AKTIONISMUS nennt man Handlungen, bei denen diese Handlungen
Selbstzweck sind und es nicht im geringsten mehr auf eine Wirkung ankommt. Die
Handlung (die "Aktion") soll einen als guten Menschen ausweisen, ob etwas Gutes
wirklich dabei herauskommt, ist dann nicht mehr so wichtig. Ein typisches
Beispiel für solchen Aktionismus ist etwa das Verbot der Tabakwerbung. Angeblich
soll dadurch das Rauchverhalten vor allem der jungen Menschen eingeschränkt
werden. Hierzu einen Beitrag aus der WELT vom 04. 12. 2002:
Das Reklameverbot für Tabak erregt die
Werbebranche
Branchenverband ZAW: Brüssel betreibt "Placebo"-Politik. Verbote
in nationalen Grenzen sind längst Realität. Wirkung ist umstritten
Berlin/Brüssel - 600 Millionen Chinesen rauchen wie die Schlote, doch nur
die wenigsten von ihnen haben in ihrem Leben jemals Tabakwerbung gesehen. Mit
solchen Argumenten will die Wirtschaft beweisen, dass durch Tabakwerbeverbote
nicht etwa weniger Menschen zur Zigarette greifen. Durch das beschlossene
Tabakwerbeverbot in der EU, das von 2005 an für Zeitschriften, Radio und in der
Formel 1 gelten soll, befürchtet vor allem die Werbewirtschaft hohe
Millionenverluste.
Das Hauptargument der Wirtschaft, mit dem sie wohl auch vor den
Europäischen Gerichtshof ziehen will, lautet: Totale Werbeverbote bringen
nichts, wie die Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern belegen würden.
"Studien zeigen, dass Tabakwerbung keinen Einfluss auf die Nachfrage hat", sagt
Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft
(ZAW). Mehr noch: In Ländern wie Italien, Jugoslawien und Norwegen sei der
Zigarettenkonsum heute höher als vor dem nationalen Tabakwerbeverbot. Und auch
im werbefreien Sozialismus der DDR wurde mehr geraucht als nach der Wende. Für
Nickel betreibt Brüssel daher bloß eine "Placebo"-Politik.
In der Bundesrepublik darf schon seit 1972 nicht mehr für Tabak im
Fernsehen geworben werden, in anderen Medien aber schon. Dennoch konnte kein
Rückgang des Zigarettenkonsums nach dem Verbot beobachtet werden. Im ersten Jahr
nach dem Verbot stieg der Konsum um eine Mrd. auf 124 Mrd. Zigaretten an, um ein
Jahr danach nochmals auf 126 Mrd. Stück zu wachsen. Für die übrigen Medien
bestehen scharfe inhaltliche Beschränkungen. So dürfen die Werbeplakate oder
Kinospots nicht den Eindruck erwecken, dass der Genuss von Tabakerzeugnissen
gesundheitlich unbedenklich sei. Übrigens: Ein vollständiges Verbot der
Tabakwerbung gibt es etwa in Frankreich, Portugal und Dänemark. Im Raucherland
Italien hat der Staat sogar schon 1962 Tabakwerbung komplett verboten,
allerdings nicht aus Sorge um die Lungen der Landsmänner, sondern aus
protektionistischen Erwägungen. So sollte das Staatsmonopol auf Tabak gegen den
freien Markt dauerhaft geschützt werden.
In Finnland herrscht seit 1978 ein totales Werbeverbot, zudem sollten dort
Steuererhöhungen die Sucht hemmen. Seitdem floriert allerdings der
Zigarettenschmuggel, das Geschäft geht also an der staatlichen Absatzstatistik
und der Staatskasse vorbei.
Mit der "Loi Evin" von 1991 hat auch Frankreich dem Tabak- und
Alkoholmissbrauch den Kampf angesagt. Das Gesetz verbietet jegliche direkte und
indirekte Werbung für Tabakerzeugnisse. Ausnahmen sind unter strengen Auflagen
zulässig, zum Beispiel Werbung an der Verkaufsstelle, dem Kiosk oder dem
Zigarettenregal im Supermarkt. In Portugal und Dänemark gelten ebenfalls ein
vollständiges Verbot sämtlicher Formen der Werbung und des Sponsoring für
Tabakerzeugnisse, gleich in welchen Medien.
In Belgien ist nach einem neuen Gesetz die Tabakwerbung und das damit
in Verbindung stehende Sponsoring sowohl in direkter als auch in indirekter Form
verboten. Auch das Sponsoring internationaler Großveranstaltungen ist untersagt.
Aus diesem Grund strich die Formel-1-Kommission den Großen Preis von Belgien in
Spa aus ihren Rennkalender.
Einige Länder planen gerade Gesetzesnovellen: In
Großbritannien sieht die "Tobacco Advertising and Promotion Bill" ein Verbot von
Werbung und Verkaufsförderung vor, sofern diese den Absatz eines
Tabakerzeugnisses bezweckt. Dazu zählen auch Anzeigen in der Presse oder in
elektronischen Medien, die Gratisverteilung, Brand-sharing und Sponsoring von
TV-Sendungen und Großveranstaltungen. In Irland ist die Tabakwerbung in
elektronischen Medien, Printmedien und in Form des Sponsoring bereits verboten.
Nach einer neuen Gesetzesvorlage sollen sämtliche Formen der Werbung für
Tabakerzeugnisse selbst oder das Markenimage des Herstellers verboten werden. In
den Niederlanden existiert ein Selbstregulierungskodex der Tabakindustrie, der
sämtliche Formen der Verkaufsförderung betrifft - ausgenommen die Tabakwerbung
in Hörfunk und Fernsehen für die ein generelles Verbot gilt.
Vollständige Url des Artikels:
http://www.welt.de/data/2002/12/04/22221.html
Ähnlichen Aktionismus gibt es überall dort, wo eigentlich etwas zum Guten
geändert werden müsste, die Verantwortlichen jedoch gar nicht wirklich wollen
oder schon wollen, aber unter einem typischen
Helfersyndrom leiden, was alle guten Absichten wieder zunichte macht.
Andere typische Beispiele für Aktionismus
oder auch Ablenkungsmanöver sind:
-
Durch das Verbot oder
die Ächtung von Kriegsspielzeug - oder heute eben von
Computerspielen (oder auch Killerspielen) tun wir etwas gegen die
Aggressivität und für den
Frieden.
-
Durch die Ächtung der
Nacktheit tun wir etwas für die
Moral.
-
Durch die Hinführung der
jungen Leute zum Glauben tun wir etwas für eine
bessere Welt.
-
Durch die Förderung von
Märchen tun wir etwas für die
Phantasie und für eine positive Gefühlswelt der
jungen Menschen.
-
Durch die Einführung der
Todesstrafe geschehen weniger
Gewaltverbrechen.
-
Durch die Zensur der
Medien gibt es weniger
Gewalttaten oder auch weniger sittlichen
Verfall.
-
Durch die Einführung der
Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen geschehen weniger Unfälle.
-
Durch das Verkaufsverbot
von Pelzen schützen wir die Tiere. Bei manchen Tierarten mag das ja stimmen,
doch es landen heutzutage wertvolle Pelze von Bisamratten und Füchsen, die
nun einmal bejagt werden müssen, weil sie entweder keine natürlichen Feinde
haben oder sogar Schädlinge sind, auf dem Müll, weil keiner mit den Pelzen
etwas anfangen kann - siehe Bericht in der WELT vom 15.10.2003:
http://www.welt.de/data/2003/10/15/182815.html.
Wie heuchlerisch wir im
Zusammenhang mit Tierversuchen wir bisweilen sind, siehe unter
Zensur.
-
Vermutlich
gehört sogar das Engagement mancher Amerikaner gegen das Recht auf Waffen
ihrer Landsleute zu einem solchen Aktionismus.
Das Problem des Aktionismus ist vor allem, dass dabei von wirklich sinnvollen
Strategien zur Erreichung des Ziels, um das es
eigentlich gehen sollte, abgelenkt wird. Und bis wir merken, dass wir auf einem
falschen Weg sind, vergeht viel Zeit oder besser: wird viel Zeit verschwendet -
bis wir uns dem nächsten falschen Weg zuwenden. Für eine wirkliche Lösung des
entsprechenden Problems ist Aktionismus also kontraproduktiv.
Damit ist Aktionismus nicht mehr als die übliche
Heuchelei in modernem Gewand. Und die Leute, die solchen Aktionismus
praktizieren, sind schlicht und einfach Moralapostel
oder so genannte Gutmenschen,
die für ihr für eine wirkliche Änderung zum Positiven nutzloses Tun oft auch
noch viel Geld bekommen. Besonders ärgerlich ist, wenn in unserer Religion
irgendein Aktionismus, der ganz offensichtlich nichts bringt, auch noch mit dem
Argument verteidigt wird, dass man in (angeblich durch
Dogmatik oder Offenbarungen abgesicherten)
Glaubensdingen nicht auf den Erfolg achten dürfte, denn Gott wird schon wissen,
wozu etwas gut ist. Siehe auch halbe Sachen.
Hinweis für einen Freund: Wenn
Sie einmal etwas zu drucken haben, dann fragen Sie doch einmal ihn nach
einem Angebot:
http://freenet-homepage.de/lotus/satzservice.htm
.
(Wörterbuch von
basisreligion und basisdrama) Den "Offenen Brief eines alten
Religonslehrers an junge Mädchen über die weibliche Sexualität und die
Bibel" (Mai 2012) gibt es auch online auf Deutsch, auf Englisch und auf Niederländisch!
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