MARIA (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

MARIA wird als Mutter Jesu sein frühester Zeit in den christlichen Kirchen verehrt und der Glaube an ihre bedeutende Rolle auf unserem Weg zu JESUS gilt heute vielfach als Merkmal wirklichen katholischen (und orthodoxen) Glaubens. Dabei sind die geschichtlichen Überlieferungen mehr als ungewiss.

Wer denkt schon an die Mütter von Konrad Adenauer, Helmut Kohl oder Gerhard Schröder? Und genauso wenig berühmt war die Mutter des häuserbauenden Wanderarbeiters aus Nazareth gewiss auch erst einmal.

Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, dass die frühesten Aufzeichnungen der Begebenheiten um Jesus mindestens vierzig Jahre nach seinem Tod gemacht wurden. Die ersten Gläubigen hatten bis dahin einfach anderes zu tun, um die Ideen Jesu in die Wirklichkeit umzusetzen. Ob man sich dann auch gleich um Berichte über seine Mutter kümmerte? Gehen wir von heute üblichem Denken aus: Interessiert uns das Leben der Mütter von Helmut Kohl, von Gerhard Schröder, von Konrad Adenauer, von Kardinal Meisner, von Kardinal Lehmann, und das sind doch auch alles bedeutende Leute? Warum sollte also früher das Leben der Mutter Jesu interessiert haben - zumindest so, dass man es für überlieferungswert hielt? Und wenn wir weiter bedenken, dass die durchschnittliche Lebenserwartung zu jener Zeit noch nicht einmal die Hälfte unserer heutigen betrug, waren bis zum Aufschreiben der Geschichte schon zwei Generationen vergangen, Augenzeugen gab es vermutlich keine mehr.

Zuerst wurde wohl die Geschichte von der Jungfrauengeburt Jesu erzählt, um Jesus aufzuwerten - und darum wurde dann eine Geschichte Mariens herumkonstruiert.

Warum nun auf einmal diese Sonderstellung und Verehrung der Maria? Trotz oder wegen aller möglichen "schlauen Literatur" erscheint (vom religionsgeschichtlichen Ansatz her) folgendes plausibel: Aus praktischen Gründen des "Marketing" für den zunächst absolut unbedeutenden Wanderarbeiter Jesus, der dazu noch als Verbrecher hingerichtet worden war, war zunächst einmal eine zugkräftige Erklärung der Sonderstellung Jesu wichtig, die auch von den damaligen Zeitgenossen akzeptiert werden konnte (und nur von denen, die späteren interessierten nicht!). Und deshalb gab es den Bericht von seiner Herkunft von Gott mittels einer Jungfrauengeburt (also die Erzählung, wie der Engel Gabriel erscheint und verkündet, dass Maria einen Sohn gebären wird, der der Erlöser sein wird), die Auflistung des Stammbaums Jesu (in dem interessanterweise Josef durchaus auch der "genetische Vater" sein könnte), die Erzählung von den heiligen Drei Königen. Und wo diese Geschichten nun einmal da waren, wurde mit der Zeit mehr und mehr eine Mariengeschichte drum herum "gesponnen", die zumindest nach damaligen Gesichtspunkten auch plausibel sein musste. Natürlich baute man in diese Geschichte auch so gut als möglich alles das ein, was überliefert war oder was auch nur wahrscheinlich war. Über manche Ungereimtheiten sah man einfach hinweg oder sah sie auch gar nicht, schließlich ging es ja um die Mutter des Sohnes Gottes und da passiert schon mal die eine oder andere Sache, die nur durch den Glauben erklärt werden kann. Ein Indiz für die Stimmigkeit dieser Erklärung mag die Erzählung sein, wie das dreijährige Mädchen Maria von ihren Eltern Joachim und Anna im Tempel dargebracht wurde, diese Szene ist als Mariä Tempelgang bekannt (allerdings in keinem der offiziellen Evangelien, sondern im apokryphen des Jakobus). Einen solchen Brauch gab es bei den Juden nie, allerdings bei den "Heiden". Da war dem Verfasser etwas in seine Geschichte hineingerutscht...

Triebfeder für den Marienkult war der Bedarf bei den frühen Christen nach einer menschlichen Muttergottheit, als die Idee vom Reich Gottes nicht Wirklichkeit wurde.

Vorläufiger Höhepunkt war im Jahre 431 in Ephesus das 3. Ökumenische Konzil, auf dem Maria offiziell zur Gottesgebärerin erklärt wurde. Hintergrund dieses Dogmas war der Streit zwischen griechischen und ägyptischen Christen: Im Zuge der "Verjenseitigung" des Zieles des christlichen Glaubens wurde natürlich die Erfüllung des Diesseits immer mehr vernachlässigt und es riss auch bei den Christen wieder der alte Schlendrian ein mit den üblichen Folgen "persönlicher Kummer und persönliche Enttäuschungen". (Wir wissen, dass etwa die Beschneidung der Frauen auch bei den Christen weiter praktiziert wurde, was ein sicherer Hinweis ist, dass sich die erbärmliche Situation der Frau letztlich nicht grundlegend geändert hatte, geändert hatte sich mit der neuen Religion schließlich nur der Name und die Geschichte der Gottheit und der Ritus.) Damit wurde wieder eine Muttergottheit oder eben eine Gottesmutter als Trösterin der Betrübten und schließlich als Fürsprecherin bei Gott für das ewige jenseitige Heil notwendig - und weil gerade bei den Ägyptern noch die Erinnerung an die Göttin Isis lebendig war (bei der man alles das hatte, was man jetzt vermisste), lag der Kult einer großen Muttergottheit sehr nahe - und dafür stand nun eben die Mutter Jesu bereit. Und so war dann auch die Erhebung Mariens zur Gottesgebärerin bei dem Konzil ein ausgesprochenes Volksfest, das war es, was die Menschen wollten, weil es das damals schon weitgehend degenerierte Christentum (siehe Dekadenz) wenigstens wieder menschlich machte.

Im Laufe der Jahrhunderte steigerte sich die Marienverehrung dann bis im Jahre 1854 das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis und 1950 das Dogma von der Aufnahme Mariens mit Leib und Seele in den Himmel verkündet wurde. Begleitet wurde die Marienverehrung von vielfachem Wunderglauben, der allerdings bisweilen skeptisch gesehen werden muss. So sollen zwar in Lourdes in Südfrankreich zahlreiche Wunderheilungen geschehen sein, doch seit man seit knapp 50 Jahren die Wunder genauer untersucht, ist kein einziges mehr passiert...

Und heute? Ich habe das Wort "Maria" vor allem in diese Website der Vollständigkeit halber gebracht - und schließlich gibt es ein Stichwort mehr, um in Suchmaschinen gefunden zu werden. Das hindert mich allerdings nicht daran, viele mehr oder weniger berühmte Marienwallfahrtorte weltweit zu besuchen (siehe Reisen) und mich bisweilen auch von einer Marienverehrung angezogen zu fühlen. Auf alle Fälle halte ich jedoch die heutige Beschäftigung mit dem Leben und da vor allem auch mit dem Privatleben Mariens (war sie nun Jungfrau oder nicht, war Jesus nun ehelich oder unehelich, hatte sie noch andere Kinder, war sie eine gleichzeitig gottesfürchtige und emanzipierte Frau?) für Unfug - das alles ist Indiz dafür, dass wir wir am Konzept Jesu und damit auch eines wirklich christlichen Glaubens vorbeigehen. 

Einen sinnvolleren Zugang zur Idee einer Mutter Jesu ermöglicht vielleicht das Gemälde Caravaggios "Madonna zertritt mit dem Kind den Kopf der Schlange", das in Rom in der Borghese-Galerie hängt:

Eindrucksvoll, wie Maria hier das Kind lehrt, den Kopf der Schlange zu zertreten (nach der Genesis, was dann auf Maria hingebogen wurde). Üblicherweise kenne ich von diesem Motiv immer nur "kultische Bilder", auf denen Maria eher wie eine Göttin wirkt. Hier jedoch ist das Motiv in den Alltag herübergeholt, in das normale Menschsein. Und wenn die Schlange für die alte, die kaputte Welt steht, ja auch die Welt der Fruchtbarkeitskulte oder eben der Götzendienste, in der "man" sich die Frau nur als Objekt, als Besitz und nicht als gleichwertige Partnerin vorstellen kann (siehe etwa oben!), dann wird hier ein Ansatz gesehen, diese Welt zu überwinden. Natürlich schafft die Frau die Umsetzung in die Praxis nicht allein, sie braucht dazu einen Mann, und zwar einen aufgeklärten (oder vielleicht besser sachorientierten?) und zupackenden. Also wird sie, wenn es den nicht gibt, ein Kind, sinnvollerweise ihr Kind, in dieser Richtung "erziehen", ihr zu helfen, die Kaputtheit zu überwinden, also der Schlange den Kopf zu zertreten. Für die Aufgeklärtheit mag die Nacktheit des Kindes Jesus stehen, das hier kein Baby mehr ist, wo Nacktheit normal wäre, und für das Zupacken, dass das Jesuskind mit seinem Füßchen den "Fußtritt" der Mutter noch unterstützt. Jedenfalls wirkt das völlig anders als etwa bei muslimischen Frauen heute, die ihre Jungen nicht zu einer Mithilfe bei der Befreiung der Frau erziehen, sondern eindeutig zum Machismo...(Diese Sicht würde passen zu einem anderen Bild, das etwas mehr als 20 Jahre nach dem Tod Caravaggios entstanden ist, allerdings in Antwerpen, nämlich das Bild von Abraham Janssens "Jesus mit Maria und Martha", siehe Stichwort Frau.)

Wie auch noch eine Josefslegende dazu konstruiert wird, siehe unter Joseph.

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)