VIELGÖTTEREI (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

VIELGÖTTEREI (auch Polytheismus) nennt man den Glauben an mehrere oder gar viele Götter im Gegensatz zum Eingottglauben, wie wir ihn im Christentum vorfinden.

Die Vielgötterei war menschheitsgeschichtlich die ursprüngliche Religion.

Zu ihr kam es, weil sich die frühen Menschen bis in die Hochzivilisationen hinein die Naturgewalten Sonne, Mond, Wind, Wasser, Blitz, Donner und auch weniger Gegenständliches wie Liebe und Fruchtbarkeit unmittelbar als Götter vorstellten. Die Beziehungen der Gläubigen zu ihren Göttern (oder Götzen) liefen dabei eher auf ein Geschäftsverhältnis hinaus: Die Menschen glaubten, mit allerlei Riten, wie Gebeten, Gottesdiensten und vor allem mit Opfergaben die Götter beeinflussen zu können, damit sie ihnen gnädig und wohlgefällig sind nach dem Motto: "Geb' ich dir, so gibst du mir auch!" Schließlich bildeten sich Priestergesellschaften, die sich um die Ausübung der Riten ständig kümmerten und zwar auch dann, wenn die Gläubigen keine Zeit hatten, und die die Gläubigen vor allem berieten, welche Götter für ihr jeweiliges Anliegen infrage kamen und natürlich auch, mit welchen Kosten für eine Erhörung des Anliegens zu rechnen war. Die Priester fungierten in dem Geschäftsverhältnis mit den Göttern sozusagen als Zwischenhändler, die vorgaben, sich allein im Umgang mit den überirdischen Mächten auszukennen. Dabei nutzten sie ihre Stellung bisweilen schamlos aus, indem sie die Ängste der Gläubigen noch schürten: "Wenn ihr nicht tut, was die Götter euch durch uns sagen, werden sie euch ins Verderben stürzen, wenn vielleicht auch nicht hier, so doch ganz gewiß nach eurem Tod!" Nachprüfen konnte die Wirksamkeit solcher Drohungen natürlich niemand und sicherheitshalber ("man kann nie wissen, ob nicht doch etwas dran ist am ganzen Götterglauben") rebellierten die Menschen natürlich auch nicht und fügten sich. Geschickt wurde die Bedeutung der Götter durch prunkvoll begangene Feste und Gedenktage und durch immer aufwendigere eindrucksvolle Tempelbauten gefestigt. Damit kamen die Gläubigen auch immer weniger auf den Gedanken, die Stellung der Priester zu hinterfragen, die im Grunde ja gar nichts wirklich Nützliches zum Wohl der Menschen beitrugen und von dem Verkauf angeblich höherer Hilfe nicht nur gut lebten, sondern schon längst zu regelrechten Ausbeutern im Stil von wirklich raffinierten Mafias geworden waren. Die Ängste der Gläubigen steigerten sich schließlich sogar so weit, daß sie in manchen Kulturen hin und wieder ihre Söhne als Menschenopfer darbrachten und die Töchter und Frauen den Priestern zu Fruchtbarkeitskulten zu Verfügung stellten (siehe Tempelprostitution). Wir dürfen hier allerdings in solchen typischen Priesterreligionen keinesfalls immer nur Böswilligkeit unterstellen (manchmal gibt es gewiss auch die, siehe etwa die indische Thag-Sekte), wir haben wohl viel mehr ein typisches Beispiel für eine Täter-Opfer-Problematik vor uns.

Trotz aller Geheimniskrämerei um die Götter und trotz aller Drohungen mit allen möglichen Strafen durch diese Götter bei Zweifel und Gottlosigkeit konnten die Götzenpriester letztlich doch nicht verhindern, daß sich immer wieder Menschen fanden, die sich über den Wert des ganzen Götterglaubens ihre Gedanken machten und ihn zu ändern versuchten.

Neben ausgesprochenem Atheismus kam es vor allem nach dem religionshisorischen Ansatz zum Eingottglauben, also zum Monotheismus (siehe jüdischer Glaube, christlicher Glaube und in gewisser Weise auch Islam), bei dem - wenigstens zunächst einmal - die Ausbeutung der Menschen durch Priesterschichten unterbunden wurde. Doch leider lebte recht bald auch im Eingottglauben typisches Brauchtum aus Vielgöttereien wieder auf und es wurde auch mehr als genügend Glaubensgut von daher übernommen - siehe Synkretismus.

So stellen im Grunde der Glaube an die Dreifaltigkeit und die Verehrung der Gottesmutter, aber auch der Glaube an einen Teufel, der sozusagen zum "Gegengott" befördert wurde, in unserem christlichen Glauben eine Abkehr vom strengen Monotheismus dar.

Besonders abstoßend sind weitere typische Kennzeichen von Vielgöttereien, die - natürlich "unter einem anderen Etikett" - immer wieder einmal sporadisch aufflackern, nämlich Menschenopfer (Verbrennung von Hexen und anderen Gegnern der wahren Lehre, Kriege im Namen des wahren Gottes, auch die Ermordung der Juden muß als Menschenopfer angesehen werden), Abkehr von der strengen Einehe (allein, wenn z.B. akzeptiert wird, daß Priester Freundinnen haben, zu denen sie sich jedoch nicht als Ehegefährten bekennen dürfen, oder wenn es sozusagen üblich oder zumindest vergebbare Sünde ist, vor der Ehe noch andere Intimpartner zu haben) und bisweilen schwere Opfer für den Bau und die Unterhaltung von Kirchen- und Klöstersystemen (vor allem in der Vergangenheit, siehe allerdings unter Vandalismus). Wie weit auch ganz normale Menschen in praktischer Vielgötterei verstrickt sind, mag jeder selbst beurteilen: Müßte nicht eigentlich bei uns in jeder Kirche ein dickes Auto, ein Hund und ein Sexidol stehen, sind das nicht unsere wahren Götter, für die wir wirklich leben und oft genug gewaltige Opfer bringen?

Ausdrückliche Vielgötterei findet sich heute vor allem noch in Indien (Hinduismus) und in Japan (Shintoismus). (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)