VERGEBUNG (auch VERZEIHUNG oder VERSÖHNUNG) oder "das stillschweigende Komplott". Das geheime Motto der Rechtsanwälte lautet: „Sie können alles machen, was Sie wollen – wir verteidigen Sie!“ und entsprechend lautet das Motto wohl aller Religionen: „Sie können ebenfalls alles machen, was Sie wollen – wir verteidigen Sie vor Gott (und kümmern uns um dessen Vergebung)!“ Doch der Reihe nach! Vergebung, auch Verzeihung oder Versöhnung mit der Gottheit, gilt sehr oft als Inbegriff christlicher Erlösung. Danach hat Gott seinen Sohn in die Welt gesandt, der sich für uns am Kreuz opferte, damit uns unsere Schuld und unsere Sünden vergeben würden. Sinn und Zweck dieser Vergebung ist, daß wir uns hier auf Erden von Gott angenommen fühlen und vor allem in einem Leben nach dem Tod uns einer ewigen Gemeinschaft mit ihm erfreuen können. Und so wie Gott uns durch das Opfer seines Sohnes unsere Sünden vergibt, so sollen auch wir denen, die gegen uns schuldig geworden sind und gesündigt haben, ihre Fehlerhaftigkeit vergeben. Vergebung durch die Gottheit ist allerdings das Angebot aller Religionen. Nun ist einerseits die
Vergebungsidee in der Geschichte der Religionen
nichts Neues und nichts Besonderes, denn auch die Priester aller übrigen Religionen dieser Welt
behaupten, daß sie ähnliche Gnaden der Vergebung
ihrer jeweiligen Gottheiten vermitteln könnten, wenn die Gläubigen nur
entsprechende Zeichen der Reue erkennen ließen
oder zumindest irgendwelche Gegenleistungen erbringen. Und bisweilen
gibt es sogar ähnliche Erlösungstaten in außerchristlichen Mythologien wie den Tod des Osiris bei den
alten Ägyptern und seine Auferstehung.
Die Predigt von der Vergebungs- und Versöhnungsbereitschaft einer
Gottheit gehört sozusagen zum Repertoire aller Religionen (siehe das Grundschema), unterschiedlich sind
allenfalls die Verfahrensweisen. In jedem Fall ist zu bedenken, dass
die Religionen auch Wirtschaftsunternehmen sind und dass dies alles ein
äußersts lukratives Geschäftsmodell ist, denn was lassen es sich die
jeweiligen Gläubigen nicht immer kosten, damit sie sich der Vergebung
ihrer Gottheiten sicher sind? Und das reicht eben auch bis in das Leben
nach dem Tod - siehe Ablass. Das alles sollte
uns nachdenklich stimmen, ob etwas derart Abstraktes wie die Vergebung
der Sünden durch eine Gottheit wirklich der Inbegriff unseres christlichen Glaubens ist, kann dies
wirklich die Welt besser machen oder geht es nicht eher um ein
einträgliches Dauergeschäft? Die
Vergebung als Geschäftsmodell. Bei uns in unserer heutigen Zeit ist das
"Geschäft mit der Vergebung" (also etwa über Ablässe) in den
Hintergrund getreten, weil die Kirchen eh ihre Einkünfte haben - dank
der Kirchensteuer. In Amerika etwa
sieht das noch ganz anders aus. Zum Leidwesen der Kirche habe sie bei
ihrem Geschäft mit der Vergebung zudem längst Kokurrenz bekommen: Die
Menschen mit Problemen gehen lieber zum Psychologen und zum Psychiater oder
wenden sich anderen Religionen zu (siehe Sekten) oder flüchten sich gar
in den Hedonismus und in den Drogengenuss. Dass klassische Buch hierzu ist "Schöne neue
Welt" von Aldous Huxley (das Buch gehört eigentlich zur
"Allgemeinbildung"!). In dieser Welt gibt es keine Familien mehr (Ehen
gibt es also nicht mehr und die Kinder werden sozusagen künstlich
"erbrütet" und im Hinblick auf ihre spätere Bestimmung vorzugsweise
gruppenweise "konditioniert"), ja, es gibt überhaupt keine
funktionierenden menschlichen Beziehungen mehr vor allem nicht zwischen
Mann und Frau und so ist der Sex ist zur Abreaktion an ständig
wechselnden Partnern verkommen. Und da die Religionen überwunden sind
und die Menschen sich also auch nicht mehr vor irgendwelchen
Götterbildern ausheulen können, um ihre Seelen wenigstens einigermaßen
zu befrieden, werden sie regelmäßig mit der Droge "Soma" versorgt, die
sie dann auch so schlucken, wie etwa bei uns ein Herzkranker seine
Medizin schluckt. Na ja, von diesem Lebensmodell scheinen wir
heute gar nicht mehr so weit entfernt zu sein... Doch hoffentlich
verläuft auch hier die Entwicklung nicht linear, vielleicht besinnen
wir uns ja einmal und kehren zwar nicht zu den Mythen der Religionen
mit der Vergebung, aber doch zu einer Religion der Ethik gerade auch in
den persönlichen Beziehungen, zurück. Die Theologie der Vergebung in unserem christlichen Glauben steht auf ziemlich schwachen Beinen. Als Argument für das angebliche Anliegen Jesu von Vergebung und Verzeihung werden vor allem die biblischen Berichte über Jesus und die Sünderin und über seine letzten Worte am Kreuz zum reuigen Sünder "Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein" angeführt. Doch geben gerade diese beiden Berichte für eine Vergebungstheologie nicht viel her. Denn abgesehen davon, daß Jesus in beiden Berichten nichts von einer Vergebung sagt, gehört nach den Untersuchungen zum geschichtlichen Jesus (siehe Kerygma) das Gespräch am Kreuz (nur bei Lukas - 23,39ff) mit großer Wahrscheinlichkeit zur Gemeindetradition, es entspricht also nicht der Wirklichkeit. Es paßt einfach zu gut, was Jesus da sagt, im Hinblick darauf, wie man sich schließlich eine Religion vorstellt! Und der Sinn des Berichts über Jesus und die Sünderin ist gewiß weniger der von Vergebung und Verzeihung, sondern der eines Angriffs auf die heuchlerische zeitgenössische Gesellschaft und ihre Entlarvung. Und so sollten wir sehr skeptisch werden, wenn Jesus jemand auf einen religiösen Allgemeinplatz einzuengen versucht. Schließlich können auch selbst die Worte in der Wandlung der Messe, falls diese überhaupt von Jesus beim Abendmahl so gesprochen wurden, daß diese nämlich zur Vergebung der Sünden geschehe (siehe Kommunion), nach anderer Lesart auch heißen, daß es hierbei ganz allgemein um die Befreiung von den Sünden überhaupt geht. Und solche Befreiung überhaupt von den Sünden kann doch auch nur das einzig wirkliche ehrenwerte Anliegen sein, denn eine Bitte um Vergebung hieße ja, dass Gott von uns etwas gefordert hätte, was wir gar nicht halten können, und so wäre zumindest der Hintergrund dieser Bitte also eine absolute Dreistigkeit - oder sogar eine ausgesprochene Gotteslästerung! Abgesehen von der fragwürdigen Interpretation der Botschaft Jesu unter dem Gesichtspunkt von Vergebung und Verzeihung stellt sich uns die Frage, wie wir in der Praxis damit umgehen sollen und wie Jesus selbst damit umgegangen ist. Wie weit sollen wir etwa einem Sittlichkeitsverbrecher, also einem Mitschnacker (Kinderschänder) oder einem Vergewaltiger, vergeben? Und was soll überhaupt seine Reue vor Gott? Können wir tatsächlich und mit gutem Gewissen einem idealistischen und gläubigen jungen Menschen empfehlen, sich einem solchen Menschen so weit zu öffnen, daß er ihn schließlich auch noch zum Ehepartner nimmt? Wäre er an dem wahrscheinlichen späteren Unglück mit einem solchen Menschen schließlich nicht selbst schuld? Und wenn eine solche Ehe dann endgültig gescheitert ist und es zur Ehescheidung kommt, soll dann ein gutwilliger neuer Partner diesem Menschen so radikal vergeben, daß er ihn heiratet? Doch gibt es nicht das "christliche Liebesgebot"? Lassen wir uns nicht unter Druck setzen und schon gar nicht von Menschen, die im Zölibat leben und damit den Problemen einer Partnerschaft von vornherein aus dem Weg gehen. Und bedenken wir, im Grunde fällt niemand auf einen anderen herein, sondern man fällt einfach auf sich selbst herein (siehe Reinfallen), auf eine Illusion, auf ein verzerrtes Frauen- und Männerbild, auf falsche oder fehlende Vorstellungen von Partnerschaft und Liebe. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: So wie unsere jetzige Glaubens- und Moralerziehung aussieht (das Erlebnis der unbedingt notwendigen Phase der Ästhetik wird ja geradezu verpönt und ausgetrieben), lassen sich solche „verzwickten Verbindungen“ (oder auch Beziehungskisten) nun einmal nicht vermeiden, wir können also kaum von Schuld reden, vor allem nicht bei den Betroffenen, und es ist gewiß großartig, wie viele Menschen damit zurecht kommen. Wir sind hier wieder einmal in einem typischen Dilemma. Kann denn auf Dauer solche Vergeberei richtig sein, weil sie im Grunde doch jede Moral auflöst? Und zudem ist sie wohl auch nicht im Sinn eines wirklichen christlichen Glaubens - siehe auch Gespräch 6 zu diesem Problem! In Matthäus 5, 32 sagt Jesus eindeutig: "Wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen ist, begeht selbst Ehebruch." So hat Jesus auch selbst keiner der Frauen, mit denen er sich ansonsten gut verstand, die jedoch bereits mit anderen Männern Geschlechtsverkehr hatten, so weit vergeben, daß er sie schließlich selbst zur Frau genommen hat. Er hätte dies doch tun können, denn er war doch Junggeselle (siehe auch Jesus und die Sexualität). Ja, im Gegenteil, er fand überhaupt keine Entschuldigung für die Menschen, die nicht richtig gedacht und falsch gehandelt hatten, so nicht für die fünf törichten Jungfrauen, die vor der Hochzeitsfeier vergessen hatten, das Öl für ihre Lampen zu kaufen, und auch nicht für den ungetreuen Knecht, der sein Talent vergraben hatte und auch nicht für die Schriftgelehrten und Pharisäer in ihrer ganzen Heuchelei. Das Gleichnis vom Verlorenen Sohn scheint also nicht nur Wunschbild von Jesus selbst zu sein, vermutlich ist der Grund dieses Gleichnisses ein völlig anderer als gemeinhin angenommen - siehe bei dem Stichwort!es also Jesus? Und um was ging es Jesus, wenn er wirklich einmal auf die Vorstellung einer Vergebung Gottes zu sprechen kam. Gewiss ging es ihm um die Befreiung (= Erlösung) der Menschen von ihren Sünden. Doch wohl nicht von bereits geschehenen, denn mit denen muß nun einmal jeder Mensch selbst fertig werden; die Ängste in einem Menschen, die mehr oder weniger die automatischen und traumatischen Folgen von Enttäuschungen, Vergewaltigungen und anderen mehr oder weniger katastrophalen Ereignissen sind, müssen durchgestanden werden, der wichtigste Faktor der Heilung ist wahrscheinlich hier die Zeit. Irgendwann einmal findet sich vielleicht jeder Mensch irgendwie selbst mit den schlimmsten Ereignissen in seinem Leben ab, dazu kommt es einfach durch unseren Überlebenswillen, also sozusagen durch einen uns mitgegebenen Naturtrieb. Christliche Vergebung hat etwas mit einer Aufarbeitung in Richtung Reich Gottes zu tun! Damit kommen die üblichen eher heidnischen Aufarbeitungen, um in den Genuß einer Vergebung durch Gott zu kommen, nicht infrage: - Man kann sich die Vergebung nicht von Gott erkaufen, auch nicht durch noch so tolle Stiftungen. - Auch Kreuzzüge und Selbstmordattentate sind keine Lösungen, um vergangene Sünden zu sühnen, schließlich kommt es hier durch das Töten von Menschen nur zu weiteren Sünden! Und man kann wohl schlecht mit neuen Sünden die alten Sünden löschen... - Entsagung der Freuden des Lebens durch Eintritt in ein Kloster als Sühne – was soll das? - Und gar nichts tun, weil wir sowieso schon durch den Tod Jesu gerechtfertigt sind (siehe Rechtfertigungslehre), ist wohl etwas billig und vor allem so bequem, dass das wohl kaum im Sinne Jesu sein dürfte… Steckt hinter solchen Lösungen nicht vor allem auch magisches Denken: Da gibt es also einen Gott, dem man etwas opfern muss und der dann uns etwas dafür bietet? Bleibt allerdings damit nicht letztlich doch alles beim Alten? Wieso sollte sich etwas ändern? Was not tut, ist eine Aufarbeitung - und daran hätte schließlich auch ein Gott seine Freude! Was aber, wenn keine Aufarbeitung mehr möglich ist, weil bei manchen Menschen einfach alles zu verfahren ist? Ich halte das für eine ziemlich oberflächliche Ausrede, zumindest mögen solche Menschen doch diejenigen ideell unterstützen, die aufarbeiten! Wenn in diesem Konzept auf einen Glauben an eine Vergebung verzichtet wird, dann vor allem aus dem Grund, weil die Erfahrung ist, dass solange der Glaube an eine Vergebung im Hinterkopf ist, keine wirkliche Aufarbeitung geschieht. Und es lässt sich doch etwas machen!
Jesu Predigt und Leben beziehen sich also viel mehr auf eine Utopie in dieser Welt, in der es von vornherein gar keine Sünden mehr gibt. Und daher muß der Bericht von Jesus und der Sünderin auf alle Fälle als Angriff auf die verkrusteten und sogar kriminellen Strukturen verstanden werden, die das Werden des Reiches Gottes unter uns Menschen zur Zeit Jesu verhinderten und auch heute immer noch nachhaltig verhindern. Auf unsere heutige Situation bezogen, kann das nur heißen: Nachfolge Jesu! Und damit ist gar nicht einmal etwas Besonderes gemeint! Wir müssen uns schlicht und einfach vor allem um die Zukunft der nachwachsenden Generationen kümmern, da müssen wir grundsätzlich etwas anders machen! Das Sakrament der Vergebung (Buße oder Beichte) kann von daher nur als sinnvolle Einrichtung verstanden werden, in einer Gemeinschaft immer wieder neu die Strukturen aufzuspüren und zu ändern, die das Werden des Reiches Gottes be- und verhindern. Fragen wir uns doch: Was waren bei uns die Gründe, warum wir nicht von vornherein vernünftig leben konnten? Hatte uns nicht die geeignete Information gefehlt und auch natürlich so, dass wir überhaupt begreifen konnten, um was es ging? Welcher unserer Erzieher hatte den seine Verantwortung für uns gesehen, damit wir nicht zu dem typischen "Sündigen" kamen? Wer hatte uns denn die Tipps für das Erlebnis einer Phase der Ästhetik gegeben und die Ideen von der Sollbruchstelle? Alles andere, wie etwa die Aufforderung, sich zu Gott zu bekehren und gleichzeitig die Schuldigen in den Medien oder in unserer modernen und anonymen Industriegesellschaft zu sehen, dürfte doch reiner Aktionismus sein, was alles letztlich gar nichts besser macht und keinen Teufelskreis durchbricht, sondern alles nur auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt. So dürfte also auch die Aufforderung unserer heutigen Glaubensverkünder, zu vergeben und zu verzeihen, vor allem den Zweck haben, keine kritischen Fragen zu stellen, damit ja alles beim Alten bleibt. Im Sinn der Botschaft der Bibel ist das allerdings gewiß nicht! Es ist wohl in Indiz, wie sehr die Botschaft Jesu inzwischen zu einer typischen Priesterreligion verkommen ist und ein Ablenkungsmanöver von den dadurch mit verursachten pädagogischen halben Sachen und ausgesprochenen Fehlern, die uns Menschen von einem wirklichen Leben nach dem Glauben abhalten. Die Gläubigen sollen mit ihrer Hoffnung auf Vergebung davon abgelenkt werden, über ihr eigenes verfehltes Gottesreich nachzudenken und sich die Frage zu stellen, wer nun wirklich schuld an ihrem eigenen Versagen ist - und Wege zu finden, den Teufelskreislauf zu beenden. Nicht zuletzt kann mit der Tabuisierung dieser Fragen (siehe Tabu) auch bei denen, die sich ihren Nächsten gegenüber schwer tun mit Vergebung und Verzeihung, ein schlechtes Gewissen erzeugt werden. Und bedeutet nicht ein schlechtes Gewissen stets Ängste, die immer wieder woanders Macht erzeugen und stärken? Verbirgt sich also nicht sogar hinter der Forderung nach Vergebung und Verzeihung auch wieder ein Streben nach mehr Macht für eine entfremdete christliche Religion, die inzwischen mehr eine Mafia ist als eine wirkliche Lebenshilfe? Was glauben Sie, wie schnell Sie die Vergebung Gottes spüren, wenn Sie genau diese Verdrängungen einmal aufrollen und anfangen hier etwas zu aufzuarbeiten - und wie Sie sich freuen, wenn die jungen Menschen anders leben können und Sie also sehen, dass Ihr eigenes Leid doch nicht umsonst war! Die Freude am Werden des Reiches Gottes, das ist doch etwas! Und für diejenigen, die nun beim besten Willen in ihrem eigenen Leben noch gar nichts getan haben, was nennenswert sündhaft ist, also für Kinder, wird von unserer Theologie her der Tatbestand einer Erbsünde konstruiert. Diese ist dann auch wieder Grund genug, damit sich auch wirklich alle im Vergebungsgeschäft eingebunden fühlen. Wirklich christliche Vergebung und Verzeihung dagegen meint eher, daß wir bei einem Versagen eines anderen Menschen uns gegenüber immer uns selbst fragen sollen, wie weit wir nicht am Ende durch unser eigenes Verschulden im weitesten Sinn (also auch durch unsere Eltern, unsere Kultur, unsere Kirche) zu dessen Versagen beigetragen haben. Daher sollen wir uns dann auch nicht zu schade sein, wenn es darum geht, aufeinander zuzugehen.
Varianten der Vergebung: Zu Gott führen, sich zu Gott bekehren, die Seele heilen... Ich bin kritisiert worden, dass es der Kirche von heute doch gar nicht mehr um Vergebung ginge und es also auch kein Geschäft mit der Vergebung mehr gäbe, das sei doch alles altes Zeug. Hierzu kann ich nur sagen, dass es solches "Vergebungsgeschäft" nicht nur in Amerika gibt, gehen Sie bei Ihrer Reise in die U.S.A. doch einmal in eine katholische Kirche und schauen Sie in eine der zum Verkauf ausliegenden Zeitschriften. Sie werden mit Sicherheit Anzeigen von irgendwelchen Orden finden, in denen für das Stiften von Messen geworben wird - für Sie selbst und vor allem für Verstorbene. Und wenn wir das heute auch milde sehen, denn irgendwie müssen Orden, die vielleicht Schulen unterhalten, ja auch leben, so ist und bleibt das letztlich doch ein "Geschäft mit der Vergebung". Ob etwa Schulorden nicht auch anders zu ihrem Geld kommen könnten, ob Eltern und andere Gläubigen nicht auch Geld stifteten, wenn die Ordensschulen einen wirklich hervorragenden Unterricht machten - im Sinne des historischen Jesus? Und auch bei uns ist die Vergebung doch das Thema der Kirchen - wenn auch unter anderem Namen! Was meinen die Begriffe "zu Gott führen" oder "sich mit Gott versöhnen" oder "die Seele heilen" und vor allem "Bekehrung" denn anders, als dass wir nach einer menschlichen Fehlentscheidung wieder zu Gott finden, also Vergebung? Auf alle Fälle leben die Kirchen ja nicht davon, Konzepte zu entwickeln und den jungen Menschen so beizubringen, dass Fehlentscheidungen gar nicht erst geschehen, nein, das tun sie wahrlich nicht! Es geht immer nur um das Nachhinein - oder denn nicht? Und davon leben sie doch, wie sie es auch nennen! Denn wenn es um die Konzepte zur Vermeidung ginge, müsste die kirchliche Lehre völlig anders aussehen!
E-Mail-Diskussion (Ausschnitt) zum Thema Vergebung (Oktober 2005) Zuerst der theologische Musiklehrer Heinz: Natürlich lebe ich noch! Oder eben übernatürlich
- Gott sei dank. Und lachen ist erst recht gesund - genau so soll es
auch sein! Antwort von basisreligion: Lieber Heinz!
Du bist eben doch eher ein
Theologe - und soviel ich mir denke, allerdings kein studierter. Das
hat jetzt nichts mit Arroganz tu tun, sondern ist nur eine
Feststellung: Ich habe das studiert und habe vermutlich deswegen eine
kritischere Einstellung. Denn theologische Konzepte haben immer etwas
mit Priesterkirche zu tun und das ist heidnisch.
Woher ich weiß, dass Jesus
Häuserbauer war, nun ich habe das unter dem Stichwort Jesus geschrieben, ich habe darauf in dem
Buchprojekt ausdrücklich hingewiesen, aber Du hast das vermutlich
überlesen, so wie man oft etwas nicht mitbekommt, was einem gegen den
Strich geht. Und ich meine auch, dabei darauf hingewiesen zu haben,
dass ich mein Konzept von einem Vorgesetzten habe. Aber ich habe
das eh gut begründet, meine ich wenigstens. Gerade habe ich unter
diesem Stichwort auch die Zeitungsnotiz gebracht, die ich vorher an
anderer Stelle hatte:
Diese Vorstellung von Jesus bestätigt auch ein Professor der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Eine Meldung in der WELT vom 11. 11. 1997 berichtet: Neue Erkenntnisse über den sozialen Status von Jesus dpa Rom - Jesus von Nazareth war neuesten Forschungen zufolge nicht der Adoptivsohn eines armen Zimmermannes, sondern Sproß einer mittelständischen und wohlhabenden Familie. Joseph sei selbständiger Bauingenieur gewesen, Jesus selbst habe schreiben und lesen können, mehrere Sprachen gesprochen und habe vermutlich in seiner Heimat das griechische Theater besucht. Zu diesem Ergebnis kommt der Jesuit und Historiker an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, Giovanni Magnani in seinem Buch “Jesu, Erbauer und Meister”. Wie die römische Zeitung “Il Messaggero” gestern schrieb, räumt das Buch mit der bisherigen “Ideologie des religiösen Pauperismus”(Anm.: von lat. “pauper”: arm, elend) radikal auf. Wie sein Vater sei auch Jesus gelernter Bauingenieur (Geometer) gewesen und habe gemeinsam mit Joseph zeitweise eine Werkstatt in Nazareth betrieben. Und warum ein einziges
vernünftiges Argument alles andere über den Haufen werfen kann, habe
ich in dem neuen Projekt geschrieben, vorsichtig habe ich hier
"Verdreher" geschrieben und nicht "Ganoven", was eigentlich besser
paßt:
Die Wirklichkeit dieses Häuserbauers und Wanderarbeiters Jesus von Nazareth (Näheres siehe unter dem Stichwort “Jesus” im Wörterbuch von basisreligion) war doch, dass er die Machenschaften der Machogesellschaft seiner Zeit durchschaut hatte und gegen sie wortgewaltig vorgegangen war! Aber ist das denn nicht zu kurz gegriffen? Da gibt es doch noch mehr in der Bibel und vor allem bei Jesus? Doch dagegen lässt sich sagen, dass es immer dasselbe Problem wie bei einem mysteriösem Kriminalfall ist, wo dem Kriminalisten alles mögliche und unmögliche Wundersame aufgetischt wird, damit er an die Version der Verdreher glauben soll. Und kann da nicht ein einziges vernünftiges Indiz alles wie bei einem Kartenhaus zusammenfallen lassen? Allerdings dürfte bei Jesus nun wirklich vieles stimmen, was so berichtet wird, aber eben ein wenig in einem anderen Licht! Jedenfalls würde in den kriminologischen Ansatz auch das Ende Jesu und der Neuanfang hineinpassen: Als die einflussreichen Kräfte der damaligen Gesellschaft ihre Felle wegschwimmen sahen, schmiedeten sie ein Komplott (genau wie in dem Schema 2 brauchen diejenigen, die meinen, auf der Seite des Guten zu stehen, das gar nicht einmal zu durchschauen) und schafften Jesus beiseite, bevor er alles durcheinander brachte. Das mit dem Herauslöschen und
der Gottesbegegnung verstehe ich nicht.
Und von
dem theologischen Konstrukt der Vergebung kommst
Du nun mal nicht los, aber das ist normal, dass das nicht so schnell
geht. Ich kopiere mal, allerdings auch soeben ein wenig verändert:
Steckt hinter
solchen Lösungen nicht vor allem auch magisches Denken: Da gibt es also
einen Gott, dem man etwas opfern muss und der dann uns etwas dafür
bietet? Bleibt allerdings damit nicht letztlich doch alles beim Alten?
Wieso sollte sich etwas ändern? Was not tut, ist eine Aufarbeitung -
und daran hätte schließlich auch ein Gott seine Freude!
Was aber, wenn keine Aufarbeitung mehr möglich ist, weil bei manchen Menschen einfach alles zu verfahren ist? Ich halte das für eine ziemlich oberflächliche Ausrede, zumindest mögen solche Menschen doch diejenigen ideell unterstützen, die aufarbeiten! Wenn in diesem Konzept auf einen Glauben an eine Vergebung verzichtet wird, dann vor allem aus dem Grund, weil die Erfahrung ist, dass solange der Glaube an eine Vergebung im Hinterkopf ist, keine wirkliche Aufarbeitung geschieht. Und es lässt sich doch etwas machen! Das mit dem Heiligen Geist,
wie es
die Mutter von N erwähnt hat, sagt überhaupt nichts im
Hinblick auf eine Vergebung, und auch im Hinblick auf
Gottesglauben würde ich das nicht überbewerten, das kann
auch in dem gemeint sein, dass man endlich die größeren
Zusammenhänge von Liebe und Partnerschaft usw. anfängt zu
durchschauen und Konzepte unterstützt, die jungen Menschen dabei
helfen, das rechtzeitig zu tun. (Anmerkung: Eine Leserin, "Mutter von
N.", hatte von ihrem Umdenken berichtet, aber dieser Brief ist zu
persönlich, als daß ich ihn ins Web stelle, doch mit einigen
Internetfreunden habe ich schon darüber geredet.)
Und ich kaufe gerade Dir das
nicht ab, dass Du das mit der christlichen Interpretation
der Vergebung als Aufarbeitung begriffen hättest. Sieh mal: Die
Kollegin aus Hessen nutzt ihren Unterricht zu einer radikalen
Aufarbeitung - auch und gerade, wie sie auf Schüler einwirkt und dabei
sprengt sie sogar ihren Rahmen als Biologielehrerin. Von Dir als
Musiklehrer habe ich in dieser Hinsicht noch nichts mitgekriegt:
Ich habe unter Kulturproduktion etwa
geschrieben, daß wir endlich von dieser dämlichen
Freimaurer-Zauberflöte loskommen sollten (dahinter steckt wirklich
Machoideologie!) und eine der eher katholischen Opern Don Giovanni
oder Cosi fan tutte oder Figaros Hochzeit (die sind alle gegen eine
Machoideologie geschrieben!) mit den jungen Leuten besprechen sollten.
Und im Zusammenhang mit Don Giovanni könntest auch Du auf die
moderne Version, nämlich den Film Kids, kommen und ihn
erforderlichenfalls zeigen. Was ließe sich da machen und würde den
ganzen Musikunterricht lebensnäher machen und ihm nützen! Denn
schließlich geht es ja in vielen Opern um dieses Thema, und auch
sonst! Aber bei Dir Fehlanzeige! Du kramst nur in theologischen
Konstruktionen herum! Sorry, wenn ich hier etwas deutlich werde! Die
Kollegin aus Hessen ist gläubig im Sinne Jesu, Du aber nur im Sinne
eines Verfalls!
Ansonsten: Ich habe mal
gehört, dass nur 5 % von allen überlieferten Worten Jesu nur
tatsächliche Worte Jesu sind. Da gab es auch mal ein Buch irgendwo im
modernen Antiquariat, leider fand ich das Angebot erst zu spät, also
schon alles weg war. Ich bin aber bei den 5 % großzügig, gewiß ist
unter den 95 % auch vieles, was Jesus sehr wohl gesagt hat, aber in
einem anderen Zusammenhang.
Ich habe auch die Aufstellung
Macho - Nichtmacho etwas ergänzt...und darauf hingewiesen, dass "ein
bißchen Macho" nicht geht wie auch nicht "ein bißchen schwanger"...
So jetzt höre ich erst einmal
auf!
Ich erlaube mir allerdings,
diesen Mailwechsel auch an weitere Gesprächspartner zu schicken!
Tschüs
Michael
Lieber Michael, die müsste man wirklich mal bekannt machen, unsere theologischen Freunde, die würden sich verstehen! Es wirkt alles sehr vertraut – ein bisschen geben sie dir recht, aber das wird gleich als unbedeutend abgetan, und du bist unprofessionell, wohingegen sie ihre Professionalität mit irgendwelchen mehr oder weniger passenden Bibelzitaten zu belegen glauben, und zwischendurch ein bisschen Polemik, und vor allem: Sie tun zwar so, als sei ihnen der Unterschied zwischen dem historischen Jesus und dem kerygmatischen selbstverständlich, aber in Wirklichkeit glauben sie doch, es ist dasselbe. Zumindest bringen sie es dauernd durcheinander! Dass es ein „bisschen sehr wenig“ ist, was für den historischen Jesus noch übrig bleibt, kann man ja mit einer relativ flüchtigen Internetrecherche leicht heraus finden (wenn man sich auf die seriösen Quellen beschränkt), aber mein Freund hat das auch mir überlassen, weil er es sowieso nicht glauben wollte. – Vergebung, das Thema hatten wir auch schon mal, aber für mich persönlich ist das eigentlich nicht so relevant. Ob mir vergeben wird oder nicht, was macht das aus, wenn es mir schlecht geht, wegen etwas, was ich nicht mehr ändern kann? Ist natürlich nett, wenn nicht auch noch jemand anders mir das nachträgt, sei es nun ein Mensch oder Gott, aber schlimm ist es doch für mich. Überhaupt, damit etwas vergeben werden kann, muss man doch erst mal zugeben, dass es Scheiße war, was da gelaufen ist. Das ist aber doch Aufarbeitung, zumindest der Anfang. Heißt es nicht auch bei den Christen, man müsste wirklich bereuen, damit einem vergeben wird? Das ist doch dieses Zugeben. Wenn schon, dann wäre Vergebung die Folge davon, nicht der Ersatz dafür. Und Aufarbeiten in dem Sinne, dass nachher alles wieder ganz ist, das gibt es ja wohl sowieso nicht. „Vergebung“ ist da auch keine Alternative, auch wenn es sich so anhört – schön wär’s! Wer an so was glauben kann, der ist so gut im Verdrängen, dass er auch ohne „Vergebung“ auskommt. Oh, jetzt würde er sich wieder aufregen, mein theologischer Freund, weil ich das alles viel zu pragmatisch und selbstbezogen sehe und gar nicht offen für wirkliche Gotteserfahrung bin! Und überhaupt alles missverstanden habe. Oder so ähnlich. Aber man kann was von ihnen lernen, unbestritten. Und dazu die Mutter von N., der ich diese drei Mails auch zugeschickt habe: Sie schrieben
Ihrem Freund, daß man 'leicht überliest, was einem quer kommt'. Und
auch wenn ich enttäusche, (das passiert), stimme ich dem 'theologisch
versifften Musiklehrer' zu. Mein Balkonerlebnis, wie er es genannt hat,
war für mich ein oder DAS Gotteserlebnis. Und wie ich in meiner Mail
seinerzeit schrieb: Es hört nicht auf. Es ist seither immer da. Und wie
auch Ihr Freund erwähnte, haben Sie auch meine Frage, nach dem 'was ist
da mit mir passiert' lange überlesen, bis ich Sie das dritte Mal
deshalb angeschrieben habe. Manchmal will 'man' einfach nicht von
dem abrücken, von dem man so fest überzeugt ist. Kommentar von basisreligion: Ich breche hier die ergreifende Mail erst einmal ab, bevor nicht die "Mutter von N." signalisiert hat, daß ich mehr bringen kann... Ich möchte aber doch auf das Stichwort Gotteserfahrung hinweisen! Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) Computer-Übersetzung des Buchs HONESTY AND FUN WITH THE MORALITY ins Englische unter !
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