszusagen, «denn das Herz dieses Volkes ist verstockt und ihre Ohren hören schwer und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und i mit dem Herzen verstehen». Fortan wollte er nur noch den Heiden predigen, denn «sie werden es hören» (Apg 28,27;29).
    Es gibt keine Aufzeichnungen über diese letzten Jahre im Leben von Petrus und Paulus, jenen beiden Männern, die zu den bedeutendsten Figuren des Christentums werden sollten. Seltsamerweise beschließt Lukas seinen Bericht über das Leben des Paulus mit dessen Ankunft in Rom und erwähnt dabei nicht, dass sich Petrus ebenfalls in der Stadt aufhielt. Noch seltsamer ist, dass er das wichtigste Ereignis ihrer gemeinsamen Jahre in der kaiserlichen Stadt einfach weglässt. Im Jahre 66 n. Chr. nämlich, also in dem Jahr, in dem die Unruhen in Jerusalem ausbrachen, reagierte Kaiser Nero auf eine plötzliche Welle der Christenverfolgung in Rom damit, dass er Petrus und Paulus verhaften und hinrichten ließ. Er nahm an, beide verträten denselben Glauben. Er irrte sich."


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(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)