JOSEPH.
Ich möchte zum Thema „Nährvater Jesu“ und „Mann Marias“ aus einem Artikel aus
der WELT vom 24. Dezember 2004 (vollständige Url. des Artikels:
http://www.welt.de/data/2004/12/24/379484.html) zitieren:
Verwirrter Vater und
tatkräftiger Träumer: Joseph, Mann der Maria - Porträt
Er wird ein vielbeschäftigter Mann gewesen sein. Wenn der Gatte der Maria
tatsächlich ein "Tekton" war - womit die Evangelien eher einen Baumeister als
einen Zimmermann gemeint haben dürften -, dann gab es viel zu tun für Joseph.
Schuld daran hatte jener römische Feldherr Varus, der später von den Germanen
besiegt wurde.
Im Jahre 4 vor Christus führte Varus römische Truppen zur Aufstandsbekämpfung
nach Galiläa, wo sie die bedeutende Stadt Sepphoris zerstörten. Sepphoris lag
nur wenige Fußstunden von Nazareth entfernt und wurde nach der Verwüstung als
hellenistische Metropole wiederaufgebaut. Von diesem Bauboom sollte ein Tekton,
der im 400-Seelen-Kaff Nazareth wenig zu tun hatte, profitiert haben. Eine
reizvolle Vorstellung: Jesus, der das Judentum in der Konfrontation mit der
imperialen Kultur Roms neu erfand, hatte zum Vater einen Mann, der einerseits
traditionsbewußter Jude, andererseits Handwerker im Dienst der
römisch-griechischen Moderne war.
Das Einerseits-Andererseits prägt auch das Bild, das die Evangelien und die
Kirche von Joseph zeichnen. Er ist ein Mann der Tat, der zum Patron der Arbeiter
wurde, doch zugleich auffällig passiv. In den Krippen steht er oft etwas
abgewandt, im Zentrum und doch daneben. In der Bibel wird Joseph, nachdem er den
zwölfjährigen Jesus in den Tempel begleiten durfte, einfach vergessen und tritt
nicht mehr auf. Er ist halt nicht der richtige Vater. Viel läßt sich mit ihm
nicht anfangen.
Kein Wunder, daß so einer zum Träumer wird. Gleich viermal begegnet ihm im
Matthäusevangelium ein Engel im Schlaf. Zuerst klärt er ihn über Marias
Schwangerschaft auf, nach Jesu Geburt dann "erschien der Engel des Herrn dem
Joseph im Traum und sprach: Stehe auf und nimm das Kindlein zu dir und flieh
nach Ägyptenland." Dort erhält Joseph später im Traum die Anweisung zur
Rückkehr, und schließlich schickt ein Engel ihn "ins galiläische Land".
Solcherart träumen zu können ist in der Bibel eine hohe Gabe, das Privileg
derer, die anders sind. Das Träumen verbindet Marias Mann mit dem Joseph des
Alten Testaments, der ebenfalls nach Ägypten zog und dort zum obersten
Traumdeuter des Pharaos wurde. Träumer sind Genies der Passivität, nicht des
Schaffens und Zeugens, sondern der Hinnahme.
Und was Joseph hinzunehmen hat! Maria erwartet, "ehe er sie heimholte", ein
Kind, von dem Joseph nur weiß: Von ihm ist es nicht. Doch schon da, als er vor
der Aufklärung durch den Engel noch glauben muß, Maria sei schwanger von einem
anderen Mann, beweist Joseph Größe: Weil er fromm ist, will er Maria "nicht in
Schande bringen"; er ist bereit, sie als seine Frau anzunehmen, damit sie nicht
als Hure womöglich gesteinigt wird. Indes: Er "gedachte aber, sie heimlich zu
verlassen". Er plant also die Kompromißlösung eines tugendhaften Gehörnten:
Einerseits will er sich, beleidigt wie er ist, davonmachen, doch weil er es
heimlich nach der Hochzeit täte, will er andererseits alle Schuld auf sich
nehmen. Denn für die Öffentlichkeit sähe es so aus, als hätte er Maria
geheiratet, geschwä ngert und danach sitzenlassen. Er wäre mithin der Treulose,
Maria aber die schuldlos Verlassene. Was also Weihnachtswitze als Geistesblitz
herausprusten - Joseph ist sauer, weil Maria ihm was vom Heiligen Geist erzählt
-, gestaltet Matthäus als Konflikt: Joseph wird an seiner Vaterrolle irre. Es
bedarf der göttlichen Intervention im Traum, um ihn zum fürsorglichen Beschützer
von Mutter und Kind zu machen.
Jedenfalls kommt der Verfasser
dann auf die Schwangerschaftstestes der verunsicherten Väter (die sich drücken
wollen) und hebt demgegenüber die Verantwortung Josephs gegenüber Frau und Kind
hervor: „Für Joseph ist Vaterschaft eine Sache des Willens
statt der
Biologie. Er zeigt männliche Stärke: Handlungsmächtig bewährt er sich in der
Demütigung seiner Männlichkeit.“
Antwort am 26. 12. 2004 von basisreligion:
Lieber Herr K.!
Erlauben Sie mir, ein paar Anmerkungen zu Ihrem Beitrag zu machen:
Spätetens seit Rudolf Bultmann unterscheiden wir nach dem Jesus des
Kerygmas (Verkündigung), also nach dem, was die frühe
Kirche, der es um Glauben ging, aus diesem Häuserbauer von Nazareth Jesus
gemacht hat, und dem historischen Jesus, also was wirklich war. Und die ganze
Geschichte mit der Jungfrauengeburt gehört
nun einmal zum Kerygma! Das Problem der frühen Christen war ja, diesen Jesus,
der - zumindest nach außen in einem ordentlichen Gerichtsverfahren - als
Verbrecher verurteilt und hingerichtet wurde, "ungläubigen" Menschen zu
verkünden und seine Lehre zu plausibel zu machen, ein unter P.R.Gesichtsspunkten
(um es mal in unseren heutigen Worten zu sagen) absolut schwieriges bis
unmögliches Unterfangen. Was lag also näher, als Jesus - natürlich mit den
damaligen P.R.Mitteln - den Menschen plausibel zu machen?
In Ägypten glaubte man ja, daß jeder Pharao ein richtiger
Sohn Gottes war (weil zu der Pharaonin ein
entsprechender Botengott gekommen war usw.) - also machte man Jesus für die
Ägypter (und andere Menschen der heidnischen Antike) zum "Ergebnis" einer
Jungfrauengeburt! Bei den Juden zog das nicht, also machte man ihm zum Sohn
Davids und konstruierte einen entsprechenden Stammbaum... (Merkwürdigerweise
fällt den meisten Bibellesern gar nicht auf, daß Jesus nach der
Stammbaumgeschichte im Matthäusevangelium überhaupt keine Jungfrauengeburt ist
sondern richtiger Sohn Josephs...)
Und irgendwann wurde auch noch eine entsprechende
Marienlegende dazukonstruiert, und das fügte sich gut, damit wurde dann
gleichzeitig auch das Problem der Muttergottheit (also der im Christentum
fehlenden Isis) gelöst, die man ja auch brauchte...
Und jetzt konstruieren Sie (und vermutlich ja nicht nur Sie) auch noch eine
Vaterlegende - na so was!
Wenn Sie jetzt glauben, daß diese
Mail von einem ungläubigen Menschen stammt, so darf ich sie darauf hinweisen,
daß man auch als gläubiger Mensch nicht jede Legende zu glauben und
weiterzuspinnen braucht... Wenn man nämlich nur den Pfad des historischen Jesus
konsequent genug weiterverfolgt, kommt nämlich schon etwas sehr Vernünftiges
heraus! Und ich weiß als langjähriger Religionslehrer an einer Berufsschule,
wovon ich rede, ich meine doch, ein wenig den Überblick zu haben, was heute geht
und was eben nicht geht! Und vermutlich hätten wir mit diesem Jesus dann auch
ganz andere Chancen etwa bei der (geistigen) Auseinandesetzung mit den Moslems
(die ja gar nicht stattfindet), denn dieser Jesus ist wirklich ein Jesus der
Freiheit und der
Emanzipation! Da hätten wir ein echtes Angebot für die Menschen unserer
heutigen Zeit!
Mit besten Grüßen
Michael P.
Auf diese Mail habe ich bis heute (14. Januar 2005) keine Antwort erhalten. Der
ganz offensichtlich fundamentalistisch orientierte
Verfasser des WELT-Artikels (siehe auch
amerikanische Theologie) weiß scheinbar nicht, wovon ich rede (oder will es
nicht wissen)...
(Wörterbuch von
basisreligion und basisdrama)
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