MORALAPOSTEL haben von wirklicher Moral
keine Ahnung!
MORALAPOSTEL nennen wir umgangssprachlich diejenigen Menschen,
die nach außen hin für eine bessere Moral
eintreten und die sich selbst in ihrem eigenen Leben allerdings nicht an diese
Moral halten oder gehalten haben und die selbst auch noch genügend
Leichen im Keller haben.
Als
Schüler hatte ich da einmal in einem ganz konkreten weltlichen
Bereich eine entsprechende Erfahrung - es handelt sich allerdings um
etwas Moralneutrales: Und zwar hatte ich bei einer Biologieexkursion
die Aufgabe, Gipsabdrücke von Hufabdrücken wildlebender Tiere
zu machen. Und der Lehrer gab mir auch ein Blatt mit einer Anleitung,
wie das zu machen sei. Nachdem man die Hufabdrücke mit
flüssigem Gips ausgegossen hätte, so stand da, müsse man
den Gips etwa 24 Stunden festwerden lassen, um den fertigen Abdruck
mitnehmen zu können. Ich machte das also, als ich nach langem
Suchen entsprechende Abdrücke gefunden hatte. Doch als ich einen
Tag später wieder kam, war mein Gipsabdruck völlig
vermatscht, der Gips hatte zuviel Feuchtigkeit in der feuchten Erde
aufgesogen und war so verdorben worden. So ging es also ganz
offensichtlich nicht! Durch eigenes Ausprobieren fand ich dann heraus,
daß das mit der 24stündigen Wartezeit Unsinn war, daß
man den Abdruck schon nach 20 Minuten abnehmen konnte und ihn zu Hause
trocknen lassen mußte. Das, was auf dem Blatt stand, war also
ganz offensichtlich von niemandem richtig ausprobiert worden, denn dann
wäre mit Sicherheit aufgefallen, daß das so nicht
funktionierte.
Bei der Aufgabe mit
dem Gipsabdruck handelte es sich nun vergleichsweise um eine belanglose Sache,
anders verhält es sich jedoch mit Sicherheit bei den entscheidenderen Dingen
des Lebens, in die sich die typischen Moralapostel einzumischen pflegen.
Jesus
sagte einmal, daß man die Menschen "an ihren Früchten" erkennt,
und so erkennt man Moralapostel auch bei näherem Hinsehen daran, daß das,
was sie predigen, in der Praxis eben nicht funktioniert.
Denn wer schließlich doch ihren moralischen Empfehlungen folgt, der wird dann
auch prompt scheitern, und damit sozusagen am eigenen Leib erfahren und
erkennen, daß ein moralisches Leben so auch heute noch nicht möglich ist.
Ganz offensichtlich predigen Moralapostel also etwas, das sie auf alle Fälle
gar nicht richtig an sich selbst erprobt und schon gar nicht durchlebt haben.
So erreichen sie mit ihrem Einsatz bei anderen Menschen letztlich dann auch
wieder nur das Gegenteil von dem, was sie vorgeben zu wollen, also genau
diejenige Scheinmoral, nach der sie schon selbst leben. Sie mögen zwar
wissen, daß etwas in ihrem Leben falsch war, weil sie sich nicht so
recht wohl fühlen und sie mögen auch ehrliche Absichten haben, anderen zu
helfen, dieselben Fehler zu vermeiden. Doch deshalb wissen sie noch lange
nicht, wie man es richtig macht, was wirkliche Moral ist, ob ihre Moralpredigt
in der Praxis wirklich funktioniert, und sie können daher auch andere
Menschen gar nicht zu wirklicher Moral führen.
Typische Kennzeichen
von Moralaposteln sind etwa (siehe auch
Menschenkenntnis):
-
Moralapostel
verwechseln immer gern die Beziehung von Ursache und
Wirkung in Fragen der Moral! Für sie ist etwa heutzutage ganz klar,
daß vor allem die Medien die Ursache von
Unmoral sind, und wenn jemand da Bedenken anmeldet, werden sie entweder
ausfallend oder allergisch-unsachlich.
-
Sie
predigen eine Scheinmoral im Sinn
von Sitte und Anstand und tun so, als ob dies die Grundbedingung jeglicher
Moral
sei. Wissen sie wirklich nicht, daß es auf diese Weise immer nur zu einer
Sklavenmoral
und noch nie zu einer echten Moral gekommen ist? Daß eine Moral vor
allem etwas mit Denken und Bewußtsein zu tun hat, mit Eigeninteresse (siehe
Egoismus)
und mit Lebenskonzept und gar mit einer Art
niveauvollem Spaß,
scheint Moralaposteln noch nicht aufgegangen zu sein. Und wenn sie tatsächlich
daran denken, dann nur nach der Methode Dienst nach
Vorschrift oder in Verbindung mit doppelt
gemoppelt oder mit halben Sachen, klar das
dabei nichts Vernünftiges herauskommen kann. Doch das sehen Moralapostel
nicht - und man hat es ja versucht und bitteschön, es klappt nun mal nicht!
-
Dabei
leiden sie ganz offensichtlich
unter der Moral und scheinen demnach von den Vorteilen wirklicher Moral hier
und jetzt kaum überzeugt zu sein und ganz offensichtlich auch keinen Spaß
dabei zu haben. So geben sie zu erkennen, daß
sie mit Sicherheit nie den Rausch erfahren haben, den gerade eine wirkliche
Moral bereiten kann, etwa den des Erlebnisses der Phase der
Ästhetik mit einer bewußten
Enthaltsamkeit,
siehe etwa Gandhi-Methode oder das
Gespräch 9 zwischen Beatrix und Martina in den
Vertraulichen Gesprächen.
Daher sehen sie in der Moral eine Last, die immer nur mit
Verboten
und Zwängen,
mit Ängsten
und Tabus
durchgesetzt werden kann. Ob das nun die Ankündigungen des Strafgerichts
Gottes mit Hölle und Teufel oder mit den berühmten schlechten Zeiten sind,
in denen sich die Menschen schon wieder zu Gott und zum Guten bekehren würden,
ist letztlich gleichgültig. Wenn dies nicht so wäre,
würden sie nicht dann ihre berauschenden und überzeugenden Erfahrungen mit
der Moral geradezu in die Welt schreien und mit
Phantasie
immer wieder neue Möglichkeiten der Weitergabe finden? So deuten sie auch nie
die Zehn Gebote als Spielregeln eines diesseitigen
Paradieses,
sondern immer nur als mehr oder weniger entsagungsvolle Vorbereitung auf ein
späteres, jenseitiges Paradies.
-
Wie
wenig Moralapostel von der
Wirksamkeit ihrer moralischen Modelle überzeugt sind, mag man ermessen, daß das Sündigwerden der Menschen
für sie das Hauptproblem der Religionen
ist mit der Problematik von Schuld,
Vergebung
und Erlösung.
Sie können sich Religion gar nicht anders vorstellen. Doch das alles
predigen sie mit Vorliebe anderen und anderer Leute Kinder; soweit sie eigene
Kinder haben, sorgen sie sich jedoch zumeist geradezu fanatisch (jedoch nicht
deshalb auch schon sachkundig) darum, daß diese erst gar nicht in die Nähe
von typischen Gelegenheiten kommen, die ihrer Meinung nach aufs Sündigen
hinauslaufen. Genau wie die Pharisäer
zur Zeit Jesu, die sich genauso verhielten und obendrein ihre Töchter
hinrichten ließen, wenn diese sich auf sexuelle Abenteuer einließen,
bedenken sie nicht, daß moralische Verhaltensweisen immer von einer Art
Gruppeneffekt oder gar Gruppenzwang
abhängig sind und daß es darauf ankommt, daß sich die Mitmenschen nach den gleichen
Regeln verhalten.
-
So
entdecken Moralapostel auch nie
eine Verantwortlichkeit
bei sich selbst, wenn es um die Möglichkeiten der
Information
und des rechten Zeitpunkts (siehe Kairos)
gerade bei jungen, ungeprägten Menschen geht. Eine heute beliebte
Ausrede, warum man nichts machen könne, ist, daß die
entscheidenden Prägungen eines Menschen in seinem Unbewußtem
in den ersten drei Lebensjahren stattfinden, also zu einer Zeit, da sie
selbst keinen Zugriff zu den jungen Menschen hätten. Wenn sie dann
selbst in ihrem Unterricht mit den jungen Menschen arbeiten
können, dann sehen sie überhaupt nicht ihre Chancen und
verschenken mit allen möglichen und unmöglichen
Unglaubwürdigkeiten geradezu fahrlässig ihre Glaubwürdigkeit,
weil sie einfach zu sehr auf diese frühe Prägung fixiert sind. Wer sich also
als Priester und Lehrer von relativ ungeprägten jungen Menschen bei der
Entschuldigung für seine seelsorgerische Erfolglosigkeit auf die
Tiefenpsychologie
beruft, entlarvt sich damit also selbst schon fast als Moralapostel.
-
Und
sie haben auch noch weitere
Ausreden parat, warum ihre Moralerziehung nicht funktioniert. Beliebt ist
die Entschuldigung, daß Theorie und Praxis verschiedene Dinge seien und daß eine mißlungene Praxis noch
längst nicht darauf hinweise, daß auch die Theorie nicht in Ordnung sei. Dabei sind ihre Ansätze
für eine Moral zumeist ausgesprochen dürftig und unlogisch. Zur Zeit Jesu
waren das vor allem überflüssige Speisegebote, sinnwidrige Sabbatregeln,
kleinliche Reinigungsvorschriften (siehe koscher und
Kasuistik). Heute dürfte dem das Lamentieren über den
mangelnden Glauben der an Gott,
über den Sittenverfall, über unsere moralwidrige
zeitbedingte Atmosphäre, also über die Darstellungen von
Gewalt
und über die Pornografie und Oberflächlichkeit
in Fernsehen, Video, Illustrierten und über die Anonymität in unserer
modernen Industriegesellschaft entsprechen. Gegen die Macht der
Medien
kann man eben nichts machen... Und um etwas zu ändern, fällt
ihnen bloß eine Art Zensur
ein, also etwa das Verbot von bestimmten Filmen und Zeitungen bis hin zur
Bekämpfung von Fotos von Pin-up-Girls oder
Sendungen wie Tutti Frutti, oder sie warten
auf Hilfe von höherer Warte, am Ende sogar auf das Eingreifen eines Gottes.
Auf die Idee, eine von ihnen beeinflußbare Komponente im teuflischen Spiel
des Bösen
zu ändern, die beim gesunden Egoismus
der ihnen anvertrauten Menschen ansetzt, kommen sie nicht. So scheinen
sie auch nie darüber nachzudenken, daß die Moral auch schon
zu Zeiten im Argen war, als es noch keine Illustrierten, kein
Fernsehen, keine Videofilme und keine Pornografie einschließlich
der Bilder von Pin-up-Girls gab. Und ihnen fällt auch nicht auf,
warum wohl Christen etwa im alten Rom trotz widrigster Umstände in
schlimmsten Situationen etwas ändern konnten. Kennzeichen von
Moralaposteln ist also auch die Vergeßlichkeit, über dies
alles nachzudenken.
-
Kennzeichnend
für Moralapostel ist schließlich
auch
ihre Leibfeindlichkeit und
Verklemmtheit.
Sie vermeiden nicht nur selbst jede tiefere Auseinandersetzung mit allem, was
auch nur entfernt mit Sexualität
zu tun hat, sondern verhindern durch ihre Methoden der
Erziehung
auch noch, daß junge Menschen von selbst zu einer Auseinandersetzung kommen. Ich erinnere mich da
an eine Episode aus meinem schulischen Englischunterricht. Ich hatte mir bei
der Lektüre von Shakespeares "Kaufmann von Venedig" nicht wie meine
Mitschüler den Text aus einem deutschen Schulbuchverlag gekauft, sondern
einen Text aus dem englischen Kulturinstitut entliehen. Und an einer Stelle
stand da bei mir etwas anderes. "Ich weiß", meinte hier unser
Studienrat, "wir haben eben die gereinigten Texte für die Lyzeen (Mädchenschulen)".
Und was für eine Stelle war da so anstößig? "And some cannot contain
their urine when the bagpipe sings its very noise" - "Einige können
ihren Urin nicht halten, wenn der Dudelsack so schräg pfeift...". Über eine solche Kürzung
könnte man sich vielleicht noch amüsieren, doch verbirgt sich dahinter die für
jede wirkliche Moral zutiefst schädliche Auffassung, daß man Kinder am
besten überhaupt nicht auf die Sexualität aufmerksam machen und schon
gar nichts Deutliches über die Ambivalenz
dabei erzählen dürfe. Denn die Kinder könnten ja dieses Wissen angeblich
nicht verkraften und würden in der Unbeschwertheit ihrer Jugend beeinträchtigt.
Auf welche negative eigene Erfahrungen der Moralapostel lassen solche
Auffassungen schließen? Irgendwelche Vorstellungen von positiver Erfüllung,
für die man Kinder begeistern könnte, scheinen da gewiß nicht vorzuliegen.
-
Und
so werden auch Vorgänge oder
Denkmodelle, die zwar bei näherem Hinsehen Probleme der Sexualität behandeln
und die jedoch wegen der zeitlichen Entfernung nicht mehr unmittelbar
zugänglich sind, so uminterpretiert, daß das ursprüngliche
Problem mit Sicherheit nicht mehr zu erkennen ist. So wird aus der Adam-und-Eva-Erzählung,
bei der es um eine Absage an den Mißbrauch der
Liebe geht, eine Dogamtik
von einer Erbsünde
und aus dem Anliegen Jesu, hier für eine Änderung zu sorgen, wofür er
schließlich gestorben ist (siehe Jesus und die
Sünderin und Leben-Jesu-Forschung), eine Erlösung
von dieser Erbsünde, was nun alles wirklich nichts mehr mit dieser Liebe
zu tun hat.
-
Sie
praktizieren typischen
Dienst nach Vorschrift
auch und gerade bei unserer christlichen Religion und pflegen für
Außenstehende unbegreifliche sinnlose Riten und verlangen besonders von
anderen sinnwidrige Opfer des
Verstandes (siehe sacrificium intellectus).
-
Und
wenn dann die Themen der
Sexualität schließlich doch zur Sprache kommen, werden zumeist in Form von
Gesetzen und Verboten übertriebene moralische Forderungen gestellt. Das
Ergebnis dabei sind auf alle Fälle weitere Ängste und Tabus. Im Hinblick auf
eine wirkliche Moral dürfte sich damit jedenfalls nichts ändern. Konnten
sich nicht gerade Bräuche wie der des Rechts der
ersten Nacht in Gesellschaften mit Tabus und Ängsten am leichtesten
erhalten? Ein beliebtes Anliegen
von Moralaposteln ist immer wieder, eine (Sexual-)Scham
durchzusetzen. Das reicht von der Verschleierung der Frauen in den einen Ländern
bis zu Vorschriften zur Badebekleidung in anderen Ländern. Damit werden -
zumindest bei Frauen - allenfalls Wiederholungsfälle vermieden, die
Anfänge sexuellen Fehlverhaltens (siehe reinfallen
etwa à la Gespräch 2)
jedoch mit Sicherheit nicht. Menschen, die jedoch trotzdem an der angeblichen
Bewährtheit solcher Maßnahmen festhalten, wollen damit vor allem anderen
ihre eigene Moral beweisen. Und wenn sie von der Sinnhaftigkeit der
Sexualscham wirklich überzeugt sein sollten, dann sind sie wahrscheinlich vom
Anfang ihres eigenen Fehlverhaltens schon so weit entfernt, daß sie vergessen
haben, wie es bei ihnen selbst wirklich angefangen hatte.
-
Und
dann pflegen Moralapostel immer
zu jammern, daß es keine Vorbilder
mehr gibt. Damit geben sie selbst zu, daß sie selbst keine Vorbilder sind, daß
sie also anders scheinen als sie wirklich sind.
-
Beliebt
bei Moralaposteln ist weiterhin,
von sich selbst abzulenken und bestimmte Völker, Rassen oder
Bevölkerungsgruppen für die Unmoral einer Zeit verantwortlich zu machen und
diese deswegen bisweilen blutig zu verfolgen. Wahrscheinlich können wir die
größten Tyrannen und Menschenschinder in der Menschheit am ehesten
verstehen, wenn wir ihnen zunächst einmal zubilligen, daß sie tatsächlich
an der Unmoral ihrer Zeit litten (oder eher an ihrer eigenen) und da etwas ändern
wollten. So beschuldigte Hitler
die Juden der Zerstörung der Menschen durch Unmoral (siehe
Nationalsozialismus),
Stalin die Kapitalisten (siehe Kommunismus)
oder der iranische revolutionäre Ayatolla Khomeni die Amerikaner. Wie sehr
Stalin Moralapostel war, mag aus seiner Beurteilung der Oper "Lady
Macbeth von Minsk" von Schostakowitsch hervorgehen. In der Oper wurde das
Schicksal einer gedemütigten und mißbrauchten Frau packend und mit
drastischen Mitteln dargestellt und schließlich auch ihr Aufbegehren, indem
sie alle Bande einer veräußerlichter Moral zerbrach (und dann auch daran selbst
zerbrach). Der Diktator verbot nach seiner Begutachtung weitere Aufführungen
dieser Oper. Fast schon klar ist, daß er selbst einen unwahrscheinlichen
Verschleiß an jungen Mädchen (!) hatte*), wie wir nach und nach erfahren. Ja,
es sieht so aus, daß ganz allgemein - wenn Moralapostel an die Macht kommen -
es immer recht schnell zu typischen Gottesstaaten
kommt, in denen die Moral letztlich dann doch immer
nur dazu dient, daß ihnen selbst genügend willfährige (junge) Frauen zur
Verfügung stehen, die "frisch und frei von
Geschlechtskrankheiten"
sind. In einem Beitrag der WELT "Billard um halb zehn" vom 28. Juni 2003
wird vom Leben unter dem Mullahregime im Iran berichtet: "Ficken und sich
ficken zu lassen, ist alles, was uns geblieben ist, was sie nicht abstellen
können..." (Url des Artikels:
http://www.welt.de/data/2003/06/28/125397.html)
-
Eine "lebendige
Angelegenheit" kann nur funktionieren, wenn auch Ventile oder
Sollbruchstellen eingebaut sind. Wenn hier alles verstopft wird, wenn also
bei einer Moral immer nur verboten oder gewarnt oder auch nur mies gemacht
wird, so daß "man gar nichts mehr tun kann", dann ist sie nie einzuhalten,
zumindest nicht von gesunden jungen Menschen! Und so ist Kennzeichen von
Moralaposteln eben auch, daß sie nie Ventile oder Sollbruchstellen vorsehen,
zumindest nicht akzeptable (also solche, bei denen dann nicht doch wieder
nur das passiert, was eigentlich nicht passieren sollte). In diesem Sinn
wurden die Empfehlungen zur Nacktheit und zur
aktiven Enthaltsamkeit bei basisreligion
zunächst unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit von Ventilen gegeben.
Doch schließlich entwickelten sich daraus die Ideen zur Phase der
Ästhetik - etwas Sinnvolles und Vernünftiges
sollte sich ja auch kultivieren lassen!
-
Die Behauptung, daß
sie alles besser gemacht hätten, wenn sie früher gelebt hätten, weist
inzwischen zu offensichtlich auf Moralapostel hin, so daß sich kaum noch
jemand traut, sie auszusprechen - siehe auch Besserwisser. Doch immer noch werden
Feste und Gedenktage zu Ehren derjenigen berühmten Verstorbenen (oder
Ermordeten) veranstaltet, in deren Nachfolge sie vorgeben zu wirken. Und wenn
diese Toten sich zu ihren Lebzeiten um die Moral verdient gemacht hatten, sind
solche Feste dann der Beitrag der Moralapostel zur Moral - und damit
hat es sich dann auch.
-
Und schließlich leben
Moralapostel auch von einer Art Hackordnung -
sie lassen immer ihre Verachtung für andere durchblicken, die noch
schlechter als sie selbst sind...
Wer nun eines oder
auch mehrere dieser Argumente für seine Begründung des Verfalls seiner Zeit
anführt, dem darf man allerdings nicht gleich unterstellen, daß er ein
verkappter Moralapostel ist. Vielleicht hat er dies nur eher gedankenlos daher
gesagt, schließlich sind viele dieser Argumente ja allgemeine Auffassung
(siehe zeitbedingte
Atmosphäre). Wer kann schon immer alles hinterfragen, was so
geredet wird?
Wie sich Moralapostel mit
ihrer Moral ihr Leben auch noch schwer machen.
Wer buddhistische Tempel besucht,
wird bemerken, daß das Essen, daß es entweder in einer Art Restaurant im
Tempel oder bei Essensständen um die Tempel herum zu kaufen gibt, zwar
vegetarisch ist, doch bisweilen kaum von nichtvegetarischem Essen zu
unterscheiden ist. Zu gut ist "fleischliches Essen" in Geschmack und
Konsistenz imitiert. Es ist, als ob der Verzicht auf Fleisch eine Last ist,
die so leicht wie möglich gemacht werden soll, damit sie erträglich ist.
Dabei übersehen die Buddhisten, wie
schön vegetarisches Essen an sich sein kann, welchen Spaß das machen kann und
daß es überhaupt keine Last ist, nicht fleischlich zu essen! Denken wir nur an
die bekannten "Reibekuchen" (oder woanders Kartoffelflinsen o.ä.) mit den
unterschiedlichsten durchaus auch vegetarischen Zutaten oder an manche
der italienischen Pizzas!
Moralapostel gibt es
also nicht nur, wenn es um unsere Sexualität geht, sondern auch in anderen
Bereichen. Bei Bemühungen gegen das Rauchen werden zum Beispiel oft genug
genau die Argumente gebracht, "die doch nichts bringen". Wir haben
dann den Eindruck, daß derjenige, der uns vom Rauchen abbringen will, in
Wirklichkeit ein Aktienpaket bei einem Tabakkonzern hat, und daß das der
tiefere Grund für die Nutzlosigkeit seiner Argument ist... So wird vor allem
auf den gesundheitlichen Risiken herumgehackt, die erfahrungsgemäß bei
jungen Menschen überhaupt nicht ziehen. Viel weniger wird auf die
eigentlichen Anlässe hingewiesen, aus denen junge Menschen mit dem Rauchen
beginnen, nämlich auf mangelndes Selbstbewußtsein
und auf fehlende Information über Möglichkeiten zu Erlebnissen mit im
eigenen Organismus erzeugten Drogen
(siehe Hormone).
Vermutlich ist die Ursache für solches Verschweigen, weil die Pädagogen
selbst ihre Schwierigkeiten mit dem Drogen haben. Siehe auch
Aktionismus!
Auch der Einsatz gegen
Kriegsspielzeug wirkt zwar nach außen hin sehr moralisch und engagiert, läßt
jedoch Moralapostelhaftigkeit vermuten. Denn dieser Einsatz geht wohl an der
Wirklichkeit vorbei, denn es kommt gewiß nicht zu Kriegen, weil Menschen in
ihrer Kindheit mit Spielzeugpanzern gespielt haben, sondern vor allem aus
Hass
entsprechend der Gesetze des Kreislaufs von Täter und
Opfer. Siehe das Stichwort Frieden.
Eigentlich können
Moralapostel doch gar nicht so blind sein, daß sie nicht längst die völlige
Unwirksamkeit ihrer Jammerei und ihrer Predigten über die fehlende Moral
mitbekommen hätten.
Daß sie trotzdem nicht damit aufhören und sich
wirksamere Strategien
einfallen lassen, kann nur bedeuten, daß sie gar nicht wollen. Ihnen scheint
es gar nicht um eine Besserung zu gehen, sondern darum, daß sie mit ihrer
Lamentiererei ihren Lebensunterhalt verdienen und daß genügend Menschen
trotz ihrer Predigt (oder wegen ihrer Predigt?) genau die Fehler begehen, die
eigentlich vermieden werden sollten, das aber mit schlechtem
Gewissen.
Denn das können sie nachher für ihre Zwecke ausnutzen (siehe
Dummheit oder Böswilligkeit).
Ziel von Moralaposteln
wäre somit nicht eine echte Moral, sondern die kontrollierte Unmoral.
Davon profitieren sie schließlich dreifach: Denn Menschen, die sich schuldig
fühlen, haben Ängste,
damit erhalten sie Macht;
sie werden bereit, sich freizukaufen, was Geld
einbringt; und sie sind werden auch noch weiter erpressbar oder zumindest
nicht prinzipientreu, was ihnen zumindest hin und wieder unverbindliches
sexuelles Vergnügen beschert (siehe Jesus und die Sünderin). Noch
mehr als die nützlichen Idioten sind Moralapostel uneinsichtig, sie lassen sich durch keine
Argumente von der Vergeblichkeit und der Kontraproduktivität (daß sie also
genau das Gegenteil erreichen von dem, was sie vorgeben zu wollen) ihrer moralischen
Bemühungen überzeugen.
Und typische Rationalisierungen:
Ich zitiere aus dem Beitrag "Kein Untergang, nirgends" in der WELT vom 20.03.2010:
So
neu ist die Erkenntnis schließlich nicht, dass in jedem
Sittenrichter eine komische Figur steckt - vor allem dann, wenn er bei
Verstößen gegen seine eigenen Gebote ertappt wird. Nicht
jeder ist so souverän wie der Moralphilosoph Max Scheler
(1874-1928), der, als ihn der Kölner Kardinal Schulte (1871-1941)
wegen seines lockeren Lebenswandels zur Rede stellte, die kühle
Antwort gab: "Haben Eminenz schon einmal einen Wegweiser gesehen, der
den von ihm gewiesenen Weg selber ging?" Darauf kann man allerdings
antworten: "Woher wissen Sie denn, dass der Weg, den Sie weisen,
überhaupt begehbar ist und dann auch noch zum Ziel führt -
wenn Sie ihn selbst gar nicht gehen (wollen)? Und so toll scheint der
Weg ja offensichtlich nicht zu sein..."
___________
*) Anmerkung: Ich weiß nicht mehr,
woher ich die Information habe zu Stalins "Mädchenverbrauch", ich hielt das
Wissen darüber damals für Allgemeinwissen. Wenn jemand eine Quelle kennt,
bitte ich um Information an KONTAKT. Alternativ kann
ich Hinweise auf zwei Artikel in der WELT am SONNTAG vom 3. Aug 2003
geben: "Triebtäter und Verklemmte: Die Sexualität von Diktatoren und
Tyrannen", unter der URL
http://www.wams.de/data/2003/08/03/144660.html und "Im Bett mit Stalin -
Er war einer der schlimmsten Tyrannen der Geschichte - und konnte doch so
charmant sein. Der sowjetische Diktator liebte die Frauen, um sie zu
zerstören" unter der URL
http://www.wams.de/data/2003/08/03/144661.html. Und nicht nur einzelne
Tyrannen pflegen typische Moralapostel zu sein, in typischen
Gottesstaaten gehören zu dieser Kategorie
Mensch vermutlich alle Wächter über die Moral, wirklich anständige
Menschen geben sich für eine solche Wächteraufgabe gar nicht erst her...
(Wörterbuch von
basisreligion und basisdrama)
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