GLAUBE UND MORAL (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

GLAUBE UND MORAL

Das Problem dieser Site wird als so grundsätzlich empfunden, daß sie bereits als Eingangsseite in dieser Website verwendet wird. Doch das Thema soll auch unter dem besonderen Stichwort zu finden sein:

Unsere christliche Moral ist doch gar nicht so schlecht!

Schülereltern meinten einmal zu mir, daß die Moral des Christentums ja ganz gut sei, doch mit dem Glauben hätten sie ihre Probleme, ob diese ganze Drumherum denn überhaupt sein müßte. Und was mache ich als Religionslehrer bei solch einem Argument? Ich überlege, ob diese Eltern nicht Recht haben, ob nicht am Ende durch diese Eltern Gott zu mir spricht...

Die Frage stellt sich also nach der Beziehung von Glaube und Moral, ist das eine ohne das andere möglich, oder klappt das nur in der "Kombination", wenn also beides gegeben ist, oder ist Glauben die Voraussetzung von Moral, oder die Moral Voraussetzung für Glauben? Was muß an erster Stelle stehen, also das Primat haben, zumindest, wenn es vernünftig laufen soll? Man wird ja einmal überlegen dürfen! (Anmerkung: Interessant sind hier natürlich vor allem die Probleme der Moral, wo es echte und brisante richtige Triebe gibt, also bei der Sexualmoral, die zumindest auf einen normalen Menschen einen wirklichen Druck ausüben können, die also einwirkliches "Es" bedeuten, um in der Terminologie Freuds vom Gewissen zu reden.)

Schauen Sie doch dazu einmal in die schematische Darstellung (2) im Stichwort Grundschema - danach bleibt in einer typischen Glaubensreligion die Moral letztlich doch immer auf der Strecke!

Und wie machten das also damals zur Zeit Jesu eigentlich die Pharisäer mit dem Glauben? Kümmerten sie sich um dese Zusammenhänge? Was brachten sie den Leuten den Glauben bei, was hatte denn Jesus gegen sie, warum kam er also mit ihnen in Konflikt? Machten sie am Ende etwas in allen Religionen ganz Übliches, was wir auch heute noch so machen, was jedoch für einen wirklichen Weg zum christlich-jüdischen Gott und damit zum Guten nichts bringt und sogar noch kontraproduktiv ist?

Wir sollten hier also einmal ganz nüchtern (also bitte nicht gleich abwehren oder schimpfen!) unterscheiden nach

1.   Pharisäischem Ansatz: Primat (Vorrang) des Glaubens mit dem entsprechenden Glauben an Nichtplausibles (siehe sacrificium intellectus). Damit wird ein über-ich-gesteuertes Gewissen erzeugt. Doch das führt allenfalls zu einer Sklavenmoral, aber nie und nimmer zu tragfähiger, wirklicher Moral!

      Ob dies nun ein Glaube aus Angst vor einer Bestrafung oder aus Freude auf eine Belohung in einem Leben nach dem Tod oder hier und jetzt ist, ob dieses Über-Ich erzeugt wird aus Furcht oder aus Liebe zu Gott oder zu Jesus oder aus dem Staunen über Gottes Schöpfung oder sonst wie, ist aus der Sicht des Über-Ichs belanglos, es ist eben immer ein Über-Ich-Glaube, der dabei herauskommt. Und die Moral, die sich daraus ergibt, ist und bleibt eben immer eine über-ich-gesteuerte Moral: Man fühlt sich verpflichtet, etwas zu tun oder zu unterlassen, weil da eine höhere Macht das so bestimmt und man der gegenüber nicht schuldig werden will. Und was geschieht nun, wenn ein Mensch mit einer solchen über-ich-gesteuerten Moral in eine "typische" Versuchung kommt? Nach der Theorie Sigmund Freuds (hier dürfte er recht haben!) entsteht im Menschen nun ein Konflikt zwischen "Ich" und "Es" (also zwischen "Gott" und der "Versuchung") und je nach Intensität des Über-Ichs bleibt der Mensch standhaft oder er "verfällt" der Versuchung. Im ersten - eher seltenen - Fall hat das die Chance, daß er "un-menschlich" wird, daß er für menschliche Probleme gar kein Verständnis mehr hat. Im zweiten - eher normalen  - Fall wird er ein schlechtes Gewissen haben, weil er gegen Gott oder gegen sonst wen sündigt mit den üblichen Schuldgefühlen, weil er die Ordnung Gottes oder einer anderen höheren Macht verletzt hat usw. Abgesehen von der Gefahr der Heuchelei (man tut nach außen nur so, als ob man moralisch ist - man ist beispielsweise sehr schamhaft, siehe Adam und Eva) ergibt sich daraus schließlich die etwa heute übliche Theologie, die auf Vergebung und auf ein Leben nach dem Tod ausgerichtet ist. Damit finden wir wenigstens nach unserem Tod (bei Gott) die ewige Ordnung, die wir hier verpaßt haben, und damit auch die ewige Erfüllung, die nun einmal nur bei Gott möglich ist. Nicht nur seit den Ablaß-Predigten garantiert diese Theologie dann die praktische Einkommensquelle auch in unserem christlichen Glauben. Einerseits lehnen viele Menschen heute solchen Glauben allerdings überhaupt ab, weil sie diese Konstruktion zum Gelderwerb durchschauen, andererseits verlieren wir immer mehr den Sinn für eine wirkliche Moral für die schönste Sache des Lebens, nämlich die Liebe! Schließlich führt das ganze dann zu einer Minimalmoral: Andere nicht mit Geschlechtskrankheiten anzustecken, seine Freundin nicht schwanger zu machen und immer brav Kondome zu benutzen. Und leider schütten wir damit auch noch das Kind mit dem Bade aus, wenn wir jegliches Verständnis für Glauben überhaupt verlieren.  

      Da die Inquisitoren auch beim Glauben ansetzten, könnte man den Ansatz beim Glauben auch als "inquisitorischen Ansatz" bezeichnen...

2.   Ansatz des vermutlich historischen Jesus: Primat der Moral. Das, worauf Jesus zu seiner Zeit gestoßen war, war nun wirklich offensichtliche Schäbigkeit und Menschenverachtung (man muß bloß die entsprechenden Informationen haben und darf sich nichts vormachen). Und genauso schäbig und menschenverachtend laufen ja etwa die heutigen Kavaliersdelikte ab. Ein wirklich emanzipierter Mensch wird aus einem gesunden Egoismus heraus immer eine andere Moral akzeptieren und auch unbedingt leben wollen: Wo kommt er denn sonst hin? Auf was läßt er sich sonst alles ein? Doch dazu gehört auch Menschenkenntnis und die ist bisweilen Glückssache. Also braucht er feste Spielregeln und geeignete Information und vielleicht auch noch "Gottes Huld".  Zwangsläufig folgt also bei einem moralischen Menschen der Bedarf nach Gnade - also auch Glauben! Nur eben ein wenig anders und sinnvoller...

      Unzweifelhaft ist allgemeine Erfahrung, daß im Zusammenhang mit der Sexualmoral (und nicht nur mit der!) Menschen "hinterher" bisweilen bereuen, daß doch nicht alles so richtig war, was sie gemacht haben. Doch einerseits trösten sie sich selbst, daß sie "das alles" eben vorher gar nicht wissen konnten, und ihre Pädagogen reden sich heraus, daß es nun einmal so ist, daß die jungen Menschen üblicherweise einfach nicht auf die  "weisen" Ratschläge der Alten hören wollen und eben ihre Erfahrungen machen müssen. These dieser Website ist nun, daß die jungen Menschen gar nicht hören konnten, weil bei den pädagogischen Empfehlungen der Alten im Hinblick auf die (Sexual-)Moral letztlich doch noch zuviel Über-Ich dabei war oder zumindest "durchschimmerte“, denken wir an die berühmten Tabus, an die Verbote, an die Zwänge und Ängste der Erwachsenen, die mit der Thematik üblicherweise verbunden sind und die natürlich auch auf die jungen Menschen rüberkommen. Die jungen Menschen konnten daher gar kein objektives Bild gewinnen, sie hatten gar nicht gemerkt oder zumindest war ihnen nicht bewußt geworden, daß es um "ihre Sache" ging. Jedenfalls konnte von einem „Primat der Moral“ nicht die Rede sein!

Es geht hier um nicht mehr weniger als um die uralte Frage, die auch Dostojewski in seinem Werk "Der Großinquisitor" bewegte, wenn er in einem fiktiven Gespräch den Großinquisitor mit Jesus diskutieren läßt, ob die Menschen mit der Freiheit vernünftig umgehen können, ob sie also aus sich heraus vernünftig und moralisch leben können, oder ob sie von Grund auf schlecht sind und immer das Korsett eines Glaubens - notfalls mit der entsprechenden Knute - brauchen. Klar, welches die Meinung des Inquisitors und die Jesu ist?

 

Woran kann man nun eine Sexualmoral erkennen, bei der dieses Primat verwirklicht ist?   

-     Die Moral hat aus sich heraus ihren Sinn, wie das ja auch für vernünftige Menschen so ist!

-     Das Eigeninteresse des Menschen an der Liebe hier und jetzt in diesem Leben steht so im Vordergrund, daß der junge Mensch das auch merkt (siehe Egoismus-Egozentrik).

-     Der junge Mensch kennt die Kehrseite und die Fallgruben deutlich-drastisch und genau genug und will selbst nicht so dumm sein, Fehler zu machen und in die Fallgruben hineinzufallen. In dieser Website werden solche Situationen etwa in den Vertraulichen Gesprächen geschildert.

-     Er weiß auch, daß eine vernünftige Moral immer auf Gegenseitigkeit beruht, nur wenn der andere seine Vorteile hat, die natürlich auch ethischer Art sein können und die am besten noch größer als die eigenen sein müssen, kann man auch selbst mit wirklichen Vorteilen rechnen.

-     Der  junge Mensch hat über die Chancen und den besonderen Reiz einer wirklichen Moral, einer wirklichen Partnerschaft, über die Brisanz einer wirklichen Einheit von Leib und Seele von Mann und Frau, über den Pfefferminzgeschmack des Orgasmus nachgedacht – und will das alles nicht nur einmal (oder noch nicht ein mal) oder für eine kurze Zeit erleben, sondern ein ganzes Leben, immer und immer wieder und ohne die häßliche gegenseitige Verachterei.

-     Er weiß, daß eine Frau, die bei einem Mann nicht solches empfinden und erleben kann, sich irgendwann von ihm ausgenutzt vorkommen könnte und ihn betrügt, verachtet, hasst, verlässt. Andererseits weiß er, daß er von einer Frau, die bei ihm wirklich auf ihre Kosten kommt, und dazu gehört auch das Sexuell-Orgastische, auch wirklich geliebt oder gar vergöttert wird. Er weiß, daß andere da wirklich keine Chancen haben.

-     Er hat ein Gefühl für eigene Ehre und von daher Ansprüche auch an andere, er will etwa nicht nur gut für die abgelegten Frauen anderer sein und daher ist ihm dieser heutige "Beischlafwettbewerb" auch völlig zuwider, der nach dem Motto läuft: "Wer es am besten kann, der hat bei einer Frau gewonnen!". Und auch dieser Anspruch wird von Jesus nicht nur unterstützt, sondern sogar "angeordnet": "Es ist aber weiter gesagt: Wer seine Frau entlassen will, gebe ihr einen Scheidebrief. Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlassen wird, außer aufgrund von Hurerei, macht, daß sie Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch (Matth. 5, 31f)". Wir müssen wissen, daß unsere heutige "Herumvögelei" im Sinn der Bibel und auch Jesu immer wieder neuer Ehebruch ist, dann nach jüdisch-biblischer Vorstellung bedeutete Geschlechtsverkehr auch Ehe!

-     Der junge Menschen kennt für ihn akzeptable und spannende Alternativen, etwa die aktive Enthaltsamkeit und die „Gandhimethode“. Und wirklich gute Erzieher empfehlen ihm diese und machen sie fit dafür, denn sie wissen, daß Langeweile der größte Feind wirklicher Moral ist, der alle guten Ideen letztlich immer wieder zerstört.

-     Der junge Mensch weiß über die Wege Bescheid, das alles vor vollendeten Tatsachen herauszufinden, so hat er die anatomischen Kenntnisse, daß die Nervenzellen, die für den Orgasmus der Frau zuständig sind, sich alle an der Oberfläche befinden, und daß eine Frau mit dem Eindringen des Gliedes nicht mehr an Orgasmus erfährt als ohne, daß also das Eindringen des Gliedes gar nicht notwendig ist, um etwas zu "testen".

-     Wie oft darf man "probieren" oder Erfahrungen machen, bis man eine Schlampe ist? Heißt Probieren nicht in Wirklichkeit Reinfallen, weil man zu dumm für wirkliche Menschenkenntnis ist? 

-     Dabei kennt der junge Mensch auch den Unterschied von falscher und wirklicher Moral und so weiß er, daß etwa eine unschuldige Nacktheit wie auf dem Titelbild der Website etwas Wunderbares und Faszinierendes und sogar Wertvolles ist, doch daß Voraussetzung für diese Harmonie vor allem erst einmal eine wirkliche Moral ist! Wie es aussieht, wird genau aus diesen Gründen die Nacktheit in der Adam-und-Eva-Erzählung der Bibel akzeptiert, wenn nicht gar empfohlen.

-     Der junge Mensch erfährt alles so rechtzeitig schon in der Kindererziehung, so daß er sich wirklich darauf einrichten kann, siehe Kairos. Und wenn er vernünftig angesprochen wird, ist er auch interessiert - und wie!

-     Dagegen ist die Angst vor Geschlechtskrankheiten wie AIDS eher dem Über-Ich zuzuordnen und daher ein weniger sinnvolles Argument für die Moral: Man würde ja gerne, doch man unterläßt es aufgrund einer "höheren Gewalt"...

Das alles motiviert ihn schon einmal, selbst moralisch sein zu wollen, seine Phantasie und Kreativität einzusetzen, Menschen zu suchen, die ihm helfen können, sich überhaupt eine Gemeinschaft zu suchen, in der die Menschen ähnliche Ziele haben (siehe Gemeinde), Bücher zu lesen, sich zu trainieren für den Fall der Versuchung und wenn sie eintritt, sachgerecht vorzugehen. Mit dem über-ich- oder dem ich-gesteuertem Gewissen ist es dabei etwa dasselbe, wie mit einem Menschen, der gezwungen wird, auf einen hohen Berg zu steigen oder der dies freiwillig tut. Es ist in beiden Fällen dieselbe Handlung und derselbe Schweiß, der vergossen wird,, nur der gezwungene Mensch hat unerträglichen Streß und leidet darunter und stirbt vielleicht sogar vor Erschöpfung, während der freiwillige Bergsteiger dies gerne tut, trainiert, keine Kosten und Mühen scheut und bei allem einen positiven Stress empfindet, weil das für ihn eher eine Art Sport ist und er sogar kreativ wird, um überhaupt hinzukommen, wenn ihm das verwehrt werden sollte.

 

Es gibt nun einmal genügend Prozesse in dieser Welt, die einfach nicht umkehrbar sind! Und daher führt noch so schöner und guter Glaube wohl (zumindest auf Dauer) nie zu wirklicher Moral! Doch Moral kann eben durchaus zu Glauben führen...

Und welche Rolle spielt Gott dabei? Mit ihm setzt sich ein Mensch mit einem ich-gesteuertem Gewissen in eher partnerschaftlicher Weise auseinander, er hofft dringend, daß es ihn gibt, er läßt sich durch den Kopf gehen, wofür ein guter Gott wohl seinen Segen gäbe, er verkehrt mit ihm in einem gläubigen Gebet, weil er sich selbst in Richtung noch mehr Vernunft ändern und von diesem Pfad nicht abgehen will, er ist ihm dankbar, daß es die Zehn Gebote gibt, weil sie eine tolle Richtschnur sind (wie die Ampeln an der Straße), die ihn vor schlimmen Unfällen bewahren. Und man braucht gewiß auch "überirdische" Unterstützung, es ist ja auch ganz schön schwer, etwas durchzuhalten, selbst wenn man es als richtig erkannt hat!

Jedenfalls kommen wir vermutlich nur auf diesem Weg zu dem Gott, den uns Jesus gelehrt hat: Wir sehen, daß es schwierig ist, die Welt und das Leben zu meistern (siehe Spieltheorie), und so suchen wir nach einem Helfer! Und es handelt sich hierbei um eine Art Prozeß in der Art wie viele chemische Prozesse: Er ist nicht umkehrbar! Wenn wir meinen, (jungen) Menschen zuerst einmal Gott und Jesus beizubringen, damit sie sich bei ihrem Handeln ihnen verpflichtet fühlen, dann verkünden wir immer nur einen Götzen!

Ob Gott selbst das gut findet? Wir wissen es nicht, wir können es jedoch annehmen, denn wir glauben an einen menschlichen Gott, der gewiß erst einmal will, daß wir vernünftig leben, bevor wir ihm danken und ihn preisen und gar irgendwelche Spekulationen über ihn machen und die dann auch noch glauben. Immerhin hat Jesus diese Ansicht eindeutig bestätigt, wenn er sagt, daß der Sabbat für den Menschen da ist und nicht der Mensch für den Sabbat (siehe Mathäus 12, 1ff): Ein wirklicher Sinn für den Menschen ist also - zumindest in wirklich christlichem Glauben - immer wichtiger!

 

Anmerkung: Mit dem Hinweis, daß der Ansatz vom Glauben her ein pharisäischer Ansatz ist, ist auf keinen Fall gesagt, daß alle, die diesen Ansatz praktizieren, auch Pharisäer sind! Viele nämlich, die auf einem Ansatz vom Glauben bestehen, sind durchaus absolut gutwillige und ehrenwerte Leute. Das Problem ist, daß sie in ihrer Gutwilligkeit und Ehrsamkeit etwas übernehmen, was eben im Sinn wirklicher Moral nicht funktioniert und vermutlich auch nicht der Nachfolge des wirklichen Jesus entspricht. Denn es kommt immer darauf an, was aus dem, was wir machen, heraus kommt. Und das ist entscheidend. 

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)