HOMUNCULUS (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)


HOMUNCULUS
(von lat. "kleiner Mensch", "Menschlein"). Daß das Leben durch die Vereinigung von Sperma und Eizelle entsteht und auch vor allem, dass die weibliche Eizelle in gleicher Weise an der Weitergabe des Erbguts beteiligt ist wie die männliche Samenzelle, ist ein Wissen, daß erst seit etwa hundert Jahren üblich ist. Früher war da in den Köpfen die so genannte HOMUNCULUS-THEORIE, nach der im männlichen Samen im Grunde schon die fertigen Menschlein sind und diese sozusagen in der Gebärmutter der Frau nur "ausgebrütet" werden! Das war etwas völlig anderes als das, was wir heute wissen. Und diese Theorie, die gerade auch von dem bedeutenden griechischen Philosophen Aristoteles vertreten wurde, war nun einerseits zumindest einer der Hintergründe für die in der Antike übliche Minderachtung der Frau (sie ist ja nur so eine Art Ackerfurche für den Samen des Mannes) als auch für die öfter vorkommenden Geschichten von einer Jungfrauengeburt: (Ein) Gott bedient sich einer Frau, um einen Sohn auf die Welt zu bringen. Und diese Vorstellung ist schließlich auch bei der Geschichte von Maria und Jesus im Spiel...

Erst der Pater Mendel (der von den Mendel´schen Gesetzen) hat herausbekommen, was bei der Zeugung wirklich geschieht.

Und dieses Wissen beginnt erst etwa seit einhundert Jahren, Allgemeingut zu sein. Der Augustinerchorherr und spätere Abt Gregor Mendel (1822 - 1884) veröffentlichte im Jahre 1865 seine Erkenntnisse an Erbsen, mit denen er die moderne Genforschung eingeleitet hat. Allerdings dauerte es noch bis nach 1900, bis die Allgemeinheit von seinen Entdeckungen überhaupt Notiz nahm und auch auf den Menschen übertrug. Wenn ich mir vorstelle, dass meine 1877 geborene Großmutter noch in völlig anderen Vorstellungen aufwuchs und damit vielleicht sogar ihre ersten Kinder bekam...

Ja, was hatte die Menschheit denn bis dahin geglaubt? Mendel weist in einer Anmerkung zu seiner entscheidenden Arbeit darauf hin, dass es eben nicht so ist, dass die „Keimzelle“ lediglich „Ammenfunktion“ hat... („Versuche über Pflanzen-Hybriden“ 1865, die Stelle von der Ammenfunktion finden wir fettgedruckt in Abschnitt 11 – Schluss-Bemerkungen:

"Bei Pisum (Anmerkung: lat "Erbse", "Pisum sativum" ist die Gartenerbse oder auch Speiseerbse) ist es wohl ausser Zweifel gestellt, daß zur Bildung des neuen Embryo eine vollständige Vereinigung der Elemente beider Befruchtungszellen stattfinden müsse. Wie wollte man es sonst erklären, dass unter den Nachkommen der Hybriden beide Stammformen in gleicher Anzahl und mit allen ihren Eigentümlichkeiten wieder hervortreten. Wäre der Einfluss des Keimsackes auf die Pollenzelle nur ein äusserer, wäre demselben blos die Rolle einer Amme zugetheilt, dann könnte der Erfolg einer jeden künstlichen Befruchtung kein anderer sein, als dass die entwickelte Hybride ausschliesslich der Pollenpflanze gleich käme, oder ihr doch sehr nahe stände. Das haben die bisherigen Versuche in keinerlei Weise bestätigt. Ein gründlicher Beweis für die vollkommene Vereinigung des Inhaltes beider Zellen liegt wohl in der allseitig bestätigten Erfahrung, daß es für die Gestalt der Hybride gleichgültig ist, welche von den Stammformen die Samen- oder Pollenpflanze war."

(In English from the Website http://www.mendelweb.org/Mendel.html#sC  : " Pisum it is placed beyond doubt that for the formation of the new embryo a perfect union of the elements of both reproductive cells must take place. How could we otherwise explain that among the offspring of the hybrids both original types reappear in equal numbers and with all their peculiarities? If the influence of the egg cell upon the pollen cell were only external, if it fulfilled the role of a nurse only, then the result of each fertilization could be no other than that the developed hybrid should exactly resemble the pollen parent, or at any rate do so very closely. This the experiments so far have in no wise confirmed. An evident proof of the complete union of the contents of both cells is afforded by the experience gained on all sides that it is immaterial, as regards the form of the hybrid, which of the original species is the seed parent or which the pollen parent.")


Mendel spielt damit auf das Wissen an, das bereits der griechische Denker Aristoteles vertrat, dass wir uns die Weitergabe des Lebens vorstellen müssen wie wenn ein Bauer seinen Samen in die Ackerfurchen sät. In dem Samenkorn sei im Grunde schon die komplette Pflanze, und in der Ackerfurche wird diese sozusagen nur noch genährt, damit sie wachsen kann.

Nach Aristoteles´ Auffassung stellt auf diese Weise die Natur immer wieder Kopien des Samenkorns her. Das Problem ist nun, dass eigentlich nun auch immer männliche Nachkommen hervorkommen müssten, weil der Sämann ja auch immer ein Mann war. Dass doch dabei ab und zu Mädchen entstanden, erklärte Aristoteles damit, dass das eben Fehlformen der Natur seien, die etwa bei feuchten Südwinden entstehen – schließlich sind Frauen ja auch „feuchter“ als Männer! Das Kind stammt also immer komplett vom Vater – ist also sozusagen eine Kopie des Vaters!

Mendel war eben nicht in erster Linie Genetiker, sondern Theologe und Philosoph!

Ja, warum sonst beschäftigt sich ein Theologe und Philosoph mit Erbsen, wenn nicht aus theologischen und philosophischen Gründen? Mendel hatte eben die geniale Idee, bei der Lösung des Problems, wie das mit der Rolle der Frau bei der Bildung des neuen Lebens ist, wer also hier "die Gene liefert" (würden wir heute sagen), die Erbsen zu Hilfe zu nehmen. Denn erstens kann man es bei Menschen schlecht überprüfen, ob sich irgendwelche Eigenschaften übertragen (selbst bei der Haar- oder der Augenfarbe ist vieles nicht eindeutig), zweitens dauert die Generationenfolge zu lange, als dass sich so etwas für eine wissenschaftliche Untersuchung eignen würde, und drittens widersprechen solche Experimente wohl jedem Ethos, Menschen zum Zweck der Erforschung von Vererbungsgesetzmäßigkeiten zusammen zu tun und dann zu untersuchen, was dabei heraus kommt. Daher kam er eben auf die Erbsenblütenzählerei: Eindeutige Merkmale (wenn er die rot blühenden Erbsen von einer Ernte nahm, die aus einem riesigen Acker rot blühender Erbsen stammte, konnte er sicher sein, dass sie reinrassig waren, also dass nicht die Ergebnisse durch unbekannte Einflüsse verfälscht würden), kurze Generationenfolge (mindestens eine Ernte pro Jahr) und vor allem eine große Zahl der Nachkommen (nach den Gesetzen von Wahrscheinlichkeitsrechnung und Zufall kann man dadurch sicher Gesetzmäßigkeiten erkennen).  

Mit der Übertragung seiner Erkenntnisse auf die Rolle der Frau war er zwar noch vorsichtig, doch das Eis war gebrochen, ihre Gleichwertigkeit vom Genetischen her war wissenschaftlich erwiesen! Hinweis: Mit der Entdeckung der Eizelle bereits einige Jahre zuvor (1827 durch Karl Ernst von Baer) war nämlich keineswegs die genetische Gleichwertigkeit der Frau bewiesen, es war zwar klar, dass die Eizelle bei der Weitergabe des Lebens eine Rolle spielte, doch nicht genau welche. Auch bei dieser Entdeckung war ja nicht auszuschließen, dass der weibliche Anteil an der Vermehrung etwa derselbe war wie der des Apfels bei der Vermehrung der Wespen, die in ihn stechen und dabei ihre Eier in ihm ablegen. Jedenfalls lässt die "Anmerkung" Gregor Mendels über die Ammenfunktion darauf schließen, dass bis zu seiner Entdeckung in genetischer Hinsicht noch "gar nichts" klar war!

Wenn unsere Christliche Religion in der Vergangenheit und gewiss auch noch heute viel Schuld auf sich geladen hat und eben noch auf sich lädt und viel kritisiert wird - auch und gerade im Hinblick auf die Frauen -, so müssen wir doch anerkennen, dass es "einer von ihnen" war, der die Gleichwertigkeit der Frau bei der Entstehung neuen Lebens erforscht und erkannt hat. Und er war sogar ein katholischer Priester!

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)