HEUCHELEI (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Die HEUCHELEI ist eine nicht immer ganz leicht bei sich und bei anderen zu erkennende Verhaltensweise, bei der ein äußerer Eindruck erweckt wird, der nicht der Wirklichkeit entspricht. Die Heuchelei ist der Lüge vergleichbar, allerdings geschieht die Verfälschung der Wirklichkeit hier weniger mit Worten, sondern nur durch das Verhalten. Wie auch bei der Lüge kann dies bewußt oder unbewußt geschehen.

Es gibt da den berühmten Vergleich mit dem Gewand mit den vielen Knöpfen, bei dem man alle unteren Knöpfe falsch knöpfen muß, weil man beim obersten Knopf schon etwas falsch gemacht hatte. Heuchelei also als Kettenreaktion?

Wir alle sind möglicherweise oder sogar wahrscheinlich in irgendeiner Weise Heuchler, möglicherweise ist ohne eine gewisse Heuchelei auch in vielen Fällen ein einigermaßen harmonischer Umgang unter uns Menschen gar nicht möglich. Wie soll man sich etwa verhalten, wenn jemand im Sterben liegt und seinen Tod vielleicht gar nicht wahrhaben will? Hier dürfte eine gewisse Heuchelei allerdings wahrscheinlich auch die Fortsetzung der Heuchelei sein, mit der wir alle nur zu oft schon unser ganzes Leben leben.

In Ordnung dürfte Heuchelei nie sein, völlig problematisch ist sie allerdings, wenn (junge) Menschen durch die Heuchelei ihrer Umwelt an einem zutreffenden Realitätsbewußtsein gehindert werden und dadurch nicht die sinnvollen Strategien entwickeln können und schließlich in wichtigen Dingen falsch handeln und daher dann Schaden an ihrer Einheit von Leib und Seele nehmen. Daß man etwa Mädchen bei ihrer Suche nach einer sinnvollen Moral nicht entsprechend informiert (siehe Gespräch 40) ist nicht nur Heuchelei, sondern dazu noch ausgesprochene Hartherzigkeit. Schlimm dabei ist ja auch noch, wenn sich Heuchler dazu erdreisten, anderen Vorschriften in moralischen Dingen zu machen oder auch nur Empfehlungen zu geben. Sie müßten ja wenigstens darauf hinweisen, daß sie selbst mit ihren Vorschriften oder Empfehlungen in ihrem eigenen Leben eben nicht klargekommen sind und sich daher eventuell andere ausgedacht haben, die sie selbst aber an sich auch nicht erfolgreich erprobt haben. Menschen, die in dieser Weise verhalten, nennt man umgangssprachlich eher Moralapostel. Es ist äußerst wichtig, solche Menschen wenigstens für sich selbst zu entlarven, um nicht letzten Endes nur genauso zu handeln wie sie. Siehe dazu Menschenkenntnis.

Warum haben wir eigentlich kein heuchelei-freies Konzept für zwischenmenschliche Beziehungen? Geht das wirklich nicht anders?

Ein 11-jähriges Mädchen (das von der Spanienfahrt mit dem chinesischen Ehepaar) sagte einmal zu mir: "In Wirklichkeit hätten alle ihre Kameradinnen Spaß an der Nacktheit, doch alle wehren sich dagegen, daß sie diesen Spaß hätten, wenn man sie drauf anspricht". Und als ich das Mädchen nach dem Desaster mit der kaputten amerikanischen Tante (die gar nichts verstand, ich kann sie hier nur als kaputt bezeichnen, denn zunächst tat sie so verständig und als alles klar war, geriet sie plötzlich in Panik und schwenkte total um und verwandte alles gegen mich - das alles kann nur auf ihre eigenen Leichen im Keller hinweisen) darauf ansprach, dass wir sie eigentlich ins Auto packen und mit ihr die Spanienfahrt ohne Tante wie geplant hätten machen sollte, da war die spontane Reaktion, dass das nicht gegangen wäre, was hätte denn die Tante von ihr gedacht... Da hatte ich also alles eingefädelt, die passenden Gespräche und die Anwesenheit eines integren Ehepaars, damit das Kind seine Unschuld und Unbefangenheit erleben konnte, um eine Basis und einen Maßstab für später zu haben, und da wird eine solche Harmlosigkeit als etwas Schlechtes verteufelt. Was wäre, wenn das nicht so wäre, wenn man die Kirche im Dorf ließe und endlich einmal bei Kindern etwas Unschuldiges und Harmloses auch etwas Unschuldiges und Harmloses sein ließe? Dann könnte man ihnen eben auch glaubhaft machen, was eben nicht mehr so unproblematisch ist und worauf sie später erst einmal zurückgreifen sollten. Auf die "Methode der Tante" (heute weitgehend üblich!) lernen junge Menschen jedenfalls nie, ein sinnvolles Bauchgefühl zu entwickeln und schließlich mit ihrer Sexualität vernünftig umzugehen, auf diese Weise lernen sie auf alle Fälle, daß Sexualität etwas mit Heimlichkeit zu tun hat und daß es normal ist, etwas anderes zu sagen und zeigen, als man wirklich will und ist, also Heuchelei! Warum nur drängen wir Dinge, die überhaupt nicht nötig sind, in die Heimlichkeit ab - was soll das? Sind wir noch bei Trost?

Ob nicht unsere Zeit vor allem deswegen so kaputt ist, weil so viel geheuchelt wird?

Ja, wie erkennen wir überhaupt Heuchler, und natürlich auch: wie erkennen wir, ob wir nicht selbst auch Heuchler sind? Wie unterscheidet man Heuchler etwa von schlichtweg nur dummen Leuten? Es dürfte sehr schwierig sein! Ein Hinweis hierzu: Wenn Menschen bessere Alternativen, Probleme zu lösen, die "man" angeblich nicht lösen kann, nicht sehen und auch bei Vorlage wirklich plausibelster Argumente und bester Konzepte einfach nicht zugänglich sind und immer nur Ausreden haben, weil das angeblich nicht geht (etwa von wegen der Medien oder der heutigen anonymen Industriegesellschaft) und dann auch noch nach den Gesetzen der Hackordnung "in Sachen Moral" immer wieder andere suchen, die schuld an allem sind, dann scheinen die auch gar nicht zu wollen, sie scheinen also Heuchler zu sein. Denn nach dem Motto, wie das Böse entsteht, gibt es auch positive Möglichkeiten: Eine "Komponente", die wir ändern können, gibt es doch immer. Und wer keine solche Komponente sieht, der will offenbar nicht...

Eine besondere Art der Heuchler kennen wir aus der Zeit Jesu: Die Pharisäer und Schriftgelehrten. Was damals wohl genau los war, siehe unter dem Stichwort.

Aktionismus ist die Heuchelei in modernem Gewand.

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)