FIRMUNG (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

CONFIRMATIO

FIRMUNG - KONFIRMATION - BAR MIZWA (für Jungen) - BAT MIZWA (für Mädchen)

Dieses Stichwort wurde im Mai 2021 neu bearbietet - unter Einbeziehung von Erfahrungen in den fünf Jahren davor.

Es wird sicher manche "Rechtgläubige" in ihrer jeweiligen Religion bzw. Konfession stören, wenn ich diese Riten in der christlichen und in der jüdischen Religion unter dem Oberbegriff "Confirmatio" zusammen fasse. Doch ich denke, dass die vier Riten alle dieselbe Basis haben, nämlich die Idee der Monogamie, die neben der Abschaffung der Menschenopfer das Anliegen für die Entstehung der jüdischen Religion ist - siehe etwa die Adam-und-Eva-Erzählung. Und es reicht wohl nicht aus, dass die Idee der Monogamie da ist, es kommt auch darauf an, dass sie freiwillig und gern gelebt wird - und dafür braucht es eine geeignete Pädagogik junger Menschen. Und die dürfte in den Religionen bzw. Konfessionen, in denen es um diese Monogamie eht, so unterschiedlich nicht sein. Daher ist es wohl legitim, die Riten der unterschiedlichen Religionen bzw. Konfessionen zusammen zu sehen.

Das Problem ist nun dasselbe wie bei jeder guten Idee, nämlich die Degeneration einer an und für sich guten Idee beginnend in der jüdischen Religion, das heißt, die äußerlichen Riten bleiben noch dieselben, doch der Inhalt verändert sich völlig, oft sogar ins direkte Gegenteil von dem, um was es einmal ging.

So ging es höchstwahrscheinlich bei der Firmung und bei der Mar Mizwa darum, wie das Menschsein des Menschen gelingen kann und dafür wurden die besten Chancen in der jeweiligen Religion gesehen, weil die sich besonders oder auch nur darum kümmerte. Doch herausgekommen ist recht bald, dass die "jeweilige Religion" auch sonst die beste ist - und der Ritus nur noch dazu dient, die jungen Menschen auf diese jeweilige Religion einzuschwören - gleichgültig wie sie sich um das Gelingen ihres Menschseins kümmert. Die Konfirmation der Evangelischen und die Bat Mizwa für die Mädchen der Juden kamen dann später hinzu - und bei diesen beiden Riten ging es von Anfang an nicht um das Gelingen des Menschseins, sondern um die Einschwörung des jungen Menschen auf eine bestimmte Religion oder Konfession. Dass hier etwas falsch läuft, weil Gott vor den Karren einer bestimmten Religion gespannt wrd, ist m.E. offensichtlich - denn es ist nicht vorstellbar, dass Gott jüdisch oder katholisch oder sonst was ist.

Unsere Aufgabe nun ist, wieder zum ursprünglichen Sinn der confirmatio zurück zu kehren - und den für unsere heutige Zeit aufzuarbeiten und attraktiv zu machen.

Der uralte Segenstext gibt Hinweise auf den ursprünglichen Sinn der Firmung.

Ich möchte mich hier auf die Entstehung der christlichen confirmatio beschränken, denn die lässt sich wenigstens einigermaßen nachvollziehen. Nach frühkirchlicher Auffassung geht es also keinesfalls um den problematischen Ansatz beim Glauben, sondern bei der Lebensführung, also bei der Moral - und zwar bei der im Sinn von echter Sittlichkeit "im Dienst der Monogamie". Jedenfalls lässt der Segenstext darauf schließen, dass junge Menschen Strategien erwerben mögen, die Einheit von Leib und Seele in diesem Leben hier und jetzt zu verwirklichen. Besonders die sieben Gaben des heiligen Geistes, die den Gefirmten zugesagt werden, weisen auf ein Kampfkonzept für junge Menschen hin, damit sie „fit“ werden und geschickt und selbstbewusst ihre Einheit von Leib und Seele und keinesfalls irgendwelche religiösen Phantome anstreben können und eben keine „Opfer“ mehr von irgendeinem Missbrauch werden. Im einzelnen geht es dabei um folgende Eigenschaften und Fähigkeiten:

  1. gute Menschenkenntnis (Gabe es Wissens),

  2. gute Beurteilung seiner Situation (Gabe der Urteilsfähigkeit),

  3. einen geeigneten Entschluss (Gabe des Rates, also das Konzept einer Strategie und einer konkreten Reihenfolge) und

  4. konsequente Durchführung dieses Entschlusses in der Wirklichkeit des Lebens (Gabe der Stärke oder des Mutes).

Die drei restlichen Gaben - in der offiziellen Lesart Frömmigkeit, Demut und Furcht des Herrn - sind der Wunsch der Gnade Gottes bei alledem, die nun einmal unbedingt nötig ist.
Etwas ausführlicher habe ich diese Gaben im Text Jesusideologie beschrieben.

Voraussetzung für einen vernünftigen "Empfang" dieses "Sakraments" (ich nenne es einmal so) ist also ein wenigstens einigermaßen zutreffendes Realitätsbewusstsein über alles das, was mit der Einheit von Leib und Seele zusammenhängt, das natürlich nur mit entsprechenden wirklichkeitsnahen konkreten Informationen zu erreichen ist.

Und so wie die Gefirmten selbst auf die Verantwortlichkeit anderer ihnen gegenüber angewiesen sind, sollten sie unbedingt an ihre eigene Verantwortlichkeit für andere denken. Die Firmung ist nämlich auch ein "Sakrament der Öffentlichkeit". Wer auf die Erfahrung wirklicher Liebe im eigenen Leben hofft, muss bedenken, dass diejenigen, die ebensolche Vorstellungen von wirklicher Liebe haben und auf die man bei der eigenen Suche nun einmal angewiesen ist, auch schließlich irgendwo herkommen müssen. Kein Mädchen hat etwas davon, eine einsame Jungfrau zu bleiben mit noch so hohen Idealen. Und darf nicht nur derjenige erwarten, der sich darum bemüht, dass Vorstellungen von höheren Idealen bei seinen Mitmenschen wachsen, der also Diener wirklicher Liebe ganz allgemein ist, dass er sie in der Wirklichkeit einmal auch selbst erfährt? Und wenn es ihm nicht gelingt, seine Ideale durchzusetzen, wird ihm da auf die Dauer nichts anderes übrig bleiben, als sich mit dem zufrieden zu geben, was so üblich ist, also vielleicht sogar "mit den Wölfen zu heulen"? Dafür ist also ein solches Sakrament sogar sehr sinnvoll!

Warum also sollten wir nicht den jungen Menschen ein sinnvolles Konzept von Liebe und Partnerschaft vermitteln, das ihnen Spaß macht und Selbstbewusstsein gibt, dass sie sich dafür in  ihrer schulischen Sexualkunde einsetzen? Und dass Moral Spaß machen und Selbstbewusstsein bringen kann, allerdings ist es Kennzeichen typischer Moralapostel, dass sie sich das nun wirklich nicht vorstellen können!

Vermutlich haben zudem junge Menschen eine größere Überzeugungskraft als Erwachsene vor allem, wenn sie mit ihrem ganzen Lebenskonzept dahinter stehen (siehe Female Choice). Auch kann das alles nur im Rahmen eines (positiven) Gruppeneffekts  funktionieren (siehe auch Religionsunterricht).

Wir können also durchaus sagen, dass gerade Taufe und auch Firmung Sakramente für eine echte sexuelle Selbstbestimmung sind, also auch gegen den sexuellen Missbrauch bzw. gegen den Missbrauch der Sexualität in der Weise, dass der Täuflng oder auch der Firmling sozusagen fit gemacht wird, hier das Richtig in seinem Eigeninteresse zu tun.

Und jetzt die Praxis!

Ja was wäre, wenn eine Gemeinde dem firmenden Bischof ein Firmkonzept vorstellen könnte, bei dem mal alles anders als in dem berühmten Kalauer ist, in dem es darum geht, wie sich ein katholischer und ein evangelischer Pfarrer unterhalten, wie sie die Tauben, die sich in ihre Kirche verirrt haben und in ihr herumfliegen, rauskriegen. Da erzählte also der katholische Pfarrer, dass sie alle Fenster aufmachen und dann kräftig die Orgel spielen und die Kirche voll mit Weihrauch einräuchern würden - und dann würden die Tauben irgendwann raus fliegen. Und da meinte der evangelische Pfarrer: „Wir machen das viel einfacher, wir fangen die Tauben und konfirmieren die - und dann kommen die nie wieder!“

Ist es denn nicht bei uns mit unseren jungen Menschen genauso? Gut, in die Kirche müssten sie ja nicht unbedingt kommen (obwohl hier einiges ginge), aber nach christlichen „Spielregeln“ ihr Leben gestalten, das sollten sie doch schon?

Wie junge Menschen nun offensichtlich von allein und auch gern in die Kirche kommen, habe ich in Indonesien erlebt, als ich mich an einem Sonntag in Medan auf der Insel Sumatra, wo ich gerade war, einmal umsah, was so in einer katholischen und in einer evangelischen Kirche los war. Bei der evangelischen Kirche kam ich zur Mittagszeit gerade noch dazu, wie die Musikanlage abgebaut und die Kirche von dem Jugendgottesienst davor sauber gemacht wurde – bankweise wurden die Keks- und Süßigkeitsverpackungen und die leeren Getränkekartons weggefegt. Und aus einem anderen Gottesdienst in dieser Kirche für die Erwachsenen wusste ich, wie der Gottesdienst lief: Eine Ansprache des Pfarrers (?) in Zivil und ansonsten Musik, die den Gläubigen offensichtlich gefiel. Bei den jungen Leuten wird das ähnlich gewesen sein, hier eben mit Liedern, die ihnen gefallen und mit entsprechenden Musikern mit Musikanlage - und ohne einen typischen "Paulusideologie-Kult". Mein Eindruck war, das vor allem wichtig war, dass sich die christlichen jungen Leute in diesem islamischen Land treffen und so mit ihresgleichen in Kontakt kommen.

Ich weiß nun nicht, was die evangelischen Pfarrer in Indonesien den jungen Menschen predigen oder möglicherweise "abseits von jeder Religion" erzählen (ich habe mitbekommen, dass die Jugendgottesdienste woanders in Indonesien ähnlich sind), doch auf alle Fälle gibt es die Möglichkeit, ihnen auch ein ethisches Konzept gegen den Missbrauch nahe zu bringen, wie es im Sinn unserer Religion ist.

Das Problem bei diesem Thema ist wohl allgemein, dass die Prediger und andere Theologen bisher als einziges Konzept gegen solchen Missbrauch seit jeher nur fromme Sprüche und eine leibfeindliche Erziehung zur Scham und die Drohung mit einer „Bestrafung in einer ewigen Verdammnis“ im Kopf haben. Doch merken sie schon, dass sie damit nicht so recht bei den jungen Menschen ankommen, und so machen sie bei diesem Thema zumeist gar nichts mehr und "lassen alles laufen". Leider kommen sie dabei gar nicht auf die Idee, die ausgetretenen Pfade der Moralpädagogik einmal zu verlassen und sich zu fragen, ob es nicht auch anders und effektiver ginge. Denn dann würden sie sehen, dass die jungen Menschen auch und gerade in Fragen der Sexualmoral von Natur aus eigentlich sehr gutwillig sind und hier vieles nur machen, weil sie es einfach nicht besser wissen und weil sie vor allem keine Alternaative kennen. Wie schön wäre es also, wenn die jungen Leute erkennen würden, dass eine hohe Sexualmoral der Liebe ohne Missbrauch auch viel wirkungsvoller zu erreichen ist, nämlich mit einem Konzept der Informiertheit und der Pfiffigkeit. Vermutlich entspricht das dann auch dem Anliegen des wirklichen, also des historischen Jesus, von dem wir bisher nur wissen, dass er nicht so war, wie das Neue Testament und die Bibel ihn lehren (was auch Theologen zugeben, denen klar ist, dass der Glaube der frühen Kirche, den wir bis heute pflegen, nicht dem wirklichen Jesus entspricht).  Doch eines ist ziemlich sicher, Jesus war "gegen die Sünde, gegen die Heuchler und für die Liebe", er hatte also etwas "mit dieser Thematik" zu tun!

Warum also nicht einmal den jungen Menschen ein alternatives Konzept gegen die falsche Moral der Leibfeindlichkeit , die ihnen im Sexualkundeunterricht in der Schule, in dem Jugendmagazin "Bravo" (heute vor allem "online"), im Gespräch mit Kameraden und bisweilen auch von den Müttern eingeredet wird, und für eine echte Moral der hohen Liebe vorlegen? Siehe hierzu auch unter Erstkommunion, wie so etwas in der Praxis ablaufen könnte. Ich weiß nun nicht, ob es mit den etwas älteren jungen Menschen, die kurz vor oder schon in der Pubertät sind, auch so funktioniert, doch bin ich mir ziemlich sicher, dass es funktioniert, wenn es nur gut gemacht wird. Auf alle Fälle habe ich bei Gesprächen mit Mädchen unterschiedlichster Volkszugehörigkeit und Religion, denen ich von meinem Konzept erzählte, beste Erfahrungen, nachdem ich erst einmal Mut unter dem Aspekt gefasst hatte, dass wir uns sowieso nie wiedersehen. Warum sollte ich also nicht so offen wie möglich sein? Ich denke hier an die norddeutsche Abiturientin, die ich in Lima traf (s. S. 25 im Text "Jesusideologie"), an eine moslemische Studentin in Meknes in Marokko (sie trug auch noch einen Hijab, also diese Verschleierung von Kopf und Hals - außer dem Gesicht) und an eine junge Bedienung in einer kleinen Pension auf Bali. Ich war überrascht, wie sie alle sich offensichtlich gerne mir mir über das Thema unterhalten wollten, nachdem ich damit begonnen hatte, was mein Beruf einmal war und wie gerade ausländische und nichtchristliche Mädchen meine  interessiertesten Schülerinnen waren. Bei allen Dreien hatte ich übrigens den Eindruck, dass sie noch keine "Männererfahrungen" hatten. Und für mich war offensichtlich, dass ich etwas ganz Tiefes in ihren Seelen angerührt hatte: Freude an unschuldiger Nacktheit bei gleichzeitiger hoher Moral. Warum daraus also nicht ein Firmungskonzept machen? Es könnte sogar sein, dass es besser als erwartet funktioniert nach der Devise - je verrückter desto aussichtsreicher. Und wenn das gut läuft, dann dürfte das auch woanders Schule machen!

Auf alle Fälle sollte man ein solches Konzept den jungen Menschen vorstellen und mit ihnen darüber diskutieren.
(Wörterbuch von basisreligion)