Die Erzählung vom TURMBAU
ZU
BABEL (oder auch Turm
zu Babel) im ersten Buch der Bibel
("Genesis"), wie es zu den unterschiedlichen
Sprachen kommt, ist nach dem religionsgeschichtlichen
Ansatz genau wie die Erzählung von Adam
und Eva, von
Kain und Abel und von der Sintflut eine
Geschichte gegen den Sittenverfall,
den die in der Wüste als Nomaden lebenden Israeliten (oder eben den aus
Ägypten entlassenen Sklaven, die sich die Ordnung der Zehn Gebote gegeben hatten) bei den
sesshaften Völkern in Babylon (oder eben Babel) sahen. Und - wie das
bisweilen bei frommen Leuten auch heute noch der Fall ist - deuteten
sie irgendwelche Probleme, die bei den Glaubensgegnern auftauchten,
eben theologisch, also als Verurteilung und Strafe Gottes.
Hier
also:
Hintergrund und Entstehung oder
die Deutung / Bedeutung / Interpretation oder die Historizität /
Geschichtlichkeit
der Turmbau von Babel / Babylon-Geschichte oder Erzählung, der Mythos /
die Mythen der Turmbau
von Babel-Erzählung.
Die Sintflut historisch? Gab es sie wirklich? Die Turmbau von Babel - Geschichte im kirchlichen
/
katholischen / evangelischen / schulischen Religionsunterricht.
Im
alten Babylon (= "Babel") gab es den Ritus der "heiligen Hochzeit", die
"rituelle Vereinigung" des Priesterkönigs mit der Oberpriesterin - und
die fand in einem Tempel auf der Spitze eines "Turms" statt.
Doch nicht nur das, es soll wohl das ganze Jahr über so etwas gelaufen sein: "Wieder
führt die Spur nach Babylon und zu dessen 91 Meter hohen Stufenturm -
einem der Weltwunder des Altertums. Auf dessen Spitze befand sich ein
Schrein mit einem Bett, berichten die Quellen. Nachts schlief dort eine
Auserwählte, stets bereit zur "heiligen Hochzeit" - dem symbolischen
Geschlechtsakt mit dem Gott Marduk" ("Spiegel" vom 22. 03. 2010 - Artikel über Tempelprostitution).
Der
geschichtliche Hintergrund: Die assyrischen oder babylonischen
Städte im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris (oder
Mesopotamien, etwa dem heutigen Irak) waren Stadtstaaten, an deren
Spitze ein Priesterkönig stand. Zu den Aufgaben dieses
Priesterkönigs gehörte die Verbindung mit der Gottheit, eben
der Gottesdienst. Eine ganz besondere Verbindungsaufnahme fand nun
einmal im Jahr statt, wenn der Priesterkönig in dem Tempel zu
Ehren des Hauptgottes Marduk auf der Spitze des Zikkurats, einem aus
Ziegeln gemauertem Turm, den es in jedem dieser Stadtstaaten gab (also
auch in Babylon - und das war eben der "Turm von Babel"), mit der
Oberpriesterin die "Heilige Hochzeit" zum Segen und zur Fruchtbarkeit für Volk und Land vollzog.
(Diese Türme waren sozusagen Ersatz für die Berge, auf denen
üblicherweise die Götter wohnten. Man vermutet, dass zumindest die
Oberschicht einmal in gebirgigen Gegenden gelebt hatte und von daher
auf diese "Berg-Ersatz-Türme" gekommen war in dem Schwemmland, in dem
es keine natürlichen Berge mehr gab und in das sie ausgewandert waren.)
Der
Hergang des sumerischen Hochzeitsrituals ist uns in vielen Einzelheiten
bekannt. Im obersten Gemach der Zikkurat oder im Königspalast wird am
Abend das Brautgemach der Hohenpriesterin feierlich bereitet, und der
Chor der Priesterinnen zitiert Kultlieder, deren sexuelle Anspielungen
äußerst direkt sind und deren symbolische Bilder zum Teil dem
bäuerlichen Leben entstammen. Hier die Wechselrede zwischen
Oberpriesterin und König, wobei die Ichform der Oberpriesterin
stellvertretend für die Göttin steht.
Priesterin:
Für den Wildstier, für den Herrn habe ich mich gebadet,
Für den Herrn habe ich mich
gebadet .
Wenn ich meine Lenden in seine
zärtlichen Arme gebettet
Wenn er zum reinen Bette der
Göttin kommt
Und er mir mit Milch und Sahne
den Schoß glättet. . .
Wer wird mich, die Jungfrau pflügen
Meine Vulva und ihren
wasserreichen Grund
Mich, die Königin, wer wird
seinen stoßenden
Stier hier festmachen?
König:
Königliche Herrin, der König selbst
wird den Pflug über dich führen
Der König selbst wird dir die
Vulva pflügen.
Priesterin:
Pflüge meine Vulva, Mann meines Herzens!
Gleichzeitig
stimmt
die versammelte Kultgemeinde den Abendchoral an:
Hinunter ist der Sonne Schein
Die du zu Bett mit ihm gegangen
bist
und zu ihm aufschaust
Wenn du den Herrn jetzt
zärtlich kost
Gib Leben dem Herrn
Erwecke dem Herrn Stecken und
Stab!
Zweimal ist in diesen
Beispielen vom »Wildstier« die Rede, was zweifellos die Stiergestalt
des alten Wetter- und Mondgottes anklingen lässt, und insofern ist
dieser Kulttext wahrscheinlich älter als der Damuzi-Mythos vom
göttlichen Gärtner und Hirten, der einer sesshaften Ackerbaukultur
entspricht. (Das Ritual ist ein Zitat aus: Carola
Meier-Seethaler
"Ursprünge und Befreiungen - Die sexistischen Wurzeln
der Kultur", online im Internet.)
In den Augen der sittenstrengen Nomaden, den
Vorfahren unserer Israeliten, die in der Wüste lebten und bei ihrem
kargen Leben auf funktionierende Partnerschaften
zwischen Mann und Frau angewiesen waren (und dabei wohl eine ganz
spezielle Variante der Liebe, nämlich die der
Einheit von Leib und Seele, "erfanden")
oder auch der sittenstrengen freigelassenen ägyptischen Sklaven (siehe
unter Zehn Gebote), war dieser
Geschlechtsverkehr zwischen zwei Menschen, die keinerlei
Partnerschaft miteinander verband, Dekadenz,
Sittenverfall, Sünde, ja Götzendienst
schlechthin.
Und schließlich war das Verhalten der Leute
an der Spitze des Staates ja ansteckend für andere und so machten das
in gewisser Weise auch die normalen Leute nach, auch dafür gab es
entsprechende Kulte (siehe
Tempelprostitution), doch auch ordinäre
Prostitution.
Und daher die Verurteilung aus der Sicht der
nomadischen Wüstenbewohner, die ja dann zur Sicht der Bibel wurde. Konkret geht es vermutlich um den
gewaltigen Tempelturm (der deutsche Archäologe Robert Koldeway fand
1909 das rund 91,50 Seitenmeter messende Fundament) zu Ehren des
Hauptgottes Marduk, der im 12. Jh. v. Chr. begonnen, jedoch erst im
6. Jh. v. Chr. vollendet wurde. Vielleicht lag dem Verfasser der
biblischen Geschichte ein Spottlied auf den zunächst gescheiterten
Bauplan vor. Und das wurde dann zum Anlass genommen, das
Sprachenwirrwarr der Menschen zu deuten.
Ähnliche
Kulte
wie die der "Heiligen Hochzeit" des Priesterkönigs finden wir
noch bei manchen Kulturen bis in die jüngste Zeit.
Ob der Tenno, also der japanische Kaiser, auch heute noch
mit seiner Oberpriesterin einen solchen Ritus direkt oder auch nur
symbolisch vollzieht, ist ein Geheimnis, und so wissen wir es nicht
(siehe Shintoismus). Doch bekannt ist, dass
viele Kaiser von China 365 "Frauen" hatten, mit denen sie den "Ritus"
praktizierten (bis 1911 - siehe unter Tempelprostitution).
In
jedem Fall, von Partnerschaft, von
Freiheit, von Emanzipation keine
Spur, und die Frauen waren noch nicht einmal Lustobjekt (da hätten sich
ja noch Spaß dran haben können) sondern nur Ritualobjekt! Vermutlich
waren den Frauen zu allem ja auch noch die Füße verkrüppelt worden, wie
das in China so üblich war...
Ist es denn wirklich so ein Problem, das Kindern
angemessen beizubringen?
Wenn die Kinder erst einmal nach dem Konzept der
Kindererziehung dieser Website einen Einstieg in die ganze Thematik
mitbekommen haben, dürfte es doch keine Schwierigkeiten mehr bereiten,
auch bei der Erzählung der Geschichte vom Turmbau zu Babel sachlich zu
bleiben? Schließlich wissen Kinder von heute ja, was
Geschlechtsverkehr ist, und es ist daher nun wirklich angebracht,
ihnen die Ambivalenz dieser Handlung zu
erklären mit den Beispielen von Gebrauch und
Mussbrauch, auf der einen Seite also der Geschlechtsverkehr im
Rahmen von Liebe und Partnerschaft und auf der anderen Seite
im Rahmen von "Fruchtbarkeitsriten", also
von kultischer Prostitution, wo gerade die
Frau lediglich als Sache gesehen wird. Oder wollen wir diese Ambivalenz
gar nicht erklären, stehen wir gar nicht dahinter, ihnen die Vorzüge
der wirklichen
Liebe, so wie die Bibel sie sieht, zu
erklären?
(Wörterbuch
von basisreligion und basisdrama)
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