EXODUS (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

EXODUS (der lateinische Name für das Zweite Buch Mose) ist das Buch der Bibel (Altes Testament), in dem es (wenigstens zunächst einmal) um den Auszug der Israeliten aus Ägypten geht, wo sie sich in der Sklaverei befanden. Nach vierzigjähriger Wanderung durch die Wüste Sinai (?), geführt durch den Anführer Moses, gelangen sie schließlich in das Land der Kanaaniter, das sie erobern und wo sie seßhaft werden. Während ihrer Wanderung - oder besser ihres Zuges - durch die Wüste werden sie immer wieder in Kämpfe mit anderen Völker verwickelt und erleben auch sonst allerhand Widrigkeiten, haben aber auch mehr oder weniger positive Erfahrungen, vor allem die Erfahrungen mit Gott (unter anderem erhalten sie von ihm die Zehn Gebote), was sie alles zu einem neuen Volk zusammenschweißt.

"Dieser Auszug wird in der exegetischen (Anm.: bibelwissenschaftlichen) Literatur wegen seiner häufigen Erwähnung im Alten Testament zuweilen als `Urbekenntnis Israels´ verstanden, sollte aber eher....als das `Grundbekenntnis Israels´ verstanden werden." (Wörterbuch des Christentums, Gütersloh, Düsseldorf, München, 1988/1995, S. 333)

In der Wissenschaft wird gerätselt, was sich hinter diesem Auszug nun genau verbirgt und wann er nun eigentlich war. Vieles klingt ja legendenhaft, etwa der Durchzug durch das Rote Meer, die Speisung in der Wüste mit Manna, das Finden der aus einem Felsen sprudelnden Quelle. Doch irgendeinen historischen Kern wird es ja geben. So ist eine Befreiung aus der Sklaverei der Ägypter plausibel. Doch weist die Wüstenwanderung nicht viel eher auf eine übliche Wanderung von Nomaden und damit auf eine nomadische Abstammung der Juden hin?

Geschichtlicher Hintergrund

In Exodus 1, 11 wird berichtet, daß die Israeliten für den Pharao die Städte Pithom und Ramses bauen mußten. Diese beiden Städte wurden unter der Regierung des Pharao Ramses II. errichtet, der von 1290 bis 1224 (v. Chr.) errichtet. Also muß dieser Pharao gemeint sein und der Auszug aus Ägypten muß in der Zeit danach gelegen haben.

Doch was war in dieser Zeit in Ägypten sonst noch los? Welche geistigen Entwicklungen gab es, von denen wir wissen? Wie kommt der Anführer der Israeliten Moses zu seinem ägyptischen Namen (wir kennen einen Pharaonamen "Tutmosis"), war er am Ende gar Ägypter? Wie kommt es zu dem Eingottglauben der Israeliten in einer ansonsten polytheistischen Umgebung?

In der "archäologischen Biografie" "Nofretete" von Philipp Vandenberg finden wir eine interessante Deutung. Vandenberg (er beruft sich dabei auch auf andere) weist dabei auf die monotheistische Religion des Gottes Aton unter Amenophis IV (Echnaton) um 1351 - 1334 (er war mit Nofretete verheiratet, deren Büste wir aus dem Ägyptischen Museum in Berlin kennen) hin, die eine Religion der Liebe und der Harmonie gegen die herrschende Priesterreligion werden sollte, jedoch nach dem Tod des Pharaos abrupt abgebrochen und unter dem neuen Pharao Tut-anch-Amun (das ist der, dessen schmuckreiches Grab und dessen Mumie 1922 gefunden wurden), der wieder unter der Fuchtel der alten Priestercliquen stand, sozusagen mit Stumpf und Stil ausgetilgt wurde. Gegen Religionen der Harmonie und Liebe gibt es ganz offensichtlich schon seit jeher starken Widerstand von den alten etablierten Schichten (siehe Establishment). Und so schließt Vandenberg darauf, daß bei verschiedenen Stämmen oder auch Sklavengruppen die Erinnerung an einen Gott der Liebe und der Harmonie aller Menschen noch lange lebendig war und es ihnen schließlich gelang, sich unter einem begnadeten Anführer vom Joch der Ägypter zu befreien und schließlich ein eigenes Volk zu werden - eben mit dem Glauben an den einen Gott (siehe Monotheismus). 

Ist der Anfang des jüdischen Glaubens also die Verwirklichung einer Utopie von Sklaven?

Wir können davon ausgehen, daß es nicht erst unter dem entlaufenen Sklaven Spartakus (gestorben 71 v. Chr.) im alten Rom Aufstände der unterdrückten und ausgebeuteten Sklaven gegen ihre Unterdrücker und Ausbeuter gab, der Drang der Menschen nach Freiheit von Unterdrückung und Ausbeutung und nach wirklicher Emanzipation ist einfach zu groß. Und die Befreiung der Israeliten von den Ägyptern kann durchaus als ein solcher Aufstand angesehen werden, hinter dem sich allerdings nicht nur israelitische Sklaven verbergen, schließlich dürften nach ein paar hundert Jahren Sklaverei sich irgendwelche Familien des Anfangs ohnehin ausgiebig mit anderen vermischt haben (das mit der Abstammung von den zwölf Söhnen Jakobs dürfte also schon von der Problematik des Inzests her zumindest teilweise eine Legende sein, wie sie sich Unterdrückte nun einmal geben, um einen Corpsgeist - oder auch eine Identität - und ein Selbstbewußtsein zu entwickeln). Doch anders als die Sklaven Roms mit Waffengewalt versuchten es die Sklaven Ägyptens mit List und Tücke und mit Terror (in der Bibel als "Plagen" beschrieben, die angeblich Gott schickte) und hatten dabei mehr Erfolg. Man ließ sie schließlich sogar ziehen. Und - ebenfalls anders als Spartakus mit seinen Aufständischen, denen ihre Anfangserfolge zu Kopf stiegen und die größenwahnsinnig in Italien umherzogen und vermutlich dort zur neuen herrschenden Schicht werden wollten - waren die freigekommenen ägyptischen Sklaven schlauer und realistischer und verzichteten auf die Gebiete der bequemen Zivilisation und zogen in die Wüste und suchten sich schließlich "dahinter" eine neue Bleibe. Damit vermieden sie auch jeden weiteren Konflikt mit den Ägyptern. Vermutlich hätten sie wegen ihrer relativ kleinen Zahl gegen die Ägypter auch keine Chance gehabt, doch anderen, kleineren Völkern waren sie bei ihrer Suche sehr wohl überlegen.

Und bei ihrem Zug war der eine Gott nicht gerade nur ein Symbol der Befreiung von der Sklaverei, sondern der Glaube an ihn war letztlich auch die Weltanschauung der Befreiung von jeder Sklaverei und Unterdrückung schlechthin, also auch der Partnerschaft und der Liebe zwischen den Menschen ganz allgemein und damit natürlich auch zwischen Mann und Frau. Das sind ja alles die Kennzeichen auch heute noch für echten Eingottglauben (siehe Monotheismus). Und sie gaben sich unter einem begnadeten und genialen Führer die passenden Gesetze, damit diese Ideale auch in der Praxis funktionierten. Die Idee der Gleichwertigkeit von Mann und Frau mag auch noch aus Ägypten stammen, nicht zuletzt war eine der treibenden Kräfte für die neue monotheistische Religion in Ägypten (nach Vandenberg) ja auch eine Frau gewesen, nämlich die Königin Nofretete, eine asiatische Prinzessin mit vermutlich neuen Ideen, die ihren Mann Amenophis IV. beeinflußt hatte. Wenn der Gott der befreiten Sklaven zunächst auch eher als martialischer Gott erscheint, der das Schwert schwingt und Blitze schleudert, so dürfte das mehr eine Marketingmaßnahme der Verkünder dieses neuen Glaubens sein, die nicht überbewertet werden darf, denn die Konsequenz der Zehn Gebote sind doch letzten Endes Harmonie und Liebe unter allen Menschen - anders als in den Sklavenhalter- und Priesterreligiongesellschaften!

In der Rückschau der Juden ist das ganze dann - wie das so ist - legendenhaft ausgeschmückt und in einen größeren Gesamtkontext eingebaut, wie wir ihn heute in der Bibel kennen.

In den folgenden drei so genannten "Büchern des Mose" mit den lateinischen Namen Levitikus, "Numeri" und "Deuteronomium" wird aus dem Anliegen der ersten beiden Bücher des Mose, also den Büchern Genesis und Levitikus dann endgültig eine abgegrenzte Religion: Die Kultvorschriften (siehe unter koscher) stehen im Vordergrund, und auch die Vorschriften zur Sexualität werden nicht mehr im Zusammenhang mit Befreiung von Sklaverei und Emanzipation gesehen, sondern es geht nur noch darum, was Gott wohlgefällig ist oder eben nicht.

Anmerkung: Aus religionsgeschichtlicher Sicht (siehe religionsgeschichtlicher Ansatz) gibt es genügend gute Gründe, das Buch Exodus in der hier dargestellten Weise zu interpretieren, und daß ein tiefenpsychologischer Ansatz, der heute bisweilen in Mode ist, weit hergeholt und nicht sinnvoll erscheint... (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)