Ganz kurz ein konkreter Fall: Hier in Deutschland holt ein deutscher Manager einen indischen Gast, auch Manager (einer Partnerfirma), zu einer Besprechung mit dem Auto vom Flughafen ab, einfach, um dem indischen Kollegen die ganz besondere Ehrerbietung zu erweisen. Der indische Gast setzt sich in das Auto und macht aber die Autotür nicht zu. Denn er darf das nicht, weil er Angehöriger einer höheren Kaste ist und weil das eine niedrigere körperliche Arbeit ist, die einer aus einer unteren Kaste machen muß. Soll der deutsche Manager das jetzt machen - doch der steht ja eigentlich auf gleicher Kastenebene wie der Inder? Eigentlich eine Unverschämtheit von dem Inder, der jetzt den deutschen Chef zu einem niederen Arbeiter degradieren will - bewußt oder unbewußt... Auf uns wirkt das nur noch arrogant, doch den Indern fällt das gar nicht sonderlich auf...
Ganz grob gibt es die Priesterkaste, die Beamten- oder Kriegerkaste, die Kaste der Bauern und Kaufleute und schließlich die Kastenlosen, die etwa 60 % der indischen Bevölkerung ausmachen.
Die Nationalsozialisten hatte ähnliche Vorstellungen, die deutsche Bevölkerung in einen "Lehrstand", einen "Wehrstand" und einen "Nährstand" aufzuteilen, der dann die Menschen in den unterjochten Gebieten zu dienen hatten - wie eben in dem Beispiel mit dem Manager....
Zur weiteren Information sei hier aus der aus der Microsoft Encarta Enzyklopädie Professional 2003 zitiert (ich hoffe, durch die Anmerkungen von basisreligion und durch die Ergänzung ist etwas Neues daraus geworden, so dass das Urheberrecht gewiss nicht verletzt wurde):
"Kaste (portugiesisch
casta; von lateinisch castus: rein, keusch), im allgemeinen Sinn der
Begriff für eine genau abgegrenzte Gruppe innerhalb einer Gesellschaft.
Die Gruppe nimmt innerhalb der Gesellschaft genau definierte religiöse,
juridische oder wirtschaftliche Funktionen wahr. Die einzelnen meist
religiös legitimierten Kasten einer Gesellschaft sind im Gegensatz zu
den hauptsächlich ökonomisch definierten Klassen gegeneinander absolut
undurchlässig. Die gesellschaftliche Hierarchie wird von Generation zu
Generation weitergegeben, so dass Kastensysteme keine soziale Mobilität
kennen. Das Wort Kaste wurde zuerst von den portugiesischen Kaufleuten
des 16. Jahrhunderts gebraucht; es ist abgeleitet vom portugiesischen
casta, das Familiengeschlecht, Herkunft oder Rasse bedeutet. Das
entsprechende Wort im Sanskrit heißt jati. Der sanskritische Begriff
varna bezeichnet eine Gruppe von jati oder das Kastensystem im engeren
Sinn.
Zwar sind die Kastendiskriminierungen offiziell abgeschafft, doch die Praxis sieht immer noch anders aus...
Den Unberührbaren mit Benzin übergossen und verbrannt
Mitglieder der unteren Kasten in Indien haben Angst tun ihr Leben / Gewalt als Antwort auf erwachendes politisches Bewusstsein / Von Erhard Haubold – FAZ vom 17.05.1990 Leider darf ich den Artikel hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht bringen. So ist das nun einmal: Ein Artikel erscheint einmal in einer Tageszeitung und wird nur eher zufällig gelesen - und dann vor allem nur von denjenigen, die auch hier bei uns sozusagen zu den "oberen Kasten" gehören. Doch in einem systematischen Konzept, wo er nun wirklich sinnvoll wäre und auch von denen gelesen werden könnte, die das noch viel mehr angeht, die allerdings nicht "die Zeitung der oberen Kasten" lesen, hat er nichts zu suchen oder nur zu saftigen Tantiemen... Wenn Sie den kompletten Artikel dennoch haben wollen, wenden Sie sich bitte per Mail an meine e-Mail-Adresse (siehe unter KONTAKT)! Wir helfen Ihnen kostenlos weiter! Hier kurz der Inhalt und Auszüge: In den 500.000 Dörfern Indiens geschieht oft bitteres Unrecht: Denn dort herrschen die Brahmanen und andere Oberkasten und die Unberührbaren müssen sich fügen, auch wenn ihre Hütten verbrannt und ihre Frauen geschändet werden, wenn sie es wagen, den Tempel zu betreten oder ihre Toten die Dorfstraße entlang zu tragen, wenn sie es gar wagen, aus dem Brunnen der Oberschicht zu trinken.
Nicht selten kommt es eben vor, daß Leute aus den höheren Kasten fordern, daß sich Frauen der unteren Kasten ihnen "gefällig erweisen". Bisweilen gibt es dafür auch eine Belohung: So etwa in dem in dem Artikel erwähnten Fall: Sie (die Frau) `würde es nicht bereuen. Wir könnten hinterher gut leben, würden Büffel und Land bekommen', erzählt Kuchchi. Mit der Bemerkung, er sei ein Lakhpati und werde sie wie eine Rani (Fürstin) verwöhnen, habe der 50 Jahre alte Großbauer Arjun sie zu locken versucht. Die jungen Eheleute sagten nein, da machten die Grundbesitzer, alle Angehörige der Krieger- und Landbesitzerkaste der Thakur, ihre Drohung wahr. Noch in der Nacht sei ihr Mann Dhanraj aus der Hütte gezerrt verprügelt und in eine nahe gelegene Mühle verschleppt worden, erzählt die junge Witwe. `Mir sagten sie, ich solle davonlaufen, sonst würden sie mich auch umbringen. Aber das habe ich nicht über mich gebracht. Ich habe mich hinter eine Mauer gestellt und gesehen, wie sie meinen Mann angezündet haben.' Die Thakur hätten fünf Liter Benzin über Dhanrajj gegossen, ihn nach einem Fluchtversuch wieder eingefangen. `Gulab Singh hielt meinen Mann, Arjun Singh zog das Streichholz, und Raju Singh legte das Feuer.'
In diesem Fall konnte auch das staatliche Hospital nicht helfen oder wollte nicht, um den Mann zu versorgen und vielleicht auch noch zu retten, auch die Polizeistation verweigerte die Abfassung eines Protokolls. Alles Zufälle oder sind die Verantwortlichen alle auch in den höheren Kasten oder haben Angst?
"Für viele Beobachter in der indischen Hauptstadt ist der Vorfall in Dharampur Saton beispielhaft für die Machtstruktur in vielen nordindischen Dörfern. Von den 12000 Einwohnern dieses Ortes sind 60 Prozent Thakur und 40 Prozent Harijan. Der .wachsende Wohlstand der Thakur ‑ durch die Grüne Revolution ‑ hat ihre Feindseligkeit gegenüber den Unberührbaren noch verschärft. Die hätten doch, `angefeuert von politischen Parteien, die Frechheit, uns direkt in die Augen zu schauen', sagen die Angehörigen der Oberkaste. Dabei verdienen die Harijans mit der Arbeit für die Großbauern nur acht bis zehn Rupien am Tag (etwa achtzig Pfennig bis eine Mark), ihre Frauen noch weniger. Ständig hätten die Kastenlosen Angst um ihr Leben, weil die Polizei meist auf die Thakur höre, berichten sie. Und seit den vergangenen Parlamentswahlen sei das alles noch schlimmer geworden, heißt es. In der Tat ist die Janata-Dal-Partei, die in Delhi die Zentralregierung führt, eine Partei der Grundbesitzer. Und Premierminister Vishwanath Pratap Singh ist ein Thakur, ein Prinz noch dazu. Der Distrikt Fatehpur gehört zu seinem Wahlkreis. Wäre es anders, wäre die Kunde vom grauenvollen Tod des Dhanraj, der vor mehr als vier Wochen starb, noch immer nicht und wahrscheinlich nie nach Neu-Delhi gedrungen."
Es ist also durchaus auch eine politische Angelegenheit: Auf diese Weise wollen Mitglieder der infolge der Demokratisierung Indiens bisweilen den nun stärker und selbstbewußter werdenden Mitgliedern der unteren Kasten den Schneid abkaufen. Und sie scheinen sich ihrer Taktik auch recht sicher zu sein: So sind etwa die Aufseher in dem Gefängnis, in denen die Schuldigen an dem Mordanschlag sitzen, alles Thakur, und die zeigen "bemerkenswert viel Sympathie für die jungen Rajputen. `Die waren in bester Stimmung und bei guter Gesundheit und fanden das Essen im Gefängnis genauso gut wie im heimatlichen Dharampur Saton', schrieb eine Zeitung. Dem Unterhaus wurde mitgeteilt, daß es im vergangenen Jahr 13878 Fälle von Grausamkeit gegen Unberührbare gegeben habe, in Wirklichkeit werden es viel, viel mehr gewesen sein. Und dennoch besteht Hoffnung, die gerade ein mutiger armer Mann wie Dhanraj symbolisiert. Er hat, auch als es um sein Leben ging, nicht gekuscht vor den Mächtigen im Dorf. So wie er denken und handeln immer mehr Harijans. Sie gehen zur Wahl, auch wenn die Großbauern es verboten haben. Das erklärt die zunehmende Gewalt an den Wahlurnen und das Wachsen der Gewalt in den Dörfern: Die Kastenlosen lassen sich nicht mehr alles gefallen. Dabei unterstützt sie ein Mann, der auch versucht, sie politisch zu mobilisieren. Ein Mann, dessen Bahujan Samaj Party (Partei der Bevölkerungsmehrheit) gerade fünf Jahre alt ist und bei den letzten Wahlen aus dem Stand drei Sitze im Unterhaus und fünfzehn Mandate in zwei Landtagen gewonnen hat. Parteichef Kanshi Ram sagt, daß seine Leute in zwei bis drei Jahren die Herren Indiens werden müßten. Das stimmt zunächst nur auf dem Papier."
Zur Bevölkerungsstruktur allgemein: "Zwar sind 85 Prozent der indischen Bevölkerung Angehörige unterer Kasten, Stammesangehörige und Harijans, mehr als 700 Millionen Menschen, ein gewaltiges Potential. Aber ein `Kind Gottes' aus Nordindien kann sich mit einem Leidensgenossen im Süden nicht einmal in einer gemeinsamen Sprache unterhalten, ganz abgesehen von gravierenden kulturellen Unterschieden. Ein Schuster ist unberührbar, kann aber ein wohlhabender Geschäftsmann sein, der mit einem anderen Harijan, der Trockenlatrinen auskratzt (mit dieser Arbeit sollen immer noch, je nach Quelle, 1,4 Millionen bis 6,6 Millionen Menschen, hauptsächlich Frauen, ihr Brot verdienen), nichts zu tun haben will."
Vielleicht geschieht jetzt der größte Umbruch in der Geschichte Indiens: "Aber Kanshi Ram kann die Unterkasten und Unberührbaren auf ihre Rechte aufmerksam machen, kann sie den großen Parteien abspenstig machen - was ihm zunehmend zu gelingen scheint - und ein Vakuum schaffen, wie er sagt, in dem die großen Parteien gegeneinander kämpfen. `Vote hamara, raj tomara!' ruft er seinen Anhängern zu: Die Stimmen gehören uns Ihr seid die Herren. Selbst die Armee werde nicht im Wege stehen, `90 Prozen der Soldaten gehören zu uns'. So weit ist es noch nicht, aber es stimmt wohl auch, daß das politische Bewußtsein der Unterschichten schärfer wird, wie Kanshi Ram behauptet. `Zum erstenmal in 4000 Jahren', sagt er, `denken wir über Knechtschaft nach, über ein System, von dem fünfzehn Prozent der Bevölkerung profitieren. Ihnen gehören die Wirtschat und die Zeitungen, sie führen alle politischen Parteien.' Sein wichtigstes Wählerreservoir sind die 100 Millionen Menschen, die, von Armut und .Hunger getrieben, ihre Dörfer verlassen und sich in den Slums der großen Städte niedergelassen haben."
Die Situation heute: "Industrialisierung, Verstädterung und Slums helfen den Unberührbaren bei der politischen Emanzipation. Und wie ernst die etablierten Parteien die Gefahr nähmen, zeigten die Slum-Feuer in Delhi in den vergangenen Wochen: 100000 Menschen hätten in heißer Sonne gesessen, tagelang, ohne einen einzigen Baum, sagt Kanshi Ram - weil die Oberkasten die Slumbewohner (die zunehmend für ihn stimmten) wieder in die Dörfer zurücktreiben wollten. Die Thakur, behauptet er, stellten nur drei bis vier Prozent der indischen Bevölkerung, besäßen aber mehr als ein Drittel des gesamten Landes. Wenn die Unberührbaren lernten, nicht mehr willentlich Sklaven zu sein, das alte Hindu-Gesetz Bagar, nach dem ein Kastenloser nicht entlohnt werden darf, nicht mehr hinnähmen, dann sei schon vier gewonnen"
Doch wir sollten
nicht zu hochmütig sein hier im Westen,
(Wörterbuch von basisreligion)
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