ENTMYTHOLOGISIERUNG und ENTGNOSTISIERUNG und schließlich auch ENTCHRISTLICHUNG (so überraschend und vielleicht auch befremdlich das zunächst auch klingen mag, doch siehe Christus im Gegensatz zum historischen Jesus, siehe unter Leben-Jesu-Forschung) sind möglicherweise die Stufen zu einem neuen Verständnis unseres christlichen Glaubens. Bei der Entmythologisierung, deren Vertreter der deutsche evangelische Theologe Rudolf Bultmann (1884 -1976) war, muß der frühere mythologische Hintergrund vor allem der Bibel (siehe Mythologie) "aufgeklärt" und durch unseren heutigen eher verstandesmäßigen Hintergrund ersetzt werden (siehe Aufklärung), um den Sinn dieser "alten Geschichten" - richtig - zu verstehen. Es geht also Bultmann nicht um eine Abschaffung der Mythen, sondern um ihre existentielle Interpretation. Bultmann weist etwa darauf hin, daß zur Zeit der Entstehung der Bibel die allgemeine Vorstellung von der Erde als Scheibe war und daß die Bibel eben in dieser Vorstellung geschrieben wurde - und daß daher für uns, die wir heute andere Vorstellungen haben, vieles unverständlich ist. Ein besseres Beispiel wären vielleicht die damaligen Vorstellungen, was nun bei Zeugung und Geburt passiert, und der Hinweis, daß mit diesen Vorstellungen eben auch die Idee einer Jungfrauengeburt zusammenhängt, mit der wir heute gar nichts mehr anfangen können (siehe ägyptische Myhologie). Wie Menschen in Mythen denken (etwas abschätziger würden wir sagen "abergläubisch denken"), mag vielleicht aus zwei Berichten in einer Homepage von Freunden Vietnams hervorgehen, einem Bericht über die Geburt eines Kindes: http://www.vietnam-freunde.net/seite01/html/geburt_unseres_kindes_in_vietn.html und einem Bericht vom Bau eines Hauses: http://www.vietnam-freunde.net/seite01/html/abenteuer_hausbau_in_hoi_an.html... (siehe auch unter Buddhismus und Aberglauben). Und so ähnlich war das gewiß auch zur Zeit Jesu - und Jesus ging es nun vermutlich nicht, derartigen Aberglauben zu ändern, denn das wäre ein unmögliches Unterfangen gewesen und Jesus hätte sein Pulver sinnlos verschossen und gar nichts geändert, sondern ethische Mißstände zu beseitigen. Und die haben ja mit dem Aberglauben nicht unbedingt etwas zu tun - man kann doch das eine tun und das andere lassen! Und natürlich dachten er und die Verfasser der Bibel auch in all diesen Mythen und schrieben also auch in diesen mythischen Vorstellungen - und das macht die Bibel für uns heute so schwer verständlich und so umstritten! Dabei ist vermutlich alles ganz einfach! Und hier der entsprechende Beitrag Bultmanns im Original: RUDOLF BULTMANN Mythologisches Weltbild und Geschichtsverständnis Der Lauf der Geschichte hat die Mythologie widerlegt Die(se) Vorstellung von der Gottesherrschaft ist nämlich mythologisch, wie auch die Vorstellung des Enddramas mythologisch ist. Ebenso mythologisch sind die Voraussetzungen für die Erwartung der Gottesherrschaft, nämlich die Theorie, daß die Welt vom Bösen, dem Satan, regiert wird, obwohl sie von Gott geschaffen ist, und daß die Armee des Satans, die Dämonen, Grund allen Übels ist, Ursache von Sünde und Krankheit. Das ganze Verständnis, das in der Predigt Jesu wie allgemein im Neuen Testament vorausgesetzt wird, ist mythologisch; das heißt: die Vorstellung der Welt, die in die drei Stockwerke Himmel, Erde und Hölle eingeteilt ist, die Vorstellung, daß übernatürliche Kräfte in den Lauf der Dinge eingreifen, und die Wundervorstellung, insbesondere die, daß übernatürliche Kräfte in das Innenleben der Seele eingreifen, die Vorstellung, daß der Mensch vom Teufel versucht und verdorben und von bösen Geistern besessen werden kann. Dieses Weltbild nennen wir mythologisch, da es sich von dem Weltbild unterscheidet, das von der Wissenschaft seit ihrem Anfang im klassischen Griechenland gebildet und entwickelt wurde, und das auch von allen modernen Menschen angenommen worden ist In diesem modernen Weltbild ist die Verbindung von Ursache und Wirkung grundlegend. Wenn auch die modernen physikalischen Theorien in den subatomaren Vorgängen den Zufall in Rechnung stellen, werden unsere täglichen Vorsätze, unser Handeln und unser Leben davon nicht berührt Jedenfalls glaubt die moderne Wissenschaft nicht, daß der Lauf der Natur von übernatürlichen Kräften durchbrochen oder sozusagen durchlöchert werden kann. Dasselbe gilt für die moderne Geschichtsforschung, die nicht mit einem Eingreifen Gottes oder des Teufels oder von Dämonen in den Lauf der Geschichte rechnet Dagegen wird der Lauf der Geschichte als ein ungebrochenes Ganzes betrachtet, das in sich selbst vollständig ist, auch wenn es sich vom Lauf der Natur unterscheidet, weil es in der Geschichte geistige Mächte gibt, die den Willen der Menschen beeinflussen. Zugegeben, daß nicht alle geschichtlichen Ereignisse notwendig von den Naturgesetzen bestimmt und daß die Menschen für ihre Handlungen verantwortlich sind, so geschieht doch nichts ohne eine vernünftige Begründung, sonst wäre ja die Verantwortung aufgelöst Natürlich gibt es noch viel Aberglauben unter den modernen Menschen, aber das sind Ausnahmen oder gar Abnormitäten. Der Mensch von heute baut darauf, daß der Lauf der Natur und Geschichte, wie sein eigenes Innenleben und sein praktisches Leben, nirgends vom Einwirken übernatürlicher Kräfte durchbrochen wird. Unweigerlich erhebt sich dann die Frage: Kann Jesu Predigt von der Gottesherrschaft dann für den Menschen von heute noch irgendwelche Bedeutung haben, und kam die Predigt des Neuen Testaments in Ihrer Gesamtheit für den modernen Menschen noch wichtig sein? Di« Predigt des Neuen Testaments verkündigt Jesus Christus, nicht nur seine Predigt von der Gottesherrschaft, sondern zunächst seine Person, die von Anfang an von der Urchristenheit mythologisiert wurde. Die Neutestamentler sind sich uneinig, ob Jesus von sich selbst als dem Messias sprach, als dem König für die Zeit des Heils, ob er selbst glaubte, der Menschensohn zu sein, der mit den Wolken des Himmels kommen würde. In diesem Fall hätte Jesus sich selbst im Licht der Mythologie verstanden. Hier müssen wir uns nicht für das eine oder das andere entscheiden. Die erste Christenheit betrachtet ihn jedenfalls so, .als eine mythologische Gestalt; sie erwartete, daß er als Menschensohn auf den Wolken des Himmels wiederkomme und als Weltenrichter Heil und Verdammnis bringe. Man sieht seine Person im mythologischen Licht... Daher erhebt sich die brennende Frage: Welches ist die Bedeutung der Predigt von Jesus und der Predigt des ganzen Neuen Testaments für den modernen Menschen? Für den Menschen von heute sind das mythologische Weltbild, die Vorstellung vom Ende, vom Erlöser und der Erlösung vergangen und erledigt Kann man erwarten, daß wir ein sacrificium intellectus (einen Verzicht auf das Verstehen) vollziehen, damit wir annehmen können, was wir ehrlich nicht für wahr halten können - nur weil solche Vorstellungen in der Bibel stehen? Oder sollen wir diejenigen Sätze im Neuen Testament überlesen, die solche mythologischen Vorstellungen enthalten, und andere Worte zusammensuchen, die keinem modernen Menschen einen Anstoß bieten? In der Tat umfaßt die Predigt Jesu nicht ausschließlich eschatologische Aussprüche. Er verkündete auch den Willen Gottes, welcher das Gebot Gottes ist: das Gebot zum Guten. Jesus fordert Wahrheit und Reinheit, Bereitschaft zum Opfer und zur Liebe. Er fordert den Gehorsam des ganzen Menschen gegen Gott, und er steht auf gegen den Irrtum, daß man seine Pflicht gegen Gott durch Einhalten gewisser äußerer Gebote erfüllen kann. Wenn der moderne Mensch an den ethischen Geboten Jesu Anstoß nimmt, dann sind das Hindernisse für seinen selbstsüchtigen Willen und nicht für seinen Verstand. Es reicht also nicht, die Bibel einfach in unsere heutige Sprache zu übersetzen, sondern wir müssen sie sozusagen für unsere heutige Denkvorstellungen aufbereiten! Tendenz dieser Website, in der in der Botschaft Jesu vor allem die Idee einer ethischen Erneuerung ("Erlösung") gesehen wird : Dualismus und Gnosis sind nun einmal zutiefst leibfeindliche Weltanschauungen, die schon in der Spätantike in unseren christlichen Glauben eingedrungen sind, aus ihm eine typische Religion von einem Reich in einer anderen Welt gemacht und ihn vor allem sozusagen leibfeindlich versifft haben. Und Leibfeindlichkeit ist nun einmal etwas Negatives - und auf etwas Negativem kann man nie und nimmer etwas Positives aufbauen - also auch nicht eine wirkliche Moral! Durch den Filter der ENTGNOSTISIERUNG (ein Begriff von basisreligion, wissen Sie einen besseren?) muß daher schließlich "alles das" aus der Botschaft der Bibel aussortiert oder richtig gestellt werden, was vor allem an Leibfeindlichkeit durch die Überlagerung mit Ideen der Gnosis und des Dualismus aus der ursprünglich beabsichtigten Diesseits- oder Naherwartung des Reiches Gottes in dieser Welt im Laufe der ersten Jahrhunderte nach Christus wurde. Und da dieses "Alles das" inzwischen für viele zum Kern unseres Glaubens überhaupt geworden ist, sind bei einer Hinwendung zu wirklicher Moral Differenzen sozusagen programmiert. Und durch den Filter der ENTCHRISTLICHUNG muß dann auch noch alles das entfernt werden, was aus dem Anliegen Jesu eine typische Priesterreligion und es für den Normalmenschen im Grunde weitgehend ungenießbar gemacht hat. Die Worte Entmythologisierung, Entgnostisierung und Entchristlichung werden allerdings wahrscheinlich unseren Vorfahren nicht gerecht: Sind nicht auch sie so wie wir heute jeweils von einer "zeitbedingten Atmosphäre" ausgegangen? Und stehen nicht auch wir vor der Schwierigkeit, die Botschaft der Bibel so in unsere heutige Atmosphäre einzubauen, die ja auch in irgendeiner Weise beschränkt und irrational ist, daß das Anliegen der biblischen Botschaft tatsächlich deutlich wird? Ist die Entmythologisierung aber nicht schon veraltet? "In den ersten Entwürfen, die mir meine Kollegen zusandten, wurde frisch-fröhlich drauflos entmythologisiert, als wären seit Rudolf Bultmanns aufsehenerregendem Aufsatz nicht vierzig Jahre ins Land gegangen, als hätte die wissenschaftliche Mythenforschung seit Bultmann uns nicht einen differenzierteren Umgang mit Mythen nahegelegt. Es wurde nachgewiesen, dass die meisten christologischen Aussagen des Neuen Testaments sich griechischer und jüdischer mythologischer Kategorien bedienten (was kaum ein informierter Bibelleser bestreitet). Daraus wurde die erstaunliche Folgerung gezogen, dass sie demzufolge unmöglich wahr sein können. Ich wundere mich über den Versuch, diesen unterdessen etwas staubig gewordenen Ladenhüter aufzupolieren und neu in den Verkehr zu bringen." Dies schrieb Walter J. Hollenweger im Jahr 1982 im Zusammenhang mit seinem Buch über Mythen (siehe mehr dazu in der Diskussion um Gott). Dazu kann ich nur sagen: Wir haben ja noch gar nicht richtig mit der Entmythologisierung angefangen! Wo sind denn die Schöpfungsmythen und insbesondere der Adam-und-Eva-Mythos wirklich hinterfragt und aufgearbeitet worden - außer hier bei basisreligion? Sobald sich abzeichnet, daß etwas mit der Sexualität und insbesondere mit der Moral dabei zu tun hat, dann kneifen wir doch und verweigern jedes Weiterdenken! Und ich habe mit meinen Ansätzen ja meine Schwierigkeiten mit meiner Kirche - da wird gar nicht mehr sachlich diskutiert, sondern da wird gleich die Missio entzogen! Es ist eben wie mit allen halben Sachen: Wir machen etwas nur halb und sagen dann: "Es geht nicht!" Nein, so geht´s wirklich nicht! Der Besucher von basisreligion, der mich auf die Arbeiten von J. Hollenwenger aufmerksam gemacht hat (H. war Professor für interkulturelle Theologie an der Universität Birmingham, ich erhielt zunächst einmal Hinweise auf sein Buch "Geist und Materie", Chr. Kaiser, München 1988, ISBN 3-459-01734-1, vergriffen), hat mir dann noch sein Buch "Umgang mit Mythen", Interkulturelle Theologie II, Kaiser, München 1982, ISBN 3-459-01414-8 eingescannt. Am Beispiel von Mythen aus dem eher wirtschaftlichen Bereich untersucht Hollenwenger hier etwa, wie sich alte Mythen in unsere heutige Zeit übertragen lassen und wie wir heute noch mythologisch denken. Meine Antwort darauf: Aber das - mit der Übertragung der Mythen
- mache ich ja alles schon längst! Ich habe unter
anderem den Teil 9 gelesen und wurde ganz nervös
dabei! Genau darum geht es mir doch! Da sehe ich einen
alten Mythos, den Adam-und-Eva-Mythos
oder den Erlösungsmythos
durch Jesus (genau das kann
ich bei H. allerdings nicht finden), was alles niemand
mehr versteht, die Leute wenden sich vom christlichen
Glauben ab (Verzeihung, ein paar Spinner gibt es
überall, die kann gar nichts erschüttern, das sagt gar
nichts - damit meine ich nicht Dich, sondern ganz
allgemein, hier zählt die Masse der Menschen...)
und auf der anderen Seite haben wir galloppierenden Sittenverfall und
können wesentliche Probleme unseres Menschseins nicht
lösen.. Und ich sehe nun diese Dinge zusammen und
setze den alten Mythos in unser heutiges Denken um,
entwerfe einen Ansatz bei Partnerschaft
und Liebe beginnend bei
Lieschen Müller, also dem einzelnen Menschen, und
stelle fest, es paßt genau, genau das hatten die
damals im Sinn, nur haben die sich anders ausgedrückt
(natürlich ist das irgendwie Glauben
nach der Plausibilität!)
und wir haben genau die brisante Munition für
heute, die wir brauchen, um ganz entscheidende
Probleme mit Aussicht auf Erfolg anzupacken! Und
natürlich kommen viele Leute nun von diesen alten
Interpretationen nicht los und verstehen gar nichts
mehr... Tschüs erst mal! Fortsetzung des Mailwechsels unter Aufklärung, denn die paßt besser dorthin! (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) |