JUGENDWEIHE (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

JUGENDWEIHE ist die seit Mitte des 19. Jahrhunderts veranstalte kultisch-weltanschauliche Feier besonders bei Freimaurern, Freidenkern und Freireligiösen als Initiationsritus für junge Leute.

In der Nazizeit zwar verboten....

Die alte Jugendweihe wurde zwar offiziell zu Beginn der Nazizeit verboten, doch sehr bald ersetzte man sie durch eine neue. Dazu ein Zitat aus der Website http://www.akens.org/akens/texte/info/26/41.html  Matthias Paustian: "Die Nationalpolitische Erziehungsanstalt Plön 1933-1945" zitiert (S. 60ff):

"Im Gegensatz dazu wurden die Jungmannen bei der Jugendweihe durch die Erzieher direkt beeinflusst. Es gab nämlich vorher eine strenge Schulung, bei deren abschließender Prüfung man offenbar auch durchfallen konnte. [285] Es ist eine Abschrift der Schulungsvorträge anlässlich der Jugendweihe vom 28. Mai 1943 erhalten. Zunächst wird der allgemeine christliche Glaube als widersprüchlich dargestellt und Gott als "alter Mann im Himmel" ins Lächerliche gezogen. Diesen angeblich menschlich erdachten jüdischen Gott lehnt der Erzieher ab: "Denn er ist ja vom Menschengehirn künstlich ausgedacht! [...] Der Gott [...] ist der falsche Gott der Juden gewesen. Er ist nicht der wahre Gott." Das neue Gottesbild stellte Gott als den "unbestimmten Urgrund" dar, der sich in der Natur zeige. Dazu werden germanische Zeichen wie das Radkreuz oder der Urd-Bogen eingeführt und erklärt, u.a. indem das Tor aus dem Goldmarie-Märchen als Urd-Bogen dargestellt wird. Diese Religionsvorstellung bekommt mystische Züge, wenn von Zwiesprache mit den "toten Ahnen und Kameraden" die Rede ist.

An dem gesamten Vortrag fällt auf, dass immer wieder Fragen der Religion und der Weltanschauung vermischt werden und dass die Religion letztlich die Weltanschauung begründen soll. So wird einmal behauptet, Gott wolle, dass jeder nach seiner Art lebe. Daraus wird dann abgeleitet, dass die Rassen sich angeblich nicht vermischen dürfen: "So wird Gott der Herr, ein Volk verwerfen, das [...] sich mit fremden Rassen vermengt." [286] Die Rassenideologie wird also indirekt als Gebot Gottes dargestellt. Weiterhin wird behauptet, die meisten Kirchen und Staaten wollen den "Menschheitsbrei" und somit das "Abbild des Teufels" schaffen, über das dann "der Jude" regieren werde. Um diese Frage werde letztlich der Zweite Weltkrieg geführt, der die Erfüllung des göttlichen Willens sei: "So kämpfen wir [...] für den Willen Gottes gegen die, die die göttliche Ordnung zerstört haben und überall ausrotten möchten. Das aber ist der Jude, der Teufel dieser Welt." [287] Auch die Unterordnung des eigenen Lebens unter das "Wohl des Volkes", hinter dem letztlich der Führer stand, wird als gottgewollt dargestellt. "Es ist Gottesdienst, wenn wir unser Ich bezwingen und unser Leben der Gemeinschaft des Volkes weihen." [288]

Adolf Hitler wird in die Nähe Gottes gestellt, und ihm werden übersinnlichen Fähigkeiten zugesprochen: "Ein großer, mit Gott und Natur verbundener Mensch sieht so klar in sein Inneres, daß er den eigenen Schicksalsweg aufgezeichnet sieht. Es ist immer das Zeichen besonders gottbegnadeter Menschen, und ich glaube, daß der Führer wie kein anderer die Gabe hat, im Politischen kommende Dinge vorauszusehen." [289] Die wesentlichen Elemente der nationalsozialistischen Ideologie - nämlich Rassenideologie, der Krieg und das Führerprinzip - werden hier so mit der Religion verknüpft, als wären sie von Gott bestimmt. Sie bekommen den Charakter göttlicher Gebote. Der gesamte Vortrag argumentiert immer wieder mit Vergleichen aus der Natur ("Und die Rose will keine Rübe werden") und aus dem Germanentum, was 14jährige noch beeindruckt haben kann, heute allerdings schon auf den ersten Blick zweifellos absurd wirkt.

Als Ausdruck dieses neuen Religionsgefühls wurden die Sonnenwendfeiern abgehalten, sogar das Weihnachtslied "Stille Nacht" dichteten die Schüler 1939 um, so daß nun "Erde schläft, Lebenskraft in ein weißes Schweigen gehüllt, bis sich ewiger Wechsel erfüllt. Sonnenwendzeit, Weihnacht ist da" zu hören war. [290] Im Gegensatz zu dieser eindeutigen Abkehr vom Christentum steht der Bericht eines ehemaligen Schülers: Ein Lehrer einer anderen NPEA, die aus dem Osten nach Plön evakuiert wurde, wollte im Deutschunterricht in Plön die Bibel mit dem nationalsozialistischem Katechismus widerlegen. Dieser Schüler hat sich nach eigenen Angaben beim Anstaltsleiter darüber beschwert. Daraufhin sei der fremde Lehrer durch Brunk unter großem Risiko abgelöst worden. [291]

Die Jugendweihe war verbunden mit der Übergabe des Seitengewehrs, die allerdings schon früher, nämlich in der sechsten Klasse, stattfand. Das Seitengewehr war ein an einer Kette zu tragendes Messer, auf dessen Klinge der Spruch Mehr sein als scheinen stand. Bei der Verleihung sprach Anstaltsleiter Brunk nach 1934 immer folgende Formel: "Nur der Tod und Eure Untreue kann Eure Verpflichtung lösen. Haltet Euren Leib und Eure Seele so rein wie diesen Stahl und werdet so hart wie der Stahl Eurer Ehrenwaffe." Bei der Zeremonie sprachen die Jungmannen gemeinsam das Gelöbnis: "Ich gelobe Treue und Gefolgschaft meinem Führer Adolf Hitler", danach traten sie einzeln an die Fahne, die sie mit der rechten Hand erfaßten. Mit der linken Hand griffen sie an die Klinge des Seitengewehrs des Anstaltsleiters und sprachen: "Ich gelobe es." Dann erhielten sie ihr eigenes Seitengewehr. Auf einige Schüler machte das einen solch starken Eindruck, daß sie eine Beschreibung ihrer Seitengewehrverleihung mit folgenden Worten beendeten: "Wir grüßten den Führer in heißem Dankgefühl für seine wunderbare Errettung und marschierten zum Schloß, die Jungmannen vom Zuge II, 2 gleich hinter der Fahne." [292]

Als konkretes Beispiel sei die Feier des Jahres 1942 beschrieben. Die Jungmannen und einige Geschwister traten auf dem Karreehof an und entzündeten an einer sogenannten Opferschale ihre Fackeln. Zusammen mit der gesamten Anstalt und den Verwandten bildeten sie einen Kreis. Ein Fahnenträger sprach dieses Gedicht: "In unseren Fahnen lodert Gott, / Drum wir sie heilig nennen. / Drum gegen Lug und Trug und Spott / Zum Sturm wir anrennen. / Und wer da fällt, der stirbt für Gott, / Zu dem wir uns bekennen." Danach sprachen alle das Gelöbnis "Die Erde ist alt", in dem die Erde als Teil Gottes und die Kraft der Erde als Gott bezeichnet wurde. Nachdem den Jungmannen der Leitspruch: Unser Glaube heißt Deutschland bekanntgegeben wurde, überreichte der Anstaltsleiter ihnen das Buch Gott und Volk. [293]

Aus der Verleihung des Seitengewehrs und aus der Jugendweihe wird ersichtlich, wie die Jungmannen durch Spruchformeln, Rituale und Kultgegenstände wie das Seitengewehr - über das ein ehemaliger Schüler sagt, es wurde nur im Verborgenen geputzt - gefühlsmäßig und irrational an den "Führer" und das "Vaterland" gebunden wurden. Wieder einmal vermischten sich Religion und Ideologie; auf diese Weise sollten die Jungmannen verführt werden, an die sogenannte "gerechte, heilige Sache" zu glauben.

Auf den vielen Feiern und Kundgebungen wie der Horst-Wessel-Feier, der Heldengedenkfeier oder dem Führergeburtstag konnte die nationalsozialistische Ideologie besonders beeindruckend vermittelt werden, zumal die Feiern häufig nachts abgehalten wurden. Eine Mitternachtsfeier am Heldengedenktag arbeitete beispielsweise mit Fackeln, Glocken, gedämpftem Orgelspiel aus der Kapelle und Vorträgen, u.a. von Stefan Georges An die Toten. Auf einer Bühne wurde sogar der Schlußteil des Schauspiels Annaberg nachts bei Scheinwerferlicht aufgeführt.

Und dazu gab es noch einen Nachhall nach 1945 in der Bundesrepublik, siehe etwa die Website http://home.snafu.de/bifff/Barnett.htm zur MdB Doris Barnett.

Und seit 1945 in der DDR staatlich gelenkte antichristliche und antikirchliche Feier.

Nach Unterweisung in Jugendstunden gab es eine Weihe für den totalitären Staat und seine atheistisch-materialistische Weltanschauung. Bezug und Grundlagen war zumindest zunächst das Buch Weltall-Erde-Mensch. Inwieweit das ganze unter dem Gesichtspunkt der Manipulation junger Menschen stand, kann ich als Westdeutscher nicht ermessen. Einerseits war ganz gewiss auch dabei sehr oft eine gehörige Portion Idealismus bei allen Beteiligten, und andererseits sind ja auch unsere kirchlichen Initiationsriten keinesfalls frei von Manipulation. 

Heute ein Initiationsritus als Ersatz für Konfirmation und Firmung.

Das Folgende zur heutigen Situation ist zitiert aus der Website http://home.t-online.de/home/ato-stat/stjuweit.htm: "Auch im zehnten Jahr des Mauerfalls ist die Jugendweihe bei ostdeutschen Jugendlichen und ihren Eltern beliebt. Nach Angaben der "Interessenvereinigung für humanistische Jugendarbeit und Jugendweihe", die der größte Anbieter in den neuen Bundesländern ist und auf Erfahrungen aus der DDR-Zeit zurückblicken kann, nehmen mehr als 60 Prozent aller ostdeutschen Schüler an dem "Übergangsritual" mit der über 150jährigen Tradition teil. Gering dagegen ist nach wie vor die Beteiligung an der Konfirmation: Nur rund zehn Prozent der 13- bis 14jährigen Schüler entscheiden sich dafür. (Quelle: epd Top News, 17.1.1999)


Auch 1998 findet die Jugendweihe in den neuen Bundesländern wieder regen Zuspruch. Die Zeitung Die Welt meint dazu:

Jeder zweite Jugendliche in den neuen Bundesländern hat sich in diesem Jahr für die Jugendweihe entschieden. Im Jahre neun nach Deutschlands Wiedervereinigung. Welche atheistische Größe wächst da heran? Nicht nur ein Schock, schon eine Blamage für die Kirchen. Geht denn von ihnen gar keine Strahlkraft mehr aus?
Die Welt; nach: idea spektrum 11/1998, S.7.


Die Jugendweihe ist in Ostdeutschland fast so stark frequentiert wie in der DDR-Epoche. Bei deutlich mehr als 100.000 Anmeldungen nehmen dort rund 60% der 14jährigen Jugendlichen an der traditionsreichen Feier teil, die seit 1859 von freireligiösen Gemeinden als Alternative zur Konfirmation angeboten wird.

Inzwischen wird die Jugendweihe auch in Hamburg und Schleswig-Holstein wegen der Zuzüge aus Ostdeutschland und der dadurch entfachten "regen Diskussion" immer beliebter. In Kiel nehmen heuer über 500 Jugendliche an der Feier teil.

In Sachsen, wo heuer 34.000 Anmeldungen registriert wurden (gegenüber knapp 10.000 Konfirmationen), kämpft der Jugendweiheverband seit sechs Jahren vergeblich um die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe, was staatliche Fördermittel und die Befreiung von der Umsatzsteuer mit sich brächte; für Einzelprojekte erhielt der Verband 1996 jedoch 126.000 DM. Die CDU-Regierung argumentiert, die Mitgliedschaft im Jugendweiheverband sei auf ein Jahr beschränkt, außerdem fehle die Selbstorganisation durch die Jugendlichen. Der Verband verweist auf die streng christliche Ausrichtung des Sozialministers Hans Geisler, der die Abneigung gegen die alte DDR-Jugendweihe auf die jetzige übertrage. Auch die sächsische Landeskirche gestand zwar zu, dass sich die Jugendweihe seit 1990 geändert habe, doch sei deren Charakter seit jeher antikirchlich. Ein Kirchenfunktionär führte den Erfolg der Jugendweihe auch auf "zuviel Unehrlichkeit und Heuchelei" bei den Konfirmationsfeiern zurück, die zwar den Anspruch hochhielten, die "Aufnahme in die Kirchengemeinde" darzustellen. In Wirklichkeit seien sie aber meist die "Verabschiedung von der Kirchengemeinde". (Frankfurter Rundschau, 5.4.97; Frankfurter Allgemeine, 10.4. u. 8.7.97)
Aus: Internationale Rundschau (2447), MIZ 3/97. Text leicht umgestellt.

Heißt "antikirchlich" auch wirklich "gegen das Anliegen des wirklichen Jesus"?

Meine Ostberliner Freunde drängen mich schon seit längerem, mich mit Jugendweihe-Organisationen in Verbindung zu setzen. Denn ich sähe doch, wie die christlichen Kirchen an einer moralischen Haltung und wirklichen Emanzipation der jungen Menschen überhaupt kein Interesse hätten, denen gehe es doch nur um ihren Glauben an Irrationales und um ihre Kirchendisziplin. Schließlich hätte man mir ja die Lehrerlaubnis entzogen (siehe Missio), und dem entsprechenden Bischof könne ja nicht verborgen sein, um was es mir geht. Deutlicher kann man es ja wohl nicht sagen, daß zwischenmenschliche Ethik in der Kirche nicht interessiert. Und die Kirche würde ich mit Sicherheit nicht umkrempeln können, die Zuständigen dort steckten ganz offensichtlich zu tief in einer dekadenten Tradition und wollten oder könnten einfach nicht - und der wirkliche Jesus ist denen doch schon längst völlig egal.

Bei den Jugendweihezuständigen mag es vielleicht manche geben, die mit christlichen Ideen ganz grundsätzlich nichts zu tun haben wollten, doch die meisten seien da gewiss gar nicht so abgeneigt. Gerade da gäbe es ja viel Idealismus. Und das Anliegen des wirklichen Jesus, so wie ich es darstelle, sei doch genau das, was die jungen Menschen brauchen, auch die Eltern würden das befürworten - und es ist gewiss einfacher, bei der Jugendweihe sich auf den wirklichen Jesus zu beziehen als beim kirchlichen Religionsunterricht, da gehe es doch längst nur noch um eine weltferne Priesterreligion. Und nicht zuletzt sei ich ja auch objektiv und könnte mich rühmen, philosophische Gedankengänge, die in der DDR entwickelt oder zumindest ausgebaut worden seien, aufgegriffen und in ein modernes und überzeugendes pädagogisches Konzept für junge Leute eingebaut zu haben -  siehe Spieltheorie, Kybernetik, Strategie. Wird in der Website basisreligion nicht das Anliegen des DDR-Philosophen Georg Klaus (1912-1974) im Hinblick auf eine Bewusstmachung der jungen Menschen im Hinblick auf das Gelingen des eigenen Lebens hervorragend umgesetzt, was zu DDR-Zeiten so gar nicht möglich war, da dort ja die Gesellschaft im Vordergrund stand und nicht das Individuum? Was Klaus für junge Menschen damals forderte, heute ist solche Bewusstmachung möglich: "Mit Ausnahme der Militärs, für die es seit eh und je selbstverständlich ist, benutzt die Mehrzahl der Menschen bei Auseinandersetzungen, Konflikten usw. kaum bewusst den Strategiebegriff. Intuition und strategischer Opportunismus (d.h. Befolgen einer Verhaltenslinie, die von Punkt zu Punkt erst völlig neu festgelegt wird, und zwar je nach der Situation, wobei von einem Gesamtplan keine Rede sein kann) herrschen vor. Es wird ein sehr langer Prozess sein, bis die Grundelemente der Spieltheorie zum Allgemeinwissen gehören und an den Oberschulen einen Platz finden. Jeder Mensch, der Anspruch darauf erhebt, ein modernes Weltbild zu besitzen, müsste zumindest die Grundbegriffe kennen und in de Lage sein, bei Konfliktsituationen, denen er gegenübersteht, wenigstens alternative Strategien zu unterscheiden." (Georg Klaus, Spieltheorie in philosophischer Sicht, Berlin 1968, s. 232).

Vermutlich konnte sich Klaus die Umsetzung für eine partnerschaftliche Ethik noch gar nicht vorstellen, doch packen wir´s an! Und wenn ein "Wessi" dazu anstößt, dann hätte er mit Sicherheit gewaltige Pluspunkte! (Immerhin könnte urchristlicher Hintergrund des Sakraments der Firmung durchaus eine solche Ethik gewesen sein und durchaus mit Ansätzen der Spieltheorie, doch wenn die christlichen Kirchen von heute an dieser Tradition kein Interesse haben, müssen ihre Aufgaben eben andere Gruppierungen übernehmen...).

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) Computer-Übersetzung des Buchs HONESTY AND FUN WITH THE MORALITY ins Englische unter English !

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