GESUNDER MENSCHENVERSTAND (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Wir meinen, daß GESUNDER MENSCHENVERSTAND eine ganz einfache Sache ist, man hat ihn oder man hat ihn nicht - und natürlich gehören ausgerechnet immer wir selbst zu denen, die ihn haben! Doch genauso wie bei den Fragen des Gewissens ist alles weitgehend ein Problem der Kultur und der jeweiligen Einstellung eines Menschen!

Was war nicht schon alles einmal "gesunder Menschenverstand" und was ist für andere immer noch "gesunder Menschenverstand"?

Dass man einmal den Grund des Bösen in anderen Menschen sah, dass man deswegen Hexen verfolgte und verbrannte, dass man glaubte, nur durch Folterungen die Wahrheit zu erfahren und dass es eine vernünftige Erziehung nur mit Prügelstrafe gäbe, dass man meinte, dass das Leben ein Ergebnis von Spontanzeugung ist und beim Menschen auf alle Fälle nur aus dem Samen des Mannes stammt und dass die Frau nur "Brutkastenfunktion" hat und daher keine grundsätzliche Beziehung zum neuen Menschen hat (siehe Homunculus-Theorie), dass sich hinter Krankheiten das Wirken des Teufels verbirgt und so weiter, alles das war einfach einmal "gesunder Menschenverstand"!

Wie auf der einen Seite selbst bedeutende Menschen da irrten, mag ein Gedankengang Martin Luthers zeigen, wenn er im Zusammenhang mit den theologischen Begründungen Papst Gregors für das Messelesen für die armen Seelen im Fegefeuer meinte, daß die "fliegenden Lichter", in denen der Papst solche unerlösten und daher ruhelosen Seelen zu sehen glaubte, in Wirklichkeit doch alles nur "Teufel" seien: Das "zeigt an viel Exempel von den Geistern, so erschienen sind, welchen er (als ein gut, fromm, einfältig) Mann glaubet, dazu auch den fliegenden Lichtern und Irrwischen geglaubet hat, als wärens Seelen, welche doch die Heiden vorzeiten nicht für Seelen gehalten, und nun offenbar ist, daß (es) Teufel sind." (Luther, Weimarer "Kritische Gesamtausgabe", Böhlaus Nachfolger/Weimar, 1530 30II 385 2)

Doch es scheint ihn tatsächlich zu geben!

Geradezu rührend ist es dagegen, wenn der Jesuitenpater Friedrich von Spee in seinem berühmten Werk gegen den Hexenwahn "Cautio Criminalis" sich immer wieder auf den "gesunden Menschenverstand" beruft und damit offensichtlich derartige Schwierigkeiten hat, verstanden zu werden, dass das Werk nur anonym und auf lateinisch verlegt wurde. Eigentlich "ist doch uns heute klar", dass Geständnisse, die durch die Folter erreicht werden, erpreßt und daher ziemlich wertlos sind, doch man erzähle das einmal Zeitgenossen, die felsenfest von der Sinnhaftigkeit solcher Methoden überzeugt sind! Uns heute unverständlich ist auch sein damals offensichtlich notwendiger Einsatz gegen das Abscheren der Körperhaare bei Frauen (in der 31. Frage), was dazu dienen sollte, zu verhindern, dass sich unter der Behaarung geheime Zaubermittel verbargen. Auch hier argumentiert Pater Spee durchaus mit dem "gesunden Menschenverstand": "In anderen Orten, wo dieser Gebrauch nicht besteht, rauchen durchaus nicht weniger Scheiterhaufen und die Tortur ist dort auch ohne dieses unflätige Vorspiel nicht weniger wirksam. Ich bin darum durchaus der Meinung, es ist eine Erfindung ausschweifender Wüstlinge, nicht ehrbarer Richter. Hätten diese überhaupt jemals das Scheren für notwendig gehalten, dann hätten sie ihren Beauftragten dazu nur aus dem gleichen Geschlecht gewählt, dem auch die schamhafte Angeklagte angehört..."

Gesunder Menschenverstand hat vor allem auch etwas mit den Spielregeln von Ursache und Wirkung zu tun.

Doch auch hier Vorsicht! Da ist nämlich vieles gar nicht so klar, wie es aussieht! Machen wir uns klar, dass auch bei uns die in jeder Kultur nun einmal übliche Gehirnwäsche mit Sicherheit nicht spurlos vorbeigegangen ist!

Daher besteht auch beim Konzept basisreligion trotz aller Bemühungen um den gesunden Menschenverstand die Schwierigkeit, dass viele Menschen "alles" anders sehen. Ein Beispiel mag die Kontroverse mit Wikipedia, dem freien Internetlexikon, sein. "Die" meinen doch tatsächlich, dass es neutrales Wissen gibt, als ob nicht alles Wissen immer nur eine Auswahl ist, die auch mit der Ethik dessen tun hat, der das Wissen weiter gibt!

Und so wird auch bei der Information über den bedeutenden englischen Humanist Thomas Morus im allgemeinen auf seine Überlegungen zur Ehemoral der Utopier gar nicht eingegangen (siehe Utopia). Denn hier wendet er den gesunden Menschenverstand an, der sowohl damals und nicht erst beim Übergang von Mittelalter zur Neuzeit fehlte - wie auch heute.

Auch wir kennen ja immer noch das Problem mit der Scham, die für wirkliche Moral gar nichts taugt, wir wissen, dass die typischen Don Juans gerade bei schamvollen Menschen so "erfolgreich" sind, und uns ist auch klar, daß Menschen, die einer Gefahr ausweichen sollen, auch über sie Bescheid wissen müssen - und trotzdem tabuisiert die herkömmliche Pädagogik das alles und sieht es anders und denkt gar nicht daran, irgendetwas zu ändern! Daher wird im Konzept basisreligion vorgegangen, indem möglichst alles auf Zusammenhänge zurückgeführt wird, die nun wirklich belegbar und einsichtig sind. Das macht das Konzept natürlich sehr umfangreich und verwirrt vielleicht auch manche Leser - doch wie will man es anders machen? 

Siehe auch Gefühl und Verstand!

Manchmal blockiert auch tatsächlich ein Brett vorm Kopf den gesunden Menschenverstand. Siehe den Beitrag "Einstein und Darwin sind Anfeindungen bildungsresistenter Leute ausgesetzt" in der WELT vom 25. 7. 2005 unter der Url.: http://www.welt.de/data/2005/07/25/750281.html.

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)