ETIKETTENSCHWINDEL (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

An ETIKETTENSCHWINDEL (auch Eupphemismus) denken wir, wenn hinter einem Begriff, einer Idee, einer Ideologie oder einer Religion etwas anderes steckt, als was der Name verheißt. (Auf dem Etikett steht etwas anderes, als was wirklich in der Flasche drin ist!) Dabei geht es um Täuschungen, die zumeist noch nicht einmal denjenigen auffallen, die daran beteiligt ist, weil sie gesellschaftlich durch lange Traditionen akzeptiert sind (siehe Kultur). Von daher unterscheidet sich der Etikettenschwindel auch von kleinlicher Heuchelei.

Nicht jeder, der den Ausweis einer sozialistischen Partei hat, ist auch sozialistisch oder kommunistisch, und nicht jeder, der Weihnachten in die Kirche geht und an das Kind von Bethlehem glaubt und fromme Lieder singt und seine Kirchensteuer zahlt, ist auch christlich.

Einzelne Menschen praktizieren genau diesen Etikettenschwindel, wenn sie etwa Liebe vorgeben und auch noch selbst daran glauben, obwohl sie schon längst nur an sich selbst denken und ihre Gefühle längst Routine geworden sind. Etikettenschwindel ist auch, wenn Gemeinschaften sich in ihrer Selbstdarstellung ein besonders menschliches und gemeinnütziges Etikett geben, es in Wirklichkeit aber längst um Macht und Geschäft geht. Traurige Erfahrung ist, daß eine sozialistische oder gar kommunistische Partei keinesfalls sozial oder eben gemeinschaftlich (communio = lat. Gemeinschaft) zu sein braucht und daß auch eine christliche Partei oder gar Kirche keinesfalls wirklich christlich im Sinn ihres Stifters Jesus sein muß. Doch man behauptet eben immer noch, "sozialistisch" oder "christlich" zu sein, und man ist auch noch voll davon überzeugt, daß man es ist - immerhin hat man ja einen Parteiausweis und singt Arbeiterkampfliede aus vollem Herzen - oder feiert Weihnachten und hat auch vor, sich christlich begraben zu lassen. Auch was sich bisweilen Erziehung (zum Wohle der Menschen) nennt, hat sich nur zu oft schon längst in eine Manipulation (gegen das Wohl des Menschen) gewandelt.

Das Fatale ist, daß sich Etikettenschwindler oft auf die guten Ansätze und Absichten der Urheber ihrer Ideen berufen, und so prüft kaum jemand je nach, ob die spätere Praxis noch in Übereinstimmung damit steht.

Zur Überprüfung einer Idee sollte sich jeder einzelne Mensch selbst etwa fragen:

  1. Verbessert eine angeblich erlösende Idee tatsächlich unser Leben oder handelt es sich nur um ungewisse Absichtserklärungen und es wird im Grunde gar nichts besser?

  2. Geht es bei Werten und Idealen wirklich um das, was ich darunter verstehe, oder meint der andere damit etwas anderes, oft sogar Entgegengesetztes (zum Beispiel Liebe - Verliebtheit, Glaube - Aberglauben)?

  3. Wird ein schöner Köder aufgebaut und wenn ich dann angebissen habe, zeigt sich die Kehrseite?

  4. Welche Erfahrungen anderer Menschen oder auch in den Werken unserer Kulturproduktion gibt es mit dem Etikettenschwindel etwa beim Geschlechterkampf oder bei der Entwicklung von Religionen? Was gewährleistet mir, daß sich dieses Mal nicht alles wiederholt?

Typische Kennzeichen für Etikettenschwindel gerade im Zusammenhang mit unserem christlichen Glauben und mit der Liebe sind etwa:

  1. Vertröstung auf nicht Nachprüfbares.

  2. Es wird mit Tabus, Ängsten, Geheimwissen (Wunder, Schöpfung) gearbeitet.

  3. Eine große Schau (Feste und Gedenktage) wird inszeniert.

  4. Überrumplungen der Gefühle mit Ausklammerung des Verstandes sollen Glauben oder vollendete Tatsachen schaffen.

Viel gewonnen ist schon, wenn wir uns wenigstens Gedanken machen, ob wir auch wirklich das erhalten, was uns auch versprochen wird.

Wie unter dem Etikett des "neutralen Wissens" vom Wesentlichen abgelenkt wird, siehe unter Wikipedia.

Ein ganz schöner Etikettenschwindel scheint mir auch zu sein, wenn die Moslems (siehe Islam) behaupten, monotheistisch zu sein, also an einen einzigen Gott zu glauben (siehe Monotheismus).

Behaupten kann solch einen Gottesglauben schließlich jeder, ich habe selbst von Hindus gehört, also von offensichtlichen Polytheisten, daß sie an einen Gott einzigen glaubten, man könne allerdings diesem einen Gott nicht vorschreiben, in welcher Weise er sich offenbart. Ja, woran erkennt man denn wirklichen Monotheismus? Unter dem entsprechenden Stichwort wurde auf den Zusammenhang Monotheismus-Monogamie hingewiesen und dass von wirklicher Monogamie nur dann die Rede sein könne, wenn sie freiwillig und gern gelebt sei. Mit dem gern gelebt, das sei dahingestellt, doch wirklich freiwillig ist sie bei den Moslems nur selten! Und dann müssen wir bedenken, daß der Monotheismus eine Religion gegen die zur Zeit seiner Entstehung existierenden ausbeuterischen und verdummenden Götterreligionen war, also eine Art lebendige Religionskritik. Na ja, von dieser revolutionären religionskritischen Kraft (also auch sich selbst in Frage zu stellen)  ist beim Islam nicht mehr viel zu spüren, wenn man einmal vom Kampf gegen die Ungläubigen absieht... (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)