FOLTER ist natürlich
sowohl als Strafe als auch als Mittel zur Gewinnung
(oder besser Erpressung) eines Geständnisses in einem
Rechtsstaat streng verboten. Und dieses Verbot ist auch
voll und ganz einsichtig und gilt unter allen Umständen.
Wenn
allerdings in einem Extremfall selbst die Tötung (etwa
eines Geiselnehmers) zur Rettung des Lebens eines
Unschuldigen erlaubt ist, warum nicht dann auch die
Androhung der Tötung?
Im Zusammenhang mit
dem Vergehen des Frankfurter Vize-Polizeichefs, dem
Entführer des Jakob von Metzler die Folter angedroht zu
haben, weil man hoffte, auf diese Weise den Jungen noch
lebend zu retten, findet sich in der WELT vom 24.02.2004
in einem Leserbrief eine interessante Argumentation:
Beweissicherung oder
Gefahrenabwehr? Zu Recht sagt Herr Wiefelspütz, "dass
niemals gefoltert werden dürfe, um Beweise für einen
Strafprozess zu gewinnen". Doch ging es im vorliegenden
Fall sicher nicht um Beweissicherung, sondern um eine
Extremmaßnahme der Gefahrenabwehr: Das wahrscheinlich
noch lebende Opfer sollte gefunden und gerettet werden.
Wenn die Gewaltandrohung der
Beweissicherung zuzuordnen wäre, so träfe diese
Argumentation gleichermaßen den so genannten finalen
Rettungsschuss. Der tötet bekanntlich gezielt den
Geiselnehmer, um das Leben der Geisel zu retten und
nicht zu Beweiszwecken im Strafprozess. Seine
Verhältnismäßigkeit steht außer Zweifel. Wenn die
Polizei als Inhaber des staatlichen Gewaltmonopols bis
hin zur Tötung im Extremfall anerkannt ist, sollte sie
dann zur Lebensrettung absolut keine weitaus geringere
Gewalt als die Tötung auch nur androhen dürfen? Die
augenblickliche Diskussion verwischt die im damaligen
Stadium des Geschehensablaufs nachrangige Funktion des
Polizei im Strafverfahren mit ihrer ersten und
eigentlichen Aufgabe der Lebensrettung und
Gefahrenabwehr.
Dazu basisreligion:
Bravo für diese Argumentation!
Näheres zu dem Fall
etwa unter dem Beitrag in der WELT vom 22. 11. 2004 "Fall Jakob:
Polizisten verweigerten Folterdrohung - Der
frühere Frankfurter Vize-Polizeipräsident Wolfgang
Daschner hat die Bedrohung des Entführers von Jakob
von Metzler gegen den Widerstand seiner führenden
Beamten durchgesetzt" unter der Url
http://www.welt.de/data/2004/11/22/364441.html
Zur Problematik der
Folter durch eine amerikanische Soldatin im Irak im Mai
2004 siehe unter AKTUELLES.
Siehe auch den
Beitrag in der WELT vom 26. November 2004 (hier
teilweise zitiert):
Vom Menschen zum Folterer - Analyse
zahlreicher Studien zeigt, wie sich "Abu Ghraib"
zukünftig verhindern läßt.
In dem
Artikel wird auf das Experiment von Stanley Milgram von 1974 hingewiesen.
Auf Anweisung ihrer "Lehrer" folterten
Versuchsteilnehmer andere Menschen mit vermeintlich
tödlichen, aber nötigen Elektroschocks.
"Gewöhnliche Menschen können ein unglaublich
zerstörerisches Verhalten entwickeln, wenn es von einer
eingesetzten Autorität verlangt wird", erklärt Professorin
Susan Fiske von der Universität in Princeton. "Dabei
führen Untergebene nicht nur Befehle aus, sie handeln auch
im vorauseilenden Gehorsam im Hinblick auf übergeordnete
Ziele." Aus Gehorsam werden Feuerwehrmänner zu Helden,
während andere Männer zu Terroristen werden. Und wie Fiske
in "Science" berichtet, kann fast jeder zum Folterer
werden. Zum Beispiel Studenten, die sich in der Diskussion
von den "Milgram-Tätern" abgrenzten, aber in ähnlichen
Tests ebenso gehorchten. Das Stanford-Gefängnis-Experiment
etwa mußte abgebrochen werden, weil Teilnehmer ihre Macht
als "Wächter" mißbrauchten.
Aufgrund einer Meta-Analyse von 25 000 Studien mit acht
Millionen Freiwilligen, die zeigt wie sich Menschen in
Folterer verwandeln, kommt Fiske mit ihren Kolleginnen
Lasana Harris und Amy Cuddy aber zu dem Schluß, daß sich
Mißhandlungen, wie sie in Abu Ghraib geschehen sind,
vermeiden lassen. Schuld am Folterskandal haben nicht nur
einzelne Soldaten, wie es von Beobachtern und der
Gesellschaft gern dargestellt wird. Aber auch nicht nur
die Autoritäten: Unter dem Einfluß komplexer sozialer
Kräfte - Streß, Krieg, Angst, Provokationen,
Belästigungen, fehlende Ausbildung, fremde Kultur und
Klima - begehen Individuen möglicherweise üble Handlungen.
Dieses menschliche Verhalten müßte besser untersucht
werden, sagt Fiske, um die Bedingungen für Aggressionen zu
verstehen. Interessant sei aber auch, was andere von
Folterungen abhält, obwohl sie dem gleichen Druck
ausgesetzt sind. Das Übel zu erklären, heißt nicht, es zu
entschuldigen und Menschen von der Verantwortung für ihre
Taten zu entbinden, so die Psychologin. Doch wenn man
Vorkommnisse wie in Abu Ghraib verstehe, könnte man
Prinzipien entdecken, mit deren Hilfe sich ähnliche
Grausamkeiten verhindern lassen.
Durch "positive" Kontakte zwischen den Angehörigen
unterschiedlicher Gruppen lassen sich Mißhandlungen
verhindern, ist Fiske überzeugt. Gemeinsames Training von
Soldaten und Zivilisten zum Beispiel oder eine enge
Zusammenarbeit - auch wenn der Krieg eine praktische
Umsetzung nicht leicht mache. Wer mit einem Iraker
befreundet sei, dem würde es schwerer fallen, irakische
Gefangene zu mißhandeln, sagt Fiske. Zugleich macht sie
neben einer besonderen Ausbildung auf die wichtige Rolle
von Vorgesetzten aufmerksam aus der Erfahrung mit
Diskriminierung in Firmen. "Wer die Schuld allein auf ein
"paar schlechte Äpfel" schiebt, verhindert soziale und
kulturelle Veränderungen, die zukünftig vor Mißbrauch
schützen können."
Die vollständige Url. des Artikels finden Sie unter:
http://www.welt.de/data/2004/11/26/365602.html
Und einen
anderen Beitrag "Wir sind, was wir tun - Und was wir
versprechen, niemals zu tun: Jan Philipp Reemtsma plädiert
gegen die Folter" aus der WELT vom 25. Juni 2005 finden
Sie unter der Url.:
http://www.welt.de/data/2005/06/25/736419.html
Zum Thema
"Folter durch Vergewaltigung" siehe unter Vergewaltigung.
(Wörterbuch
von basisreligion und basisdrama)
Computer-Übersetzung des Buchs HONESTY AND FUN
WITH THE MORALITY ins Englische unter !
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