AUTONOME MORAL (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Eine AUTONOME MORAL (hier etwa im Gegensatz zur Sklavenmoral) "lässt sich also beschreiben, als eine traditioneller Sittlichkeit entwachsene, nach rationaler Rechtfertigung für das individuelle wie das kollektive Leben suchende Moral. Das Individuum bildet ein prinzipiengeleitetes Moralbewußtsein aus und orientiert sein Handeln an der Idee der Selbstbestimmung.'' (zit. nach Habermas, Faktizität und Geltung, S. 127). Oder anders ausgedrückt: Es handelt sich dabei um eine Moral, die dem Eigeninteresse des jeweiligen Menschen entspricht, die dem Menschen nichts von außen aufzwingt, was er nicht wirklich will, die eben aus einem Menschen selbst heraus kommt und die daher schlichtweg menschlich ist, doch die allerdings auch dem Menschen die volle Verantwortlichkeit für sein Handeln aufbürdet. Als typisches Beispiel dient hier der Umgang des Menschen mit der Umwelt: Wir müssen uns so verhalten, daß wir die Umwelt möglichst wenig schädigen, weil wir hinterher unter den Schäden, die wir anrichten, zu leiden haben, ein vernünftiger Umgang mit der Umwelt entspricht also unserem Eigeninteresse (siehe Egoismus).

 

Sozusagen überhaupt nicht wird dagegen zur Zeit das Problem autonome Moral im Zusammenhang mit der Sexualmoral gesehen.

Die hat scheinbar heute gar nicht mehr wirklich mit Moral zu tun, daher kann man sie vernachlässigen. Was soll die denn auch dem Menschen helfen, die bildet doch nur überflüssige Fesseln und bringt daher psychische Probleme! Und so wird gerade auch für die Theoretiker einer  autonomen Moral bisweilen sogar jeder Zusammenhang mit einer Sexualmoral geleugnet: Alles, was mit der Sexualität zusammenhängt, sind nun einmal Naturgewalten, die man einfach (aus-)leben muß und die sich überhaupt jeglicher moralischen Wertung entziehen. Sinnvoll ist hier lediglich, junge Menschen zu schützen, und gegenüber Erwachsenen allenfalls eine Aushandlungsmoral, denn wenn jeder der Beteiligten mit einer sexuellen Handlung einverstanden ist und sich selbst beziehungsweise den anderen auch gegen ungewollten Kindersegen schützt, wo soll denn da noch ein Problem sein?

 

Und die Bedenken gegen eine Freizügigkeit, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, werden allenfalls als Unreife, Macke, Feigheit oder gar Egoismus oder Machismo angesehen...

So gelten bei vielen die Begründungen, die eigentlich Kennzeichen einer autonomen Sexualmoral sein könnten, als völlig obsolet (veraltet). Doch sehen wir diese angeblich veralteten Bedenken einmal an:

1. Ich will nicht auf jemanden reinfallen.

2. Ich will nicht, daß jemand mit mir reinfällt.

3. Ich will nicht die Suppe eines anderen auslöffeln, die er sich eingebrockt hat, weil er mit einem anderen reingefallen ist...

4. Ich will wirkliche Liebe in der Einheit von Leib und Seele haben (und nicht nur sexuelle Abenteuer)

5. Ich will wirkliche Partnerschaft in gegenseitiger Achtung haben und erleben.

6. Eigentlich bin ich mir zu schade für jemanden, der ohne realistische Vorstellung von  Partnerschaft erst einmal einem  Traumprinzen hinterher läuft und dabei jede wirkliche Moral im Sinn von Sittlichkeit vergißt, und für den ich erst gut genug bin, wenn sich seine hohlen Vorstellungen zerschlagen haben.

7. Ich will keine Beziehungskisten haben (um die sich die meisten Talk-Shows drehen)

8. Ich will nicht meinem Stengel untertan sein, sondern ich will, daß mein Geist über meinen Stengel herrscht!

9. Ich will nicht Besitztum eines anderen sein, so wie auch ich nicht Besitzer eines anderen sein möchte. Siehe Besitzdenken

10. Ich will mich nicht schämen wegen etwas, was mir angewachsen ist (also daß ich etwa eine Frau bin)! Scham ist immer auch Angst! So etwas wie Angst will ich nur haben, wenn ich es verdiene, weil ich etwas falsch gemacht habe, jedoch nicht, weil es Kultur ist oder es mir sonstwie eingeredet wird. (Mein Problem: Ob jemand, der grundsätzlich nie unbefangen nackt sein kann, überhaupt je eine autonome <Sexual->Moral haben kann? Witzig sind die Leute, die in diesem Zusammenhang etwa sagen: "Natürlich ist Nacktheit für mich kein Problem - aber ich will sie einfach nicht..." Mit ihrem Einwand entlarven sich diese Leute, daß sie keine autonome Moral haben, eine weitere Diskussion mit denen lohnt einfach nicht!)

11. Ich will keine Schlampe sein, von der man redet, dass sie leicht zu haben ist.

12. Ich will nicht, daß andere über mich schlecht reden - weil ich eine Nutte bin, weil ich dumm bin, weil ich mit Idioten reinfalle und das erst immer hinterher merke.

13. Ich will die große Liebe - alles andere wäre ein vertanes Leben.

14. Ich ertrage manchen Spott meiner Kameraden, denn: Wer zuletzt lacht, lacht am besten!

Sind diese Begründungen denn wirklich so unvernünftig?

 

Ach ja, wie ist das überhaupt mit dem Problem der Verantwortlichkeit? Das ist ja leicht dahergesagt, solange man nicht wahrhaben will, was das bedeutet! Verantwortlichkeit bedeutet nämlich auch:

1. Ich komme für die Folgen meiner Handlungen auf, also ich sorge auch für die Ergebnisse meiner "sexuellen Handlungen". Praktisch sind natürlich Verhütungsmittel, um sich aus dieser Verantwortlichkeit davonzustehlen. Wir sollten bedenken, daß die Natur nicht umsonst den Spaß bei der Sexualität mit der Fruchtbarkeit gekoppelt hat, daß also die Möglichkeit besteht, Kinder zu bekommen. Wenn diese Möglichkeit, Kinder zu bekommen, von Leuten, die in einer glücklichen Familie leben und da schon genügend Kinder haben, die sie angemessen versorgen können, ausgeschlossen wird, mag das angehen. Doch wenn junge Leute diese Möglichkeit ausschließen, um den Geschlechtsverkehr zur Partnerwahl einzusetzen oder noch nicht einmal das, ist das gewiß ein Verstoß gegen die Natur! Das hat die Natur gewiß sich so nicht gedacht! Und wie soll etwas autonom sein, was nicht der Natur entspricht?

2. Ich komme für meine psychischen Probleme auf, die sich aus meinen Handlungen ergeben. Ich jammere also weder meiner Mutter die Ohren voll über die Schlechtigkeit der Männer, auch nicht Gott oder dem Priester, weil ich in solche Probleme gerutscht bin, aus denen ich keinen Ausweg mehr sehe, und auch nicht einem Psychiater.

3. Ich brauche nie ein Sozialamt, nie ein Gericht, nie ein Frauenhaus usw., die mich unterstützen, weil mich etwa mein Partner mit meinen (und seinen) Kindern hat sitzen lassen, weil ich mich vertan habe. "Kann doch mal passieren" - gibt´s nicht! Wer immer genau hinguckt, dem passiert so etwas einfach nicht! (Insofern gehören auch Politik und Glaube zusammen, wirklich autonome Menschen sind sozusagen die Bedingung für eine wirklich funktionierende Demokratie.)

 

Und so decken sich im Grunde die Moral, die unser Glaube lehrt (nach dem wirklichen JESUS), und die Moral, die der Natur entspricht und eine wirklich autonome Moral!

Wenn manche das anders sehen, ist das deren Sache, doch wirklicher christlicher Glaube lehrt nichts, was nicht auch vernünftig ist!

Natürlich gehört eine geeignete Erziehung dazu, daß man solche autonome Moral auch begreifen und leben kann. Geht nicht? Dann schauen Sie einmal in die Stichworte Kindererziehung und Erstkommunion! Das Problem der autonomen Moral ist also vor allem das Problem der Pädagogen - da wollen viele einfach ganz offensichtlich nicht! Die Frage stellt sich, warum haben sie mit einer derartigen autonomen (Sexual-)Moral ihre Probleme haben. Ja, warum wird die nicht gelehrt? Wir können im Grunde nur herumrätseln. Folgende Gründe bieten sich an:

1. Stellen wir uns einmal vor, daß ein Mann, der selbst nicht ganz ohne Probleme mit der Moral ist, jungen hübschen Mädchen eine autonome Moral beibringen soll. Dann verdirbt er sich ja selbst jede Chance... Da bringt er denen lieber die Moral im Sinn von Sittsamkeit bei, für die "Schweinereien", an denen einem wirklich gelegen ist, ist solche Moral ohnehin wirkungslos und es sieht noch moralisch aus.

2. Pädagogen sind selbst so voller Ängste gegenüber allem, was mit Sexualität zu tun hat, daß sie im Grunde ahnungslos sind, wie etwas wirklich läuft. 

3. Da sind eigene Leichen im Keller. Wer hat schon die Größe, über den eigenen Schatten zu springen?

4. Es ist vielleicht dasselbe Problem wie bei der Abschaffung der Beschneidung vor allem der Mädchen. Wie soll man sich da schon für andere einmischen? Da kriegt man doch nur Ärger, weil man sowieso mißverstanden wird!

5.  Vermutlich kann nur jemand anderen eine autonome Moral beibringen, der auch unmittelbares Interesse hat, die Früchte dieser Moral selbst zu erleben. Maßstab mag die Gandhi-Methode sein, doch weil solches Ansinnen sowieso mißverstanden wird, läßt man es lieber bleiben.

6. Der Mist, den man glaubt und praktiziert, ist inzwischen längst zum Sinn des Lebens für einen geworden, wie soll man davon wegkommen?

Bedenken wir: Menschen ohne eigene autonome Moral sollen anderen eine solche beibringen? Unmöglich! Ein fataler Teufelskreis!

Siehe auch das Problem "ich-gesteuertes" und "über-ich-gesteuertes" Gewissen: Ein über-ich-gesteuertes Gewissen läuft eher auf eine Sklavenmoral hinaus, ein ich-gesteuertes Gewissen auf eine autonome Moral. Bedenken Sie bitte die vielen Ansätze, um das Problem "wirkliche Moral" und "Scheinmoral" in den Griff zu kriegen: Alle sind gut, doch sie kreisen weitgehend wie die Katze um den heißen Brei, nämlich wie Moralapostel, die doch nicht so recht wollen, um ihre eigenen Probleme mit der Sexualmoral.

Insofern gehören auch Politik und Glaube zusammen, ein autonomer funktionierender Glaube ist sozusagen die Bedingung für eine funktionierende lebendige Demokratie.

 

Zielgruppe: Zicken

Die WELT zitiert am 16.06.2003 über die Probleme der "weibliche-Jugend-Zeitschrift" "Brigitte Young Miss" Frau Tsainis, die neue Chefredakteurin der Zeitschrift: "Die Ambivalenz zwischen sich schon ganz erwachsen fühlen und im nächsten Moment  wieder klein und unerfahren, ist in der jungen Frauengeneration besonders häufig vertreten. Und wer auf dieses Ambivalenzgefühl nicht  Rücksicht nimmt, ist nicht bei den Leserinnen, sondern schreibt nur über sie" (kompletter Artikel unter http://www.welt.de/data/2003/06/16/118908.html). Was heißt das anders, als daß die jungen Frauen meinen, sie seien erwachsen und daß sie alles das tun, was erwachsene so tun, doch daß sie letztlich gar nicht klar damit kommen...

 

Anmerkung!

Der Begriff und die Ideologie zur "autonomen Moral" stammen wohl von Jean Piaget (1896 - 1980), allerdings kommen weder er noch Lawrence Kohlberg, der hier im Zusammenhang mit Gewissen zitiert wurde, auf die Idee, daß man das Gewissen von Kindern bilden könnte wie hier unter dem Stichwort Kindererziehung beschrieben wurde und daß Kinder dabei auch sehr gerne und lebhaft mitmachen. Und wenn erst einmal das Gewissen von Kindern wirklich gebildet wird, dann dürfte auch alles ganz anders aussehen! (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)