KOMPROMISSE (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

KOMPROMISS.  KOMPROMISSE sind Abstriche von den Idealvorstellungen, die wir von einer bestimmten Angelegenheit haben. Oft kommen wir mit solchen Abstrichen gut zurecht, doch bisweilen reuen sie uns später einmal sehr. Denn vor allem bei den wichtigsten Fragen unseres Lebens, etwa bei der Partnerwahl zahlen sich Kompromisse in den seltensten Fällen aus, sind sie nicht nur zu oft die Vorprogrammierung späterer Katastrophen, so unproblematisch sie zunächst auch aussehen mögen? Einem Kompromiß in wichtigen Dingen folgen nämlich automatisch weitere, und wenn wir die ganzen Kompromisse irgendwann leid sind, ist die Gefahr da, daß wir dann gleich alles hinwerfen etwa mit den Worten: "Dir zuliebe habe ich meine ganze Jugend geopfert, ich habe immer nur gemacht, was du wolltest, ich war immer nur für dich da, jetzt will ich endlich ich selbst werden und da ist mir die Beziehung mit dir nur im Wege!"

Am problematischsten sind Kompromisse, wenn es um die Dinge des Manselbstseins oder auch des eigenen Sinns des Lebens geht:

Man ist so von einem anderen hingerissen, daß man sich sozusagen selbst aufgibt. Das zeigt sich etwa darin, wenn man bestimmte Liebhabereien oder Angewohnheiten, die schon Teil der Seele geworden sind, einem anderen zuliebe unterordnet oder gar nicht mehr wahrnimmt. Typisches Beispiel hierfür können unterschiedliche Musikinteressen sein.

Der biologische Hintergrund dafür ist vermutlich, daß gerade durch die lange und intensive Beschäftigung mit bestimmter Musik die Produktion von Hormonen angeregt wird -  und daß wohl immer der Wunsch besteht, daß diese Hormone sich im nahen Umgang mit einem geliebten andersgeschlechtlichen Menschen sich mit den bei solchem Umgang entstehenden sonstigen Hormonen sozusagen aufschaukeln. Bei Kompromissen ist solches Aufschaukeln dagegen nicht möglich - und das dürfte sich auf Dauer sehr nachteilig für eine harmonische Partnerbeziehung auswirken: In einem solchen Fall läuft man sozusagen immer "vor eine Wand".

Die Kompromisse bei der Partnerwahl haben mehrere Ursachen

  1. Verliebtheit. Man ist restlos in einen Menschen verliebt, so daß man ihn nur noch sieht, wie man ihn sehen will und nicht wie er wirklich ist (siehe Projektion und rosarote Brille). Im Rausch einer Verliebtheit, in dem man natürlich meint, es sei die große ewige Liebe, sonst wäre es ja kein Rausch, glaubt man, alle Kompromisse dem anderen zuliebe eingehen und ertragen zu können, ja man nimmt diese Kompromisse sogar gern auf sich - nur um den geliebten Partner nicht zu verlieren.

  2. Torschlußpanik. Man bildet sich ein, daß man endlich einen Geschlechts- oder einen Lebenspartner braucht, weil man meint, sonst als Mauerblümchen oder als verklemmt oder als impotent zu gelten oder keinen mehr mit zu bekommen (siehe Verklemmtheit und Impotenz).

  3. Einsamkeit oder Sexualdruck. Man kommt allein nicht mit sich klar und braucht jemanden, der für einen da ist und für den man dann halt auch sein kann.

  4. Gruppenzwang oder Statussymbol. Alle wundern sich schon längst, weil man immer noch allein ist - also nimmt man den Partner, der von allen, die sich anbieten, noch der beste ist.

  5. Versorgung. Von der Frau aus gesehen, bedeutet das, daß sie keine Lust mehr hat, sich in der Arbeitswelt herumzuschlagen, und jemanden sucht, für den sie statt dessen notfalls sogar lieber Dienstmagd und Dirne sein kann. Und ein Mann in vergleichbarer Situation möchte endlich jemanden haben, wo er einigermaßen fest hingehört, weil es etwa wegen seines Alters oder seiner Arbeitsbelastung immer schwieriger für ihn wird, laufend neue Bekanntschaften zu finden, die für das alles da sind, wofür man eine Frau so braucht.

  6. Günstige Partie. Da bringt jemand genau das Geld oder sonstiges Besitztum mit, das man sich schon immer gesucht hat.

  7. Jugend, Schönheit, Attraktivität. Es gefällt jemand vom Äusseren so sehr, daß alles andere gleichgültig ist.

  8. Wunsch nach Kindern und Familie. Man möchte endlich Kinder und Familie haben, und das geht am unkompliziertesten mit einem festen Partner.

  9. Zufallsbekanntschaft mit Folgen. Man hat mit einer Zufallsbekanntschaft Geschlechtsverkehr gehabt und es ist zu einer Schwangerschaft gekommen. Vielleicht wurde die Beziehung sogar vom anderen bewußt eingefädelt, was man aber nicht so genau wahrhaben will (siehe Reinfallen). Abtreiben möchte man nicht und die Alimente gehen ins Geld. Da ohnehin in der Dunkelheit alle Menschen des anderen Geschlechts (fast) gleich aussehen und sich irgendwie auch gleich anfühlen, bleibt man zusammen.

  10. Notnagel. Es fand sich kein anderer oder die besseren sind wieder alle weggelaufen.

  11. Sklavenmoral. Nimm, was du kriegen kannst, Hauptsache du hast jemanden und so schnell wie möglich. Was morgen daraus wird, darüber denkt man lieber gar nicht erst nach.

  12. Blindheit. Man selbst ist für den anderen ein Kompromiß. So wie andere zu schade sein sollten für eigene Kompromisse, so sollte man sich selbst auch zu schade sein für die Kompromisse anderer.

Kompromisse sind am ehesten in den Dingen zu akzeptieren, zu denen jemand nichts kann, weil es sich um etwas Angeborenes handelt (wenn also jemand schwarze Haare hat und man wollte eigentlich lieber blonde). Dagegen sollte man bei allem, was Einstellungssache ist und was man selbst sogar als Zeichen von Schuld oder Dummheit empfindet, vorsichtig sein. Wenn nach eigener Auffassung der andere kein rechtes Realitätsbewußtsein hat und aus Illusionen heraus lebt und handelt, fehlt im Grunde jede vernünftige Basis für eine Partnerschaft.

Wenn jemand nur ein "Kompromiß" für uns ist, so bedeutet das, daß wir ihm ganz großes Unrecht zufügen!

Natürlich sollte alle diese Ansprüche nur der an andere stellen, der sie auch selbst erfüllt. Die Frage ist jetzt nur, ob wir überhaupt noch jemanden finden, wenn wir alles so genau überlegen. Stehen wir mit unserer Prinzipienreiterei nicht auf die Dauer allein da? Derartige Rationalisierungen verbieten sich im Grunde von selbst, wenn wir uns bewußt machen, daß wir einem jeden Menschen, den wir an uns binden, obwohl er nur ein Kompromiß für uns ist, ein ganz großes Unrecht zufügen. Und solches Unrecht rächt sich immer! Haben wir daher etwas mehr Geduld, vor allem mit vollendeten Tatsachen! Ergreifen wir die Initiative, andere Menschen kennenzulernen, wir werden sehen, je älter wir werden, auf umso mehr interessante Menschen stoßen wir, also Menschen, die für uns eher passen! Und ganz sicher ergibt sich dann auch einmal eine phantastische Verbindung - und wir schätzen uns dann glücklich, daß wir früher einmal keine Kompromisse gemacht hatten!

Eine Folge der Kompromisse, die Menschen meinen, bei der Partnerwahl machen zu müssen, sind die so genannten  Ehen auf Probe. Bei solchen Gemeinschaften mit vollendeten Tatsachen spürt jeder im Grunde so viele Kompromisse, daß er sich zu einer Entscheidung für die Ehe nicht traut, also wird vorläufig probiert, ob man sich nicht vielleicht aneinander gewöhnen kann. Doch passiert es dann leider dabei nur zu oft, daß solch eine Absicht des Sichgewöhnenwollens von einem Partner von Anfang an nur vorgetäuscht wird, um einmal wieder eine Zeitlang mit jemandem zusammen zu leben, weil man gerade keinen anderen (besseren) gefunden hat.

Eine Enttäuschung kann also mit Kompromissen durchaus vorprogrammiert sein.

Da wäre eine klare Haltung lieber allein zu bleiben, als faule Kompromisse einzugehen doch besser gewesen! Der Vorteil des Wartenkönnens ist einfach der, daß es einem dabei immer gleichgültiger wird, was andere über einen denken. Daher wird man somit viel mehr man selbst und damit auch noch mehr eine Persönlichkeit und hat dadurch schließlich wieder günstigere Chancen bei der Partnersuche. Ohne faule Kompromisse im eigenen Leben hat man stets das Bewußtsein, von vorne anfangen zu können - und das gibt Freiheit und Selbstbewußtsein. Siehe auch halbe Sachen.

Natürlich müssen wir früh im Leben auf das Problem der Kompromisse hingewiesen werden, damit wir auch die entsprechende Geduld aufbringen, ihnen aus dem Wege zu gehen. Unter dem Stichwort Kairos ist auf einen Beitrag in der WELT vom 3. August 2003 unter http://www.welt.de/data/2003/09/03/163099.html hingewiesen, in dem es um eine Untersuchung auch über die Nachteile von Kompromissen geht.

(Sicher gibt es zahlreiche Partnerschaften mit Kompromissen, die wenigstens dem Anschein nach in der Realität oft gar nicht so schlecht dastehen. Doch ist nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung das Risiko des Zerbrechens dieser Beziehung und einer Enttäuschung zu groß. Auch von daher empfiehlt sich Geduld, bis ein Partner gefunden ist, bei dem es gerade diese Kompromisse nicht gibt.)

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)