Drewermann

DREWERMANN, Eugen. D. ist wohl der populärste und umstrittenste Theologe im deutschsprachigen Europa. Er versucht, die Bibel tiefenpsychologisch zu erklären, um auf diese Weise dann auch den modernen Menschen anzusprechen. "Befreit von dogmatischen Leerformeln, erkennen die LeserInnen gerade in den mythischen Bildern der biblischen Geschichten eine für ihr eigenes Leben relevante, tiefere Wahrheit über Gott und Mensch. Wo die Bibel in dieser Weise zum Sprechen gebracht wird, erhält sie wieder etwas von jener revolutionären Sprengkraft, die der Amtskirche offensichtlich unheimlich geworden ist.“

Ein Zugang zum Verstehen der Bibel ist für ihn gerade der Traum als konzentrierte Gotteserfahrung des Menschen. Er stellt die Erfahrungen damit im Rahmen der tiefenpsychologischen Methode der historisch-kritischen Methode gegenüber: (Zitat aus dem Klappentext des Buchs über Drewermann: Cesare Marcheselli-Casale, Von Drewermann lernen – Die Bibel auf der Couch, Benzinger Zürich, 1992.)

"Die Vitalität des Traums gefriert und erstarrt jedoch, wenn die historisch-kritische Methode in bezug auf die historische Biographie Jesu von Nazaret ihr alleiniges Anliegen zum Zug kommen läßt, nämlich nur dem nachzugehen, was Jesus gesagt und getan hat. Was sich aus dieser Fragestellung ergibt, sind sterile Formen religiösen Lebens: Dort, wo der Kontakt mit dem Wasser des Lebens beginnen könnte, schient sich die Mühsal der vielfältigen Hypothesen „biografischer und historischer“ Rekonstruktion eines Textes gewaltsam dazwischen. Der Exeget wird von strukturellen Ängsten geplagt und geht deshalb auf die Jagd nach historischen Gewißheiten, die unter dem Staub einer nicht mehr zu entstaubenden Vergangenheit begraben liegen; er tut dies mit einer solchen archäologischen Akribie, daß er die weit wichtigeren anthropologisch-psychologischen Energien, die ein jeder religiöse Text in sich birgt, bis zu deren völligem Vergessen unterbewertet. Ja, diese Energien werden am Ende sogar von jener fatalen Aufwirbelung von Staub zugedeckt, die das einzig wirkliche Ergebnis der historisch-kritischen Methode darstellt. Der menschliche Kontakt zu Jesus und dem Menschen seiner Zeit – als einzelner oder als Kollektiv, als Bewunderer oder als Gegner – gerät auf diese Weise völlig in Vergessenheit." (S. 33 in demselben Buch).

Kommentar von basisreligion

Leider habe ich keinen Zugang  zu Gott über Träume. Ich habe nie von ihm geträumt. Und überhaupt zu Träumen: Ich erinnere mich, dass ich als Kind immer die Träume, von denen in Kinderbüchern berichtet wurde, überschlagen habe, was interessieren mich die Träume anderer Menschen? Träume sind eh nur die oft skurille Weiterverarbeitung ungelöster Probleme in der Wachphase, irgendsoetwas war mir schon immer klar. Allerdings  habe ich mir auch sagen lassen, dass es durchaus Träume gibt, die hellsichtigen Charakter haben. Nur: Ich würde mich auf solche Träume nicht verlassen. Möglicherweise sind ja Träume (und andere eher verstandensmäßig nicht zu erklärende Eindrücke) für Menschen, denen rationale Lebenskonzepte vorenthalten wurden, ein Ersatz zur Bewätigung von Lebenssituationen. Wir kennen das Phänomen der "Ersatzsinne": Wer taub oder blind ist, der entwickelt andere Sinne, etwa einen besonderen Tastsinn, womit normale Menschen gar nichts oder nur wenig zu tun haben. 

Die historisch-kritische Methode (siehe Leben-Jesu-Forschung), die Drewermann so scharf verurteilt,  ist also schon sinnvoll, daher ist sie auch die Basis von basisreligion, das Problem ist nur, dass sie bisher nicht konsequent durchgehalten wurde. So wurde der vorderorientalische Machismo zur Zeit Jesu überhaupt nicht oder nicht ausreichend beachtet. Und ohne diese Beachtung steht das Anliegen Jesu sozusagen im luftleeren Raum.  Und hier sind sich Drewermann und die Amtskirche einig: Beide haben ganz offensichtlich kein Verlangen, dieses heiße Eisen anzupacken. Stattdessen bekämpfen sie sich gegenseitig, die eine Seite, indem sie Drewermann die Lehrerlaubnis entzieht, und Drewermann, indem er die Amtskirche beschimpft.

Drewermann und die Sexualmoral

In seinem Buch "Kleriker - Psychogramm eines Ideals" (DTV München, 1991) hält Drewermann von der traditionellen Sexualmoral gar nichts. Natürlich ist da die Praxis nicht in Ordnung, deswegen muss aber die Grundidee doch nicht falsch sein, schließlich gibt es die so oder so ähnlich ja in wohl allen Kulturen - zumindest bei näherem Hinsehen! Doch Drewermann kippt sozusagen das Kind mit dem Bade aus, er findet gute Gründe für jeden Missbrauch der Sexualität, ob junge Menschen sich nun gegenseitig reinlegen und vergackeiern oder ob Priester Ehemännern die Frauen "ausspannen", und das alles soll auch noch im Sinne Jesu sein! Klar, man kann natürlich alles toll umschreiben - und die Ursache allen Unglücks oder eben aller Traumata nach der Masche von Dogmatikern nicht mehr offen für die wirklichen Ursachen sein und sie immer "woanders" nämlich bei "ihrem Thema", suchen!

Zitate:

...so geht es Jesus an dieser Stelle gerade nicht um die Aufrichtung eines neuen Gesetzes, sondern um das Ende jedweder Gesetzlichkeit; was er will, ist die Wiederherstellung der Liebe und der Zärtlichkeit in einer Selbstverständlichkeit und Güte, wie sie am Schöpfungsanfang in der Nähe Gottes bestand um die Art, wie Menschen menschlich miteinander umzugehen, war es Jesus zu tun, ein Denken in Paragraphen und Statuten war ihm absolut zuwider. Mit anderen Worten: man kann in Jesus nicht den Restaurator des bürgerlichen Ehelebens erkennen... Ganz im Gegenteil kam Jesus in diese Welt, um uns etwas zu lehren, das wir offenbar auch 2000 Jahre nach Christus in der katholischen Kirche immer noch fürchten wie den Teufel selbst: eine angstfreie Form des Umgangs miteinander, die frei genug und riskiert genug ist, um zwischen den Geschlechtern ein offenes Spiel der Freundschaft zu ermöglichen und zuzulassen... (S.  717)

(Es geht um die katholische Sexualmoral:) ..erscheint den heutigen Jugendlichen in absoluter Mehrheit dieses Ideal selbst als unglaubwürdig, weil aufgesetzt, unnatürlich und krankhaft. Sie wehren sich dagegen, nicht aus Gründen eines permissiven Hedonismus, wie von seiten der Kirche gerne unterstellt wird, sondern aus einem gesunden Instinkt für das, was menschlich stimmt und was nicht stimmt; und sie sind es leid, mit feierlichen Worten aus dem Munde von Leuten, die mit mangelndem Mut zum Leben als Vorbild von Heranwachsenden eher im Zwielicht denn als Vorbild erscheinen, sich die schönste Zeit ihres Lebens im aufblühenden Frühling der Liebe durch Schuldgefühle und Ängste aller Art verwüsten und zerstören zu lassen. Eine Moral, die nicht imstande ist, die besten Kräfte im Menschen zu integrieren, statt sie zu unterdrücken, hat, Got sei Dank, im Erleben der meisten heranwachsenden Menschen heute weder Wert noch Berechtigung..... (S. 711)

....Man kann als Psychotherapeut nur immer wieder froh sein, daß und wenn es Frauen gibt, die als Verheiratete das rechte Maß an Sehnsucht und Erfahrung mitbringen, um einen solchen Priester bei der Hand zu nehmen und ihm Schritt für Schritt die Angst vor der Liebe, die Angst vor der Frau und die Angst vor sich selbst zu nehmen. Gewiß, im Sinne der kirchlichen Moraltheologie geschieht hier Ehebruch und Zölibatsverletzung, und doch sind solche Begegnungen im Niemandsland der Liebe oft von einer poetischen Sensibilität und Zärtlichkeit, schwebend und leicht wie der der Duft erblühender Rosen in einem Frühlingsgarten (S. 600)

Auf den Seiten 603 ff  zitiert er aus den Werken Alfred Döblins, Emile Zolas, Friedrich Nietzsches, Nikos Kazantzakis die Beschreibungen von Liebeserlebnissen, auch und gerade aus der Sicht von Frauen - ohne zu bedenken, dass das doch nur Dichtungen von Männern, also mit den Augen von Männern, sind, vielleicht also doch nur männliche Projektionen?

...es genügt zum Boykott der Zärtlichkeit ganz einfach die tief verwurzelte Furcht von der Augenlust, vor der Sinnenlust sowie vor der Hoffart des Fleisches, und man wird eine jungverheiratete Ehefrau antreffen, die weinend darauf besteht, das Licht zu verdunkeln, um Himmels willen bekleidet bleiben zu dürfen und nicht die Qualen ausgedehnter unsittlicher Berührungen über sich ergehen lassen zu müssen... (S.538)

Ja, wenn die jungverheiratete Ehefrau weinend auf der Bettkante sitzt, weil sie die Nacktheit, die ihr Mann will, für unmoralisch hält, warum dann die Menschen in der Pädagogik nicht erst einmal ihnen ihre Angst davor nehmen und sie zu einer Phase der Ästhetik anleiten?

Resümee: Drewermann befreit die Menschen keinesfalls von den Ängsten der Leib- und Geistfeindlichkeit und ist letztlich ein treues Kind der alten Macho-Priester-Kirche...

Zu Drewemanns tiefenpsychologischer Deutung von Märchen siehe dort.