Nachwort

Es ist nicht anzuzweifeln: Junge Menschen sind in ihren Vorstellungen von der Liebe normalerweise auch heute noch zunächst voller Ideale und können sich daher auch als ihren Liebespartner (und das ist für sie zumeist dasselbe wie Intimpartner) - und besonders als ihren ersten - nur jemanden vorstellen, den sie lieben, der sie liebt, der wirklicher Gefährte (siehe auch Partnerschaft) ist, bei dem sie gut aufgehoben sind, der für sie sorgt, mit dem sie durch Dick und Dünn gehen können, "der es also verdient". Sie haben also ganz gewiß ein Ziel, das vermutlich in ihnen von der Natur fest einprogrammiert ist, gleichgültig unter welchen idealen oder nicht idealen Umständen sie aufwachsen und was für gute oder schlechte Vorbilder sie dabei erleben. Und die jungen Menschen haben kein Verständnis, wenn Erwachsene meinen, ihnen da Ratschläge geben zu müssen, weil diese anzweifeln, daß sie keine Ideale hätten oder daß ihre Vorstellungen lediglich Luftschlösser seien.

Doch leider müssen wir feststellen, daß sich die Zweifel der Erwachsenen immer wieder bestätigen und daß junge Menschen sich fast wie programmiert oft genug - für eine kürzere Affäre bis hin zu einer längeren "Lebensabschnittspartnerschaft" - nicht nur einen eher ungeeigneten Partner aussuchen, sondern bisweilen sogar einen regelrechten "Taugenichts".

Und so bleiben die Enttäuschungen (siehe Enttäuschung) nicht aus und überschatten schließlich auch noch nur zu oft das ganze weitere Leben. Und das ist doch nun sehr schade.

Wir machen für dieses merkwürdige Verhalten stereotyp alle möglichen Ursachen verantwortlich: den Einfluß von schlechten Kameraden (was auch immer man darunter verstehen mag), den heutigen Zeitgeist mit seinem oft miesen und oberflächlichen Illustrierten-, Video- und Fernsehangebot, eine nicht gelungene Kindheit (siehe Tiefenpsychologie) oder schließlich sogar unsere natürliche Veranlagung, gegen das alles weder die fürsorglichen Erwachsenen noch irgendeine Religion nun einmal zumindest im Endeffekt etwas ausrichten können.

Da es jedoch immer andere Entschuldigungen (oder Rationalisierungen) für unsere Ohnmacht sind, sehen sie nach Ausflüchten aus, und ich kann sie einfach nicht glauben. (Siehe hierzu auch die Problematik von Ursache und Wirkung!)  

Ganz nüchtern aus der Sicht der Biologie geht es bei der Suche junger Menschen nach einem geeigneten Partner schlichtweg um die Frage nach der Erfüllung unserer Veranlagung zur Fruchtbarkeit, die zumindest genauso entscheidend für unseren Lebenssinn ist wie unser Antrieb, überhaupt leben zu wollen. Wäre es da nicht eine merkwürdige Laune der Natur und die ganz große Ausnahme unter allen Lebewesen, wenn wir Menschen - und dabei besonders die weiblichen, von deren Partnerwahl im Hinblick auf optimale Versorgung und Verteidigung letztlich auch der Erfolg der Fruchtbarkeit (und nur der Erfolg ist im Endeffekt entscheidend und kann somit weiteres Verhalten prägen) abhängt - uns immer wieder erst einmal irren müßten? Solche Launen der Natur gibt es einfach nicht. Ein so häufiges Fehlverhalten, wie wir es da heutzutage bei jungen Menschen, und nicht nur bei denen, beobachten, kann doch eigentlich nur daran liegen, daß wir etwas absolut Grundlegendes falsch machen, daß wir uns irgendwo völlig "verquer" gegen die Natur verhalten.

Zugegeben, ich weiß nicht, wie Regenwürmer denken, doch mir scheint, daß wir Menschen hier nur zu oft so erzogen werden, daß unsere Gehirntätigkeit beim Umgang mit dem Sachgebiet "Fruchtbarkeit" auf einem sehr niedrigen geistigen Niveau - eben möglicherweise dem von solchen Würmern - stattfindet. Denn so wie es aussieht, spielt im Umgang mit dem anderen Geschlecht wenigstens zunächst einmal das Gehirn oft genug kaum eine Rolle und es sucht letztlich nur Wege zur Verwirklichung für das, was das Gefühl vorgibt. Und so wird es wenigstens zunächst einmal allenfalls für die Besorgnisse gebraucht, denjenigen (oder diejenige) zu "bekommen", den man sich da oft ohne jegliche nähere Kenntnis ausgeguckt hat, bei den sich dann ergebenden sexuellen Handlungen nicht entdeckt zu werden, für die Empfängnisverhütung vorzusorgen und auch sonst nicht für den Geschlechtspartner verantwortlich zu sein, um "hinterher" keine Scherereien zu bekommen.

Das immense menschliche Gehirn dürfte jedoch da zu mehr und zu Besserem fähig sein!

Was ist es nun, das dieses Gehirn so entscheidend und nachhaltig blockiert?

Soviel ich sehe, hat da zur Zeit etwas einen absolut verhängnisvollen Einfluß auf unsere zwischengeschlechtlichen Beziehungen, wo wir es zunächst überhaupt nicht vermutet hätten. Und das ist der zwanghafte Trieb, sich oder zumindest einige Körperteile vor anderen zu bedecken, auch Sexualscham genannt. Dieser Trieb wird zwar allgemein als moralfördernd und sogar moralnotwendig angesehen, ist jedoch bei näherem Hinsehen vermutlich ein äußeres Indiz für mangelnde geistige Offenheit und sogar für ein geistiges Versteckspiel der Menschen voreinander und für wirkliche Ethik oder auch Moral äußerst kontraproduktiv, jedenfalls so, wie er heutzutage eingesetzt wird. Das Richtige und Gute liegt eben vermutlich auch hier ganz nahe beim Falschen und Bösen (siehe Böse), es kommt, wie so oft, auf die kleinen Unterschiede an.

Daher zunächst einmal: Die (Sexual-)Scham ist mit Sicherheit keinesfalls angeboren, wie wir leicht daran erkennen können, daß in warmen Ländern ganze Völker nackt herumlaufen oder zumindest bis zum Kontakt mit den abendländischen Kolonisatoren herumgelaufen sind. Und zumindest bei näherem Hinsehen weist nichts darauf hin, daß diese Nacktheit die Ursache eines hemmungslosen sexuellen Durcheinanders ist. Vermutlich war oder ist die Sexualmoral in solchen Völkern sogar zumeist höherstehend als bei uns. Jedenfalls kommen die Nachkommen der nach Amerika deportierten Afrikaner noch heute nicht mit unserer (Scham-)Moral zurecht: 70 % ihrer Kinder sind außerehelich und 95 % aller ihrer Mütter heiraten nicht die Väter ihrer Kinder.

Allerdings kann dennoch der Eindruck entstehen, daß die Scham angeboren ist, zumal wenn ich bedenke, wie entschieden und geradezu verbissen sie von den meisten Menschen und auch von meinen jungen Leuten, die ich so unterrichte, verteidigt wird - selbst wenn sie vermutlich überhaupt nichts Außergewöhnliches und schon gar nichts Häßliches zu verbergen haben. Doch wenn ich dann allerdings bemerke, wie dieselben Leute andererseits bisweilen doch recht oberflächlich in ihrem Sexualverhalten sind, das heißt, daß sie durchaus bei verschiedenen Partnern ihre sexuellen Erfahrungen sammeln und bisweilen sogar kurzfristigen Abenteuern (siehe Abenteuer und/oder One Night Stand) nicht abgeneigt sind (wobei sie dann oft genug regelrechten Taugenichtsen viel Entscheidenderes als ihren Anblick gewähren), so scheint mir hier ein merkwürdiger Widerspruch vorzuliegen: In einer Sache wie der Nacktheit, die im Grunde völlig unproblematisch ist und die sogar ein harmloser Spaß sein könnte und die allenfalls einmal einen kurzfristigen Sonnenbrand und wohl nie seelische Probleme bringt, sind sie absolut eng und zurückhaltend (siehe Verklemmtheit), und in einer Sache, die oft genug das ganze Lebensglück (siehe Glück) zerstört oder zumindest stört, sind sie unglaublich großzügig und bisweilen sogar äußerst draufgängerisch.

Des Rätsels Lösung könnte sein, daß wir Menschen tatsächlich zur Monogamie veranlagt sind und daß es zur Unterstützung dieser Veranlagung eine unbedingte und angeborene natürliche Veranlagung zur Ethik auch in sexuellen Dingen gibt, die unbedingt auf Erfüllung angewiesen ist. Und diese Veranlagung dürfte auch nicht so schnell etwa durch Probleme mit der eigenen Kindheit oder durch den Anblick nackter Personen - konkret oder auf Fotos - oder durch irgendwelche sexistischen Filme oder abwertende Meinungen über den Haufen geworfen werden. Schließlich werden gerade die "konkreten Anblicke" in den Jahrmillionen, in denen sich unsere Monogamie entwickelt hat, normal gewesen sein. Wirklich verhängnisvoll dagegen dürfte sein, wenn unsere Veranlagung zur Monogamie überhaupt nicht oder allenfalls ungenügend geistig aktiviert wird und sie daher dann auch gar nicht gelebt werden kann, und das passiert eben, wenn es da spezielle Tabus gibt, so daß gar kein rechter Überblick besonders bei jungen Menschen zustande kommen kann.

Und das ist doch die Situation in allen "Kulturvölkern", eine auch nur einigermaßen systematische Hinführung, so daß der junge Mensch wirklich einen eigenen Antrieb dazu bekommt, fehlt da doch immer! Ja, es scheint sogar typisch für das zu sein, was wir Kultur nennen, daß solch ein Antrieb geradezu verhindert wird. So sucht sich unsere Veranlagung zur Ethik eben ein Ersatz-Ziel - und das ist in unserer Zeit eben die persönliche Sexualscham, die nun stellvertretend für die wirkliche Sexualmoral steht und in der Form von sinnlosen Ängsten verteidigt wird, wie es von der Natur her in der Form sachlicher Furcht eigentlich der Sexualmoral zukommen sollte. Es ist eine uralte Geschichte: Schon Adam und Eva brauchten "Ersatzmoralfeigenblätter", als sich herausstellte, daß sie die wirkliche Moral nicht begriffen hatten...

Wir investieren also sozusagen unser moralisches Potential an einer falschen Stelle, wobei es dann an der richtigen Stelle fehlt, und können so sagen, daß die Scham eine fehlgeleitete oder degenerierte Sexualmoral ist.

Warum also in der Moralerziehung immer einen Weg gehen, der erfahrungsgemäß doch nichts bringt, warum nicht einen anderen wählen, vielleicht sogar einen entgegengesetzten? Warum nicht einmal ein Konzept ohne Sexualscham überdenken?

Ich bin nun nicht so naiv anzunehmen, daß mit der Befreiung von der (Sexual-)Scham auch gleich eine bessere Welt ausbricht. Dafür sind die Strukturen von Macht und Herrschaft einerseits und von Bevormundung und Ausbeutung andererseits auch noch mit anderen Tabus (siehe Tabu) und Ängsten (siehe Ängste) abgesichert. Und so ist die Scham gewiß bei weitem nicht die einzige irrationale Angst, die uns nicht zu wirklicher Emanzipation kommen läßt. Genauso verhängnisvoll dürften nämlich auch noch andere kulturbedingte und vor allem religiöse Ängste sein. Denn jeglicher religiöser Glaube und auch jeglicher kulturbedingter Gruppenzwang (das kommt ja im Endeffekt auf dasselbe hinaus) weist auf eine Autorität hin, die letztlich jedem "Gläubigen" das Denken abnimmt, und gaukelt unwirkliche Illusionen vor und verleitet so zu mangelnder Ernsthaftigkeit und baut schließlich auch noch Grenzen zwischen den Menschen auf. Und erfahrungsgemäß sind diese Grenzen ja um so tragischer, je tragischer die Folgen mangelnder Ernsthaftigkeit für den einzelnen im Privaten sind.

Doch warum soll sich das alles nicht ändern lassen? Wie es aussieht, müssen wir gar nicht einmal mit letztlich doch nicht möglichem Aufwand zu den äußeren Umständen der Welt vor unseren Zivilisationen zurückkehren, wir brauchen uns nur in manchen Dingen "vorzivilisiert" - oder eben "unserer Natur gemäß" - zu verhalten und anfangen, die Sinnhaftigkeit derjenigen Ängste zu überprüfen, bei denen das eben möglich ist.

Die Mutter einer Schülerin hat mich einmal ganz direkt gefragt, was ich eigentlich in meinem Religionsunterricht will. Und da habe ich sie auf die merkwürdige Widersprüchlichkeit der jungen Menschen heute hingewiesen, die vor der eigenen Nacktheit etwa selbst am Meeresstrand, wo so etwas üblich wäre, geradezu panische Angst hätten, obwohl die doch gewiß gar nichts schadete und sogar irgendwo Intelligenz, Selbstbewußtsein und Emanzipation und Freiheit dokumentierte. Doch Geschlechtsverkehr machten sie nur zu oft mit verschiedenen Partnern, und solches Verhalten brächte nun wirklich Probleme mit sich und dazu noch lebenslange und wäre doch keinesfalls ein Zeichen von Intelligenz und von Freiheit. "Ja", meinte sie dann, "und was ich nun wollte". Ich antwortete: "Daß sie das jeweils andere machten". Worauf sie sagte: "Wenn Sie das schaffen, sind Sie gut!" (Ob das nicht ein sowohl reizvoller wie auch ehrenvoller Ansporn für einen Religionslehrer ist, der sich für Ethik einsetzt?)

Amerikaner haben nun festgestellt, daß Grundhaltungen in ethischen Dingen bei uns Menschen um das achte Lebensjahr herum abgeschlossen sind und daß alles, was danach kommt, mehr oder weniger auf diesen Haltungen aufbaut. Und auch ich habe festgestellt, daß Kinder in diesem Alter noch sehr wohl bereit sind, sich bei ihren Überlegungen, wie sie ihr Leben gestalten wollen, sowohl an hohen Idealen einerseits und an den wirklichen Gefahren andererseits zu orientieren. Vor allem für Mädchen ist die Nacktheit dann tatsächlich kein Problem mehr.

Unsere beliebten Einwände, daß Kinder bei solcher Offenheit je nachdem leichtsinnig oder verängstigt werden könnten, dürften eigentlich immer nur Projektionen von Menschen sein, die eben nicht mehr selbst die Ideale der Kinder als Hintergrund haben. Vielleicht veranschaulicht unsere Beziehung zum Wasser das Problem: Ein depressiver Mensch, der Selbstmord begehen will, wird die Gelegenheit an einem schönen und tiefen See wahrnehmen und tatsächlich Selbstmord begehen oder er wird zumindest Angst vor solchen Seen haben. Doch ein Mensch, der leben will und Überblick hat, wird die Gefahren des Wassers nach allen Regeln der Kunst einschätzen und sich bei Bedenken etwa einen überwachten Strandabschnitt aussuchen und sich mit Freude in das nasse Element stürzen und auch sonst alles nur Erdenkliche tun, damit er eben nicht ertrinkt. Und er ertrinkt ja auch wirklich nicht.

Wenn allerdings nun ein Selbstmordkandidat solche Menschen beobachtet, die ungezwungen mit dem Wasser umgehen, wird er von einer Panik in die andere geraten - er kann die Kombination von Furchtlosigkeit und Lebensfreude und Gefahrenbewußtsein in Verbindung mit dem Wasser einfach nicht fassen.

Im Übrigen wird auch in der Bibel das Paradies - und das ist doch die Harmonie zwischen den Menschen, also auch zwischen Mann und Frau - durchaus mit einer unbefangenen und "natürlichen" Einstellung zur Nacktheit verbunden, ja die ist da sogar selbstverständlich! Allerdings wurde diese Harmonie durch den Einfluß der Schlange, und diese dürfte für eine Gottheit der zivilisierten und "unnatürlichen" Völker stehen, also für die Zivilisation schlechthin, zerstört. Doch sollte das Ende dieser Zerstörung (das ist wohl mit "Auferstehung" gemeint!) ja nach unserem Glauben durch Jesus gekommen und jetzt eine neue-alte Welt auch bei den "zivilisierten" Völkern möglich sein (siehe Sündenfall, Erbsünde und Erlösung)..

Es ist schon faszinierend für mich, immer wieder zu erkennen, daß diese neue-alte Welt auf alle Fälle nicht mit Prüderie und mit Korsetten, nicht mit Naivität und mit Duckmäuserei und nicht mit kritikloser Gläubigkeit und mit religiösem Kult (also nicht mit irgendeiner Dekadenz) zu erreichen ist.

Und so spielt dieser uns allen bekannte Jesus von Nazareth in dem vorliegenden Konzept nicht die Rolle eines Religionsstifters, dem es um irgend etwas Mythisches oder Mystisches geht (siehe Mythologie), sondern er ist - im Gegenteil - Kämpfer gegen verdummende und verderbende und trennende Religionen (siehe Religion) und für Liebe und für wirkliche und spannende und intelligente Ethik und schließlich auch Moral, nach der man tatsächlich leben kann.

Diese Site ist Teil der Vertraulichen Gespräche der Website www.basisreligion.de!

Die Links weisen auf Stichworte des Wörterbuchs basisreligion hin, das zu der Website gehört und in dem der christliche Glaube unter dem Gesichtspunkt von Vernunft und Moral gesehen wird. Das war vermutlich sowieso das Anliegen des wirklichen (also des historischen) Jesus.