PRIESTER (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

PRIESTER haben in allen Religionen die Mittlerfunktion zwischen Gott (oder den Göttern) und den Menschen - daher ist das lateinische Wort für Priester auch "Brückenbauer" (pontifex). Im allgemeinen gibt es dafür besondere Kasten (gesellschaftliche Gruppierungen). Bisweilen fühlen sich die Priester als unmittelbare Ur-Enkel der Göttern oder besser wohl Ur-Ur-Ur...Enkel: In einer englischsprachigen Informationsschrift des Aso-jinja-Schreins am Fuß des Aso-Vulkans auf der japanischen Insel Kyushu legt der Oberpriester dieses Tempels etwa dar, daß er in der 19. Generation vom "Gott des Tales" abstammt. Natürlich sind dann die Gebete dieses Priesters besonders wirksam (!) - und die Spenden haben einen hohen Kosten-Nutzen-Koeffizient!

Wie das mit den Gebeten funktioniert, konnte ich in einem kleinen Tempel in Goa/Indien beobachten: Da kaufte eine Gläubige am "Gnadenmittelverkaufstresen" am Eingang des Tempels einen Zettel (offensichtlich ein Gebetszettel), den sie dann vorne einem Priester gab, der damit vor das Götterbild trat, das Gebet halblaut herunterleierte und den Zettel zusammenfaltete und der Frau zurück gab. Und ansonsten scheint die Aufgabe der Priester in den Tempeln darin zu bestehen, alle möglichen Riten zu vollziehen, wozu auch gehört, daß sie die Götterstatuen morgens für den Tag und für den Empfang der Gläubigen zurechtmachen (waschen und anziehen), ihnen tagsüber ihre Essensmahlzeiten hinstellen und sie abends wieder waschen und für die Nachtruhe fertig machen. Und dafür bekommen sie dann das Geld der Gläubigen.

Daß Priester heiraten, ist normal, allerdings gibt es auch genügend Religionen, bei denen zu den Aufgaben der Priester gehört, zusätzlich noch "Fruchtbarkeitsriten zu vollziehen", also Sex mit manchen Gläubigen zu haben. Unter Tempelprostitution (siehe auch den Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter Hinduismus) habe ich beschrieben, daß die Priester allerdings bisweilen (oder zumeist?) so arm sind, daß sie das nicht selbst tun sondern sich bei diesen Riten von zahlungskräftigen Gläubigen gegen eine ordentliche Spende für den Tempel und für den Vater des Mädchens, der ja schließlich das Mädchen großgefüttert und daher Kosten gehabt hat, bei der Entjungferung und bei dem weiteren Sex "vertreten" lassen.  

Die Priester unserer christlichen Kirchen sollten genau die entgegengesetzte Funktion haben wie diese Götterpriester!

Ja, eigentlich sollten sie Jesus vertreten im Sinn der Nachfolge Jesu und dort weiterarbeiten, wo er aufgehört hatte.  

Doch hier beginnt eine absolut schwierige Gratwanderung und ich muß dazu darauf hinweisen, daß auch ich einmal Priester werden wollte, jedoch nach meinem Studium wegen meiner Ansichten, etwa zur Kontraproduktivität der von der Kirche gelehrten Moral, nicht angenommen wurde. Es kann also durchaus sein, daß ich etwas kritisiere nach dem Motto des Fuchses, der vorgibt, daß ihm die Trauben zu sauer sind, um nicht zuzugestehen, daß er gar nicht an sie herankommt. Der Leser ist also gefordert, kritisch zu sein! 

Ob Jesus typische Priester als "Mittler zwischen Mensch und Gott" und vor allem eine Art "Priesterkaste" überhaupt wollte, selbst wenn diese sich wegen der Ehelosigkeit (siehe Zölibat) immer wieder neu bilden muß, ist mehr als fraglich und damit auch sein Hoheitstitel Christus, der ja nichts anderes als Priester bedeutet. Bedenken wir, daß die "Hauptveranstaltung" unseres christlichen Glaubens eine Mahlgemeinschaft ist, die im Grunde keines "Vorsitzenden" bedarf, andererseits jedoch auch jemand da sein muß, der in der Nachfolge Jesu steht, dafür zu sorgen, daß die Gebote so gelehrt werden, daß sie auch gehalten werden können. 

Und wie kann das nun sinnvoll in der Praxis gelebt werden?

Ob es zur vernünftigen Veranstaltung eines Abendmahls und auch zum sinnvollen Lehren der Zehn Gebote überhaupt so etwas wie eine Priesterweihe geben muß?

Ob eine besondere Weihe nicht immer das Kultische und Magische schließlich bevorzugt und wir damit wieder in Richtung Götzenpriester (siehe oben) landen? Und ob Priester nicht immer auch in der Gefahr sind, ein Primat des Glaubens zu konstruieren und damit schließlich die Moral im Sinn von wirklicher Sittlichkeit zu vernachlässigen (siehe Glaube und Moral), ob Priester also schließlich nicht immer am "Pharisäismus" erkranken (siehe Pharisäer), selbst wenn sie das nie und nimmer wollen? Schließlich ist die Motivation gerade für das Zölibat (also für die sexuelle Enthaltsamkeit) von Priestern, die grundsätzlich eine Ehe für sich ablehnen, ja eine völlig andere als die normaler Menschen, der Bedarf an Gnade ist also unterschiedlich.

Es ist hier gar nicht einmal an echte Boshaftigkeit bei wem auch immer gedacht, es gibt vermutlich eher das typische Problem "Täter und Opfer" oder besser "Opfer und Täter": Zuerst läßt man sich einerseits ohne die rechte Information und andererseits mit viel jugendlichem Idealismus anstecken für die Aufgabe, Priester zu sein - und irgendwann gibt man das Falsche aus lauter Frömmigkeit weiter und dient sozusagen als nützlicher Idiot im Teufelskreis des Bösen! Zumindest dürften diese Gefahren sehr hoch sein - und erfahrungsgemäß unterliegen Priester ihr auch sehr oft. Und die ganze Problematik wird verdrängt durch Arroganz und so kommt es auch nicht mehr zu einer vernünftigen Streitkultur mit Menschen, die anders denken.

Doch möchte ich hier darauf hinweisen, daß ich in meinem Leben auch andere Priester erfahren habe - die sich von Verhältnissen, die nicht in Ordnung sind, motivieren ließen, offen zu bleiben und etwas wirklich Sinnvolles zu ihrer Änderung zu tun (oder zuzulassen oder gar zu fördern) und gerade aus ihrem Bezug zur Transzendenz Kraft, Mut und Hoffnung schöpften. Wir kennen in der Vergangenheit den berühmten Jesuitenpater Friedrich von Spee, der sich in dunkelster Zeit aus seiner Position als Priester gegen den Hexenwahn engagierte. Auch den Augustinermönch Gregor Mendel möchte ich hier erwähnen, dem es ganz offensichtlich nicht einfach um die bekannte Kreuzung von Erbsen ging, sondern um "praktische Untersuchungen" zur Gleichwertigkeit der Frau (siehe unter Homunculus-Theorie). (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)